neuen Reichen hin offen liegt? Wenn her Nebel sich verzieht und eme Bergspitze nach der anderen, immer ferner und ferner, auf denen noch nie ein Menschenauge geruht hat, auftaucht, und ganz hinten am Horizont ferne Gipfel über dem Meeresrande sich auf» türmen, am Himmel über ihnen der gelblichweifee Widerschein der Firnfelder   wo der Gedanle neue Kontinente aufbaut!--- Schon sei den Reisen der alten Nordmänner haben die Eis- meerfahrten der Menschheit allerdings auch materielle Werte ge- fchenft, wie reiche Fischgebiete, Wal  . und Robbenfang und anderes; ie haben wissenschaftliche Werte durch das Kennenlernen unbe- kannter Gegenden und Verhältnisse gegeben. Aber sie haben uns noch sehr viel mehr eingebracht; sie haben den menschlichen Willen zur Ueberwindung von Schwierigkeiten gestählt; sie sind in der Schlaffheit wechselnder Zeiten eine Schule der Männlichkeit und der Selbstüberwindung gewesen und haben der aufwachsenden Generation männliche Ideale vorgehalten; sie haben der Phantasie Nahrung gegeben, dem Kind das Märchen geschenkt und die Ge- danken der Erwachsenen über die Mühen des Alltagslebens hinaus- gehoben. Wird unsere Geschichte nicht ärmer, wenn wir ihr die arktischen Reisen nehmen? Vielleicht haben sie darin der Mensch- Heit das Größte gegeben. Wir sprechen von der ersten Entdeckung des Nordens, wann der erste Mensch die nördlichsten Regionen der Erde erreichte; was wissen wir aber davon? Wir kennen ja nur die allerletzten Schritte der Wanderungen der Menschen auf der Erde. Welche Spanne von Zehntausenden von Jahren liegt zwischen dem Zeitalter des Neandertalmcnfchen in Europa   und den ersten Pelasgern, Iberern oder Kelten, denen wir dort in der Steinzeit, in der frühesten Dämmerung der Geschichte begegnen! Wie verschwindend kurz er- scheint, damit verglichen, die ganze spätere Zeit, die wir die ge- schichtliche nennen. Was in jenem langen ersten Zeitraum geschah, ist uns noch ein Geheimnis. Wir wissen nur, daß Eiszeit auf Eiszeit folgte und Nordeuropa  , teilweise auch Asien   und Nordamerika  , mit mäch- tigen Gletschern bedeckte, die in diesen Gegenden alle Spuren der ersten menschlichen Ansiedelung verwischt haben. Dazwischen wärmere Perioden, in denen die Menschen wieder nordwärts vor- drangen, um von neuem durch die nächste Eisdecke vertrieben zu iverden. Gar vieles läßt darauf schließen, daß die Wanderung des Menschen gen Norden bald nach der letzten Eiszeit erfolgte, jeden- falls in ausgedehnter Gebieten Europas  , nachdem der Rand des Inlandeises langsam nach dem Innern Skandinaviens   zurück- gewichen war, wo die Eisdecke am längsten Bestand hatte. Aus dem Urzustand als die Menschen in den Wäldern und auf den Ebenen der warmen Zonen umherstreiften und von dem, was sie gerade fanden, lebten entwickelten sich in den ersten Anfängen mit langsamen Schritten frei umherstreifende Fänger und Jäger einerseits und ackerbauende, ansässigere Völker anderer- seits. Der Nomade mit seinen Herden bildet erst eine spätere Kulturstufe. Die Jägerkultur war notwendig zum ersten Vordringen auch in die nördlichsten, weniger günstigen Regionen der Erde und zum Ansässigtocrden in diesen Ländern. Die nördlichen Länder mögen daher zuerst von den umherstreifenden Fängern gefunden worden sein, die auf der Suche nach neuen Fanggebieten längs der Flüsse und Meeresufer vordrangen. Ein spähendes Jägerauge war es, das zuerst einen Strand und die vielen Inseln in der hellen, träumerischen Sommernacht sah und über das schwarze, düstere Nordmeer hinschaute. Und der weitgewanderte Weidmann schlief im Schneehaufen ein. während die Zauberstrahlen des Nordlichts über ihn flammten, über dem ersten Opfer der eisernen Faust der Polarnacht! Viel später kamen der Nomade und der Ackerbauer und sie- delten sich auf der Spur des Jägers an. Das geschah Jahrtausende vor jeder geschriebenen Geschichte. und von diesen ersten Landnahmen wissen wir nur das, was uns die Reste erzählen können, die wir gelegentlich in der Erde finden; sie sind sehr spärlich und sehr unzuverlässig. Erst weit später, im vollen Tageslicht der Weltgeschichte, ziehen Männer mit der bewußten Absicht aus, das Unbekannte um seiner selbst willen zu erforschen. Jene alten Fänger lockten wohl neue Jagdfelder und mögliche Beute dorthin, aber auch sie hat, bewußt oder unbewußt, die Lust an Abenteuern, die Sehnsucht nach dem Unbekannten, dazu getrieben: so tief in der Menschern- sccle liegt diese göttliche Macht, die vielleicht die Triebfeder der größten aller unserer Taten ist. In allen Gegenden und zu allen Zeiten hat sie den Menschen auf der Bahn der Entwickelung vor- wärtsgetrieben, und solange das Ohr des Menschen die Wogen über die Meerestiese rauschen hört, solange das Menschenauge dem Spiele des Nordlichts über stillen Schneelöndcrn folgt, und so- lange der menschliche Gedanke ferne Himmelskörper in dem end- losen Räume sucht: so lange wird auch das Märchen des Unbe- kannten den menschlichen Geist führen, vorwärts und aufwärts. Die Juryfreien. (Ausstellung, Potsdamer Str. 8g.) Man kann es verstehen, daß die Künstler gegen die Jury, die ihnen da? Susstellungslokal bald öffnet, bald verschließt, nicht immer Berantw. Redakteur: Richard Barth  . Berlin. Druck u. Verlag: gut zu sprechen sind. Dann eben sind sie eS nicht, wenn das Oel« bild wohl verpackt zurückkommt. Warum wurde eS nicht an- genominen? Ach, die Halunken, sie fürchten mein Talent, sie wollen mich unterdrücken! Zuweilen wollen sie das in der Tat. Freilich, ob solch harter Spruch gerade für die Gegenwart gilt, läßt sich be» zweifeln. Man ist im allgemeinen etwas vorsichtiger geworden beim Totschlagen. Selbst die offiziös infizierten Herren der Moabiter  Gefilde haben gelernt, daß es Dinge gibt, die ein Dummkopf be- lächeln kann, und die doch Werte sind. Alles in allem die Künstler, auch die wildesten Keulenschwinger'und Feuerbrände, haben heule eine gewisse Aussicht, sich der OeffenUichkeit zu zeigen, ganz einerlei, ob sie die Perücken der Akademie wackeln machen. Es wäre darum kaum möglich, die Notwendigkeit einer jury- freien Ausstellung aus dem Widerstand der Alten gegen die Kommenden zu erweisen. Das war auch nie die Meinung der Herren, die für Berlin   eine juryfreie Ausstellung verlangten. Sie wollten nur eine unbehinderte Marktgelegenheit. Sie be« haupten gar nicht, daß unter den Malern, die nun auf der ersten, glücklich zusammengekommenen Juryfreien zu sehen sind, unerhörte Begabungen und bislang Unterdrückre sich finden. Wohl aber wird gesagt, daß auch umgekehrt die meisten der hier hängenden Bilder sehr wohl auf der einen oder der anderen der bisher in Berlin   re- gierenden Ausstellungen hätten gezeigt werden können. Und das stimmt. Das Niveau eines großen Teiles der hier auf offenem Markt angebotenen Bilder entspricht durchaus den Durchschnitts- leistungen, wie wir sie auch sonst zu sehen gewohnt sind. Daneben gibr es selbstverständlich eine ganze Menge des Unzulänglichen; andererseits fehlt eS aber auch nicht an Arbeiten, die einen höheren Respekt verlangen. Wobei bemerkt sein will, daß die Hänge- kommission recht klug dem barmlosen Besucher diese drei Pro» vinzen des Unzulänglichen, des Alltäglichen und des Beachtenswerten dcuilich gemacht Hai Es hat also auch die Juryfreie ihre Jury gefunden. Es ergibt sich eine Merkwürdigkeit: ein großer Teil der Bilder, die einem gefallen, wurde von Damen gemalt. So treffen wir in Saal XIV das Porträt eines Herrn in weißer Sportbluse auf einem Hintergrund von hellgrünem Laub(333); ganz flott gemacht. Wir sehen(708) ein Stilleben, gelbe und rote Azaleen aus einem schwarzen Tisch, kräftig in ihrer Buntheit. In Saal XV hängt ein recht talentvolles Damenbildnis, weich und tonig gemalt(121). Man denkt ein wenig an Leibi und überhaupt an gute Malerei, wie man sie schon oft geiehen. Die Autorin dieses Bildchens heißt C a s p e r; ihr Mann hat in Berlin   einen Kunstsalon, in dem nur ausgezeichnete und stille Malereien zum Verkauf kommen. Das erklärt vieles; das kann als lypiich betrachtet werden. Die Damen, die hier gut be» stehen, haben zumeist viel Gelegenheit gehabt, gute Kunst anschauen zu können. Sie sind zu Gast gewesen in Paris   oder sonstwo an Orlen, da man das Malhandwerk versteht. Diese Damen, und das will beachtet sein, gehören sicherlich nicht zu dem, was man Malerproletariat zu nennen pflegt. Eher dürste das Gegenteil der Fall sein. Es fragt sich, ob den Malern, die ihrer Berufsarbeit Abnehmer suchen, das Hervortreten dieser auf einen ständigen Verdienst weniger angewiesenen Damen besonders sympathisch sein und bleiben wird. Indessen, daS sind schließlich nicht unsere Sorgen; wir können nur, unbekümmert um irgendwelche Konsequenzen, feststellen, daß tatsäch- lich die Malweiber auf der Juryfreien ganz redliche Stücke zu hängen haben. In Saal Vill(62t) zeigt Emmi Pick ein Straßenbild ans der Gegend des Berliner   Domes, lebendig und überzeugend in dem Aufbau aus einzelnen Pinselstrichen. Daneben(92S) hängt die Srbilderung eines alten Mannes, die zwar stark an Gotthard Kühl erinnert, die aber doch beweist, daß die Dame Winterfeld einen Pinsel richtig anzufassen vermag. Und so fort: man sieht bald Uhde. bald Münzer, bald diesen oder jenen Franzosen; aber man sieht doch zugleich ein ganz leidliches Verständnis für das, worauf es dem Borbild ankam. Man sieht zarte Paraphrasen, friedliche Variationen der Probleme und Themen, um die der Kampf der Geister gehl Zu solcher Art gehört ganz gewiß Agnes v. B ü l o w, die den Pissarro liebevoll studierte; oder: Sophie Wolff  , die sich durch Cezanne   leiten läßt. Damit die Männer aber mich nicht der unheilbaren Galanterie beschuldigen, sei festgestellt, daß auch einige Maler recht gute Stücke eingesandt haben. Sehr lustig sind die dekorativen Bilder von Ludwig K a i n e r; die stumpfen, matt gebrochenen Farben stehen in pikantem Kontrast zu der Buntheit der Motive. Ein ganz frecher Kerl ist Hanns Bolz  , ein Münchener, der sich in Paris   austobte. Eine Rausch impreffion vom Montmartre(77) ist in der Verrenktheit ihres Baues und in den grellen Pfiffen ihrer Farbgebung gar nicht so übel. N o l d e, Ta pp e rt und Me lz er zeigen stark gewollte und ost gut gelungene Arbeiten, deren Art uns freilich durch die Ausstellung der Neuen Sezession, der diese Künstler angehören, schon wohlbekannt ist. Von den wenigen Plastiken, die auf der Ausstellung zu sehen sind, gilt aufs Haar das, was von den Bildern der Dainen getagt wurde: man sieht Minne, Barlach  , Rodin  . Es bleibt aber jeden- falls für die Psychologie der Frauen bemerkenswert, daß die weib- liebe Tonkneterin wirklich zu empfinden scheint, was das Eigentlich- Plastische ist. B. Br, vorwärtsBuchdcuckerei u.Verlagsanstalt Paul singeräiEo., Berlin   S W.