nmnnsthols eigenen freimütigen trotten, die er vor ein paar Jabren in einem Essay ausgesprochen hat, sein künstlerisches Ziel und Credo. Ein Dichter, der sich zur Engherzigkeit bekennt, ist zweifellos ein Original. Im allgemeinen setzt man bei Poeten gegenteilige Dis- Positionen voraus. Goethes'Herz war bekanntlich io weil, daß er sich nie außerhalb seiner selbst zu suchen brauchte, sondern alle äußeren Erscheinungen in sein Inneres projizieren konnte. Und in unseren Tagen haben Dehmel, Verhaeren und Whitman, nachdem. sie ihre Herzen für-den umgebenden Zeitgeist, geweitet halten, auch noch ein gut Teil der großen Phänomene des Weltalls in sie aufzunehmen vermocht. Während sie alle bestrebt waren und find, ihr Ich mit der Welt aufs innigste zu verschmelzen, kennt Hofmannsthal   gleich seinem Gegenpart Stefan George   nichts Wichtigeres, als die Beziehungen zwischen Mensch und Natur zu lockern und zu lösen. Trotzdem wäre es ungerecht, ihn, wie es öfter geschehen ist, einen kalten Aeslhelen zu nennen, der eine Erscheinung gar nickt mehr als Sinnbild. sondern bloß noch als weienlofes Spiegelbild und finnloses Spiel betrachte. Gewiß: ein Spiel ist sie ihm und ein vergebliches und hoffnungsloses obendrein, aber kein sinnloses. Im Gegenteil: jedes Bild, das er formt, ist ein Symbol seines Lebcnsgefübls. Denn ein Lebensgefühl hat er nock, wenn auch ein negatives, nihilistisches. Das Lebensgesühl des im Ueberfluß Lebenden etwa, der feinsühlig genug ist, um die Schalheit und Nichtigkeit seiner Besitzwerte zu empfinden und doch Physiich allzu verstrickt mit ihnen, als daß er sich zu anderen losringen könnte. Das resigniert- schwermütige Lebensgefühl: wie eitel und unwahr ist doch dies alles, aber wie hänge ich daran I Immer wieder tönt uns diese eine Melodie aus ollen seinen Dichtungen entgegen.Eine gewisie Bewegung, mit der du von einem hohen Wagen abspringst; eine schwüle,' sternlose Sommernacht: der Geruch feuchter Steine in einer Hausflur; das Gefühl eisigen Wassers, das aus einem Laufbrunnen über deine Hände sprüht: an ein paar solche Erdendinge ist dein ganzer innerer Wert geknüpft, all' deine Auf- schwänge, all' deine Sehnsucht, all' deine Trunkenheiten. Mehr als geknüpft, mit den Wurzeln ihres Lebens festgewachien daran, daß schnittest du sie mit dem Mefler von diesem Grunde ab sie in sich zusammenschrumpften und dir zwischen denHänden zunichts vergingen", dieser Gedankengang, den der Dichter in dem bereits erwähnten Eflay niederlegte, ist der ewige Kehrreim aller seiner Verse. Aber es ist wundervoll, wieviel starke, suggestive, tief in die Seele eindringende Töne, wieviel tausenderlei leise und zarte Nuancen er findet, um diese einzige Melodie, über die er verfügt, zu variieren. Sowohl in seinen rein lyrischen Gedichten, wie in seinen sogenannten Dramen, die ich freilich lieber als Melo- dramen bezeichnen möchte. Denn immer wird in ihnen eine dürftige Handlung von einer reichen Musik überwuchert. Wegen dieser Eigenschaft und wegen der loohl durch einen Mangel an Weltanschauung bedingten Unfähigkeit deS Dichters, Charaktere zu zeichnen, wirken denn auch Hofmannstbals große Bühnenwerke wieEleltra" oderOedipus und die Sphinx" auf der Bühne recht unleidlich. Anders die kleinen Dramen, von denen besondersDer Tor und der Tod  ",Die Frau im Fenster" undDer Tod des Tizian" trotz ihrer dramatischen Blutleere eine künstlerische Bühnen- Wirkung zu erzielen vermögen. Die Sujets dieser kleinen Dramen werden ohnehin und von vorherein von jedem Zuschauer so intensiv als Schicksal empfunden, daß sie unmittelbar, ohne dramatische Motivie­rung und Vorbereitung durch eine bloße lyrische StimnuingSauslösung über eine kurze Spanne Zeit zu einem tragischen Erlebnis gesteigert werden können. Trotzdem: um alle Feinheiten dieser kleinen Dramen zu genießen, muß man sie lesen und es muß dem Jnselverlag dank- bar vermerkt werden, daß er sie beinahe alle in seine wohlseile und doch mit viel Geschmack ausgestaltete Volksausgabe aufgenommen hat. Auch damit, daß alle Gedichte ausnahmslos abgedruckt wurden, muß ich mich in diesem Falle einverstanden erklären. Hofmannsthal  gehört zu jenen seltenen äußerlich vom Schicksal begünstigten Poelen, die alle ihre Dichtungen, von der frühesten bis zur letzten reis werden lassen konnten. Und da« Volk, an daS sich diese Ausgabe richtet? DaS Volk, deflen LebenSgefühl ein anderes ist, als daS dieses Dichters, dem wiederum alle Ideale deS Volkes fremd find? Dieses in all' seinen Nöten lebensfreudige, zukunflSgläubige und kampfsrohe Volk wird das Geschenk eines Dichters, der nicht sein Dichter ist, trotzdem mit Ehrfurcht entgegen« nehmen. Denn auch in diesem Volke gibt es keinen, der nicht hie und da von der tiefen Schwermut alles Seienden erfaßt würde, bevor er sich wieder auftafit, um das Glück des Kampfes zu genießen. Damit ihn derlei melancholische Stimmungen, denen er nicht feige entfliehen wird, nicht mederdrücken. sondern läutern und erheben, Wird er gern nach diesem Buche greifen. J. E. Sprachwissenschaftliches. War gewesen." Unter den niederträchtigen Angriffen aus unsere Sprache, die von der Gedankenlosigkeit so gern mitgemacht werden, ist einer der ärgsten das furchtbarewar gewesen". Es ist dieVorvergangenheit" des Zeitwortes sein, daslllus- quamperfectum". Man bezeichnet also richtig damit eine sehr weit zurückliegende Zeit, die selbst der von Vergangenem Sprechende als vor dieser Vergangenheit liegende zu kennzeichnen wünscht- Ich spreche also richtig und kann keines Deutschen   Sprach- gefühl verletzen, wenn ich zum Beispiel erzähle:Weißt Du. Berantwortl. Redakteur: Albrri Wachs, Berlin. Druck u. Verlag: ehe ich»ich 1896 der Sozialdemokratie anschloß, war ich, unter dem Einfluß des bürgerlichen Elternhauses, als junger Bursch jahrelang liberal gewesen." Aber was hört und liest man heute?!Gestern war ich am Wannsee   gewesen, Frau Krachinsky war mit ihrer großen Tochter auch da gewesen." lRicktig: war da, oder, schon schlechter: ist da gewesen.) Oder, eine Gesellschaft tritt abends ins Cafö ein und wird von einer anderen begrüßt:Ah, grüß Gott  , wo war't Ihr denn heute gewesen?'(Richtig I wo war't Ihr, schon schlechter: wo seid Ihr gewesen?) Was soll man aber, wenn man die um sich greifende Seuche de? war gewesen" seit Jahren mit ohnmächtiger Wut beobachtet hat, was soll man dazu sagen, daß in dem jetzt vomBerliner Tageblatt" veröffentlichten RomanAtlantis" wörtlich(in der 6. Fortsetzung am 21. Januar), außer mehreren anderenwar ge- wesen" zu lesen ist: Er begann diesen Tanz zu schildern: Man trug zuerst eine große künstliche Blume herein, die man inmitten des Vestibüls aufftellle. In einzelnen zwanglosen Gruppen stand die Elite der berlinischen Künstlerschaft rings an den Wänden und auf der Treppe umlier. Auch Menzel und Begas waren zugegen gewesen. Eine Sammlung Böcklinscher Bilder war zum Zweck einer erst zu eröffnenden Sonderausstellung rings an den Wänden aufgehängt. Der zu erwartende Tanz aber nannte sich: Mara oder Das Opfer der Spinne." Hier wird ein Vorgang, der sich gleichzeitig mit dem Erzädlten abspielte, nämlich die Lvwesenbeit Menzels und Begas mit dem verdammten, abscheulichenwar gewesen" bezeichnet. Der Leriafler aber beißt... Gcrhart Hauptmann, und er schildert den Erzählenden gar nicht etwa als einen ungebildeten Berlin   IV.-Gigerl. Und der dieswar gewesen" mit sichtlicher Vorliebe in seinem neuesten Erzeugnis verwendet... die größte Hoffnung Deutschlands  ist, ach nein, w a r er nicht gewesen. Die aufgebrochene Reisegesellschaft. DaS zweite Mittelwort, das Partizip des Perfefts, bezeichnet immer etwas Zu« ständliches, z. B.: der verblühte Baum, die abgebrannte Kirche usw. Es ist also in gutem Deutsch unstatthaft, zu sagen:Eine in das Innere von Neuguinea   aufgebrochene Forschungsgesellichast wird vermißt." Ebenso unstatthaft: Der gestern abend eingetroffene und in der Sonne abgestiegene General hat heute...; sie kehrten unter die inzwischen angekommene Menge zurück: die soeben aufgetauchte Nachricht; der bisher südwärts verlaufene Bach wendet sich nach Osten usw. Noch fehlerhafter sind die Fälle, in denen Mittelwörter von solchen Zeilwörtern so angewendet sind, die mithaben", nicht mitsein" verbunden werden, z. B.: der abgenommene Mond, die gegen die Dänen gekämpfte Brigade, der so unglücklich geendete Dichter usw. Aber einiger Spielraum" ist der persönlichen Sprach« empfindung nun doch insofern zu lassen, als man solche Fügungen wiedie eingeriflene Unordnung, die durchgedrungene 5ft:aft, der in den Rubestand getretene Oberlehrer" durchgehen lasien darf, weil man dabei mehr an die Fortdauer und Zusländlichkeit denkt, als es gewöhnlich bei diesen Zeitwörtern des Tuns und Eintretens der Fall ist. Medizinische?. lleber zweihundert Herzoperationen. Vor der Wiener   Gesellschaft der Aerzte hat Dr. Finsterer einen jungen Mann vorgestellt, der wieder einen neuen Triumph der Chirurgie bei schweren Verletzungen des Herzen« veranschaulichen konnte. Der Fall war insofern von vornherein bedenklich, als der von mehreren Stichen Verwundete bereits an großer Blutarmut gelitten hatte. Als er zur ärztlichen Beobachtung kam, blutete die Herzwunde fort- gesetzt, namentlich bei Eintritt des Hustens. Der Puls schlug mit fieberhafter Schnelligkeit,, war aber nur noch sehr schwach zu fühlen. Bei der sotort vorgenommenen Operation stellte sich zu- nächst heraus, daß daS Herz von einer nicht weniger als drei Zentimeter langen und einen Zenttmeter tiefen klaffenden Wunde getroffen worden war. Dennoch wagte der Arzt die Wunde zu vernähen, da eine andere Reitung nicht denkbar war. Selbst- verständlich schwankte der Verwundete noch einige Tage zwischen Leben und Tod, und namentlich wollte sich der Puls noch nicht be- ruhigen. Immerhin war schon nach drei Wochen eine fast völlige Wiederherstellung ohne besondere Komplikationen erzielt. Dr. Finsterer hat im Anschluß an diele Schilderung eine Uebersickt über die bis- herigen Erfolge von Herzoperationen gegeben. Im ganzen sind danach rund 222 bekannt geworden und von diesen soll fast die Hälfte zur Heilung gelangt sein. DaS wäre ein ganz erstaunlicher Erfolg, der nach der Meinung von Dr. Finsterer selbst etwas zu hoch gegriffen ist. Aber auch wenn man davon etwas in Abzug bringen muß, ist der durch die Herzoperationen erzielte Fortschritt als außerordentlich groß zu bezeichnen, zumal noch vor wenigen Jahren das Herz fiir den Chirurgen alS ein Rührmichnichtan galt. Man kann sagen, daß früher fast alle Verletzungen deS Herzens zum Tode führten. ES sind zwar Fäll« beglaubigt, in denen eine solche Verletzung ohne Eingriff des Arztes geheilt ist, aber daS sind dock nur ganz seltene Ausnahmen gewesen. Leider wird die rettende Tat des Arztes dadurch erschwert, daß bei Verwundungen eine Verletzung deS Herzens niclit immer leicht festgestellt werden kann.- vorwärtsBuchdruckerei n.VrrlagSanstitlt Paul SingerLCo.,Berlin   SVV.