Stunden Arbeit, die er<m seinem Häuschen tut, beweisen, daß erzwei Stunden Kraft den Bethlehem-Stahlwerken entwendet, dieihm diese Kraft doch für 1,1S Dollar pro Tag abgekauft haben,da? ist klar.Taylor ließ Schmidt kommen und fragte ihn, ob er nicht gernt,gS Dollar verdienen mochte? Schmidt bejahte diese sonderbareFrage, konnte sich aber nicht enthalten, Taylor nach den Bedingun-gen zu fragen, die als Gegenleistung von ihm verlangt würden.SCahlor rief hierauf einen Aufseher und ging mit dem Aufseherund Schmidt in den Hof zu den Cisenklumpen hinaus, wo er denbeiden ein paar Körperbewegungen vorzumacheu begann.Schmidt ahmte auf Wunsch Taylors diese Körperbewegungennach, arbeitete im Tempo, das ihm Taylor mit: Eine— zweie—drei— bestimmte, setzte sich zur Ruhe hin, wenn Taylor„RührtEuch" kommandierte,... Schmidt fing an 1.8S Dollar pro Tag zuverdienen, und dafür 47)4, schriftlich: siebenundvierzig und einehalbe Tonne pro Tag zu verladen,(gegen 12)4, die er bis zudiesem Tage beivältigt hatte)..- Schmidt verdiente für seinevervierfachte Leistung anderthalbmal so viel wiefrüher. Sein Häuschen weiterbauen, das konnte er natürlich nichtmehr, dazu war er am Abend zu müde, am Rlorgen zu schlaf-trunken. Das System Taylor aber tvar geboren, das Systemder„wissenschaftlichen Ausnutzung der menschlichen Kraft imDienste der Fabrikarbeit", das System des„Speeöing-up", derAufpulverung, wie ich es nennen möchte, das System der AnspaN-rning und. des Verbrauches der menschlichen Energie bis an dieäußerste Grenze der natürlichen Bedingungen.—Andere haben dieses System auf andere Geweihe angewandt,Gilbreth z. B. auf das Maurergewerbe. Der amerikanische Maurerhebt den Ziegelstein nicht mehr mit beiden Händen, sondern mitder rechten Hand, derweil führt die linke den Spatel in die Kajir»lösung. Auf diese Weise wird ein Ziegelhaus im Tempo von 350Ziegeln die Stunde erbaut statt wie hisher im Tempo von 120Ziegeln die Stunde.Ein neuer Typus des Aufsehers(oder haben die Pharaonenund Caracalla ihn schon vorgeahnt?) ist so in da? amerikanischeArbeitsfeld eingetreten. Der Aufseher vor der Geburt des Taylor-Systems hatte die Pflicht, nad�usehen, ob die Arbeit richtig undpünktlich gemacht wurde. Der neue aber, der speeä-boss, bestimmtdas Tempo, die Stückzahl, die geliefert werden muß: er ist derMann, einen Rekord von seinen Leuten zu verlangen; wer denRekord nicht einhält, fliegt aus seinem Job und kann zusehen, wieer weiterkommt in diesem Leben.—Was sind die Folgen dieser Stückarbeit, dieses mörderi-schen Tempo, für den Arbeiter und die Industrie?Erst rangiert der Tüchtige den Untüchtigen aus, das ist selbstverständlich Dann aber rangiert der Tüchtigste sich selbst, wie ge-sagt, den Tüchtigsten aus. Denn bei dieser Art von Arheit wirdnatürlich ein solch ungeheures Plus an Waren produziert, daß dieFabriken immer öfter und für immer längere Zeit zusperrenmüssen, weil sie sonst nicht mehr wissen, wohin mit ihren aufgehäuftten, aufgestapelten Lagern. Amerika produziert dreimal so vielWaren als es selber konsumiert, und der Export hält mit dieserUeberproduktion nicht Schritt.(Schmidt von den Bethlehem-Stahl-werken ist die unmittelbare Ursache der chinesischen Revolution, seinebenbei bemerkt. Hätte der Stahltrust seine Exportgelüste Aachdem Reich der Mitte bezähmt, so wäre Herr Sun Jat Sen aus derWall-Strcet nicht geradenwegs in die Weltgeschichte hinein-gestiegen!)Der Arbeiter also feiert einen Teil des Jahres, zehrt seineelenden Ersparnisse, wenn er dergleichen überhaupt hat, gänzlichauf und hat sich somit aus seiner eigenen Tüchtigkeit einen gutensoliden Strick gedreht, wie man sieht.Das System aber, das elende, hundsföttische Stückarbeit-Schindsystem in seiner neuesten Variante blüht, erobert sich in demweiten Amerika einen Fabrikationszweig nach dem andern, eineFabrik nach der anderen, streckt schon seine Fangarme zu uns her-Uber, nach dem Crcuzot, Essen, nach dem Vogtland, überallhin....Eine weitere Konsequenz dieser Kraftausnutzung bis ins Ex-treme ist die— vorläufig— spezifisch-amerikanische Einrichtungder„Agc Line", der Altersgrenze.—Es ist in Amerika für einen Arbeiter, der die 40 überschrittenhat, sehr schwer, eine Stellung in einem Fabrikbetriebe oder einemGeschäftsbetriebe zu finden. Es ist ober auch sehr schwer, mit 40Jahren eine Stelle zu behalten. Der speeck-bosg(Antreiber) erstattet dem Chef eine kleine Anzeige, der brave, tüchtige Arbeitererhält am Sonnabend in dem Kuvert mit seinem Wochenlohn einenSchreibmaschinenwisch und kann damit direkt ins Wasser gehen.Das ist das Gescheiteste, das er tun kann. Der Boß telepboniertan ein Bureau, Montag morgen um 6 Uhr stehen fünfhundertjunge Männer vor dem Fabriktor, auf dem die Tafel hängt:„IVe dont crnploy people ovcr 40!"(Wir beschäftigen keine Leute über 40)und der Boß hat die Wahl unter den Kräftigsten und Jüngsten.—In New Dort hat man mir einen Arbeiter gezeigt, der sich dieHaare färbte; daß sich Arbeiter, ehe sie in ihren Job gehen, dieSchläfen mit Schuhwichse schmieren, gehört zu den alltäglichen Be-obachtnngcn; welche legen Rot auf; andere geben 10 Dollar imMonat für drugs aus. das heißt für Arsenikpräparate, die dieHerztätigkeit während der Arbeitsstunden künstlich stimulieren.Berantwortl. Redakteur: Albert Wachs. Berlin.— Druck u. Verlag:In Chioago las ich in einer Zeitung einen Artikel mit derUeberschrist:„Was kann ein vierzigjähriger Arbeiter, der seinenJob verloren hat, beginnen?" Antwort: er kann z. B. Portiervor einem Kinematographentheoter werden.Heute zerreiße ich den Rest meiner Empfehlungsschreiben, dieich an allerhand große Kaufleute, Fabrikanten, Millionäre Chi-cagos mitbekommen habe und in meinem Koffer führte die ganzeReise lang. Ich weiß es ja schon auswendig, wie unser Gesprächabläuft. Siebzehnmal mindestens habe ich denselben Dialog nunmit Kauflcuten, Fabrikanten, Millionären geführt. Nach fünfMinuten fing mein Gegenüber an auf die„Labour Unions"(Gewerkschaft) zu schimpfen, nach zehn hielten wir bei den Wohl-tätigkeits-Organisationen, und als mein Gegenüber dann auf-sprang, zum Fenster lief, mir den Wolkenkratzer auf der anderenSeite zeigte zum Beweis für das wunderbare Wachstum des Vater-landes, da wußte ich, die Zeit sei gekommen, meinen Paletot vomNagel zu holen. Denn was nachher kam, waren vier neue Empfeh-lungsbriefe an Kaufleute, Fdbrikanten, Millionäre, die den from-men Wunsch maskierten: Scher Dich zum Teufel, Europäer.—Was geschieht mit den Alten, Ausrangierten, Abgetanen, denen,die mit 40 noch nicht ihr Schäfchen auf dem Trockenen haben, ja esnicht mal zur Würde eines speed-boss gebracht haben, mit denOpfern?Zum Glück stirbt der amerikanische Arbeiter jung.— Zu seinemGlück.— Zum Unglück Amerikas nimmt der Prozentsatz der Selbst-morde, der Geisteskrankheiten, der Verbrechen aus Not in Schauererregendem Maße zu.— Arbeits-, Irren-, Zuchthäuser schießen indie Höhe und können ihren Inhalt kaum fassen.— In Industriestädten bin ich nach Sonnenuntergang angebettelt worden wie nurnoch in Rom und Neapel.— Wer von der hoffnungslosesten Er-niedriguna der menschlichen Kreatur ein Bild gewinnen will, magin die Volkshotels in Kansas City, in 8outb Clarlr Street in Chicago, ja, in die vielgerühmten Mills-Hotels auf der New ForkerOstseite gehen, mag um 1 Uhr nachts die bread-I!ne, die Brotlinievor den Toren einiger großer Speisehäuser, der Heilsarmee, derBrot- und Suppen-Missionen sich formen sehen, Häuscrviereckelang, zweitausend, dreitausend kräftige Männer, die wortlos undgeduldig warten, Arbeitslose, Hungernde, Bescheidene, Bettler, inder Nacht....Er mag sich auch in den Wohltätigkeitsämtern der großenStädte nach den„Hinterbliebenen" der Vagabunden erkundigen, diesich mit ihrem letzten Wochenlohn in der Tasche auf Nimmerwiedcr-sehen nach dem lockenden, wilden Westen aufgemacht haben!kleines Feuilleton.Sprachwissenschaftliches.Witz na men. Für die einzelnen Gewerbe kennt die Sprachezahlreiche witzige Benennungen. Der Schneider ist der Ritter vonder Nadel. Fadenbeißer, Zwirn, Meister Bügeleisen. Meckmeck, Ziegen-bock, auch bloß Bock, Schneider Wippop; der Schuster Meister Knie-riem, Meister Pfriem, Lickleder(— leck das Leder), Pechhengst(ausder Studentensprache), Pechdraht, Zickendraht(— zieh den Draht);der Hutmacher Kopsschuster; der Bäcker Mehlwurm, niederdeutschKik inA Aben(— guck in den Ofen), Hutzelbäcker(Hutzel— gedörrtesObst), Knudelbäcker(Knudeln, von schlechtem Gebäck), Teigaffe; derMüller Mehlhose. Klapperschütz, niederdeutsch auch Motte- oderMultefängcr(von der sogenannten Molter oder Molt, die ein be-stimmteS Kornmaß war, auch der Anteil von dem zu inahlendenKorn, den der Müller für sich behalten durfte, wobei ernicht immer ehrlich verfuhr). Der Fleischer(Metzger.Schlächter) heißt Katzoff(Gaunersprache), Hammelmörder, Kälber-töter, niederdeutsch FerkeSstccker(— Ferkenstccher); der BrauerPlanschmichel, Wasserdoktor; der Tischler(Schreiner) Holzwurm,Hobelmajor, Leimtiegel; der Zimmermann Meister Winkelmaß,Lattenhauer(Latte— Dachholz, Sparren), Zimmerochse; derMaurer Dreckschwalbe, Leimkläcker(Lehmklicker); der Zimmermaler(Anstreicher) Landstreicher(niederd. fulen Landstriker), Farbenkleckser,Pinzelquäler, Schmierlapp; der Schmied Ruswurm, Flammer(Gaunersprache). Pinkepank, niederd. Slah op't Isen; der SchlosserKatzenkopf, ndd. Kattenkopp(Gaunersprache),„ Amboßpinker; derSchornsteinfeger Schwarzkünstler, Feuerrüpel, Kaminrat, Röhren-kieker, Klinkenträger(Klinke ist die Doppelkugel, die er inden Kamin hinabläßt, um den Besen durchzuziehen); derKlemner Blechrat, Lötkolben; der Töpfer Kachelrat, Tonkünstler,Klamotterich.(berlinisch Klamotte— zerbrochener Mauerstein),ndd. Schitklarrer(— der im Schmutze herumrührt); derBöttcher Rumtreiber, ndd. Rumdriwer(weil er, indem er die Reifenfestschlägt, herumläuft); der Gerber Fellnepper, Kattenfiller(— derKatzen das Fell abzieht), Krauter(der Kraut unter die Lohe mischt);der Weber Spulkater, Läppchen, ndd, Galgenvogel(Galgen, ei» Teildes Webstuhls); der Seiler Galgensirick, Krebs(weift er rückwärtsgeht); der Wagner Krummholz; der Tuchmacher(Tuchscherer) Fett-läppchen, Flockendrescher. Scherkind; der Färber Lappentunker; derJäger Grünhose, Grünspecht, Laubfrosch, ndd. Buschkrüper; der ge-werbsmäßige Mäusesänger Kammerjäger: der Schiffer Blaujacke,Teerjacke, Wasserratte. Seebär; der Barhier Balbutz, Bartlratzer,Schaumschläger. Schnutenfeger, Verschönerungsrat._ljorwörtsBuchdruckerei u.Verlagsanstalt Paul SingerstCo., Berlin Si,V.