Kotelett«. Seine Wahl fiel auf Rex. ein kleines, wunderschönesTier— iübrigenS einen feiner eigenen Hunk>e. Mit großer Ge-wandtheit hieb und schnitt er zurecht, was er für eine Mahlzeitnotwendig hielt. Ich konnte meine Augen dabei nicht von ihmwenden; die kleinen, zarten Rippenstückchen, die da einS nach demandern über den Schnee hinflogen, wirkten geradezu hypnotn-sierend alif mich. Sie riefen Erinnerungen wach an alte Tage, woHundefleisch allerdings kein so verlockende Wirkung auf mich aus-geübt hatte wie jetzt, wo aber andere Kotelette auf Platten hübschgeordnet nebeneinander lagen mit feingekräuseltem Papier umsBein und den reizendsten grünen Erbsen in der Mitte. Ja, dieGedanken führten mich weiter— aber das gehört freilich nichthierher und hat auch nichts mit dem Südpol zu tun.Ich wurde aus meinen Träumereien gerissen, als Wisting inrecht bestimmter Weise die Axt in den Schnee schlug, die Rippen-stückchen zusammenlas und damit im Zelt verschwand. Die Wolken-decke war inzwischen etwas zerrissen, und die Sonne zeigte sich vonZeit zu Zeit, wenn auch nicht gerade in ihrer strahlendsten Gestalt.Es glückte uns auch, sie just im rechten Mgenblick zu fassen unddie Breite zu bestimmen, nämlich 85 Grad 36 Minuten. Wirwaren darüber sehr vergnügt, denn kurz darauf fing es an, ausOstsüdost zu blasen, und ehe wir uns dessen versahen, steckten wirin dichtem Nebel. Aber jetzt konnten wir auf das schlechte Wetterpfeifen. Was verschlug es uns, wenn auch der Wind Posaune bliesund der Schnee daherfegte, so lange wir doch liegen bleiben wolltenund Nahrungsmittel im Ueberdruß hatten. Wir wußten auch, daßdie Hunde ungefähr der gleichen Meinung waren: Wenn wir nurgenug zu fressen bekommen, kann uns das Wetter gestohlen werden!Als wir nach Beendigung unserer Beobachtungen ins Zeltkamen, war Wisting drinnen schon im besten Zuge. Der Kocbtopfstand auf dem Feuer, und nach dem lieblichen Geruch zu urteilen,war die Zubereitung unseres Essens im besten Gang. Die Rippen-stückchen konnten nicht gebraten werden, denn wir hatten wedereine Pfanne noch Butter. Allerdings hätten wir uns etwas Fettaus dem Pemmikan schmelzen können, und mit der Pfanne hättenwir uns irgendwie beholfen, wenn wir durchaus gebratene Ripp-chen hätten haben wollen. Wir fanden es aber viel einfacher, zu-mal es auch schneller ging, sie zu kochen, und auf diese Weise be-kamen wir auch noch ein« köstliche Fleischbrühe obendrein.Wisting legte ein erstaunliches Kochtalent an den Tag. Erhatte nämlich die Stücke Pemmikan, die das meiste Grünzeug ent-hielten, in die Suppe getan, und jetzt bot er uns die feinste frischeFleischbrühe mit Gemüse an. Der Glanzpunkt der Mahlzeit waraber das zweite Gericht. Selbst wenn wir über die Güte desFleisches irgend welchen Zweifel gehegt hätten, wäre er nach derersten Katastrophe wie weggeblasen geloesen. Das Fleisch war vor-züglich, einfach vorzüglich, und mit Blitzesschnelle verschwand einRippenstückchen nach dem andern. Ich will allerdings einräumen,daß sie, ungeachtet ihrer Güte, etwas weicher hätten sein können,aber man kann von einem Hund auch nicht alles verlangen. FünfRippenstückchen verspeiste ich gleich selbst, und dann fischte ich ver-gebens im Topf nach noch mehr; auf einen so großen Absatz seinerAare hatte Wisting doch nicht gerechnet.Ludwig GblandZum 50. Todestag(13. November).In der dumpfesten Enge der kleinen deutschen Welt wirktensich die 75 Jahre des Daseins Ludwig Uhlaiüis aus. ZwischenTübingen und Stuttgart rinnt sein Leben. In der Jugend weilter acht Monate in Paris, ohne genialische Eindrücke, in Bibliothekenvergraben, altfranzösische und altdeutsche Literatur stöbernd,«inpaarmal mit kühlem Staunen Zeuge der trunkenen Feste, mit denenNapoleon menschenvcrächtlich komödiantisch den Glanz seiner Machtund die gute Gasferlaune seiner unangestammten Untertanen zufristen suchte. Kurze Reisen führten Uhland an den Rhein, in denSchwarzwald, die Schweiz. Aus der Höhe seiner politischen Wirk-samkeit weilt er als Mitglied�»« Linken in der Nationalversamm'-lung der Frankfurter Paulstirche. Sonst vergräbt er fich in seineHeimat.Aus einem Geschlecht von schwäbischen Advokaten, Pfarrern,Aerzten hervorgegangen, wurzelt Uhland in der Ehrfurcht,der Ehrsamkeit und Behaglichkeit der umfriedeten seßhaftenFamilien. Er ist ein gehorsamer Sohn, der von seinenEltern willig und verständnisvoll auch in den Nötenseines Lebens gefördert wird. Ein zärtlicher, besorgterGatte in seinem kinderlosen Heim, ein peinlicher Haushalter, derdie privatwirtschaftlichen Finanzen in Ordnung hält und nicht ver-gißt, neben der Erwähnung großer Weltbegebenheiten der Mutterein genaues Verzeichnis seiner schwarzen Wäsche«inzufügen. Erist auch in der Abstammung und im Grunde seiner Seele ein guterloyaler Bürger, nichts weniger als ein Revolutionär und Zig«un«r,dennoch ist sein Dasein eine einzige Reihe harter Zusammenstößemit der Staatsgewalt. Es dauert lange, bis man den begabten undfleißigen Mann, der früh in der Oeffentlichkeit Ansehen gewinnt,zu einer beamteten Stellung zuläßt, und er gibt sie bald wiedertrotzig und tapfer auf, als seine Freiheit und Unabhängigkeitbedroht ist.Von Figur und in Lebensführung äußerlich ein Philister,schweigsam, verschlossen, leidenschaftslos, erhebt ihn der Dämondichterische« Triebkraft und politischer Energie in die große Webtdes Gefühls und des Wollens, macht ihn die trübe lastende Zeit zumEmpörer geyen die herrschenden Gewalten.Und bleibt doch immer ein wenig in der Enge. Seine Liebes-,Wander- und Frühlingslieder singen durch das ganze Volk, alshätte es sie selbst ersonnen. Aber es gibt keinen einzigen Liebes,brief in seinem reichen Briefwechsel, und seine beiden vollendetenDramen find Männcrdramen ohne Liebesszenen. Er führt einTagebuch, aber keine seelisch« Regung, kein innerer Aufschluß, keineproblematische Unruhe durchbricht diesen Katalog von Geburtsdatenseiner Dichtungen und Stichworten seiner Lebensvorkommnisse.Uhland hat Deutschland das innigste und volkstümlichste Kriegslie!»geschenkt, das vom guten Kameraden. Aber niemand, der es singt,ist sich bewußt, daß es ursprünglich ein fliegendes Blatt sein sollte»das 1809 die napoleonischen Rheinbundstruppen gegen dw Tirolerbefeuern sollte. Ihn ergreift zuerst der Patriotismus des fran»zösischen Rheinbundes, dann des deutschen Krieges von 1813, derwürttembergischen Vcrfassungskämpfc nach dem Sturz Napoleonsund dem deutschen Fürstenverrat an ihren Befreiern, der aufstän»dischen Griechen und Polen, der Julirevolution, endlich der groß»deutschen Märzdemokratie von 1848. Diesem demokratischen Ideal— dessen Verwirklichung er in den beiden Erhebungen seines Lebens1813 und 1848 nahe wähnte— bleibt Uhland treu, durch alle Ent-sagungen der hereinbrechenden Reaktion. Unversöhnt und un»erweicht, schließt er vor 50 Jahren, inmitten der preußischen Kon-fliktszeit, seine Augen. Aber diese demokratische Gesinnung istwieder eng bürgerlich, beinahe nur formal-juristisch. Weder inseinem politischen noch in seinem dichterischen Wirken findet sich einsozialer Gedanke.Durch sein Leben begleitet Uhland die Liebe zur altdeutschenLiteratur, zu allem besonders, tvas volkstümlich ist. Ihr widmeter sich in einer großen Anzahl wissenschaftlicher Schriften, derenschönste das Denkmal für Walther von der Vogelweide ist, dessenWesen er fich verwandt fühlt; seine vergängliche Professur war ausdiesem Fach. Und altdeutsch-romantische Gefühle hewegen seinDichten. Von den Gefährten der Romantiker aber trennt ihn scharfsein fortschrittlicher Geist, seine radikal-tätige Gesinnung, sein demTage und der Zeit hingegebener Lebenseifer, seine helle und gesundeAbweisung alles krankhast-mystischen Wesens des Einspinnens indie Gräber der Geschichte und der Nachtseiten menschlicher Natur.In einem Briefentwurf seines Nachlasses zerstückt er rücksichtslosdie Nachtwandler- und Epileptikerromantik seines vertrautestenFreundes Justinus Kerner. dessen größere lyrische Tiefe Uhlandfreilich neidlos und mit Recht anerkannte.Heinrich Heine hat in seinen Feuilletons über die RomantischeSchule am schärfsten erkannt, daß ein Zwiespalt Uhlands Dichtenund Wirken zerriß. Darauf führt Heine das Verblassen seinerdichterischen Wirkungen und sein frühes Verstummen zurück:„Ichglaube nicht, daß dieses schön« Dichtergemüt so kärglich von derNatur begabt gewesen und nur einen Frühling in fich trug. Nein,ich erkläre mir das Verstummen Uhlands vielmehr aus dem Wider-spruch, worin die Neigungen seiner Muse mit. den Ansprüchen setnerpolitischen Stellung geraten sind. Der elegische Dichter, der diekatholisch-feudalistische Vergangenheit in so schönen Balladen undRomanzen zu besingen wußte, der Ossian des Mittelalters, wurdeseitdem in der württembergischen Ständeversammlung ein eifrigerVertreter der Volksrechte, ein kühner Sprecher für Bürgergleichheitund Geistesfreiheit. Daß diese demokratische und protestantischeGesinnung bei ihm echt und lauter ist, bewies Herr Uhland durchdie großen persönlichen Opfer, die er ihr bracht«. Hatte er einstden Dichterlorbecr errungen, so erwarb er auch jetzt den Eichenkranzder Bürgertugend. Aber weil er es mit der neuen Zeit so ehrlichmeinte, konnte er das alte Tied von der alten Zeit nicht mehr mitder vorigen Begeisterung weitersingen." Als Heine später im„Schwabenspiegel" die schwäbischen Dichter seinerzeit dem Gelächterpreisgab, nahm er Uhland nachdrücklich aus. Er hege eine wahreScheu, bei Gelegenheit der schwäbischen Schule auch von LudwigUhland zu sprechen,„von dem großen Dichter, den ich schier zubeleidigen fürchte, wenn ich seiner in so kläglicher Gesellschaftgedenke".Ludwig Uhland wurde am 26. April 1787 in Tübingen geboren.Schon mit 14 ks Jahren wird er Student. Er ist, ohne innereNeigung, der Rechte beflissen. Das Brotstudium befriedigt ihn nicht.Freundschaften(mit Justinus Kerner, Karl Mayr, Varnhagen),Beschäftigung mit altdeutscher Poesie und eigene dichterische Versuche.die 1800 unselbständig beginnen, heben ihn über den Verdruß seinesBerufes und die Kleinlichkeit seines Lebens. 1808 wird er Advr'.at.1810/11 Pariser Reise. Ende 1812 wird er unbezahlter Hilfsarbeiter imJustizministerium in Stuttgart. Nach 17monatiger Tätigkeit kommtes zum Bruch zwischen ihm und dem Minister; zum erstenmalerscheint bei dieser Gelegenheit der männliche UnabhängigkeitssinnUhlands. In diesen Tagen scheint die innere Wandlung zur demo-kratischen Auffassung vor sich gegangen zu sein. Hatte Uhland fichbisher in den gewöhnlichen demütigen Bittstellereien— vergeblich—um ein Amt bemüht, so strebt er von nun an iy freier Unabhängig-keit seinen Weg zu gehen. Die Bewegung des Jahres 1813 ergreiftauch ihn, ohne ihn mitzureißen. Im Februar 1814 entstand seinbekanntes Vorwärtslied.Die Enttäuschung nach dem Kriege verleiht seiner Tätigkeitdann Farbe und Kraft. In den schwäbischen Verfassungskämpfen,die vornehmlich um die Schassung einer Ersten Kammer geführt