ntelle sich tn ihr zum Weinen, aber die Tranen kamen nicht. Es geschah etwas, aber sie wußte nicht was. Es war auch gar keine Neugierde in ihr. So Buntes ihr auch durch den Sinn ging, so wunderte sie doch gar nichts mehr.... Es wunderte, sie nicht, daß sie wieder zum kleinen Kinde geworden war. und daß sie weite, flache Felder umgaben. Wie damals weidet sie die Kuh. Das Tier reißt am Strick und zieht sie hartnäckig vom Straßengraben ins Feld hinein. wo in prächtiger dunkler Grüne der reife herrschaftliche Klee steht. Das Mädelchen ringt mit dem Vieh. Schreit, weint, jchlägt mit dem Stock auf seine dürren Knochen los und hat eine schreckliche Angst, daß jeden Augenblick der herrschaftliche Jäger erscheinen wird, der furchtbare Andreas mit seinem Knüttel und mit seiner groben Stimme. Schon einmal hatte er sie geprügelt und ihr die Kuh weggenommen. Und zu Hause bekam sie noch das Dreifache. Daran erinnert sie sich und wird starr vor Schreck. Ganz mit der Kuh befaßt, kann sie nicht einmal auf die Landstraße blicken, auf welcher seit- same Menschen gehen und fahren: fremde, ungewöhnliche Ge- stalten, die offenbar an keinem Ort seßhaft sind, und die, man weiß nicht, woher und wozu, sich in der Welt h�umtreiben. Nur wirbeln sie einen schrecklichen dichten Staub auf. der sich in die Augen setzt, alles ringsherum bedeckt und zuschüttet und das harte Gras des Grabens wie mit Asche bestreut. Das Mädelchen ruft mit aller Kraft die Kuh und wiederholt schreiend: Ach, möchtest du doch krepieren! Mit leisem Geflüster entschlüpfen diese Worte den Lippen der Alten. Die Sonne brennt. Ihre Augen und ihr Schlund sind voller Staub. Sie hat keine Kraft mehr.... Immer wieder rauft die Kuh mit gierigem Maul Büschel des Herr- schaftlichen Klees aus, ohne auf die Schläge zu achten. Jeden Augenblick kann von irgendwoher wie aus der Erde heraus Andreas auftauchen, und wird vor ihr dastehen, mit dem Stock in der Hand, wird brüllen, die Kuh wegnehmen und nach dem Gutshof treiben. (Fortsetzung folgt.I Mielanä in feinem Zeitalter. Von Kurt E i s n e r. Im geistigen Haushalt der heutigen Welt hat Christoph Martin Wieland   keine Bedeutung mehr, obwohl man ihn unter die sechs großen deutschen Klassiker immer noch zählt, und er sicher mehr gelesen wird als Klopstock und Herder, wahrscheinlich auch mehr «ls Lessing. Ein vollkommener Mensch des 18. Jahrhunderts ist er zwar in seinen Gedanken und Gebilden von der heutigen Kultur durchaus nicht so erreicht oder überholt, daß er uns nichts mehr zu sagen hätte. Aber mit der Art, wie er es sagt, ist er uns «in Fremder geworden. Er spielt auf Instrumenten, die den Orchesterlärm der Gegenwart nicht mehr zu durchdringen ver- mögen. Vielleicht ist er gerade deshalb, weil er so ganz und gar historisch geworden ist, ausersehen worden, dererste Schöngeist" zu sein, dem die Berliner Akademie der Wissenschaft die Ehre einer gelehrten Ausgabe zu erweisen beginnt. Wie akademisch -übrigens und wir wissenschaftlich diese Ausgabe immer im Lause der Jahrzehnte werden wird, sie wird nicht die Schönheit jener zu seinen Lebzeiten veranstalteten Quartausgabe seiner Werke er- reichen, deren Preis von 250 Talern schon allein beweist, wie hoch (hn die Mächtigen. Großen und Reichen seiner Zeit geschätzt haben. Vieles aus der endlosen Zahl seiner Schriften ist auch heute noch ergötzlich, anregend, selbst bewegend zu lesen, wenn auch keines -mehr uns überwältigt: die Abderiten. ein heiterer und witziger Schildbürgerroman über die deutsche   Kleinstädterei und Philisterei seiner Zeit, in den er in leichter Vermummung eigene Erlebnisse verwoben hat; Oberon, Musarion, Agathon(der erste deutsche   Er- giehungsroman, der wesentlich Liebesprobleme unbefangen behan- delt); Ter goldene Spiegel, ein Staatsroman, der den besten Staat um den besten Fürsten   spinnt und die Gewalthaber des auf- «geklärten Zeitalters satirisch neckt; endlich und besonders auch einige kleinere politisch fabulierende Arbeiten, in denen sich seine ihumane freiheitliche Weltgesinnung, mit farbigem Flitter behängt «und durch sie vor den Häschern beschützt, nicht ohne Würde und Andacht auswirkt.*) Aber nirgends vermag Wieland heute noch wie ein unmittelbares Lebensinteresse zu wirken. Das Glück, das Wieland im Leben beschieden war und ihn *) Unter den neueren Auswahlsammlungen von Wielands Werken steht voran die von Bernhard v. Jacobi besorgte(bei Bong «rschienen). Sie bietet ein Gesamtbild des Schriftstellers in seiner sast unerschöpflich vielseitigen kulturellen Betriebsamkeit und bringt ebenso gründliche wie klug abwägende Einleitungen-des Heraus- geber?. emporirug über die vielen- zerbrochenen Gestalten deS klassischen Zeitalters, wird ihm die Ewigkeit vorenthalten. Er selbst hätte freilich die behaglichen Erfolge und Genüsse seines lebendigem Daseins nicht mit dem astrakten Ruhme der Unsterblichkeit ver- tauschen mögen. Er war nicht für die guten Ding«, die man nicht fühlt und genießt. Und weil er so am Wirklichen hing und für das Unwirkliche immer nur ein wenig gefahrlos schwärmte, gedieh er ! von dem unscheinbaren Pastorensohn des verschollenen oberschwä- ! bischen Schilda Biberach, das sich kühnlich eine freie deutsche  - Reichsstadt nennen durfte, zum Ratsschreiber seiner Vaterstadt. ! zum Erfurter   Professor, zum Weimarer   Fürstenerzieher, zum stattlichen Gutsherrn von Oßmannstedt, und als er diese letzte Würde, die ihn wirtschaftlich in schwere Fährnisse zu bringen drohte. glücklich wieder los war, blieb er der allverehrte Patriarch, mit Goethe der einzige Mann, den Napoleon 1808 auf dem Erfurter Fürstenkongreß   in dem verachteten Gewimmel schmarotzender Kaiser. Könige und Herzöge eines ernsten und ehrenden Gespräches würdig erachlete. Wieland war in keiner Weise eine tragische Natur, und wie er sich mühelos durch seine Welt fand, so fand er sich schnell zu seiner eigenen Natur. Klösterlich erzogen, zuletzt in Magdeburg  , äußerte er schon mit 15 Jahren, verführt durch die Lektüre des streng verpönten Voltaire, ganz naiv somateriali- stische" Ansichten, daß er beinahe von der Anstalt verwiesen- worden wäre. Nach einigen Studienjahren gewann er durch erste dichte- rische Versuche den mächtigen Parteiführer in den damaligem Literatenkämpfen, den Schweizer Bodmer, der gerade nach einem neuen bequemen Jünger seiner trockenen religiösen Moralpoesie suchte. Klopstock   hatte ihn durch seine derbe Weltlust und noch mehr durch sein Selbstbewußtsein enttäuscht. Wieland   ging nach Zürich   zu Bodmer und wurd« von ihm ein paar Jahre geistig und körperlich durchgesüttert. Ein glückliches Ungefähr erleichterte es Wieland  , damals genau so zu dichten wie sein Meister, sogar noch religiöser, noch moralischer, noch pedantischer, noch sinnenfeind- licher. Tenn in Zürich   war es, wo er von seiner geliebtem Stu- dentenbraut, der Augsburgerin Sophie v. Gutermann, ohne jede Vorbereitung mit einem Absagebrief und unmittelbar darauf mit der Nachricht überrascht wurde, daß sie bereits die Gattin des Herrn La Roche   geworden sei. Da war eS leicht, weltslüchtig und moralisch zu reimen. Aber die Frauen,-die ihn von der Erde drängten, in ätherische Verzückungen, holten ihn auch wieder zur Erde herab. Allerlei seltsame Liebeshämdel entfremdeten ihm Bodmers Haus und Bodmers Poesie. Ein paar Jahre Hauslehrer- tum in Schweizer   Patrizierhäusern reiften seine weltmännische Erziehung. Dann wurde der weitgereifte Sohn in seine Heimüt berufen, und fast schien es, als sollte er hier in Abdera als Kanzlei- beamter sein Dasein vollenden. Hier wurde er auch von seiner Familie mit einer nicht sonderlich reizvollen und nicht sonderlich geliebten Frau verheiratet, nachdem ein allzu fruchtbares, nicht gerade sehr gewissenhaft erledigtes Abenteuer mit einem armem kleinen Mädchen seine Verwandtschast zu der Erkenntnis gebracht hatte, es wäre Zeit, den bescheidenem Wüstling von Biberach   zu verheiraten. Mit dieser Frau hat er hernach in den einsamen Erfurter   Professorenjahren und in der langen Weimarer Zeit in zärtlich treuer Musterehe gelebt, und die Besucher mußten- sich immer erst durch eine unzählbare Herde von Kindern den Weg bahnen, wenn sie zu dem berühmten Manne vordringen wollten. Schmiegsam, liebenswürdig, gescheit, ein geschliffener Bücher- mensch mit einem-weithin aufgerafften Wissen und mit einein sanften Hang zu erotischer, freundschaftlicher und auch politisch. sozialer Schwärmerei ohne jede besinnungslose Besessenheit, aber auch ohne opfernde Hingabe, war Wieland   der rechte Vertreter jener deutschen-wahren" Ausklärung, die mit allen revolutionären Gedanken und himmelstürmenden Plänen anmutig und witzig spielte, um jämmerlich zusammenzubrechen, wo die Ideen in stür- mischem Anprall Verwirklichung drohten und suchten. Das zentrale Erlebnis war für Wicland die Entdeckung der fleischlichem Liebe. die ihn der Bodmerschen Moraldichterei entzog. Von hier aus gewann er seine sinnenfreudige, gern hellenistisch aufgeputzte Welt- anicha-uung einer leichten leidenschaftslosen Glückseligkeit, die ihm zum Gegner klerikaler Verfinsterung machte und die auch seine politlsch-sozialen Ideale färbte. Von Haus ein Prophet des geraden. nüchternen Menschenverstandes, empfand er doch wieder diese glatte und geheimnisleere Welt als unerträglich dürftig, so daß er es ohne die Zuflucht angenehmer unwirklicher Feerien in ihr nicht auszuhaltcn vermochte. Das ist doch schli-eßlich sein- Staatsideal' ein freundliches Schlaraffenland, in der alle Menschen friedlich, gesellig, sorgenlos leben, ohne Unterdrückung, unter gerechtem Szepter, bei erträglicher Arbeit und hinlänglichem Wohlstand. Vor allem darf es auch nicht an holden Nymphen fehlen, die es lohnt. zu entkleiden, und die ihrerseits solche Entkleidungen lohnen. Wieland ist in allem Uebersetzer, von Büchern. Gedanken unS geschichtlichen Ereignissen. Was andere vor ihm in fremdem Sprachen und in anderen Nationen gesagt, gedacht, gehandelt! haben, überträgt er in sein Deutsch. Er übersetzt buchstäblich oder nur stofflich: Griechenland   und das Reich der Tausend und einem Nacht, Plato und Cicero  , Horaz   und Shakespeare  , Lucian und Voltaire  , die französische   Revolution und dem Diktator Napoleom in das immer höchst Wielandsche Deutsch   eines geschichts- und staatlos gewordenen Volkes von dürftigen Untertanen und be- scheiden fügsamer Aufklärung, in das Deutsch eines Biberacher  Rats-schreiberS(der doch ironisch über den Akten steht, wie über