110

Aufs Wort! Bei der Anständigkeit! 6er wie ist das mit Euch?"

Was denn? So sprecht doch einfach wie ein Mensch! Was wollt Ihr? Ich habe noch re jemand betrogen, es sei denn Gendarmen oder Spizel. Was soll ich für Euch tun? Meint Ihr, daß ich etwas tun soll, wenn ich frei bin? Bu Euren Leuten gehn? Oder einen Brief hinbringen? Ich werde tun, was nötig ist...."

Doch bedenkt dies, saß jetzt zu Euch ein Mensch redet, der an der Schwelle des Todes steht."

" Das ist für mir einerlei. Für mich bedeutet der Tod nichts. Nicht der das anderen noch mein eigener. Ich würde es auch für einen gebenden tun, wenn ich kann."

-

-

riesenhaften Wesen angewachsen wäre, daß sich jehr gegen das Meer hinzieht und die Landzungen und Schären umspannt. Aber in dem Gewässer, in dem dieser Riese dahinzieht, lauern tückische Hechte, Barsche und andere Raubtiere des Meeres. Sie schimmern goldig und kupferfarben wie eines Kriegers Rüftung. ihre Floffen leuchten wie rote Fahnen, auf dem Rücken tragen sie spießgleiche Waffen und im Munde spibige Zähne, wenn sie in ihren Verstecken hinter den Steinen, wie die Raubritter in ihren Burgen, lauern und dann mit wildleuchtenden Augen und weit­geöffnetem Rachen auf die Vorbeiziehenden losstürzen. Man nennt fie die Könige des Meeres" und die Herscher des Strandes", und sie selbst glauben, daß ihnen diese Titel von rechtens autommen und daß diese fleinen Fischchen ihre Untertanen sind, bloß dazu bestimmt, ihren Herren als Futter zu dienen.

Aber was bedeutet für einen Stamm von Hunderttausenden die Verheerung, die einige Hechte und Barsche zuwege bringen? Sie merken kaum die Nähe des Feindes und bemühen sich nicht einmal, ihm auszuweichen! Der Angriff ist nicht imstande, ihre da versuchen bereinzelte mit einem Sprung durch die Luft angst­voll zu entfliehen, aber der große Zug jezt seinen Vormarsch ruhig Gut. Ich werde ihn in den Kasten stecken. Gebt mir fort, als ob nichts geschehen wäre. Die Berfolgten sehen sich nicht Fas Geld für die Marke, denn ich habe nichts. Nach Geld zur Wehr, sie fliehen nicht und beschleunigen nicht ihren Marjah. muß ich mich erst umsehen. Indessen kann der Brief zusam- Nur die Strömung des ewigen Meeres bestimmt die Schnelligkeit men mit mir zum Teufel gehen!"

,, Also, das heißt: Sicherheit kann ich nicht haben? Aber schließlich riskiere ich ja dabei nichts, denn wenn Ihr es nicht tut, roird eben aus der ganzen Sache nichts. Es handelt fich darr m: ich möchte gern durch Euch einen Brief an mein- Schlachtlinie zu brechen oder ihren Zug zu verändern. Hier und

Weib ns Dorf schicken. Nur ist der Brief sehr geheim."

-

Mit der Post geht das aber nicht. Man müßte den Brief entweder hier in Warschau   jemand von der Partei selbst über geben, aber erstens weiß ich selbst nicht, wo, und dann könnte ich Euch nicht vertrauen " Sehet mich nur gut an. Sehe ich aus wie ein Spikel?" Wojtek sah ihm lange in die Augen und rief aus: Wenn ein solcher wie Du verraten sollte, dann gäbe es auf der Welt keine Wahrheit mehr, und nichts als Falschheit! Ich würde Euch schon vertrauen, in allem, aber wollt Ihr denn G3 fahren? 3 ist ziemlich weit. Es sei denn, da Euch doch schließlich gleich sein kann, wohin..."

Mich hält nichts an einem Orte fest."

Die Bäuerin wird Euch gut aufnehmen. Ihr könnt bei uns ausruhen. Ihr werdet zu essen bekommen, wenn Ihr sagt, Ihr habt mich in meiner legten Stunde gesehen.. Doch hört: wagt es nicht, den Brief zu lesen. Das müßt Ihr mir zuschwören!"

" Nichts werde ich beschwören, und Euer Brief kümmert mich gar nichts!" ( Fortiebung folgt.)

Die Kleinen und die Großen.

Von Juhani Aho  ( Helsingfors  ).

Wer will wohl behaupten, daß die Großen und Starken auch die Mächtigsten sind und daß die Kleinen und Unbedeutenden die Schwachen wären? Daß es die Großen sind, die die Kleinen leiten und die Starken, die die Gesetze für die Schwachen schreiben?

*

Der Himmel ist flar und blau, still liegt des Meeres glatte Fläche. Bloß da und dort bricht sich ein Kreiseln an fernen Schären, als ob das Meer noch im Schlafe auffeufzte; denn es schläft niemals, ohne zu träumen, ist niemals in Ruhe. Langsam streicht eine Meeresströmung an einer langgestreckten felsigen Land­zunge vorüber, deren Fuß sie bespült, während sie aus der Ferne tommt und nach der Ferne zieht. Heute fließt sie hier und morgen dort, und niemand kennt ihr Ziel und ihren Zwed. Aber immer geht ein Wehen durch das Didicht des Seegrases und gehorsam bengen sich die Spißen des Tanges dem Willen der Strömung. Im ernsten Braun schimmert der Boden des Meeres durch das grüne Wasser und drohend verschwindet die Brandung längs der Klippen in der geheimnisvollen Tiefe.

Ganz nahe der Wasserfläche, so nahe, daß das ruhige Wasser Kreise zieht, schwimmt ein Zug fleiner Fische gegen die Strömung längs der brandenden Klippen über den dunklen Grund und über die fich beugenden Tangwälder. Im endlosen Zuge scheinen die leinen Wesen aus dem Meere zu kommen und ziehen wieder gegen das Meer, an Landzungen und-spißen vorübergleitend, über Schären und niederen Strand, deren Buchten sie besetzen und zwischen deren Gestein sie schwimmen.

-

und das Ziel der Wanderung, aber nicht einige Hechte und Barsche. Und so sind es die Großen, die den Kleinen folgen müssen: die Könige des Meeres müssen immer im Kielwasser ihrer Unter­tanen schwimmen um leben zu können. Die Kleinen Fische schlagen immer die eigene Richtung ein und die großen sind ge= 3wungen, sich von ihnen führen zu lassen.

-

**

Die Kleinen sind das Volk, die Großen ihre Bebrüder; aber wer kann da behaupten, daß die Großen und Starken die Mächti­gen sind und die kleinen und Unbedeutenden die Schwachen? Daz die Gesetze für die Schwachen schreiben? es die Großen sind, die die Kleinen führen und die Starken, die ( Berechtigte Uebersetzung.)

Die englische Krankheit.

Die englische Krankheit, die man in der Medizin Nachitis*) nennt, ist eine schleichende und langwierige Krankheit des frühen Kindesalters. So mancher Mutter ist durch das ständige Kränteln ihres Babys schon alle Lust und Freude am Leben und an dem Kinde genommen worden.

Die englische Krankheit ist unter den Arbeitertindern sehr start verbreitet. Leider sind über ihre Verbreitung keine statisti schen Erhebungen vorhanden. Aber schon der Augenschein in den Straßen der Arbeiterviertel lehrt, daß die Zahl der Kinder mit englischer Krankheit sehr groß ist. Vor einigen Jahren hat der Berliner   Arzt G. Levy gefunden, daß von 314 Erstimpflingen. eines Berliner   Arbeiterviertels, die er untersuchte, 122 Kinder die englische Krankheit hatten; davon war die große Mehrzahl mit schwerer Rachitis behaftet. Bon den Kindern, die überhaupt in ärztliche Behandlung fommen, ist ein ganz gewaltiger Prozenta satz mit Rachitis behaftet: so fand man, daß in einer Poliklinik in Berlin   65 Prozent aller in Behandlung gekommenen Kinder englische Krankheit hatten. In einer Wiener Poliklinik waren sogar 89 Prozent der behandelten Kinder rachitisch.

Man wird sich nun fragen, woher die Rachitis fommt. Das auffälligste Zeichen der englischen Krankheit ist die Verkrümmung der langen Knochen der Beinchen der Kinder, und man hat sich darum gesagt, die Sache müsse so liegen, daß irgendein Umstand das Festwerden der Knochen verhindere. Und dieser Umstand müsse ein Mangel an Kaltsalzen in der Nahrung sein, deren es bekanntlich beim Wachstum für das Festwerden des Skeletts be­darf. Man hat darum versucht, bei Tieren durch entsprechende Ernährung fünstlich Rachitis hervorzurufen. Man hat zu diesent Zwecke junge wachsende Hunde mit einer Nahrung aufgezogen, in der es an Kaltsalzen mangelte. Eine solche Nahrung ist z. B. das Fleisch oder der Reis. Für den wachsenden Organismus enthalten sie nicht genug Raltsalge. Die jungen Sunde wachser bei einer derartigen Ernährung mit frummen Beinen heran: denn ihre wachsenden Knochen können ja ohne viel Kalfsalze in der Nahrung nicht fest werden. Als man aber die Knochen dieser Tiere unter dem Mikroskop untersuchte, da fand man, daß in ihnen sich nicht jene charatteristischen Veränderungen abspielen, die man bei der wirklichen englischen Krankheit beobachten kann. Es war also nicht gelungen, bei den Tieren durch Kalkmangel Rachitis hervorzurufen. Und das war eigentlich auch gar nicht anzunehmen; denn in der Milch, namentlich in der Kuhmilch, gibt es ja genug Kalfjalze für den wachsenden Organismus.

Man hatte aber bei den Untersuchungen über die Ursache der Rachitis die Sache vielleicht nicht am richtigen Ende angefaßt, indem man all sein Augenmerk zunächst auf die Knochenverfräms

Woher kommen sie und wohin lenken sie ihren Weg? Sie scheinen feine Führung zu haben, sich des Zieles, dem sie zu streben, nicht bewußt zu sein haben teine andere Führung als das Bewußtsein der Gemeinsamteit, fein anderes Ziel als die Strömung, gegen die sie streben. Nicht für einen einzigen Augenblick trennt sich einer dieser Hunderttausende von dem großem 3uge, nicht für einen einzigen Augenblick verändert der Zug seine Richtung, die ihm wie von altersher vorgezeichnet zu sein scheint.*) Rachitis" heißt griechisch eigentlich Rüdgratsentzündung". Es ist, als ob die Eintracht und der gemeinsame Wille dieser Mit dieser Bezeichnung ist die für die englische Krankheit charak hunderttausend unbedeutender Geschöpfchen zu einem einzigen teristische Berkrümmung des Rüdgrates angedeutet.