.Sie find so gut zu mir. Doktor. Weshalb find Sie das? Ich weiß, daß Sie auch für meine Miete aufkommen." Er wehrte mit der Hand ab. Das hat gar nichts zu bedeuten, das ist gar nichts..' Sie sah dorthin, wo das andere grosse Möbel, das der Raum barg, stand, die Nähmaschine. .Sie gehört mir. Ich Hab' im Februar die letzte Rate auf fie bezahlt. Die sollen Sie nehmen und damit... alles bezahlen... dann... später. Ich glaub', es wird ausreichen." .So, aber darüber jetzt kein Wort mehr. Sie dürfen mir an derlei Sachen nicht einmal denken. Wenn wir gesund geworden und wieder auf den Beinen sind, dann wollen wir darüber reden." Ein wehmütiges Lächeln glitt für einen Augenblick über ihre Lippen und ihre Augen schlössen fich. Aber dann schlug fie sie jähe wieder auf und sah ihn an. .Wo ist das Kleine?"Es... sie ist begraben." .Werd' ich das Grab sehen können, wenn ich wieder gesund sein werde? Und Blumen darauf pflanzen?" Aber, meine Liebe, sie das Kind hat ja nie gelebt." Es hat in mir gelebt." Sie wandte ihr Geficht fort, und Aarli sah sie weinen. Er verwünschte seine Klotzigkeit, wie er es nannte. Das Grab soll instand gesetzt werden, Fräulein Sigrid. Die Grabstätte wird gut gestampft werden und ein Gitter und eine Namensplatte erhalten. Sollte sie nicht Lilly heißen?" Ja. Klein-Lilly. Die niemals groß wird... Aber Sie sollen gar nichts machen, Doktor. Das wird nicht notwendig sein." »Nicht notwendig was soll das heißen? Gleich morgen werde ich Bescheid geben." Sie sah ihn abermals an: .Das ist so wunderlich. Hier liege ich und habe ein Kind ge- boren, das nicht lebt, �zch habe Leben gegeben. Aber es lebt nicht. Und ich habe auch nie gelebt. Ich wär' schon dazu geeignet ge- Wesen, aber ich habe niemals gelebt. Die anderen sprachen stets davon. Aber ich bin dem nie begegnet, und eS kam niemals zu mir. Ich bin mit meiner Arbeit dagesessen und habe davon geträumt und glaubte mit dabei zu sein. Ich kümmerte mich nicht um das, um was fie fich kümmerten, und legte gar keinen Wert auf das, was fie sprachen und worüber sie lachten. Aber ich sehnte mich so, ich sehnte mich so danach, zu sein wie fie und mit ihnen zu lachen. Aber ich lernte das nie. Vielleicht war das auch deshalb, weil ich so arm war. Oh, wir waren immer so arm. Wir waren immer ärmer als die anderen, ich weiß nicht, wieso das kam. Der Vater rackerte sich ab, die Mutter rackerte sich ab und wir alle zusammen mußten probieren etwas zu verdienen, schon von ganz klein an. Aber wir waren so viele, vielleicht lag es auch daran. Da bin ich ihm begegnet. Und mir schien, daß ich jetzt mitten im Leben war. Aber als ich das Kind haben sollte, ging er fort. Das ist so wunderlich. Daß ich geboren werden und so viele Jahre gar uicht mit im Leben sein sollte, nur um einem zu be- gegnen, der davon ging, als mir ein Kind wurde das auch nicht leben sollte. Oh, denken Sie nur, wenn es im Himmel nicht so ist, wie wir es glauben. Denken Sie wenn dos nur eine Fort- seyung dieses Lebens wäre! Wenn ich auch oben nur immer« während sitzen und nähen sollte, und niemals mitleben sollte, niemals mit feiern würde, oh da will ich lieber schlafen, schlafen und niemals erwachen I" Die spitzen Knie streckten fich unter der Decke. Niemand weiß, wie es dort drüben ist." sagte Aarli.Aber eines ist sicher: wir werden alle, alle zur Ruhe kommen. Aber diese brauchen Sie auch jetzt." fügt er lächelnd hinzu.Deshalb sollen Sie nicht mehr an dieie Dinge denken und ganz und gar nicht davon sprechen." Sie sah ihn an. Werde ich sterben, wenn ich noch mehr rede?" Es verschlimmert Ihren Zustand." Sie lächelte. (Fortsetzung folgt.) Seltsame StraKennamen. Von Dr. I. Stanjek. Eine in Berlin   zum Besuche weilende junge Lübeckerin scheint dort auf das Herz eines jungen Mannes einigen Eindruck gemacht zu haben; denn dieser bat sie behufs späterer Korrespondenz um die Angabe ihrer Lübecker   Adresse. Der Verehrer der jungen Dame fiel aus den Wolken, als er zur Antwort:Lina Möller, Lübeck  , Herzensgrubc 17" erhielt. Er meinte natürlich, das hübsche Mäd- chen habe sich mit ihm einen schlechten Scherz machen wollen, be- ruhigte fich aber bald, als ihm die Dame versicherte, daß es tat- sächlich eine Straße dieses Ramens in ihrer Heimatstadt gäbe. Man hat in vielen alten Städten Deutsckilands ganz merkwürdige Straßennamen, die durch Mißdeutung und Umdeutung der alten, später nicht mehr verstandenen Namen entstanden sind. Die Straßennamen von Lübeck  , Hamburg  , Nürnberg   und von vielen der ältesten Städte Deutschlands   bieten uns in dieser Beziehung manches hübsche und interessante Beispiel, Die Stadt Lübeck   liegt auf einem langen Hügelrücken, auf dessen Höhe sich der Markt und der sogenannte Kuhberg befinden. Von diesen Plätzen führen rechts und links Straßen nach dem Hafen hinab, die zumesst Gruben be-tzen. Wir haben da eine Herzensgrube, deren frühere Bezeichnungen Httrtogengrove(nieder- deussch) und lossa ducis(lateinisch) uns zeigen, daß die Straße eigentlich Herzogsgrube heißen müßte. Die Engelsgrube hat mit Engeln nichts zu schaffen, aber mit Engländern, die dort Vorzugs- weise ihre Niederlassungen hatten, ebenso wie auf der Engelswifch, die in alten lateinischen Urkunden den Namen pratum anglicurn (englische Wiese) führte. Wenn heute in Lübeck   diese enge an der Trave gelegene GasseDer Eügelswisch' genannt wird, so ersieht man daraus, daß die ursprüngliche Bedeutung der Gasse dem Ge- dächtnis der Zeit vollkommen entschwunden ist. In Hamburg   führt eine Straße den merkwürdigen Namen Venusberg  ; man nimmt an, daß es sich hier um eine Entstellung aus Feensbarg(hochdeutsch: Feindsberg) handle und daß diese Be- Zeichnung auf die Belagerung der Stadt durch die Dänen im Jahre 1216 Bezug habe. Eine andere Hamburger Straße heißt Katt- repeln, dieselbe Bezeichnung begegnet uns als Straßenname auch in Braunschweig   in der Form: Kattreppeln; es handelt fich hier um eine Verballhornung der an fich schon etwas merkwürdigen Strahenbezeichnung Kathedraltreppe. Der Name Malzgasse in Bern   hat mit Malz nichts zu tun; er ist vielmehr abzuleiten von dem mittelhochdeutschen Eigenschaftsworte malai? oder malat(fran- zösisch malade), das die Bezeichnung vonaussätzig" hatte. Dort wurden also früher die Aussätzigen untergebracht. Denselben Ar- spraing hat wohl auch der in Köln   vorkommende Name Malzbüchel (Büchel Hügel). Den uns gleichfalls in Köln   begegnenden Namen Kattenburg hat man alsKatzen bauch" gedeutet; nach dem Grimmschen   Wörterbuch handelt es sich hier um einen Hügel, auf dem ,,Katzen", eine besondere Art von Geschützen, hergestellt wur- den. In Langensalza   gibt es eine Rebellengasse; der schrecklich klingende Name führt seinen Ursprung auf den recht unschuldig aussehenden Namen Rebil zurück, den ein früherer Einwohner dieser Stadt führte. Das Klageior in derselben Stadt ist keines- Wegs einTor der Klage"; St. Nikolaus war der Schutzpatron der Stadt; der Name Nikolaus wurde gekürzt in Klaus und daraus wurde die Form Klages gebildet, die der jetzt noch vielfach vor- kommende Familienname Klages zeigt. In Hannover   gibt es einen Klagesmarkt. Nürnberg   hat eine Ludergaffe, die auch Loitcrgaffe genannt wird; der Ursprung dieser Sttaßenbezeichnung ist in dem sehr harmlosen Worte Loder zu suchen, das einen Lodenmachcr, einen Tuchmacher bedeutet. Die recht schmale Breitengaffe in derselben Stadt verdankt ihren Namen demselben Gewerbe, dessen Ange- hörige auch Tuchbereiter genannt wurden. Der Hintermarkt in Breslau   war ursprünglich ein Hühner- Markts im schlesischen Dialekt sagt man.Hührder" oderHiendel" für Hühner. In Aachen   gibt es eine Trichtergasse; der Name ist gekürzt aus Mastrichtergosse; die Geiststraße in Münster   hieß früher Geessstraße, weil sie nach der Geest hinausführt.(Geest ist der niederdeutsche Ausdruck für ein unfruchtbares trockenes Sand» land.) Die Bullengasse in Königsberg   i. Pr. hieß früher Bullaten- gasse nach den Bullatenbrüdern, die dort vor der Reformation ihr Kloster hatten. In der Fichtestraße in Leipzig   befindet fich ein RestaurantZur Fichte"; die Straße, die dem Philosophen Fichte zu Ehren genannt worden ist, wird im Volksmunde gewöhnlich Fichtenstraße genannt. In der Kantstraße in Leipzig   gibt eS ein RestaurantZur scharfen Kante"; manche Leipziger scheinen also nicht zu wissen, daß der berühmte Philosoph Kant   bei der Taufe dieser Straße Gevatter gestanden hat. Die dem Dichter Fontane  zu Ehren genannte Fontane-Promenade im Süden Berlins   heißt im Volksmunde die Fontäne-Promcnade und die Fontanestraße in Neukölln sogar Fontänenstrahe. Was ist der Ruhm? Eine Straße in Frankfurt   a. M. heißt Gallusstraße; diejenigen Bewohner der Stadt, denen der Ursprung dieser Bezeichnung nicht bekannt ist, nehmen an, daß diese Straße so nach dem heiligen Gallus benannt worden sei. Der Heilige ist aber ganz unver- dientermaßcn zu dieser Ehre gekommen. Roch im Jahre 1847 hieß der offizielle Name dieser Straße nach dem Frankfurter  Staatskalender Gallengassc; noch früher abir hieß fie offiziell Galgcngasse. Alle die Namen Gallustor, Gallenstraße. Gallenfeld, Gallenkamp usw., die man auch in manchen anderen Städten vor- findet, verdanken ihren Ursprung der Zusammensetzung mit dem WorteGalgen". In Zeih hat das ehemalige Galgentor sogar seinen Namen in Kalktor verwandelt. Umgekehrt aber gibt es in den Gegenden Deutschlands  , in denen früher Slawen wohnten, manches Galgenfeld und manchen Galgenberg  , auf denen niemals ein Galgen gestanden hat. Hier handelt es sich um eine Um- deutschung des slawischen Wortes goly= kahl. In einigen Gegen- den wurde das Wort richtig ins Deutsche übersetzt, und so entstand der Name Kahlenberg  , in anderen Gegenden aber wurde es fälsch- lich mitGalgen" wiedergegeben. Den Galberg bei Gotha   bezeich- net man ebenfalls als früheren Galgenberg  ; er ist ohue Zweifel ein Kahlenberg  . Die Schuhflicker, die im Mittelalter neben den Schuhmachern eine besondere Zunft bildeten, nannte manAltbüßcr". DaS Wort Lückenbüßer" sowie die RedensartBuße und Besserung" zeigen uns, daß das Wortbüßen" von Hause aus dieselbe Bedeutung hat wie das Wortbessern". Im Buche Nehemia 4,7 heißt es:Da