Million sagte, die Tu den Steigern einmal werdest der-machen können, kroch er doch auf den Leim und meinte, mankönne ja dann sehen, wenn Du wirklich so ein Wundertierseiest. Das ist wieder ein tüchtiger Schritt vorwärts, sag' ichDir! Ich will die Kerle schon einseifen, daß ich ein Geld zu-wegbringe für Dich! Und morgen kriegst Du die Mal-schachtet. Wui!"So nahm der böse Tag noch ein ganz leidliches Ende. Daich an das Versprechen des Schneiders Enz nicht im geringstenglaubte, behalf ich mir für die Fertigstellung meines Spruchesmit Hansens leidlich passenden Farbenrestchen und machtemich hierauf ohne weiteres an das neue Kunstwerk. Auseinem gut erhaltenen Zeichnungsblatt schnitt ich ein passen-des Stiick von der Größe eines Vuchzcichens aus, das ich dannmit der Schere fein auszackte. Alles gelang mir vortrefflich,es kam ein rechtes Fieber über mich. Und doch konnte ichmich nicht von Herzen freuen, als nun die Buchstaben M.und S. sauber bemalt und verschnörkelt auf dem Buchzeichenprangten. Zwar redete ich mir fortwährend ein, ich sei ganzim Recht. Aber am Ende zwang ich mich immer wieder zudem löblichen Beschluß, die Buchstaben wie recht und billig anHans Kinsperger abzugeben. Er hatte halt doch den Ge-danken ersonnen. Und was half alles, wenn er zornig wurdeund die Geschichte von der Malschachtel an den Tag brachte?Nun— ich hatte ja noch Zeit zum Ueberlegen.— Wenn haltdie Buchstaben nur nicht gar so hübsch geraten wären!...In dieser Nacht hatte ich einen schweren Traum. DieKinspergerin stand neben meinem Bett, sie trug die gelbeMalschachtel in der Hand und legte sie mir mit einem bösenBlick auf die Bettdecke hin. Die Schachtel wurde schwerer undschwerer und drohte mich zuletzt zu erdrücke», bis ich, in Äugst-schweiß gebadet, erwachte.tLortlepung folgt.)fliegen.Von Hermann Hesse.Als ich vor einigen Jahren zum ersten Male aust der Frank-furtcr Jla einige Eindecker ihre schwachen Flugversuche machen sah,war mein sehnsüchtiger Gedanke:„Sobald das ein bißchen bessergeht, mußt Du mitfliegen!" Und als ich zwei Jahre später zumersten Male in die Lüfte hinaufkam, in einem Zeppclinschen Luft-schiff, da genoß ich wohl den wunderbaren Taumel der Höhe unddie überraschend herrliche Aussicht und den neuen Aspekt der Land-schuft, aber mein Flugverlangcn war nur stärker erregt, und seit-her war es mein heimlicher Wunsch, nun bald einmal zu fliegen.Aber ich wohnte auf dem Lande und kam immer nur im Winterin große Städte, meine Freunde lachten mich aus und erklärtendiese ganze Fliegerei für einen halsbrcchenden, selbstmörderischenSport, mit dem sich höchstens ehemalige Rennfahrer und entgleisteTurfexistenzcn abgäben, und waren der Meinung, ein einiger-n'aßen höherstehender Mensch, welcher Pflichten habe und garFamilienvater sei, dürfe sich unter keinen Umständen„der bloßenSensation wegen" so einem Satansmöbel anvertrauen.Diese Reden konnten mein Verlangen nach Fliegcglück nichtkleiner machen, obwohl ich nicht widersprach. Ich las vom Simplon-flug, las die Berichte von Pau und Paris und Dübendorf und denitalienischen Aviatikern, und verheimlichte meiner Frau die wöchent-lich in der Zeitung mitgeteilten Abstürze von Fliegern. Undhundertmal besann ich mich und phantasierte, wie es nun wohleigentlich so einein Fliegenden zumute sein müsse. Die meistenwaren ja abgebrühte Sportratten oder technische Spekulante», fürdie gab es nur Windverhältnisse, Pferdekräfte, Umdrehungszahlenund Flugpreise. Aber viele davon waren doch gewiß wirklicheAbenteurer, solche mit denen ein Dichter sich ohne weiteres einsfühlen oder doch verbrüdern konnte, es war in ihnen etwas vonder großen Sehnsucht, dw unsereinen zum Wandern und Reisenverlockt und einem das Stillsitzen so sauer macht, und die durchnichts zu stillen ist und durch jede Erfüllung nur tiefer und hung-rigcr wird. Ohne Zweifel war diese Sehnsucht, wen» auch in ihrenrohcstcn Formen, bei vielen dieser Flieger der heimliche Antriebund Verführer, und die, welche hundert Meter hoch herunterfielenoder über Land geschleift wurden, die in der Luft verbrannten oderim Wasser umkamen, waren nicht Arbeitern gleichzustellen, die inihrem armen, tapfern Kampf um den täglichen Groschen weggerafftwurden, sondern sie gehörten doch wohl zu der kleinern Schar derer,die als Sklaven jener geheimnisvolle» großen Sehnsucht ihr Endefanden, deren Knochen in Gletscherlöchcrn liegen oder die in denWäldern von Afrika, a»t Südpol oder auf entlegenen Meeren um-kommen. Darin bestärkte mich noch die Nachricht vom TodeLathams, den ich in Frankfurt hatte fliegen sehen, der in denKanal gefallen war und der schließlich sein Ende als Jäger in denTropen fand.Um nun zur Sache zu kommen: ich bin geflogen. Es kamenFlieger nach Bern, eines Morgens hörte ich über meinem Dacheeinen Apparat schnurren und sah einen schönen Eindecker so stolzund kühl und nobel über mich wegfahren, daß es mir das Herzumdrehen wollte. Am nächsten Tage bin ich mitgeflogen. Undnun will ich versuchen, einige meiner Eindrücke bei diesem erstenFlug meines Lebens mitzuteilen, soweit das möglich ist, und dadie Geschichte vom„erfüllten uralten Menschheitstraume", vom„Sieg der Intelligenz über die Materie" und alles das schon jeder-mann bekannt ist, will ich den undankbaren und schwierigen Ver-such machen, die Kultur und die Technik und alles das wegzulassenund lediglich das zu notieren, was ich erlebt habe. Ich finde michbei diesem Vorhaben durch eine tiefe Unwissenheit gestützt: ich weißweder den Namen der Firma, die den Motor gebaut hat, noch dieZahl seiner Pferdekräfte, noch das Gewicht, noch das Gewicht derBelastung. Ich weiß gar nichts, als daß ich yun endlich, endlichgeflogen bin, und daß es mir gar nicht selbstverständlich und all-gemein kulturell erschienen ist, sondern höchst abcn'euerlich. Ichbin ratsächlich„der bloßen Sensation wegen" geflogen, und dieSensation hat mir eine unbändige Freude gemacht.Degen 3 Uhr an einem warmen, hell sonnigen Frühlingstagerschien ich auf dem Flugfclde, wo sich ein paar schwarze Menschen-kuäuel drängten und umeinander drehten. Mitten in einem dieserKnäuel sah ich den Apparat ragen, mit dem ich fliegen sollte undder mich erwartete.„Wenn es mir nur nicht übel wird!", dachteich, denn ich kann Menschenmengen schlecht vertragen.Ich drängte mich vor, eine grüne Brille auf der Nase und einegelbe Reisetasche in der Hand. Ich legte den Leuten die Hand aufdie Schulter, schob sie leise beiseite, machte ein sachliches Gesichtund wurde durchgelassen, es ging über Erwarten gut. DasSchlimmste vom Fliegen war nun überstanden. Ich stand beimApparat, begrüßte den Flieger und zündete eine Zigarre an. Einfranzösischer Monteur suchte mich über den Motor zu belehren, ichnickte dankend und kam erst jetzt auf den Gedanken, die Maschinenäher anzusehen. Am Kopf des Vogelleibes saß die hölzerneSchraube, dahinter der Motor und Bcnzinvorrat, dann der Platzdie Fliegers, dann mein Passagiersitz, hinter dem das leichte höl-zerne Bauwerk sich rasch verjüngte und dem hübschen Schwanzsteucrzustrebte. Als Spielzeug sah das Ganze entzückend aus, daß esaber zwei Menschen durch die Lust tragen sollte, schien wunderlich,so leicht und liebenswürdig japanisch sahen die Stänglein undDrähtchen aus, und auch die Flügel waren so spielerisch und dünnund luftig gebaut, daß man sie nicht anzufassen wagte.'„Nun" dachte ich,„die Hauptsache ist ja der Motor, und denkann ich zum Glück nicht taxieren. Es wäre gut, wenn wir baldfahren würden."Da winkte mir der Flieger, ich möchte mich nun fertig machen.Schnell machte ich meine gelbe Handtasche auf und nahm meineSachen heraus, eine Schi-Mütze, ein Paar Handschuhe, ein wollenesHalstuch. Als ich die Mütze glücklich auf und unter dem Kinnzusammengeknöpft hatte, lächelte der französische Monteur michfreundlich an und sagte, so gehe das nicht, ich müsse die Mütze um-gekehrt aufsetzen, mit dem Schirm nach hinten, sonst werde mir dasZeug alsbald vom Kopf gerissen werden. Die Volksmenge lachteund sah mit Interesse zu, wie ich meine Kleidung vollends inOrdnung brachte. Schließlich gab mir der Avialikcr noch einenMantel und eine Automobilbrille, ich schwitzte in der wollenenHaube und sah so bestrickend aus, daß die Menge wieder aufsmunterste lachte. Photographcnapparatc wurden auf uns gerichtet,und jemand rief mir zu, ich müsse jetzt noch die Nase zubinden,dann könne mir gewiß nichts mehr passieren.Jetzt stieg der Flieger ein. Es war ernst mit dem Spielzeug,und als der schwere Mann mit seinem braunen Stiefel derb aufdas singerdünne Holzstänglein trat, brach es nicht zusammen, son-der» hielt, und es trug auch mich, und nun saßen wir in unserenSitzen, im leinwandbekleideten Stangengerüste auf bequemenSesseln, die Menschenmenge wich ein wenig zurück, die Luft wurdebesser.Herrgott, ich hatte meine Handschuhe liegen lassen. Aber nunmochte ich nimmer stören.In diesem Augenblick begann der Motor zu surren, vor un-scrcn Augen sauste die Flügelschraubc ihren glänzenden Kreis,hinter uns spie der große Vogel Rauch und Gestank aus, schreiendfloh zu beiden Seiten das Volk hinweg. Wir fuhren elastisch aufunseren beiden Rädchen über den Rasen, merkwürdig lind undwohlig, und plötzlich wurde mir in meiner Wollenhaube wiederIvohl und wild gespannt. Wir fliegen, schrie mein Herz, jetztgleich fliegen wir.Da war der Rasen weg und wir stiegen schräg in die Höhe,und das war äußerst wohlig und beruhigend. Wir fliegen! Ja,es ist merkwürdig, aber ich hatte es mir aufregender gedacht.Nein, ich nehme alles zurück. Es>var aufregend genug. Alsich inich eben besann, ob jetzt wohl zehn Sekunden oder eine Stundeseit der Abfahrt vergangen seien, duckte sich der Herr Flieger, ichwurde in die Sitzlchne gedrückt und der Apparat machte einenSprung in die Höhe. Da blieb er eine Weile, während der Luft-ström donnernd an meinen Ohren vorübcrsaustc, und machte nunwieder einen Sprung, einen verfluchten, unerwarteten Sprung.Ich tat einen Blick auf die kreisende Schraube. Wenn dasLuder Launen hat, gehen wir kaput, dachte ich einen Augenblick,