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Hast du acht gegeben?" fragte der Zeigerhanik, nachdem der Stoder an uns vorbei war. Hast du seine Augen an­gesehen? Sie sind nicht, wie fie fein sollten. Von den Ge­danfen, die einer im Kopf gehabt und verwerft hat, bleib: immer etwas in den Augen zurüd, du siehst es jedem Men­fchen an, ob mehr helles oder tribes Waffer auf feine Mühle gegangen ist. Der Stocker weiß das, er verbirgt seine Augen vor den Leuten. Immer, wenn man mit ihm redet, führt er fie nach einer anderen Seite spazieren."

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auslöschen all den Brand im Innern. Und Wassily ballt feine schwarzen, verarbeiteten Fäufte.

Eine Dame geht eilend, die rauschenden Röcke raffend, vorüber. " Ach ist das schrecklich!" flüstert sie.

Mißgeburten!" ruft ein geschniegelter Kommis vorbeilaufend, ihnen in weitem Bogen ausbiegend, nur um die Mißgeburten" nicht zu streifen.

Um Christi willen, bettelt Wassily weiter, mit aitternd vor­gestreckter Hand... Ein Mann in einfacher Kleidung geht vor über. Sein Blid streift auf einen Augenblick den zitternden, An dem, was an diesem Tage geschehen, rührte der bettelnden Wassily. Vielleicht gibt dieser was 1" Um Chrifti willen, glb einem Unglücklichen ein paar Ropeken." Wassily sucht ihm treu­Zeigerhaniß lange Zeit gefliffentlich nicht mit einem Wort. herzig in die Augen zu sehen. Was steht in diesem Gesicht, was in Er wußte schon, daß es doch in mir festfaß. Einmal hörte ich diesen Augen geschrieben? Mitleid, der Wunsch zu helfen, vielleicht ihn in der Küche zu Frida sagen, sie könne dann dem Kasper auch ein versteckter Vorwurf? wieder einmal schreiben, damit etwas zu lesen ins Haus Du willst wohl trinken, fragt der Mann lachend." komme. Der Bub müsse eine Abwechselung haben, er studierena, nimm, lag mich aber in Ruh", sagt der Unbekannte, Waffilh Nur ein Fünfer fehlt mir, gibt Wassily offenherzig zu." zu viel für sein Alter.

Ich freute mich unbändig über das große Pafet, das der Briefträger ein paar Tage später ins Haus brachte und ver­tiefte mich mit heiligem Eifer in die Geschicke von Alamon tade und Addrich im Moos; ein altes, vergilbtes Fabelbuch machte mir besonders viel Vergnügen, und selbst vor einem dickleibigen Geschichtswerk schreckte ich nicht zurüd, es war mir sogar bald das merkwürdigste und wertvollste aller Bücher, die mir bis jetzt in die Hände gekommen.

Aber manchmal, besonders an schönen Sonntagabenden, fam unversehens ein seltsames Verlangen über mich, auf irgendeinen stillen Feldweg zu gehen. Die ganze Gegend hatte dann ein anderes Gesicht als sonst, der merkwürdige Zauber des Sonntags sprach aus jeder weltvergessenen Hede, aus jedem Vogelschrei zu mir. Mit Vorliebe strich ich gegen Gehren   hinaus in der unbewußten Absicht, am Stelzenhofe vorbeizukommen. Wenn dann niemand um die Wege war, stand ich etwa am alten Lattenhag still, scheinbar um mir das Blumengärtchen anzusehen, in Wirklichkeit, um hin und wieder einen schnellen Blick durch ein zufällig offen stehendes Fenster werfen zu können, wobei mich oft ein wunderliches Heimweh ankommen wollte. Es gelüftete mich, hineinzugehen und die Welt draußen durch die kleinen, blanken Scheiben anzusehen, wie einst... Ich lauschte dem einförmigen Ticken der Wanduhr, das auf die Straße herausflang, wie der ruhige Atemzug des alten Hauses. Mit plötzlicher Bestimmtheit fiel mir ein, daß dort in jener dämmerigen Ecke der Kasten mit den zwei Sprüchen gestanden hatte.

( Fortsetzung folgt.)

Münze in die Hand drückend.

eine Trink du den Rest, Liebling!" sagt Afulina, der Kosat. Und während leise glucsend die letzten flaren Tropfen in seinen Hale rinnen, bewegen sich vor seinen Augen, schwimmend, zitternd, blaue und rote Ringe.

Komm, Teuerster, fomm aus der Stadt heraus, flüstert Afu­line. Komm, wollen wir wenigftens im Graben schlafen. Dort ist -.. ich liebe dich.." Und wie ein Schatten an es so schön- der Wand taumelt der verschwommene Blick des betrunkenen Weibes. Nun geh doch, du" sagt Wassily und macht eine rätselhafte Be wegung mit der Hand. Bald ist es Mai, dann kann man unter den Sträuchern schlafen, es ist so schön unter den Sträuchern zur schlafen

Sie taumeln, verwickeln sich ineinander und wanken dahin, wie schlaftrunkene Weiden  , bewegt von Sturm und Wind. Der Rod Atulinas schleppt auf der Erde, als wolle er die Zickzacklinien ihres Ganges   aufzeichnen.

Wassily lacht. Unter der schwarzen Maske von Kohlenstaub und Schmuß fann man jezt fast das Gesicht eines Menschen erkennen. Er ist nun der eintreifenden Enge des harten unbarmherzigen Lebens entronnen. Alles andere ist vergessen, dort hinten irgendwo zurüdgeblieben, vergessen, verlassen, Qualen und Sorgen... wenn Aber ist das denn nicht einerlei?? auch nur für Augenblide. ( Aus dem Russischen des A. Jaschurin.)

,, Schwarzarbeiter".

Ein Bild aus dem russischen Leben. Schwarz wie Reger aus Afrikas   Wüsten lungern sie in der Nähe der staatlichen Branntweinbude, der Monopolka" herum. Es find Kohlenarbeiter. Und dort in der Ferne, sich unheimlich- düster abhebend vom helleren Himmel, sieht man Berge aufgespeicherter Steinkohle. Geht! tragt sie doch auf euerem Rücken, schleppt fie doch, ihr unbekannten, düsteren Gestalten. Und sie tragen die schwarze staubige Last Tag für Tag vom Morgen bis in den Abend auf ihren wunden, nackten Schultern. Sind gemieden, vergessen von allen anderen Menschen. Nur in flemen Haufen halten sie zusammen. Und hinter ihnen lavert unentrinnbares Elend, fauert

die Not.

Auch Frauen sind unter ihnen. Dort an der Ecke steht eine von ihnen. Man nennt sie die Kojaken", ihres lärmenden, drauf gängerischen Wesens halber. Trinken müßte man", sagt sie, die Vorübergehenden mit bösen, flagenden Blicken streifend. All denen sind unsere Nöte fremd", fügt sie hinzu, Wassily Podmetfin an­fehend. Hoffnung und Zärtlichkeit liegt in ihrem verschwommenen

Blid.

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" Hab teins", antwortet der. Gestern hab ich all mein Geld vertan. Am Morgen erbettelte ich 16 Kopefen, jett fehlt nur ein Fünffopefen- Stüd. Aber wart! Vielleicht erwisch ich irgend jemand." Und Waffilhs Augen glimmen auf, einen Augenblic lang wie glühende Kohlen. Er gibt sich ein leidendes Aussehen und stredt die Hand aus. Aber die vorüber gingen, blieben gleichgültig. Wassilys Hand zitterte.

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Allerlei vom Kuckuck.

Von G. Schen fling.

Jedermann hat seinen Lodruf schon gehört, aber nur wenige haben den scheuen Gesellen zu Gesicht bekommen; was wird nicht alles von ihm erzählt und geglaubt, und was für falsche Ansichten find über ihn verbreitet. Wie ist das zu erklären?

Kinder und Erwachsene betrachten den Kudud als Propheten, als Glüds. oder Unglüdsboten; sie befragen ihn nach den ihnen noch beschiedenen Lebensjahren, das junge Volk nach den Jahren des Wartens bis zur Gründung eines eigenen Herdes und der Wanderbursch flappert mit feinen Pfennigen, sobald er den Ruf des Frühlingsverkünders vernimmt. Aber noch eine ganze Anzahl anderer Fähigkeiten und Eigenschaften wurden dem Vogel ange­dichtet. Die Tatsache seines plötzlichen Erscheinens und ebenso raschen Verschwindens im Mitsommer gab Anlaß zu der Sage, daß die Kuckucke fich gegenseitig im Herbst auffräßen und aus den fleinen grünen Larben der Schaumzikaden, die namentlich am Wiesenschaumfraut( Cordamine pratensis) saugen und den Saft als schaumigen Ruckucksspeichel wieder abgeben, im Frühling Kuckucke würden, daß, wie ein alter englischer Naturforscher er­zählte, die alten Kudude im Hochsommer von ihren in Schwärmen über sie herfallenden Jungen getötet würden, und daß endlich, wie unsere Landleute noch behaupten, der Kudud sich im Herbst in einen Raubbogel, einen Sperber oder Habicht  , verwandle, zu welcher Meinung die entfernte Aehnlichkeit des Gefieders Anlaß gab. Versuchen wir, uns diese Ansichten zu erklären. Betreffs der Prophetengabe des Kududs sei erwähnt, daß der Glaube an die übernatürlichen Eigenschaften des Vogels uralt ist, wie denn durch Mythologie erwiesen ist, daß der Kuckuck unseren Vorfahren als der heilige Vogel des Thor galt, des Frühlinsverkünders, der durch Ge­witter den Winterricien verjagte. Aehnlich galt auch der Pfau als Wächtervogel der Hera  ; beide Vögel haben einen auffallenden Ruf und eine auffallende Zeichnung des fächerförmigen Schwanzee, die gewissermaßen ein Bild des gestirnten Himmels ist. Der Um­stand, daß der Kudud nur furze Zeit bei uns verweilt, wie auch sein scheues Wesen sprechen dafür, daß er offenbar ein Fremdling bei uns ist, wie denn auch seine zahlreichen Verwandten in südlichen, wärmeren Rändern wohnen. Während andere Tiere dem Zurüd­weichen des großen Inlandeises, das ehedem. halb Europa   bededte, früher folgten, gehört der Kuckuck zu denjenigen, die erst spät zu

Geizhälfe" flüstert der Kosat. Ihre Hand ballt sich zur Faust: Nur hiermit erhälst du was." Gebt einem frommen Armen", wiederholt Waffilh, noch dreifter die Vorübergehenden ansprechend und ihnen nachlaufend. Wenn man doch wenigstens einen Schluck zu trinken befäme! Es brennt und ist wie glühendes Metall in der verdurfteten Kehle! uns gekommen sind. Wenn auch nur einen Schluck!... Dann ist's doch wenigstens In Gegenden, die arm an ausgedehnten waldreichen Gebieten leichter ums Herz, nur dieses Feuer da drinnen löschen, mit Schnaps find, die der Kuckuck bei seiner Freßsucht verlangt, tritt er nicht