Tcauerschleiern cingerohini, erblickt man nur arme, verblühteWesen, aus deren kläglichen Blicken das Leiden spricht: es ist diesieche Bevölkerung, die in den zu hohen Bergen weilt, die blassenMädchen aus den Hochebenen, deren Lebensbedingungen nieder-drückein—Ich habe mich der Prozession angeschlossen, die sich Roncevauximmer mehr nähert: in raschem Schritt, geräuschlos, da die Berg-bewohner barfuß gehen oder Sandalen tragen, geht es vorwärts.Vor mir zuerst die schwarze Frauenmenge, vor denen die Gruppeder silbernen Kreuze darherschreitet, auf die in diesem Augenblickein Sonnenstrahl fällt, der an dem verschwommenen Grün desHintergrundes aufleuchtet; zuletzt endlich der Vortrab mit denKruzifixen und den ausgebreiteten Armen, der ganz inmitten einesdicken, grauen Dunstes, auf dem Reflexe perlmutterartig schim-mern, zu stecken scheint. Das alte Roncevaux aber, zu dem sie alleziehen, ist durch eine Wolke unsichtbar geworden, ein dichter weißerDampf, der vorbeizog, stand dort still, um es zu verstecken.Aber wir sind diesem?.oncevaux, das man nicht mehr sieht,sehr nahe, denn plötzlich ergingen die Glocken des alten Turmes,die mit schnellen Schlagen ensere Ankunft ankündigen, wie es heutemorgen die Glocken von Burguette taten. Das Kloster liegt voruns, durch die Wolken, t<e es immer noch einhüllen, scheinen seineungeheuren Umrisse n»ch größer. Mit seiner Festungswarte undder Anhäufung schweren Gemäuers wirkt es gewaltig und bar-barisch. Die Menge schiebt sich dllrch eine alte Granithalle undüberschreitet einen einsamen Klostergang, den Schutt, Farren-kräuter und Moos bedecken. Weiter steht die Wolke über demKloster, sie umhüllt die menschlichen Silhouetten, und durch ihreFeuchtigkeit erschauert man hier wie in einem Grabgewölbe.Der ganze Mcnschcnstrom ist jetzt in die dunkle, von Weihrauchdurchschwängerte Kirche gedrungen, in deren Hintergrund vor den«rlten goldschimmerndcn Tabernakeln Kerzen brennen. Die Flämin-chen der Wachslichte beleuchten schwach die vergoldeten Säulen, dievergoldeten Altarwände, die Reste ehemaliger Pracht inmittenvon so viel Verfall und Elend. In dem Kirchenschiff, in dem mankaum stehen kann, drängen sich alle durcheinander; die Körper be-rühren und stoßen sich; Kreuze schlagen zusammen und schwer hörtman das Holz auf dem Steinfußboden aufschlagen.Allmählich finden alle Platz, die Augen gewöhnen sich an dasDunkel. Der ganze Mittelgang zwischen den Säulen ist von derschivarzen Masse der in Trauerschleier gehüllten Frauen einge-uommen. Zu beiden Seiten haben sich symmetrisch die Träger derfünfhundert Kruzifixe aufgereiht und halten sie mit ausgebreitetenArmen, keuchend und müde von dem langen Weg. Sie sind amZiel ihrer mühsamen Wanderung, die sie mit ihrer schweren Bürdegemacht haben, und die Messe beginnt...Das Zinn,Mit jener Kulturepoche, in welcher die Menschheit mit demGebrauche des Nutzmetalls Eisens bekannt wurde, ist sie,wie man wohl sagen kann, in ihr eigentliches Mannes-alter eingetreten und der vollen Ausnutzung der Kohlen-Icgicrung des Eisens, des Stahles, in unseren Tagen indie Zeit ihrer Vollkraft. Ein jugendstarkes Geschlecht wardas der Menschen aber auch in jener fernliegenden Zeitgeworden, als es aus Kupfer- und Zinnerzen das„leuchtende Erz",die Bronze, herzustellen gelernt hatte— ein MetallgeHlisch, dasbereits seit Tausenden von Jahren eine überaus wichtige Rolle inder Kulturwelt gespielt hat und auch wohl noch weiterhin einehervorragende Stelle auf metallurgischem Gebiet einnehmen wird.Wenn auch schwerwiegende technische Bedenken entschieden dagegensprechen, d!atz es in der menschlichen Kulturgeschichte eine ausge-sprochcnc Bronzeperiode vor dem Beginne des Eisenzeitalters ge-geben hat, so steht doch so viel fest, daß die sogenannte prähistorischeoder frühgeschichtliche Bronze, die in auffallend gleichmäßigerWeise fast immer eine Legierung von gerade 10 Proz. Zinn mitSO Proz. Kupfer darstellt, in vielen Regionen der Welt als dasHauptgcbrauchsmctall einer Zeit war, in der mangelnde technischeKenntnisse und Erfahrungen das Eisen mit seinen herrlichenmetallurgischen Eigenschaften noch nicht recht zur Geltung kommenließen. Für die alten Kulturländer des südlichen Asiens liegtdiese Zeit weit über 3000 oder gar 400l) Jahre zurück, und auchvon dem altehrwürdigen Pharaonenrciche wissen wir, daß dort dieBronze bereits unter der zwölften Dynastie, also in der erstenHälfte des dritten Jahrhunderts v. Chr. in Gebrauch war. Gegendessen Ende mutz die kulturgeschichtlich so wichtige Metallegierungauch schon auf dem Boden von Sizilien und Troja bekannt ge-Wesen sein; die Griechen der homerischen Gesänge aber verwandtenfür ihre Waffen und Geräte neben der Bronze schon das Eisen.Für unfern Erdteil ist der eigentliche Beginn des Bronzezeitaltcrs,wahrscheinlich herbeigeführt durch die Einführung des ehernenMctallgemischcs aus Vorderasien, in die Zeit um 1500 v. Chr. zulegen. Wann die Bronze zuerst nach Nordcuropa gekommen ist,wird uns wohl immer unbekannt bleiben, andererseits scheint esaber festzustehen, daß sie hier bereits gegen das Jahr 400 v. Chr.und in der Schweiz schon gegen 600 v. Chr. mehr und Mehr demEisen Platz machte.Der Gebrauch des Zinns in seiner Legierung mit Kupfer kstalso uralt in der Welt der Menschen, doch ist es sehr schwer, fest-zustellen, auf welche Weise letztere zuerst zur Tarstellung derBronze gekommen sind. Die Annahme vieler Gelehrten, daß hier«zu das zufällige Einschmelzen eines nur selten auf den Zinnera«lagerstätten vorkommenden Minerales, des aus einer Schwefel-Verbindung von Kupfer, Zinn und Eisen zugleich bestehenoenZinnkieses, unter der reduzierenden Wirkung eines Holzkohlen-feuers geführt habe, ist vom chemisch-technologischen Standpunkt»aus betrachtet durchaus nicht haltbar, und wenn man die Her-stellung der vor- und frühgeschichtlichen Bronzen auf das Hu-sammenschmclzen von geschwefelten Kupfererzen(Kupferkies,Kupferglanz usw.) mit Hinnstein bezw. Zinnoxyd,— dem einzigenZinnerze, das der Technik in nennenswerter Menge geboten ist—zurückführen wollte, dann bliebe es völlig unbegreiflich, daß sich inall den alten Bronzen, mit Ausnahme etwa der chinesischen, da?Verhältnis des Zinns zum Kupfer immer annähernd wie 1:10stellt. Vom metallurgischen Standpunkte aus betrachtet bleibt garnichts anderes übrig, als anzunehmen, daß der ersten Darstellungder Bronze das Ausbringen von metallischem Zinn aus Zinnsteiuvorangegangen ist. wie sich ja das weiße Metall unter einer Deckevon glühenden Holzkohlen überhaupt sehr leicht aus seinem Erzeausscheidet. Metallisches Kupfer aber haben die Menschen, sei esals Natur- oder auch als Kunstprodukt, nachweislich schon sehr frühgekannt.Das Vorkommen des Zinnerzes iit geologisch ein recht be-schränktes zu nennen, was unverkennbar darauf beruht, daß daSZinn ebenso wie das Gold- mit Ausnahme der Chlor-, Brom- undJodverbindungen in der Natur kaum irgendwelche in Wasser lös-lichen Salze bildet, vor allem aber keine darin löslichen Sauerstoff-salze. Daher erklärt es sich auch, daß der Zinnstein fast ausnahms-los an Gesteine von Höherem Alter, und zwar vorwiegend solche,die Lithionglimmer enthalten, gebunden erscheint. Besonders istes Lithionitgranit oder ein ihm in seiner petrographischen Zu-sammensetzung völlig gleichkommendes Ausbruchsgestein, der Quarz-Porphyr, worin der Zinnstein in Form von Gängen oder aucheingesprengt vorkommt. Der Greisen, in dem einzelne Zinn-erzgänge des Erzgebirges und von Banka aufsetzten, ist ein ver-änderter Granit, und ebenso dürften gewisse alte Schiefer undGlimmerschiefer, die zinnführend sind, wie die von Cornwall, ganzoder doch zum Teil aus zertrümmertem bezw. zersetztem Granitbestehen. Außerdem findet man den Zinnstein nicht selten aufsogenannter sekundärer Lagerstätte in zusammengeschwemmtemGebirge(Diluvium und Alluvium), das Trümmermaterial vonalten Zinnerzlagern in sich schließt. Darin erscheint daS Erzstellenweise durch einen großartigen natürlichen AufbereitunaS-Prozeß, herbeigeführt durch das zirkulierende Wasser der Atmosphä-rilien, besonders angereichert(Zinnwäschen).Wie uns die vergleichende Sprachforschung belehrt, muß dieVerhüttung des Zinnerzes unabhängig voneinander wenigstens anzwei, vielleicht an drei Stellen auf der Erde erfunden sein. Sehenwir von Afrika ab, dann finden wir in der Alten Welt zwei durch-aus verschiedene Benennungen des weißen Metalles. Der einenliegt die Sprachwurzel näl< oder na? zugrunde, die z. B. in demSanskritworte mga. für Zinn zum Ausdruck kommt. Dieselbe weistin ihrem Ursprung unverkennbar auf die reichen Zinnwäschender hintcrindischen Halbinsel Malakka hin, die auch heute nocheinen großen Teil des Weltbedarfes an dem so viel begehrten Nutz-metalle liefert, während dessen Name in unseren europäischenSprachen: Zinn, tin, etain, stagno, estana usw. auf die kcltisch-gälischeWurzel istan bezw. stean zurückzuführen ist und das britischeCornwall als die zweite Urheimat der Zinnindustrie erkennen läßt.Lange Zeit deckten die alten Griechen und Römer ihren ficht-lich schon recht großen Zinnbedarf aus den Bergwerken der pyre-näischen Halbinsel, von wo ihnen zuerst die Phöniker das weißeMetall zuführten, später aber aus den Zinnwäschen Groß-britanniens, dos deshalb von den Griechen zuerst mit dem Namender Kassiteriden oder Zinninseln belegt wurde.(Das griechischeWort Icassiteros, dem ein nicht sehr altes Sanskritwort,kastira, entlehnt ist, scheint ursprünglich ein phönikisches Handels-wort gewesen zu sein.) Die spanischen und portugiesischen Zinn-erzlager sind bereits seit mehr denn tausend Jahren erschöpft, wäh-rend, der Bergbau in Cornwall in freilich immer größer werden-der Tiefe auch heute noch Zinn liefert. Im 12. Jahrhundert fingenauch Böhmen und Sachsen an, aus den Gruben des Erzgebirgesfür damalige Zeiten recht beträchtliche Mengen Zinn auf denMarkt zu bringen. So belief sich die jährliche Produktion derbeiden Bcrgstädte Schlackenwald und Ehrenfriedersdorf in dehersten Hälfte des 16. Jahrhunderts allein auf 10 000 bis 15 000Zentner. Allmählich sind diese Erzlagerstätten derart verarmt, daßsie jetzt gar keine Bedeutung mehr für die Industrie haben.Sehr früh würde in Europa ein stark fühlbarer Mangel anZinn, ja geradezu eine Zinnat eingetreten sein, wenn nicht nachder Entdeckung des Seeweges nach Ostindien im 16. Jahrhundertdie Halbinsel Malakka(wie im Altertum) den Kulturländern desAbendlandes wieder einen Teil ihrer riesenhaften Zinnschätze hättezukommen lassen. Später gaben dann auch Siam und die beidenEilande Banka und Billiton nicht unbeträchtliche Mengen an deneuropäischen Markt ab und ebenso, seit der zweiten Hälfte desvorigen Jahrhunderts, die australischen Kolonien Viktoria, Neu»Südwales und Tasmanien.