anfangen sollte; e? war eine Handlung ohne Sinn und Zweck. Inseiner Not begann er die Spitze de» Stahle? abzufeilen. Mit derZeit wurde da« die einzige Handlung, die seiner Seele Ruhe gab.Er wußte recht gut. daß eS zwecklose Zeiwergeudung war; und erschlug zornig nach der» Stahl, wenn die Manie über ihn kam; trotz«dem aber kolinte er ihr nicht widerstehen. ES war die einzige Be«schäftigung, die in ihm daS befriedigende Gefühl erweckte, für andereetwaS ausgerichtet zu haben. Die Sinnlosigkeit seines Tuns entgingihm nicht, aber er beugte sich davor, daß cZ so war.Eines Tages wurde Blank und den andern Bewohnern desalten VororlgebäudeS gekündigt. DaS HanS war ganz von Kaserneneingeschlossen und sollte niedergerissen werden, um einem modernenHause Platz zu machen.Seltsamerweise hatte Blank nie an diese Möglichkeit gedacht.Wenn er enicS Morgen? erwacht wäre und entdeckt hätte, daß diesperrenden Mauern wieder in die'Erde gesunken seien, so hätte ihndaS ganz und gar nicht gewundert. Es wäre ihm einfach als rechtund billig erschienen. Äber daß das Haus hier weggerissen undeiner Kaserne Platz mache» sollte, das konnte er nicht aus seinemKopse bekommen. Es war, als würde die Welt selber fortgesprengt,um Platz für mehr Ersindungen zu schaffen; da? hieß alle Begriffeauf den Kopf stellen.Aber Blank sah der Sache auf den Grund. Nu» war der Groß-Händler so dick geworden, daß er sich nicht mehr damit begnügenkonnte, die kleinen Lenie einzusperren— sie mußten aus dein Weg«geräumt werden, um für ihn selbst Platz zu schaffen!Und Blank zog seine besten Kleider an, steckte den spitzen Streich-stahl unter die Jacke und ging hinüber und klingelte an der Tür de?Großhändlers. Sein Blick war in den letzten Jahren seltsam un-ruhig geworden, so das; die Leute Angst vor ihm hatten.»ES ist der verrückte Schuhmacher', hörte er das Mädchen imZimmer sagen.Nun kam der Großhändler selber herauSgeeilt und sah ihn der-wundert an.„Ich koinme wegen der Kündigung", sagte Blank und trat inSHauS.„Ja, Iva» zum Kuckuck ist denn loS? Meinen Sie, sie wäre nichtgesetzlich zulässig?"„Doch... aber du bist zu dick geworden... die anderenkönnen keine Lust kriegen." sagte Blank stoßweise und setzte ihm denStahl aut die Brust. Und... tind... nun nmßt du selber ausdem Weg!"«««-Blank kam ins Gefängnis, aber sein Gedankengang ivar zuIvunderlich, als daß c? Zweck gehabt hätte, ihn dort zu behalten.Wenn jemand eine Brandmauer mit einem dicke» Großhändler ver«wechselte, so konnte man ihn nicht mehr als deiikendeS Wesen bc-trachten und an den normalen Gütern der meiischlichen Gesellschaftteilnehmen lasten. Er wurde bald in eine Irrenanstalt gebracht.Dort sitzt er im Augenblick und glaubt, er habe die Mauernmit seinem Streichstahl gesprengt. Die Tiefe hat sich ihm offenbart,er sieht den großen Zusammenhang und hängt sich nicht an gleichgültige Kleinigkeiten. Darum behält man ihn in der Anstalt.Zuweilen hat er seine lichten Augenblicke, dann schöpft er seineWorte auS dem großen gemeiniamen Zuber. Und zu solchen Zeitenerörterte man, ob es angehe, ihn noch länger zu behalten oder ober wieder der Gesellschaft zu übergeben sei. Aber glücklichetweisefragt er dann auf einmal, ob die Sonne jetzt nicht in seinen kleinenKeller scheine.Kleines feuilleton.«Völkerkunde.Sin Volk, das keinen Weißen kennt. Im Auftrageder Bereinigten Staaten hat D. D. Streeler eine große Afrika- undOricntreise unternommen. Streeler hat bei dieser GelegenheitBorner durchkreuzt»nd ist in Gegenden gekommen, deren Bewohnernoch nie einen Weißen gesehen balten. Tief im Innern der Inselkam er zu einem Bolke von Kopfjägern, daS im dichtesten Dschungelseine seltsamen Wohnungen hat. Streeler bahnte sich mit Axt und Messerfeinen Weg durch daS dichte Gestrüpp und kam plötzlich aus ein« Lichtung.„DaS erst«, was ich hier sah." so erzählt er,„war em langes, grotesk aus-sehende» Gebäude, das aus siiiif Meter hohen Holzpfähten stand.Dies war, wie ich später erfuhr, eine Sicherheilsvorkehrung gegenUeberschwemmungen, ivilde Tiere und die Angriff« feindlicher Kopf«jäger. Die meisten Dörfer entHallen nur ein einziges solches HanS,in dem an die 300 Menschen wohnen; ungewöhnlich große Dörfermit 1000 Einwohnern haben zwei oder drei solcher Häuser. Da»ganze Gebäude ist von einem Gang durchzogen; jede Familiehaust in einer besonderen Abteilung, Man erreicht daS Innereauf einem leiterartig zugefchnitienen Bauinstamme. Die Holzstützen sowie die Türen sind übrigens reich geschnitzt. DieBewohner dieses merkwürdigen Gebäud«? kümmerten sich umStreeterS eingeborene Begleiter gar nicht, ftarrteu ihn aber an wieein Wundertier. Offenbar hatten sie noch nie einen Weißen gesehen.denn sie betastete» ihn neugierig und fuhren mit den Fingern durchsein Haar. Sie brachten ihm Früchte, Hühner und andere GeschenkeBerantw. Redakteur: Aisred Wielepp, Neukölln.— Druck u. Verlag:dar, und in der Folge ergab sich ein ganz gutes BerhältniS zwischendem„weihen Gott" und den Kopfjägern.Streeler beschenkte das merlivürdige Boll und da» beste Geschenksda? er ihnen brachte, waren die Arzneimittel, die er in großenMengen mit sich führte. Die Bewohner der Dschungel im Herzenvon Borneo leiden nämlich an vielen Krankheiten, an Malaria,lepraähnlichen Erscheinungen usw., ja Streeler gibt an, dreiviertelder Kopsjäger, Männer, Weiber und Kinder, seien krank. Einanderer Stamm von Kopfjägern, der ganz in der Nähe angetroffenwurde, zeichnete sich durch seine fürchterlichen Giftwaffen aus. DieseKopfjäger schießen aus Blasrohren von zwei Meter Länge mit ganzkleinen, streickiholzdicken, etwa spannenlangen Pfeilen mit vergifteterSpitze, und das Gift soll Mensch»nd Tier innerhalb von siebenSekunden unbedingt löten. Dabei schießen diese Kopfjägermit ihren Pfeilen auf dreißig Meter oder mehr mit solcher Sicher«heit, daß sie selbst fliegende Böge! treffen. Die Kopsjagd, nach derman diese Einwohner BonieoS häufig bezeichnet, hat Strecter aucheinigermaßen gut kennen gelernt, denn gerade am Tage vor seinerAnkunft waren verschiedene Menschenköpfe erbeutet worden, und erkonnte sehe», wie sie getrocknet werden. Keiner dieser Kopfjäger, soerzählt er, darf sich verheiraten, wenn er nicht wenigstens einenMenschenkopf erbeutet hat.Hauswirtschaft,Der K w a ß. Wenn man den AlkoholiSmn» mit Erfolg be»kämpfen will, muß man der dürstenden Menschheit, die nick: immerklares Wasier trinken kann und mag. wohlschmeckende unschädlicheund billige Ersatzgetränke für Bier und Wein zugänglich machen.Die Industrie der alkoholfreien Getränke hat bisher noch nichtdiel Brauchbares geliefert; die meisten ihrer Produkte sind auch fürden Genuß in größeren Mengen— bei Feld», Bau- und anderenArbeilen, die in sehr heißer und staubiger Luft verrichtetwerden— nicht wohlseil genug. Da lenkt ProsesiorRudolf K o b e r t. Direktor de» Instituts für Pharma»kologie und physiologisch« Chemie in Rostock, in einer neuer»dingS in zweiter vermehrter Auflage erschienenen Schrift„DerA w a ß"(Halle a. d. S., Verlag von Tausch u. Grosse. 1S13.32 Seiten.) die Aufmerksamkeit weiterer Kreise auf daS altbekannterussische Rationalgetränk, den schäumenden, säuerlich schmeckendenKwaß, der alle Anlprücbe erfüllt, die nian in bezug auf Billigkeit.Bekömmlichkeit und Wohlgeschmack an ein alkoholarme? Getränkstellen kann. Ganz alkoholfrei ist der Kwaß nicht, der Alkoholgehaltist jedoch geringer als der unserer Dünnbiere und Weißbiere— erbeträgt beim BolkSkwaß eiwchjsi/z Proz.—, so daß solcher Kwaßnach dem deutschen Brausteuergesetz als alkoholfreies Getränk be«handelt werden müßte.Der Kwaß wird entweder auS verschiedenen Mehlarten oderauS Malz von Roggen oder Gerste oder a»S Brot, oft auch au»einem Gemisch aller dieser Stoffe mit Wasier gesotten, mitunter ge-znckert, häufig auch mit Psefferminzlraut gewürzt und an einemWarmen Orte zum Gären gebracht. Auf Flaschen gefülll ist derKwaß nach wenigen Tagen der Nachgärung bereits trinkbar. DieBereitung kwaßähnlicher Getränke ist übrigens uralt. In Rußlandkennt man den Kwaß bereits seit tausend Jahren. Er istdort in vielen Gegenden das tägliche Getränk derBauern, des Soldaten, auch der Oisiziere, ja, derKwaß wird sogar Kranken in den Spitälern verabreicht.Erst neuerdings ist man auch zu fabrikmäßiger Herstellung de»KwasieS übergegangen.Kobert teilt mehr al? siebzig verichiedene Vorschriften zur Be-reitung von Kwaß mit. Da gibt eS Brotkwaß, Malzkwaß. Hospital-kwah. Soldatcnkwaß, Birkenkwaß, auch einige nicht schäumendeKwaßarten, ferner Pfefferminzdvaß, Obstkivaß und Bccrenktvaß.Eine besondere Art ist der Koblkwaß, so genannt, weil früher derSauerkohl die Bakterien der Milchsäuregärung de-Z Getränk» lieferte.Heule verwendet man statt Sauerkohl Sauerteig, aber der alte NameKohlktvaß hat sich bis heute erhalten.Die chemische Untersuchung verschiedener Kwaßarten ergab außerSpuren von Alkohol, Milch» und Kohlensäure sowie Ameisen»säure einen EPraitgehalt von 5—7 Proz. Danach kommt dem Kwaßauch ein nicht unerheblicher Nährwert zu. Einige russische Unter»suchungen zeigten, daß der Kwaß infolge seines Säuregehaltes nursehr unbedeutend« Menge» von Bakterie», noch dazu harmloser Art,enthält. Für die Bakterien de» Unterleibstyphus und der Cholerabietet ei nicht nur keinen günstigen Boden dar, sondern er tötet diesesogar ziemlich schnell ab. Bcrdorbener Kwaß kann natürlich— wiealle verdorbenen Nahrungsmittel— Darmstörungen verursachen unddadurch in Epidennezeiten gefährlich werden.D>« Prüfungskommission der Petersburger Ausstellung-gnr Bekämpfung de-Z Alkoholismus im Jahre 1910 erklärte nach eingehenderUntersuchung aller alkoholarmen und alkoholfreien Getränke ein-stimmig:„In der Reih» der alkoholfreien Getränke gebührt demKwaß. diesem alten russischen Nationalgelränk, die erste Stelle".Nach allem wäre« Versuche, den Kwaß fabrikmäßig herzustelle»und in den Kleinhandel zu briugen, wie sie in Zürich. Thorn undMünchen bereits gemacht tvurde», m größerem Maßstabe in Deutsch-land dringend anzuraten. Die Einführinrg eines solchen billige»und gesunden BolkSgetränkeS wäre im Interesse der BolkSgesundheitmir warm zu Uegriißc».____ m. kt.Vorwärts Buchdruckerei u.Verlagsanstalt Paul Singer&Co..Bcrlin SW.