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Man flüsterte sich allerdings zu, daß sogar Armour, der Fleischkönig, in aller Heimlichkeit beschlossen habe, Bär zu werden, bloß um diesen jungen Gelbschnabel zu züchtigen, der da glaubte, er könne über das Brot der ganzen Welt herrschen. Und daß er von Wiesbaden   aus, wo der Fleischmatador- unter strengstem Verbot, an Fleischnahrung auch nur zu denken Heilung für seinen Magenkrebs suchte, die Schlacht gegen Reuter zu dirigieren beabsichtigte. Aber es klang zu unglaublich, und jedermann hielt es für eine bloße Hundstags­phantasie. Währenddessen erlebten sämtliche transatlantische Dampfer­linien eine Blütezeit wie nie zuvor. Die Frachtpreise grenzten ans Fabelhafte, und spekulative Köpfe träumten schon davon sämtliche Gesellschaften in einen Trust zu konsolidieren. Chifago war augenblicklich das Herz und bedeutete mehr als alle Hafenplätze der beiden Ozeane. Die Transportware be­fam man nie zu Gesicht; aber die Berichte zeugten von den Tausenden von Wagenlasten, die täglich ausgeschifft wurden, unterwegs waren oder aufgehäuft in den Elevatoren der Eisenbahnlinien standen.

ruthers im Berein mit dem alten Marshall   sollten, wie es[ bom Theater und den anderen Künsten, sondern eben das Theater hieß, zu den Bären gehören. Aber das genügte alles nicht. wurde mit zu einem Schauplaße gemacht, auf dem die Parteien. Denn wenn hinter dem Sohn der Vater stand, ja, da ihre Stämpfe miteinander ausfochten. Das Lustspiel wurde ger de= war er nicht umzubringen. Wieviel der alte Abbé besaß, au rein politisch, und sein Gegenstand ist im vierten Jahrhundert wußte feiner; aber wenn er feiner Tochter einen Bord und ganz voriviegend die Macht des Reichtums, der von den Dichtezi, je nady ihrer Stellung, verherrlicht oder gebrandmarkt wird. Und Vizekönig von Indien   kaufen konnte, so konnte er jedenfalls wenn auch selbst für diese spätere Zeit faum anzurechnen ist, daß auch dem Sohn helfen. Sklaven das Theater besuchen durften, so waren doch die Prole= tarier zum großen Teile um nichts besser gestellt als die Stlaven, und es beweist den starken Besuch des Theaters durch solce Schichten, wenn ber dem Lustspieldichter Philemon gesagt wird: Ob einer auch Sklave ist, o Herr, so ist er darum doch nicht weniger Mensch als Du." Uebrigens stand der Besuch der Tra­gödie auch den sonst so ins Haus gebannten Frauen frei. Der Theaterbesuch war für den griechischen Bürger so gut wie fostenlos. Die Bühnen wurden verpachtet, und der Pächter hatte für ihre Instandhaltung zu sorgen. Das Theater in Biräus fostete beispielsweise 2640 Mt. jährliche Pacht. Der Preis jetes Plazes betrug zwei Obolen, das sind etwa 25 Pf., die der Pächtes erhielt. In der zweiten Hälfte des fünften Jahrhunderts wurde den weniger bemittelten Bürgern das Eintrittsgeld ganz erlassen, nicht etwa, wie eine landläufige Geschichtsauffassung meint, weil das eine Konsequenz der steigenden Demokratisierung des athe­nischen Staates gewesen wäre, sondern weil die wachsende Armut der unteren Schichten den aus guten Gründen wünschenswerten Theaterbesuch zu vermindern drohte. Das Eintrittsgeld, das Ther­rifon, wurde jetzt für die Armen aus der Staatskasse- bezahlt; wie immer, wollten auch hier die Besibenden nicht zurückstehen, und so wurde das Eintrittsgeld zuletzt ganz abgeschafft, womit dann die Pflege des Theaters völlig zu einer Sache des Staates wurde. Die City bot um die Mittagszeit einen Anblick ganz un dabei nur durch die Choregen unterstützt, durch kunstfreudige oder Denn dieser bezahlte auch die Dichter und Schauspieler und wurde beschreiblicher Art. Es war die Lunchstunde der Geschäfts- ehrgeizige Gönner, die zu den Kosten der Ausstattung und be­angestellten. Mit durchweichten Schuhen und Westen, leichen- sonders des Chores beitrugen, etwa wie wenn heute jemand ein blaẞ, zermiirbt bis auf die Knochen, kanten sie in Kohljaats Kirchenfenster oder eine Altardecke stiftet. Dampfküche getaimelt, wo der Dunst sie einhüllte wie ein türkisches Bad. Manche waren auf den Einfall gekommen, siedend heißen Kaffee zu trinken, eine Tasse um die andere, um auf diese Weise einen Gegensatz zwischen der inneren und äußeren Temperatur zu erzielen. Die meisten aber tranten wie durstige Stamele literweise Zitronenlimonade, Eiswasser, alle Arten kühlende Getränke und Milchmischungen. Mit ver­blödetem Blick, das Haar in Strähnen, die Kragen aufgelöst zu einer Stärfemasse, gossen sie die eiskalten Getränke in sich hinein, während eine Queue von zahllosen Verschmachtenden hinter ihnen drängte und stieß, um zu den Schenktischen zu gelangen. Riesige Wassermelonen, in vier Teile zerteilt, gingen von einem Neger zum anderen und wurden den Kunden zugeschleudert. Die gurfengrüne Schale, das zuunkerst weiße, dann lockend lachsfarbene, poröse, safttriefende, mit Gisperlen bestreute Fleisch ward hastig gesalzen und gepfeffert und darauf hinuntergeschlungen, eingeschlürft, eingesogen, daß die großen, schwarzen Kerne gleich Hagelförnern auf die Teller prajfelten. Dann ein Törtchen Apfel, Kokosnuß, Pfeffer- Siden Sohlen, ist gleichfalls das Werk späterer Zeiten; ja, diese minz, Aprikose und ein paar Gläser Eiswasser. Und zu­legt eine schwarze Zigarre, so frisch, daß sie zwischen den Fingern tropfte.

( Fortiebung folgt.)

Theater und Volk im alten Griechenland.

Von Rudolf Franz.

Die Forderung eines Volkstheaters ist seither, niemals in so hohem Grade erfüllt worden, wie gleich beim Beginn dessen, was wir unter dem Worte Theater eigentlich begreifen. In der Blüte­zeit des alten griechischen Dramas wäre es wohl absurd gewesen, über Volk und Theater überhaupt noch zu schreiben. Das Theater gehörte dem Wolfe, Griechenland   hatte eine Nationalbühne. Mit diefent, Worte ist aber bereits das unterscheidende- Merkmal ange­deutet. Das griechische Drama erivuchs aus dem nationalen reli­giösen Kult, der seinerseits aufgebaut war auf der Verehrung des­jenigen Tieres, das im Wirtschaftsleben der Griechen die größte Rolle spielte, auf der Verehrung des Bodes( Tragos), der denn auch der Tragödie den Namen gab, welche ursprünglich nur eine Tierpantomime war. Dieser Kult ist bei den Griechen allezeit, mehr oder weniger bewußt, eine nationale, ja eine natio­nalistische Institution gewesen, die sich an das ganze Volk in allen seinen Schichten, aber nur an dieses Volf wandte. So waren die einzigen Einwohner, die vom Theater wie von aller Kultur ausgeschlossen waren, die volksfremden Sklaven. Selbst als gegen Ende des fünften Jahrhunderts vor Christus der Gegen­fatz zwischen den Klassen jich zuspiste, als unter den Nachwirkungen des Peloponnesischen Krieges die freie Arbeit an Bedeutung ge­waltig zunahm, als ein Proletariat auffam, das seine Interessen denen des Bejizes bewußt entgegenstellte, selbst da äußerte sich die Klassenscheidung nicht in einer Ausschließung des Proletariats

In der Tat sind nämlich das Wesen und die Aufgaben des antiken Theaters in vielem dieselben wie die der neueren Kirche. Schon durch diesen allgemein anerkannten Umstand wird die be­reits erwähnte Meinung aufs neue' wid legt, als ob man den Eintrittspreis den armen Bürgern nur erlassen hätte, um ihnen einen Kunstgenuß zu bereiten, um sozusagen die Kunst ins Volk zu tragen. Vielmehr lag solchen Maßnahmen eine ganz andere moderne Tendenz zugrunde: dem Volfe muß die Religion erhalten bleiben. Uebrigens sind auch jene mächtigen steinernen Amphi­theater dem gleichen Motiv zu danken, denn für die wachsende Bevölkerung mußte man immer größere Stultstätten herstellen. So wurden die großen Theater denn auch erst seit dem vierten Jahr­hundert gebaut. Das in Athen   faßte 17 000 Menschen, andere noch viel mehr, wie jenes in Ephesus  , das 56 000 Bläge hatte. Die durch solche Zuschauermengebedingten Entfernungen von der Bühne sind auch die eigentliche Ursache zu jenen Hilfsmitteln ge­wesen, die schon Schiller falsch verstanden hat, wenn er in den Kraniche des Joytus" von dem Riefenmaß der Leiber spricht, das hoch über menschliches hinaussteige. Die künstliche Ver­größerung, beispielsweise durch die Kothurne, jene Stiefel mit

Sohlen wurden immer dicker, gleichsam im Verhältnis mit der Zunahme des Publikums, bis sie 20 Zentimeter stark waren. Doch begegnet man auch heute noch fast ausschließlich der Auffassung, diese Dinge wie auch die gewaltigen Masken hätten den Ziveck gehabt, den Darstellern ein überirdisches" Aussehen zu geben. Vielmehr verhielt es sich auch mit den Masken so, daß sie auf Fernivirkung berechnet waren, wobei die Schalltrichter in ihren Mundöffnungen die Worte auch den entfernter Sizenden vernehm bar machen sollten, was um so schwieriger war, als die alten Theater feine Dächer hatten. So mußte ja auch Sophokles   wegen seiner zu schivachen Stimme mit der alten Gewohnheit brechen, nach der die dramatischen Dichter zugleich ihre eigenen Schau­spieler waren.

Den Gegenstand jener griechischen Dramen, deren Besuch durch das Volk für so wichtig gehalten wurde, lieferten die biblischen Geschichten der Griechen, die nationalen Götter- und Heldensagen, in einer spezifisch nationalen und aktuellen Fassung. Wir dürfen uns beileibe nicht der Meinung hingeben, das alte griechische Publikum jei in seiner Gesamtheit so ausnehmend kunstverständig gewesen. Wohl versteht sich von selbst, daß sich jenes Volk auf einem sehr hohen durchschnittlichen Kunstniveau befand; wohl waltete ein starker künstlerischer Instinkt ganz allgemein vor; aber was das Theater zur Volkssache machte, was die Massen in die Festspiele hineinzwang, das war in erster Linie das Stoffliche, der Gegenstand, die Tendenz. Sehr richtig hat schon Klein in seiner Geschichte des Dramas betont, daß die attische Tragödie durch und durch Politik var. Das attische Staatswesen war so innig mit der attischen Poesie, insbesondere mit der dramatischen, verwebt, wie die großen attischen Dichter mit ihrem Staats­wesen.. Die zeitpolitischen Tendenzen in Sophofles' Tra­gödien sind darum nicht weniger vorhanden, sollten sie auch nicht mit den Deutungen scharfsinniger Erklärer aufs Haar stimmen. Die Tatsache bleibt unleugbar, daß derlei Anspielungen auf po­litische Zustände die Tragödien des Sophokles   nicht minder als die des Aeschylos   und Euripides   durchziehen; wenn schon nicht so unverhohlen und fühn und groß und in dem tragischen foloffalen