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Daß Du es wagft, Ber!" rief die Hoibybäuerin schüttelnd und doch halbwegs bewundernd, daß er es wagte, dem Hoibykönig zu trogen.

Man muß in dieser Sündenwelt mit vielen Teufeln fämpfen, und nur das reine Gotteswort fann ihren Aufruhr dämpfen.

Dann findet jeder seinen Play und ist mit ihm zufrieden,

Beginnen. Und sie kenne Niels Rast auf Soiby. Und daher] Stellt euch vor, der arme Bursche war vor so und so viel meinte sie, daß das Ganze wohl einschlafen würde, wenn sie tausend Jahren hoch oben durchs Gebirge geritten, in Geschäften, ein paar nette Worte mit Per spräche. Und sie sei sicher, wie er fagte, da er als Landarzt- Kreisphysikus würde man's heute nennen einen gewaltigen Bezirk zu versehen hatte, lauter wildes, daß Niels Rask dann auch nicht mehr daran denken würde. armes Volf, Hirten, Pärenjäger, Pfahlbauern, und so weiter. Run Aber Per blieb unerschütterlich fest. war's gerade ein heißer Tag und er hatte bei seiner Praxis überall kopf- scharf gezecht, hineingegoffen, was die Leute ihm gerade vorfekten, da er sie meist um ein Glas Wein oder Enzianbranntwein furierte, und wie er mittags an eine Gletscherhöhle kommt, denkt er, du Der Abend kam und er sollte seinen Tagelohn haben. willst ein Schläfchen machen, streckt sich in der dämmerigen blauen Der Hoibybauer lies erst die anderen Leute fortgehen, Gisspelunke hin und schläft richtig ein. Was weiter geschehen, nachdem sie ein Lied gesungen hatten, dessen legte Strophe wußte er freilich nicht zu sagen, und auch ich konnte ihm nur die Vermutung aussprechen, daß Schnee oder Eismossen um ihn zu­folgendermaßen lautete: sammengestürzt und heute erst wieder aufgetaut sein müßten, daß er, wie jenes Mammutungetim im Polareise, frisch und ohne jeden Hautgoût sich in seinem Eisteller konserviert habe, nur mit dem Unterschiede, daß auch sein Geist, dank dem vielen genossenen Spiritus, durch den unmäßigen Winterschlaf hindurch feinen Schaden gelitten und er nun als ein vorsintflutliches mythologisches Rätsel auf vier gesunden Beinen in unsere entgötterte Welt hinein­sprengen fönne. Ich suchte ihm in aller Kürze, so gut es ging, über die ungeheure Kluft hinwegzuhelfen, die sein Erwachen von seinem Einschlafen trennte. Aber ich merkte bald, daß die summa­rische Weltchronik, die ich vor ihm aufrollte, ihn sehr wenig inter­effierte. Er schüttelte nur den Kopf, als ich ihm erzählte, die Götter Griechenlands   seien ein überwundener Standpunkt, und mit dem fleinen Lutherschen Katechismus wußte er ebensowenig an­zufangen, wie mit dem heiligen Augustin oder Pius IX  . Auch die politischen Umwälzungen der letzten dreitausend Jahre ließen ihn völlig talt. Als ich endlich schwieg, seufzte er so recht vom Grunde feiner ehrlichen Zentaurenseele auf und sagte: er werde von allem, was ich ihm da vorgefabelt, aus dem Zehnten nicht flug, und das sei ihm auch ganz gleichgültig. So viel merte er, daß ihm ein recht hämischer Bossen gespielt worden sei mit jener Aufbewahrung im Eisteller; inzwischen sei alles anders geworden und nur er der­selbe geblieben, wessen er sich eben nicht schäme, denn nach den wenigen Proben scheine ihm die Welt viel lumpiger, schäbiger und nicht einmal gescheiter geivorden zu sein, die Wälder dünner, der Wein saurer, die Weiber bis auf seine Freundin Nannis oder Nannidion"( wie er sich das Nannert ins Griechische übersetzte) plumper und einfältiger. Nun erzählte er, was er seit seinem Erwachen für Erfahrungen gemacht hatte.

und seinem Sinn wird stilles Glück vom Himmel her beschieden.

Er wollte nicht, daß die Leute hören sollten, was er und Ber sich möglicherweise zu sagen hatten.

Aber er ließ sich nichts merken. Er saß am Tischende breit und sicher und mit der Inschrift: Der Herr ist mein Sirte" wie eine Krone über seinem Haupte.

Der Tagelohn betrug 25 Dere mehr als sonst in dieser Jahreszeit. ( Forts. folgt.)

3]

Der letzte Zentaur.

Von Paul Heyse  .

Er

Der alte Heide aber zeigte sich, trok seiner höllischen Pferde­Füße als ein ganz zahmer, menschenfreundlicher Kamerad. Sprengte geradewegs auf die hohe Laube zu, auf der ich saß. und fah mit einer höflichen Miene, wie einer, der gerne mit einem Fremden anbinden möchte, mir ins Geficht, der ich ihm ebenso artig zunickte. Dann aber richtete er seine großen glänzenden Augen auf das Schenkmädchen, das neben mir stand, zwei offene Flaschen voll Tirolerwein in den Händen. Sie hatte sie für Gäste heraufgetragen, die das Hasenpanier ergriffen hatten, und stand nun, da sie, obwohl mit dem Dorfschneider verlobt, ein munteres, couragiertes Frauenzimmer war, ohne Scheu neben mir auf dem Altan  , um die Wundergestalt in aller Arglosigkeit zu betrachten. Dem Fremdling mochte die saubere Dirne man hieß sie die schöne Nanni ebenfalls einleuchten, nicht minder auch der rote Wein, den sie trug. Mit soviel Lebensart, wie man solchem Roß­menschen taum zutrauen sollte, nahm er den Rosenzweig hinterm Chr hervor, roch erst daran und überreichte ihn dann ohne Mühe, da Haupt und Schultern noch über die Brüstung der Laube hinaus ragten, dem schönen Kinde, das etwas geschämig tat, die Blumen aber doch nicht ausschlug, sondern in ihren Brustlah neben den filbernen Löffel steckte. Zugleich schien sie gemerkt zu haben, worauf die ganze Huldigung abzielte.

Ohne Zaudern reichte sie ihrem Verehrer die beiden vollen Flaschen hinaus, die er auch mit freundlichem Kopfniden ergriff. und dann in so raschen Zügen leerte, wie unsereins zwei Gläser Champagner hinunterstürzt.

Ein beifälliges Murmeln unter den Kopf an Kopf gedrängten Zuschauern begleitete diese ganze trauliche Szene, und ein paar fede Burschen wagten sogar ein Wohl bekomm's!" oder Gesegn' es Gott  !" zu rufen, wurden aber gleich von den Vorsichtigeren niedergezischt. Aber auch dem fremden Gast schien der Wein die Zunge gelöst zu haben. Er sagte erst dem Mädchen einige Artig­feiten, die sie aber nicht verstand und nur mit Kichern und Kopf­schütteln erwiderte. Dann wandte er sich an mich, fragte mich, wo er sich hier befinde, und wie das wilde Volt heiße mit den Belzhauben und der ohrenzerreißenden Musik, unter das er, er wisse selbst nicht wie, geraten sei. Ich antwortete

Erlauben Sie, Herr Genelli, unterbrach ihn der Wirt, der gleich uns anderen begierig gelauscht hatte, in welcher Sprache unterhielten sie sich mit dem antiken Herrn?

Im reinsten Griechisch, Herr Schimon; Sie mögen es nun glauben oder nicht. Er sprach es natürlich etwas fließender, als ich, aber mit einem Anflug an den jonischen Dialett, der mir hie und da das Verständnis erschwerte. Indeffen, es ging. Not bricht Eisen und lehrt radebrechen. Sie werden selbst schon erlebt haben, daß Sie im Traume ganz forrett Ungarisch oder Spanisch sprachen, was Ihnen sonst sauer werden möchte. Aber unter brechen Sie mich nicht wieder; lassen Sie mir lieber einen neuen Spitz Carlowißer fommen. Wo war ich denn stehen geblieben? Richtig, wo ich den Spieß umdrehte und ihn fragte, wie es im Homer   steht:

Wer er sei und woher, wo er wohnt und wer die Erzeuger. Da lamen denn furiose Dinge heraus.

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"

Kaum war ihm nämlich sein Gletschermantel von den Schultern geschmolzen, und er hatte sich die letten Nebel des Schlafs aus den Augen gerieben, so war er ins Freie hinausgetrabt, ärgerlich über die, wie er wähnte, lange Verfäumnis von vierundzwanzig Stunden, da er einen schweren Batienten eine Stunde tiefer im Tal zu besuchen hatte. Als er sich aber umfah, schien ihm alles so wunderlich, daß er noch fortzuträumen glaubte. Dichte Wälder, durch die er sich sonst pfadlos hindurchzuwinden hatte, waren ver schwunden; auf Wiesen, wo sonst der Ur- und der wilde Steinbod gegraft, sah er Herden buntfarbiger Kühe weiden; hie und da stand ein Blockhaus am Wege, hoch hinauf mit Heu angefüllt, und nicht selten fah er eine Steige gebahnt oder Balten über Gießbäche gelegt, die er früher mit einem mächtigen Sah hatte überspringen müssen. Kopfschüttelnd hielt er still und überlegte bei sich, wie sich das alles über Nacht verwandelt haben möchte. Da er aber fein Freund von überflüssigem Nachsinnen war, beschloß er eine benach­barte Waldnymphe um Aufschluß zu bitten, mit der er auf vertraue lichem Fuße stand. Er rief ihren Namen in die Schlucht hinunter, aus der noch wie damals die mächtigen Edeltannen heraufragten. Sonst war sie gleich oben im Wipfel erschienen, da sie sehr einsam lebte und gerne eine Ansprache hatte. Heut zeigte sich nur ein altes Weib, das Enzian sammelte und beim Anblick des vierbeinigen Ingeheures mit heiserem Jammergeschrei und heftigem Kreuz­schlagen sich ins Dickicht verkroch.

Also trabte er immer nachdenklicher seines Weges weiter, und da es gerade ein Sonntag war und die Kirchweih alles, was eine saubere Jade und ein paar Kreuzer in der Tasche trug, in das Dorf hinuntergelockt hatte, begegnete er auch teiner Menschenseele, als ein paar Hüterbuben, die ebenso hastig vor ihm Reißaus nahmen wie das Kräuterweib. Nun sah er auch unten die ersten fleinen Häuser, die mit ihren weißgetünchten Wänden und blanken Fenster­chen als ein neues Rätsel ihm entgegenschimmerten. Hier hatten sonst nur verfallene Hütten der wilden Ziegenhirten gestanden, elende Pferche zwischen Gestrüpp und Klippen. War eine Stadt aus der Ebene ausgewandert und hatte sich in die Berge verstiegen? Ein seltsames Gebäude mit hohem Dach und spikem Turm ragte aus den Schindeldächern in die Lüfte, und oben aus den schwarzen Turmlufen drang ein unerklärliches Summen und Schallen hervor, das er nie gehört hatte und das in seiner feierlichen Eintönigkeit ihn vollends bestürzt machte.

Das Grauenhafteste aber in dem ganzen Märchen, das ihn an seinen gesunden Sinnen zweifeln ließ, begegnete ihm, als er den ersten Hütten des oberen fleinen Dorfes sich näherte. Unter einem spiben, rotgetünchten Bretterdach hing da ein Mann mit ausge­breiteten blutrünstigen Armen an ein Kreuz genagelt, aus einer Seitenwunde blutend, die Stirn von großen Blutstropfen über­quollen, die unter den spißigen Stacheln eines diden Dornenfranges hervordrangen. Gleichwohl schien der Gemarterte noch am Leben.