-

442

-

dicke Zigarre auf einen Augenblick weg. Und Direktor Spiegel| Seine Figuren aus der Bürger- und Beamtenschicht aus der Stadt verbeugte sich mehrmals hastig. Söby im Fürstentum Flachland", seine Klatschbasen und Bildungs­

"

Wied

Als die Herren allein weren, meinte der Geheime Kom- philister, Bürgermeister und Oberlehrer, feine brummigen, bärtigen Zöllner und Amtmänner, ſeine sonstigen Mitläufer am Karren des merzienrat Lucanus zum Kommerzienrat van Bosch: Das ist wohl Ihr zukünftiger Syndifus? Gratuliere!" netes, in Radt- und Schönheitskultur machendes Außenseiter- Maler Gesellschaftsschwindels, auch die Gegenspiele, sein liebevoll gezeich " Nein, leider nicht. Dr. Werner läßt sich nicht einfangen. Ehepaar Neumann sind wahr geschaute Typen, mit einem heiteren, Er liebt seine Unabhängigkeit. Außerdem, glaube ich, hat er einem nassen Auge betrachtet und mit jener Treffsicherheit wieder so hohe Einnahmen aus seiner Braris, daß ihn das Gehalt gegeben, die sofort den Lefer in das lebendige Leben stößt. ale Syndikus nicht reizen würde." Dem Pfarrer Sörensen selbst, diesem edlen Vertreter redseligen Aber wie wäre es, wenn wir ihm den Bosten eines Auf- Christentums und planmäßigen Zerstörer des Familienfriedens und sichtsrats in unserer Gesellschaft reservierten?" meinte August Sheglücks, begegneten wir allerdings schon einigemal in der Gildemeister. Das war das erste, was er fagte, er liebte nicht. Thoma und Hermann Stehr  , dem grüblerischen Schlesier. satirischen und ernst- ingrimmigen Aufklärungsliteratur. Zuletzt bei viele Worte, und die knappe Art der Darstellung von Dr. läßt bei diesem zelotischen Wolf in Schafstleidern 2 X 2 nicht 5 Werner hatte ihm gefallen. sein, sondern zieht scharf und genau die Summe feines gesalbten Lebens. Zu seinem Hund redet der alte Demokrat und Freigeist Knagsstedt über das christliche Wirken" besagten Moralpastors also: Unser lieber Kleiner Freund Neumann ist heute gestorben, er hat sich selbst das Leben genommen, weil sein Pfarrer ihm gesagt hat, daß er gegen die Gebote der Religion und Moral verstoße, daß sehen. Aber derselbe Pfarrer, lieber Hund Jochum, hörft Du! hat Mann und Frau zu viel Gefallen daran finden, einander nackend zu feinerzeit ein vierzehnjähriges Mädchen verführt und zu seiner Ge liebten gemacht!" Man blickt in diesen dänischen Sittenspiegel und findet darin das meiste ganz wie bei uns". Aber nicht nur das Gegenständliche Jagow und die Berliner   Postkartenschnüffler wären ein hübscher Stoff für Wied- auch das Formale, die witzige Art Wieds fesselt von der ersten bis zur letzten Seite.

,, Das wollte ich auch den Herren vorschlagen," stimmte Kommerzienrat van Bosch bei. Ich kann jede Garantie für Dr. Werner übernehmen."

Wird gemacht," sagte der Geheime Kommerzienrat Lucanus.

Ich werde den jungen Mann im Auge behalten. Und Ihnen ist wohl auch etwas leichter zumute Herr Direktor Spiegel?" meinte er zu diesem gewendet.

" Die Herren wissen ja, daß ich von Anfang an für den Prozeß war." Direktor Spiegel fühlte sich jetzt sehr sicher, nachdem ihm Dr. Werner sein Direktorstühlchen neu gepolstert hatte.

,, Eine Altersversicherungsgesellschaft ist unsere Gesell­schaft aber nicht, Herr Direktor Spiegel. Diesen Irrtum möchte ich Ihnen nehmen," sagte Adam Gildemeister scharf. Er war ärgerlich über die törichte Antwort.

Kurz nach sieben Uhr war Dr. Werner wieder auf seiner Kanzlei. Er hatte noch einen beträchtlichen Stoß Schriftstücke und Briefschaften durchzusehen und zu unterschreiben, mit dem Bureauchef abzuschließen und noch mit dem Assessor wegen der morgigen Termine zu sprechen. Erst nach acht Uhr war sein Tagewerk zu Ende. ( Forts. folgt.)

Neue Erzählungsliteratur.

"

Alice Berend  : Frau Hempels Tochter.( S. Fischers Gegenstück zu der einst vielgelesenen Familie Buchholz. Nur daß Bibliothek zeitgenössischer Romane. 1 M.) Gewissermaßen ein A. Berend   bei ihrer humorvollen Lebensgeschichte einer Berliner  Portierfrau viel mehr in den Grenzen der Wahrscheinlichkeit bleibt, mehr Wirklichkeitssinn, auch mehr Gefühl für sozialen Ausgleich hat wie der selige Stinde. Frau Hempel ist der Typ einer resoluten, praktischen, arbeitssamen, handfesten Frau aus der Berliner   Keller schichte". Sie kennt das harte Leben genau, fie weiß, wie lange man Buzz-, Waschtrinkgelder von den schäbig gebenden Parteien zu­sammenhäufen muß, bis es zu einem Fähnchen für die der Ober­schichte zustrebenden koketten Tochter reicht, sie weiß, wie es hinter den Spiegelscheiben und Portieren der eleganten Kulturwohnungen über ihr, deren Entree sie und ihr ewig schusternder und hustender Mann als Pförtner bewachen müssen, in Wirklichkeit aussieht. In ihrer echt berlinischen Sehnsucht nach Sonne und Luft strebt ste aus ihrem feuchten Kellerloch heraus ins Grüne und wird vermittelst ihrer Ersparnisse Badeanstaltsbefizerin in einem halberschlossenen Vorort. Die Terrainspekulation wirft ihr profitgieriges Auge auch auf dieses Fleckchen Erde   und Frau Hempel und Fräulein Laura sind gemachte Leute, Frau Hempels Tochter tann sich durch ihre Mitgift sogar einen gräflichen Ehegatten laufen. Die Erzählung vom sozialen Ausgleich und Austausch erhält ihren Hauptreiz durch die launige Schilderung der Kleinbürgerwelt, Alice Berend   trägt die Brille des Humors, und in diesem Humor, der nicht wie bei Wied mit dem Salz der Ironie gewürzt ist, sondern von Herzenswärme strahlt, liegt der Verfasserin Stärke.

Georg Asmussen  : Leibeigene.  ( C. Reißner, Dresden  .) Asmussens Roman ist in der ersten Hälfte historisch gefärbt und liest sich wie eine alte nordische Ballade. Im Mittelpunkt steht Detlev Tramm und die Gesiegelten". Schauplatz ist das alte adlige Gut Düttebühl an der Dittüste Schleswigs   um 1780. Leibeigene, gefnechtete Feldbauern, die sich aufbäumen und auflehnen, fämpfen gegen die Herren des Bodens und die dänischen Behörden. Die Gefiegelten revolutionieren die geduldigen Ackersklaven. Die Ge­siegelten sind ein Geheimbund von Unzufriedenen und Intelligenten, an ihrer Gpitze steht Detlev Tramm der Einäugige, dem die Reit peitsche des rohen Machtbesizers Ravenbarr das andere Auge aus- Gustaf af Geijerstam  : Die Brüder Mörk( Fischers geschlagen. Unter Führung dieses Heilandes der Bauern tragen sie Romanbibliothek). Geijerstam zählt seit seinem tieffinnig- melancho ihren Namen nach dem Siegel des Kreuzes, das ihnen auf der lischen Buch vom Brüderchen zu den schwedischen Dichtern, die der bloßen Brust eingebrannt war. Aber was vermochte im Deutsche liebt, weil er sie ganz versteht, weil ein Gefühlsdichter dem 18. Jahrhundert die jähe Welle der Wut und Empörung deutschen Wesen leichter eingeht. Hamsuns und mehr noch Strind eines Häufleins Leibeigner  , denen die große Macht bergs Feueratem versengt hier und da beim deutschen Normallefer solidarischer Organisation fehlt, gegen die brutale Uebermacht des die auffeimende Liebe; der als Sturmgeist über ihn hinwegfegende historischen Getvaltrechtes! Die Soldateska stand auch damals schon Autor macht ihn mehr staunen oder kopfschütteln, Bewunderung Hinter den Herren. Das Urteil wartete auf die Aufrührer, Tod mischt sich mit Furcht, Staunen mit Zweifel. Geijerstam bleibt oder Kerker löschte schnell und sicher ihr rebellisches Menschentum aus. temperiert, auch wenn er, wie in den Gebrüdern Mörk, von den Der einäugige Heiland entfloh auf einem Boot nächtens mit seiner stummen Tragödien der Seele, von den zerstörenden Mächten Mia, einer lyrischen Kuhmagd, kam nach Groningen  , wurde Bürger" zwischen Mensch und Mensch, Geschlecht und Geschlecht, Brüder und und zeugte ein Geschlecht, an dem sich der Fluch der Leibeigenschaft Brüder erzählt. Und doch ist auch bei dem stilleren Geijerstam weiter erfüllen sollte. Weh dir, daß du ein Enkel bist, dieses Wort Leidenschaft und Inbrunst zu finden für seine Themen, wo bewahrheitete sich an seinem Enkel, einem Bauernstudenten. Auf- er sich in die Psyche einfältiger, schwerblütiger Bauern versents, gestiegen ins Geistige", muß er das Elend, die Abhängigkeit des deren Denken und Trachten als Spiegelbild und Reflex der sie um­" Kopfproletariats" bis zur Neige auskosten. Die Anute ist gefallen, gebenden Landschaft schildert, wo er in die tompli aber tausend Prügel unserer Gesellschaftsordnung beulen ihn dafür. Bu ziertesten Seelen der Intellektuellen untertaucht und nach dem letzt ist Alkohol der Betäuber, das erlösende Ende aber der Selbstmord. gemeinsamen Urgrund von Gut und Böse schürft, wo er die Grenzlinien Die Leibeigenschaft geht durch die Welt noch heute das ist der Sinn zwischen Instinkt und Konvention zu bestimmen sucht, wo er den des blutwarm und lebendig geschriebenen sozial- historischen Nomans. Charakter abhängig zeigt von sozialen, wirtschaftichen und ehelichen Ehedem und heute überall Sllaverei. Kapital, Unternehmertum, Voraussetzungen. Die Brüder Mört, das ist die selten erlebte Geseze und eigene Laster mürben den Menschen, der den goldenen" Tragödie des überragenden Brudergefühls, das im Haffen und Schlüssel des Lebens nicht hat. Klarheit des Gestaltens und Lieben so allgewaltig ist, daß es lebendige Opfer für nichts erachtet. Menschenkenntnis geben der schwermütigen niederdeutschen Ge- In der Kindheit verband die beiden schwedischen feudalen Agrarier schichte ihr besonderes Merkmal, ihre Naturfreudigkeit hebt sie über innige Bruderliebe, aber als der eine durch Schicksalslaune aum Frenssens Düfterheit, dessen Art Asmussen vertritt, hinaus. reichen Gutsherrn emporschnellt, wird das Brudergefühl erschüttert Gustav Wied  : Pastor Sörensen u. Comp.( Arel von Mißtrauen, Neid, offener Feindseligkeit. So stehen die Haß Junkers Verlag, Berlin- Charlottenburg.) Der leibhaftigen Bosheit gefühle ein Leben lang zwischen beiden Blutsverwandten, erst der Tod opus 3" so der Untertitel des Buches ist eine der saftigsten macht das Herz mürbe und bringt Einsehen, Neute aber auch Kraft Satiren gegen pfäffische Muckerei und Moralschnüffelei, die ja über zu besserem Empfinden. den Sund zu uns gekommen sind. Der dänische Simplizissimus   In die Seelenstudie zuden grelle foziale Lichter hinein, einers zeichnet seine Bilder aus dem dänischen Familienleben wie unserer feits die Kämpfe des Jchs mit Wahngedanken und verzerrt gesehenen Th. Th. Heine  : fraftvoll, schonungslos, bis zur Grenze der Karifatur Dingen, runzelnd in Habsucht und Mißgunst, andererseits das Ende treffend und doch mit jenem Lächeln, das über den Dingen steht. der schwedischen Grundherren, das Heraufkommen des martigen

-

-

-

-