Hr. 171.- 1914.
Unterhaltungsblatt öes vorwärts
Dienstas, t. Skptkmder.
Die Schreckensnacht in Löwen . Einem Arllkel der„Kölnischen Zeitung " vom Sonn- abend, der vom 25./26. August datiert ist, entnehmen wir das Folgende. Der Bersasscr suhr nach dem besetzten Brüssel , um Frau und Kinder zu holen, die er dort hatte zurücklassen müssen. In Löwen übernachtete er. Löwen bot ein eigenartiges, aber vollkommen ruhiges Bild. Die Bürger standen an den Türen, Fenstern, Straßenecken oder saßen vor den Gasthäusern. Teilnahmlos schienen ihre Blicke über die un- endlichen Truppenmengen aller Waffengattungen zu gleiten, die durch die Straßen zogen. Da ich als Zivilist die Nacht nicht im Nuto zubringen durfte, wegen der ganz besonderen Gefahr, durch einen Wachtposten irrtümlich erschossen zu werden, so suchte ich mir ein Nachtlager und irrte dabei einige Stunden in der Stadt umher. Da in der Jnfanteriekaserne kein Platz für mich übrig war, ging ich nach dem Hotel Metropole, wo, wie ich später hörte, auch der Stab wohnte. Zunächst wies man mich abs denn obwohl ich mich gewaschen hatte, sah ich nach der langen Fahrt nicht sehr der- trauenerweckend aus, zumal ich meine beiden Handtaschen im Auto hatte liegen lassen. Durch die liebenswürdige Mithilfe eines höheren Offiziers, der meine Papiere prüfte, bekam ich aber ein schönes Zimmer. Nun ging ich zum Antopark und holte meine Handkoffer. Sie waren ziemlich schwer und der Weg lang, so daß es fast 8 Uhr war, als ich in die Straße einbog, wo das Metropol- Hotel liegt. Plötzlich hörte ich ans dem Norden heftiges Schießen. Ach, sagte ich mir, das mögen wohl Vorpostengefcchte sein, geh ruhig schlafen. Ich trat ins Hotel- ein und sprach ein paar Worte mit den beunruhigten Damen des Hotels, die das Schiehen heraus- gelockt hatte. Keine Minute befinde ich mich im Hotel, da ertönt rechts vom Markt, der ganz voll Bagagewagen steht, ein fürchterliches Schießen. Aus allen Häusern knallen die Schüffe. Unsere Truppen erwidern sie. Die Frauen stürzen entsetzt ins Haus. Ich stürme gleichfalls die Treppen hinauf. Der alte, etwas angetrunkene Hausdiener schreit fortwährend auf flämisch:„Die Engländer sind dal" Ich sage ihm auf französisch:„Unglücklicher, verstecken Sie sich nicht; dann sind Sie verloren; bleiben Sie bei mir!" Hat mich der Kerl nicht verstanden? Kurz�und gut, er verschwindet. Da stürmen mir auch schon deutsche.soldaten entgegen:„Schießt den Lumpen über den Haufen, den Zivilisten." Ich schäme mich nicht, einzugestehen, daß mir der Angstschweiß ausbrach. Mit lauter Stimme, meinen Passierschein zeigend, rufe ich:„Ihr wullt doch keine Kölsche Jung dutscheeße?"—„Ach, Ihr sit ne Kölsche !" sagt einer aus der vordersten Reihe; andere rufen:„Was macht der Kerl hier, schießt ihn tot." Da kommt Gottlob ein Offizier, durch den Lärm angelockt, und fragt nach dem Zwecke meines Aufenthalts und nach Ausweispapieren. Alles ist in Ordnung. Ich werde auch nach Waffen untersucht und darf nun auf der Treppe stehen bleiben, ein Begleitmann bleibt bei mir; denn die fortwährend neu hinzukommenden Soldaten fangen stets dasselbe Kreuzverhör mit mir an. Schließlich läßt man mich in Ruhe, und erschöpft setze ich mich auf die Treppe, den weiteren Dingen mit fatalistischer Ruhe zuschauend. Schon bringt man die ersten Schwerverwun- deten und Toten ins Hau?. Nun werden auch schon die gegenüber- liegenden Häuser angezündet. Es kommt der Befehl, unser Hotel abzusuchen; denn auch auS ihm feien Schüsse gefallen. Bald wird der alte Hausdiener herbeigeschafft und mit dem Kolben erschlagen. Hat sich der Alte wirklich vergangen, so traf ihn die gerechte Strafe. Ich bat einen Offizier um die Erlaubnis, die drei Damen mit- zunehmen und den kleinen Groom. Es wurde mir gestattet; mit militärischer Begleitung ging eS zum Markte, wo schon zwei .Häuserreihen brannten. Hier standen auch schon die aus den brennenden Häusern geflohenen Männer und Frauen, von Sol- daten bewacht. Meine drei Damen zitterten vor Angst, daß sie mit in den Haufen müßten, aber die Soldaten gestatteten uns, bei der Truppe zu bleiben und nach der Bahn zu ziehen. Hier fanden die Damen bei einem befreundeten Wirt Zuflucht; eine war schon
lange ohnmächtig, und wir trugen sie dahin. Ich durfte endgültig bei der... Kompagnie bleiben, und der Oberleutnant empfahl allen Soldaten, mich unbehelligt zu lassen und mich genau anzu- sehen, damit man mich nicht irrtümlich über den Haufen schösse. Plötzlich ertönte von neuem das unheimlichste Gewehrfeuer. Tie Soldaten selbst rufen sich nun schon zu:„Das sind die Engländer." Es entsteht eine Bewegung, die Pferde werden scheu, und ich weih noch nicht, wie ich aus dem Gedränge heil herausgekommen bin. Das vermeintliche Gewehrfeuer ivar aber nur durch das Explo- dieren von Munition entstanden, die sich in den brennenden Häu- fern befand. Gotlob finde ich den Zugführer wieder, der mich nun bittet, ihm den Arm zu geben und die Nacht über neben ihm liegen zu bleiben. TaS Schauspiel war entfctzliöh. Die Stadt brannte an allen Ecken. Tann wurden vor unfern Augen fortwährend Waffe» tragen de Einwohner standrechtlich er- schösse n. Zwischendurch krachten die Gewehrschüsse. In den Gasthäusern explodierten die Spiritusfässer, es war ein Getöse, so fürchterlich, daß ich heute noch davon halb taub bin. Der kommende Tag bot entsetzliche Bilder. Da lagen die standrechtlich Erschösse- neu, da wurden neue Sünder herbeigebracht. Da kamen weinende und flehende Frauen und Kinder. Trotz aller Wüt über den tückischen Ueberfall, der systematisch Punkt 8 Uhr losgegangen war, konnte sich kein deutsches Herz dem Mitgefühl entziehen für diese schuldlosen Opfer. O, diese verblödeten Narren, die das Unglück über ihre schöne Vaterstadt brachten. An eine Weiterfahrt nach Brüssel war nicht zu denken, und ich mußte mit dem nächsten Militärzug nach Aachen . Wir haben mitgenommen, was sich von den Bewohnern ausweisen konnte. Ich hatte auf meinen Knien«inen kleinen Knaben und ein Mädchen, welches den gleichen Namen trug, wie mein Töchterchen in Brüssel . Die Frau bot ein Bild- namenlosen Jammers, denn ihr Mann war, wi« sie behauptet«, irrtümlich angeschossen worden; er sei im Besitz einer Bescheinigung freien Geleits gewesen. In einer an- deren Ecke sitzen Mann, Frau und Kind. Tie Großeltern fehlen. und kein Mensch weiß zu sagen, ob sie in den Flammen umge- kommen sind öder wo sie sich befinden....
Der Laubenkolonist. September. Schon bei Ausbruch des Krieges war es leider nicht mehr möglich, noch Aussaaten der allerwichtigsten Gemüsegattungen, namentlich der Kohlgewächse und der Hülsenfrüchte, zu machen. Eines der ertragreichsten und schmackhaftesten Gemüse für unsere märkischen Verhaltnisse, da? wir jetzt noch im Notfalle aussäen könnten, ist die Herbstrübe in ihren verschiedenen Formen, ganz besonders unser weitberühmtes Teltower Rübchen, dann auch die Stoppelrüben. Zur Aussaat dieser Rüben ist eS aber jetzt die aller- höchste Zeit. Der Boden wird nur oberflächlich gelockert und die Saat dünn ausgestreut; man rechnet nicht mehr als 1 Gr. Saal- gut pro Ouadratmeter Saatfläche. Zur Erleichterung eines gleich- mäßigen Ausbringens dieser und anderer Saaten empfiehlt sich die tüchtige Durchmengung des Saatgutes mit reichlich trockenem Sand oder Erde. Auch Spinataussaaten können jetzt noch gemacht werden, die dann vom Frühling ab ein schmackhaftes Gemüse geben, aber nur auf gutem, wenn es sein kann, frisch gedüngtem Boden. Auch vom holländischen Feldsalat machen wir noch eine Aussaat. Wenn auch letzterer und andere Salate keine notwen- digen Nahrungsmittel sind, so ist doch im Winter grüner Salat zur Abwechslung überall willkommen. Wo die Kohlgewächse noch nicht hoffnungslos durch Raupen- fraß mitgenommen sind, da suche man Tag für Tag, wenn mög- lich zweimal täglich, früh und gegen Abend, von allen Kohlarten die Raupen ab, die jetzt verblüffend rasch wachsen und alles ver- nichten. Man ruftet sich für diese Raupensuche mit einem kleinen Topf aus, der zu mit Waffer gefüllt ist, und wirft die abgesuchten Raupen hinein, die rasch ersaufen. Gleich wichtig ist bei an- dauernder Trockenheit, wie sie uns der vorige Monat brachte, das
gründliche Bewässern aller Gemüsepflanzungen, besonder? aber von Kohl, Gurken, Kürbissen, Tomaten und Sekkeric. Bei diesen Gc- inüsoarten, Sellerie ausgenommen, kann man jetzt auch noch durch vorsichtiges Jauchen die Ernte wesentlich steigern. Beim Rosenkohl kommt es nun darauf an, daß sich in den Blattachsen der Stämme die Winterknospen, die sogenannten Röschen, entwickeln. Diesen Entwicklungsprozeß beschleunigt man, indem man von Mitte dieses Monats ab allen kräftigen Rofenkohlstämmen den Gipfeltrieb ausschneidet. Dadurch wird vom genannten Zeitpunkt ab das weitere Höhenwachstuin ausgeschaltet, und alle Säfte der Pflanze kommen nun den Röschen zugute, die fest und stark werden. Es sollen aber nur die Köpfe herausgeschnitten werden, unter keinen Umständen die am Stamm sitzenden Blätter, in deren Achsen sich die Röschen entwickeln. Das Abschneiden der Blätter ist. eine Unsitte, die sich stets rächt, durch die man sich um den ganzen erhofften Ertrag bringen kann. Die Blätter sind Magen und Lunge der Pflanzen zugleich; entfernt man sie, so nimmt man der Pflanze wichtige Organe, was die Ernte berabdrückt. Die? können wir überall in den Laubenkolonien und auch in den Gärtckien der Bahnwärter Groß-Bcrlins an den Sonnenblumen beobachten. Um möglichst große Blüten mit starkem Fruchtboden zu erzielen, der eine Unmassc ölreicher Samenkörner enthält, zieht man die Sonnenblumen eintriebig und einblütig, d. h. man schneidet alle Seitentriebe und alle Seitenknospen ans. so daß sich nur die Gipfelknospe zur Blüte entwickeln kann. Würde man sich hieran? beschränken, so wäre der Ertrag ein enormer, da man aber� von unten bis oben auch die Stammblätter entfernt, greift man in sa bedenklicher Weise in das Leben dieser Pflanzen ein. daß der Körnerertrag nach Güte und Menge unbefriedigend bleibt. Von Rosen- und Grünkohl ist noch zu bemerken, daß sie da, wo Hasen- fraß und sonstiger Wildschaden nicht zu befürchten ist, im Freien bleiben, sie sind also neben Spinat und Feldsalat Gemüsearten. deren Ueberwinterung uns weder Arbeit noch Kopfzerbrechen macht; sie bleiben draußen und wir holen von ihnen im Winter ganz nach Bedarf für die Küche. Anders ist es mit Blumenkohl und Kopfkohl, mit Winter- endivien, Sellerie. Karotten und Rüben aller Art. Diese müssen sachgemäß überwintert werden. Breitlauch lPorret) hält ziem- lichem Frost stand, er kann Anfang November herausgenommen. in einer geschützten Ecke des Gartens eingeschlagen und mit einer guten Laubschicht bedeckt werden. Wichtige Kulturen des Laubenkokonisten und Parzelle n- besitzerS bilden vielfach auch die' Speisekürbiffe, Gurken und Tomaten. Bei diesen haben wir«S auch jetzt noch in der Hand, den Ertrag wesentlich zu erhöhen. Um dies zu erreichen, müssen wir uns zunächst darüber klar werden, daß es hier nidbt ans die Zahl der Früchte, sondern weit mehr aus deren Größe und Schwere ankommt. Um große und schwere Früchte zu erzielen, ist ein un- mäßiger Fruchtansatz zu verhindern. Bei reichlicher Düngung und Bewässerung lassen sich in tief bearbeitetem Boden von den großen Kürbissorten(den Zentnerkürbissen) Früchte erzielen, die bis Zentner wiegen. Je nach Entwickelung der einzelnen Pflanzen lasse man ihnen für diesen Zweck nur 1 bis 8 Früchte. Hat man eine größere Fruchtzahl zur Entwickelung kommen lassen. so schneidet man jetzt alle Kürbisranken, die Früchte tragen, L bis 3 Blatt über der letzten Frucht ab, um zugunsten der in der Eni- Wickelung befindlichen Früchte da? Weiterblühen und das weitere Längenwachstum zu verhindern. Dabei ist zu bedenken, daß die Früchte, die jetzt noch zum Ansatz kommen, doch nur kümmerlich bleiben und unter keinen Umständen mehr verbcauchsfähig werden. Trotz der vielfach noch großen Warme am Tage sinkt die Stacht« teinperatur oft schon auf 10— 12 Grad Celsius herab; ein nur mäßiges Weilerfallen setzt bereits dem weiteren Wachstum von Gurken und Kürbissen ein Ziel, und der erste schwache Nachtfrost vernichtet sie. Bei Gurken läßt sich die Ernte erhöhen, wenn wir jetzt gleichfalls die Ranken köpfen und nur noch die unvollkommenen und mißgestalteten Früchte grün zu Salat verwenden, die übrigen aber auswachsen und gelb werden lassen. Die ausgewachsenen Gurken, die je nach der Sorte ein mehr oder weniger erhebliches Gewicht erreichen, können teils als Schmorgurken in der Küche verbraucht werden, teils legt man sie als Sensgurken ein.
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?us und Recht.
Roman von Fred B. Hardt. cSchlutz.) Bei dem Gedanken an Bemitleidetwerden lehnte sich in Frank Werner das gesunde Selbstbewußtsein auf—„wider- lich die Rolle des unschuldig Verurteilten, der seine Wunden zur Schau stellt!" Nein, allein bleiben! Allein bleiben— abseits stehen? Wäre das nicht, wie ein Kind, das beim Spiel einen ungeschickten Ballwurf tut, im Wettlauf zurückbleibt, und grollend aus dem Kreise tritt? Wäre dieser Groll etwas anderes, als des spielenden Kindes Maske, verletzte Eitelkeit. — und im Herzen der brennende Wunsch, schmeichelnd zurück- gerufen zu werden?. Wäre dieses Spiel des Mannes würdig, ziemte stch diese Kindermaske seinem ernst gewordenen Antlitz? Aber was beginnen?!.„ rr. Und wieder verflossen Tage in gleichbleibender Erscher- nung. Doch diese kahle Einsörmigkeit bedrückte Frank Werner nicht mehr, sie erhielt eine notwendige heilsame Ruhe um ihn, und seine Träunie waren voller Gestaltung, reich und angefüllt mit starken Wunschbildern... In diesen Tagen, da seine Seele sich frei machte von vielem, was ihm bisher wertvoll erschienen war, und er sich löste von manchen, die ihm lieb gewesen waren, kam die Gnade über ihn: Er erkannte den Zusammenhang zwischen seinem Schicksal und dem Kommenden. Er erfühlte die schmerzlich-selige Ereluchtung, daß nur der Schmerz läutert. und daß es beschlossen ist. daß ein Mensch ganz zerbrochen wird, um ein neuer Mensch zu werden. Der siebente April. Der letzte Tag. Um elf Uhr dreißig Minuten würde er entlassen werden. Genau elf Uhr dreißig; diese Zeit war auf dem Bogen registriert, die seine Erklärung auf den Verzicht der Revision enthielt, und von dieser Zeit an war die Gefängnisstrafe gerechnet._ rr Frank Werner zog sich an. Er nahm aus einem Koffer, den mein für ihn gestern abgegeben hatte, einen anderen An- zug. Die Kleider, die er diese Monate ssetragen hatte, legte er auf dem Schemel zusammen und stellte daneben die Stiefel. Dann verschloß er die Bucher in eine Handtasche und schnürte sie zu. Die lieben, alten Reisebegleiter. Jetzt wußten sie wieder mitwandern. �__ Er ging in der Zelle auf und ab und wartete. Er war ganz ruhig und bürstete seinen Hut, der dimt mit Staub bedeckt war. Noch zwanzig Minuten.,. T ,. Er machte am Fenster halt.--- Nock) einmal hin- duSsehen in den Hof?.... »Ach was." jagte er halblaut,»m letzte AugWblick Mch
eine Sentimentalität l"— er zog die Hand vom Fenster- Wirbel zunick—„Das muß ich mir noch abgewöbnen." Da klopfte es an der Tiire. Ganz unbewußt rief er „herein". Ter Gefängnisdircktor trat ein und zog die Tür hinter sich zu. Der alte Herr war in Uniform und trug auf der Brust den Aibrechtsorden und das Militärverdienstkreuz. Verlegen stand er an der Tür, dann kam er einige Schritte auf Frank Werner zu. „Ich möchte mich von Ihnen verabschieden, Herr Doktor. In einigen Minuten sind Sie frei." Frank Werner nickte init dem Kopfe. Das Lächeln um seinen Mund hätte der andere nicht deuten können. „Was ich tun konnte in dieser bösen Zeit, um Ihnen eine Erleichterung zu verschaffen, habe ich, soweit meine Dienst- befugnis geht, getan. Mehr stand nicht in meiner Macht. Ich hoffe, Herr Doktor, Sie gehen ohne Groll von mir." Schnell ging Frank Werner auf ihn zu.„Geben Sie nnr Ihre beiden Hände, Herr Direktor.— so. Ich will sie fest drücken, ich danke Ihnen für diese Worte. Es ist wunder- voll von Mensch zu Mensch zu reden— danke!" Seine Stimme wurde unsicher. Die beiden Männer sahen sich in die Augen. „Und alles Gute, Herr Doktor." Frank Werner nickte mit dem Kopfe. Er hätte aufge- schluchzt, wenn er gesprochen hätte. Der Gefängnisdirektor legte grüßend die Hand an die Mütze und ging, ohne sich noch einmal unizuwenden, aber Frank Werner sah. daß seine Schul- tern zitterten. Er stand noch auf demselben Platz, und sah nach der Tür, als sie sich schon geschlossen hatte. „Das war herrlich! Ich bin doch ein reicher Mann, daß ich so etwas erlebe! Das werde ich nie vergessen." Und seine Augen glänzten und waren feucht von Tränen. Die ersten, die er im Gefängnis weinte. Die Uhr schlug zweimal. Frank Werner nahm den Mantel. Da öffnete schon der Oberaufseher die Tür und trat mit einem Wärter ein.„Nun, Herr Doktor, reisefertig?"— Er war seiner nicht sicher und wollte lustig und harmlos er- scheinen.—„Nehmen Sie die Taschen," sagte er zu dem Wärter. „Kann ich einen Wagen bekommen?" „Natürlich, Herr Doktor. Nur müssen Sie erst noch Ihre Sachen in Empfang nehmen, unten im Bureau." „Meine Sachen?" „Die Brieftasche und die anderen Sachen, die man Ihnen damals— abgenommen hatte." Das hatte Frank Werner ganz vergessen. „Und der Anzug?" fragte der Oberausseher, der die Zelle musterte, ob nichts vergessen war. „Den kann der Nächste bekommen, der entlassen wird." „Ei, der feine Anzug," meinte der Oberausseher, und strich mit der Hand prüfend über den Stoff.„Auch die Stiefel?" „Aiirh die Stiefel."
„Ter wird sich freuen." Der Oberaufseher ließ Frank Werner ans der Tiire treten. Er wußte nichts mehr zu sagen und klapperte mit den Schlüsseln. Frank Werner ging den Korridor cntland, die eiserne Treppe hinab. Tie Luft war verdorben und roch nach Kohl.— Ja, heute ist Donnerstag, dachte er, Sauerkohl und Speck! Vor dem Bureau drehte er sich nach dem Oberaufseher um. der schweigend hinter ihm hergegangen war, und gab ihm die Hand. „Leben Sie wohl. Engelhardt,"— er wollte noch etwa? sagen, aber er besann sich ans nichts. Im Bureau saß der rothaarige Registrator am Pult und hatte ein großes, graues, versiegeltes Kuvert vor sich liegen, und einen aufgeschlagenen Folianten neben sich. Ein Mann in abgerissenen Kleidern und einem aufge- dunsenen Gesicht stand am Nebenpult, ein Beamter untersuchte seine Taschen. — Ein Neuer. „Abtreten," sagte der Oberaufseher. Der Beamte unter- brach die Visitation, und der Mann wurde in das Nebenzimmer geschoben. Frank Werner sah nach dem Oberaufseher hin. Warum war der so barsch? Engelhardt drehte sich nach dem Fenster zu und hielt die Hände auf dem Rücken. Seine Finger drehten an dem großen Schlüsselbund. „Wollen Sie nachsehen, ob alles da ist?"— der rothaarige Aktuar brach daS Siegel vom Umschlag. Frank Werner nahm seine Brieftasche, Ring, Kette und eine Schlipsnadel, sein Zigarrenetui und einen Schlüsselbund. „Quittieren Sie hier"— der Aktuar wies mit dem Finger auf eine Stelle in dem aufgeschlagenen Folianten—„hier, über die abgenommenen Sachen und hier,"— er wies auf einen anderen Eintrag—„über das Geld. Dreiundachtzig Mark und siebzehn Pfennige, der Rest vom Verpflegegeld und zweitausend Mark, die gestern von der Dresdner Bank eingezahlt worden sind." Er zählte daS Geld auf den Tisch. Frank Werner steckte das Geld zu sich und quittierte. Wie lange das alleS dauerte I Er war plötzlich voller Un- geduld. Der Oberauffeher dreht sich um.—„Sie brauchen wohl keinen Wagen, Herr Doktor." Er wies mit der Hand nach der Straße. „Warum nicht?" Frank Werner trat an das Fenster. Das große Eingangstor zum Gefängnis stand offen und ließ den Blick auf die Straße frei. An der Ecke hielt ein ge- schlossener Wagen. Ein Herr ging auf dem gegenüberliegenden Trottoir auf und ab— Karl Henkel. Frank Werner kannte auch den Wagen. DaS Landolette von Frau Gabriele. Henkel trat an den Wagen und sprach mit jemand im Innern. Frank erkannte einen schwarzen Damenhut. Die Getreuen!— Sie mußten auf irgendeine Weise die Stunde seiner Entlassung erkundet haben, und wollten ihn übßWsch-v- MWÜ-..'.