5.

Nr. 206.- 1914.

Unterhaltungsblatt des Vorwärts Sonnabend, 17. Oktober.

Versteigerung.

Leo Kolisch.

mit einem Kinde auf dem Arm erhält sie für zehneinhalb Mart. Kaum zweihundertfünfzig Mark hat Nummer zwei gebracht. Und da war noch ein Stück dabei, ein riesig hartes Spind, das allein etwa hundert Mark erzielte.

uns vor einigen Tagen ein verwundeter Major, der in die Heimat zurückkehrte. Wenn das wahr ist, dann gebührt ein großer Teil der Anerkennung und des hohen Lobes, die unserm Heere jetzt überall gezollt wird, der Eisenbahn und ihren unermüdlichen Und während der Ausrufer schon eine neue Serie ankündigt, sehe Beamten und Arbeitern. Die beiden Lokomotivführer, mit denen ich, wie eine ältliche Frau leise heranschleicht; es fommt mir vor, als wir fuhren, hatten Nächte hindurch keinen ordentlichen Schlaf ge­ob ihre faltige Wange tränenfeucht wäre. Das ist wohl die sehen. Sie hatten die Strecke noch niemals befahren. Ohne rich­Hausfrau gewesen, die zwischen all den hart erworbenen Gerät ge- tigen Sicherheitsdienst, bei mangelhafter Telephonverbindung waltet hat, das da eben versteigert wurde. Ein Kriegsopfer? zwischen den einzelnen Stationen, hinter sich für das Heer eine Einige Händler halten mich für den früheren Eigentümer der Ladung von unerseßlichem Werte fuhren sie in die Nacht hin­Sachen Nummer zwei; wohl, weil ich mir einige erzielte Preise ein, ihres eigenen Lebens nicht sicherer als jeder Soldat. Denn notiert habe. Ein besonders Kluger vermutet sogar, daß ich auch" so ruhig das Land verhältnismäßig auch ist, Ueberraschungen ein Schieber sei. Einer kommt der Wirklichkeit näher; der meint, müssen immer erwartet werden. Und wo würden sie für uns ich sei sicher so ein" Journalist, der es in die Zeitungen setzen fühlbarer und gefährlicher sein als gerade auf dem so wichtigen wolle, wie die bösen Händler die Möbel verteuern. Dieser leztere Gebiete des Eisenbahnwesens. Lasen wir doch jüngst erst wieder Herr Nachbar gab mir dann auch ebenso ungewünscht als ver- von ein paar wilden Zügen", die die Belgier führerlos auf die mutlich unrichtig eine Menge Daten über die Kärglichkeit seines deutschen Gleisstrecken losgelassen hatten! Berdienstes und die Mühen seines Berufes. Da glaube ich schon Es war eine helle Mondnacht. Die Wiesen und Dörfer lagen eher, was mir ein anderer flagt: Daß seit dem Kriegsausbruch verschlafen da. Ab und zu grollte Geschüßdonner vom Westen das Angebot in alten Möbeln gar so groß sei und daß auch die herüber ein Zeichen, daß unseren Soldaten auch nachts keine Bahl der Zwangsversteigerungen nicht gesunken sei. Für den Ein- Ruhe gelassen würde. An lebergängen und auf Brücken tauchten fauf ſei jest gute Konjunktur. Man muß sich eben jetzt alles aufs die dunklen Silhouetten deutscher Wachtposten auf. tionen zeigten meist nur den Kommandanten. Auf einigen Stas Lager legen, laufen tut ja niemand."

Nichts außer der Aufschrift läßt an dem trübseligen und ver­vitterten Hause einer alten Straße der inneren Stadt erkennen, daß da ein Amt untergebracht ist, das wohl zu den besuchtesten Berlins  gehört. Die Pfandkammer meine ich. An einem rauhnebeligen Morgen mache ich dort meine Auf­wartung. Durch das verivaschene Tor und die düstere Einfahrt gehen unausgesetzt Leute ein und aus, drängen sich in dem lang­gestreckten Hof, der auf beiden Seiten eingefaßt wird von eintönigen Hausfronten, deren Farbe früher einmal gelb oder grün oder rötlich gewesen sein kann, jezt aber ein schmugpatiniertes Grau ist. Die alten Türen, die ausgetretenen Schwellen, die staubverklebten Fenster bervollständigen den beklemmenden Eindruck. Das alles sieht aus wie eine Vielheit von Altwarengeschäften, die irgendwo in einer dunklen Seitengasse sich zusammendrängen. Aber Leben ist in der Bude. Eben strömt aus einem Versteige­rungssaal eine Menge Leute. Ich werfe noch rasch einen Blid in den verlassenen Raum. Er ist vollgestopft mit Möbeln und aller­band Kleintram. Die wertvolleren Sachen, Schreibmaschinen, Grammophone, kleinere Ziermöbel, find auf der Estrade des Auktio- Serie Nummer drei. Wieder Hausrat; unter ihm fielen mir tionen fuhren wir durch. Bei anderen blieben wir endlos lange nators untergebracht. Auf manche Gegenstände sind geheimnisvolle ein Plüschsofa auf, das um sechzehn Mark zugeschlagen wurde, und ohne Einfahrt liegen. Während das Feuer unter dem Kessel uns Zeichen gemalt, die mir vorläufig noch ganz schleierhaft erscheinen. eine schöne Wanduhr mit zwei Gewichten, die elf Mart brachte. von der einen Seite erhitzte, schnitt der kalte Nachtivind uns fast In einem anderen Saale sammeln sich die Leute wieder, die Eine Zuglampe für elektrisches Licht fand für zwölf Mark einen neuen unerträglich ins Gesicht. Aber der Gedanke an die merkwürdige eben jenen ersten Raum verlassen haben. Ein stattlicher Herr nimmt Herrn, ein ziemlich hoher Wandspiegel erzielte vier Mart. Und ich Situation, in der wir uns befanden, ließ Klagen gar nicht auf­an dem Tische der geräumigen Estrade Platz: der Auktionator. Sein erinnerte mich, daß erst vor wenigen Tagen die Zeitungen angekün- fommen. Obschon wir zwei Nächte die Kleider nicht vom Leibe ebenso wohlgenährter ſtimmträftiger Ausrufer in blauer Bluse steht digt hatten, daß nun eine Verordnung in straft treten würde gegen gehabt hatten, spähten wir angestrengt nach links und rechts, born an der Brüstung. Von der schwarzgrauen Dede hängt ein die Verschleuderung der Sachen bei Versteigerungen. Wie aber horchten wir gespannt auf Richtung und Stärke des Kanonen= Schild herab und verkündet:" Freiwillige Versteigerung". Unten, tönnen bei diesem Hausrat der Armen und Wermsten, bei diesem donners.

erflärt vieles.

-

Die Sta

durch

Rot­

zwischen dem phantastisch hochgestapelten Hausrat, der in seiner Strandgut der Schiffbritchigen die angemessenen Verkaufswerte fest- Endlich rollten wir durch ein Geivirr von Gleisen in Cambrai  bunten Fülle an ein Kulissenmagazin erinnert, wogen die Bieter auf gesetzt werden? Da ist eine Ede abgestoßen, die Politur zertragt ein. Es war nunmehr 2 Uhr nachts geworden, aber in der Stadt und ab, beklopfen die Möbel, fragen da am Lad herum, schlagen oder der Plüsch verschossen. Jener Rahmen ist etwas fledig, der herrichte reges Leben. Freilich war fein einziger Zivilist zu dort auf irgendeine Matrage, befühlen jene Politur. Der Mann Spiegel dort hat einen kaum merilichen, aber doch vorhandenen sehen. Soldaten, Pferde, Wagen und wieder Soldaten in der blauen Bluſe verlündet, daß nun die Sachen, die mit Nummer blinden Streifen. Hausgerät der Armen! Dit jahrzehntelang ge- die Hauptstraße der Stadt tuteten die Autos, klapperten die Hufe zwei bezeichnet sind, versteigert würden. Ein Stimmengewirr erhebt hegt, treulich durch ein Dugend Mietsfasernen geschleppt, wer for der Pferde, fnarrten die Räder der Bagagewagen. Und alles jah sich, so daß ich, der Neuling, verwundert um mich schaue. Jit das dich abschägen? Die abschiednehmende liebe ober das fühle im Dunkel der Nacht unheimlich aus, riesengroß, gespensterhaft. wirklich ein föniglich preußisches Amtslokal? Freilich, die Anwesenden Händlerauge? Die Liebe sagt: Das war unser Alles! Der Bieter An einer Ecke erschien die Spiße eines Gefangenentrupps find in ihrer Mehrheit alte Möbelhändler. Das entschuldigt und fagt: Das taugt nichts mehr. hosen, Käppis, auch Zivilisten unterscheidet man, alte, junge, alles In meine Gedanken schallt die Stimme des Ausrufers: durcheinander, auch eine Abteilung gefangener Alpenjäger mit Der Blusenmann ruft zur Ordnung: Aber meine Herren, ist Schluß, meine Herren. Morgen früh 10 Uhr in diesem Saale   Ver- ihren schmucken Mühen. das wieder mal laut heute!- Bitte um Ruhe, meine Herren!" Nicht ohne Mühe fanden wir ein paar Betten. Die paar steigerung der Fahrnisse Nummer 41" Und die Händler strömen Nun ruft auch der Herr Auktionator: Wenn nicht Ruhe eintritt, heraus, lebhaft redend und gestikulierend; drängen sich in einen Hotels der Stadt waren längst vom Militär belegt. So blieb uns dann schließe ich die Versteigerung!" Der Lärm nimmt ab. Jest anderen Saal, in dem jetzt Zwangsversteigerungen stattfinden, be- nichts übrig, als mit einem Ginquartierungsschein der Militär­berkündet der Helfer furz die Bietordnung; die eigentliche Ber- ginnen einander von neuem zu überbieten, wenn's bie Cade Ibert behörde uns ein Privatlogis am Marktplak zu suchen. Nach vielem steigerung beginnt. Eine gut erhaltene braunpolierte stommode it. Und mit schwerer Hand schreibt ser helfer den Namen et Klingeln wurde uns geöffnet, und nachdem wir uns gründlich ent­schuldigt hatten, bekamen wir jeder ein Zimmer. Ja, der Besizer Ein zweiter Helfer, der unten im Saal unter Stäufers auf ein braungestrichenes Vertiko, wischt einige ungeratene ließ sich sogar mitten in der Nacht mit uns in eine lange politische den Bietern hantiert, zeigt den Kauflustigen das Möbel; elf Mart Buchstaben fort, schreibt wieder. ist das Mindestangebot. In faum einer Minute ist das Stück zu- Aber nicht fortwischen kann er die bitteren Tränen, die die Debatte über das Bündnis Rußlands   und Frankreichs   ein. geschlagen; Cambrai   ist eine uralte Stadt. Bei einem Rundgang am um zwanzig Mark. Der Helfer bezeichnet es mit dem frühere Besizerin um das alte Stück geweint hat, die sich in die anderen Tage konnten wir die schicksalsreiche Geschichte der Stadt Namen des Käufers, der natürlich fofort berappen muß und Farbe eingefressen haben und nun mit fortgetragen werden in irgend an ihren Monumenten ablesen. Aus dem Mittelalter stehen nur weiter geht das Geschäft. Ein Büchergestell, Nachtkästen, Bettstellen, ein finsteres Altwarengeschäft. Dort holt es wohl in einiger Zeit noch wenige alte Gebäude. Dieser ganze Norden von Frankreich  Ganz gute Sachen sind ein anderer Armer. Und dann kann sich wohl bald wieder der traurige teilte ja mit Belgien   und Holland   jahrhundertelang das Schicksal: darunter. Offenbar war das ein größerer, finderreicher Haushalt, Kreislauf wiederholen. Solange, bis das Gut der Armen feinen ein Fangball zwischen den verschiedenen Mächten zu sein; bald der hier durch den Hammer des Auftionators auseinandergetrieben Handelswert mehr befigt. gehörte er zur Hausmacht der Habsburger  , bald den Burgunder­herzögen, bald den Franzosen. In diesen Kämpfen, besonders den Groberungskriegen der Franzosen unter Ludwig XIV.  , hat Cam­ brai   immer mehr seinen alten Charakter verloren, und heute macht es den Eindruck einer Stadt aus den 17. Jahrhundert. Der Stadtturm, die Kathedrale, die große Saint- Gery- Kirche, alles stammt aus jener Blütezeit des französischen   Absolutismus  . Cambrai   wie alle diese Nordstädte Frankreichs  ( wie zum Bei­

macht den Anfang.

wird.

Cambrai  .

Immer dieselben Stimmen find's, die einander überbieten: Berufshändler. Und ich merke bald: da hat jedes Gerät seinen bestimmten Preis; darüber hinaus wird felten gegangen; nur wenn " Fremde", Eindringlinge, mitbieten, dann wird die Stimmung etwas So merkwürdig wie in diese alte Merowinger- Residenz sind Lebhafter. Dann jagen sich manchmal die Angebote; und erst wenn wir bisher noch in feine Stadt eingefahren nämlich auf einer Der Amateurläufer auf ein Gebot getrieben ist, das ihm keinen Bor- Lokomotive. Es machte sich, ohne daß wir es wollten oder teil mehr bringt, hören die Zurufe auf; dann zwinkern die Gin- daran dachten. Ein Militärzug von irgendeiner kleinen Zwischen- spiel auch St. Quentin  ) haben bereits 1870 im deutsch  - französischen gesessenen einunder fröhlich zu. Manchmal freilich ist der Händler station, auf der wir lagen, bis Cambrai   hatte keinen Bersonen- Kriege eine Rolle gespielt. Während bei St. Quentin   eine regel­der Aufgesessene. Aber auch das freut die andern, die den Schaden wagen. Und so lud uns der Lokomotivführer ein, bei ihm oben auf rechte Schlacht unter General Faidherbe geschlagen wurde, ent­seiner funkelnagelneuen Hentschel- Lokomotive Platz zu nehmen. ging Cambrai   nur durch den Waffenstillstand knapp der Besetzung Sie kennen sich gut und vertragen sich; natürlich gibts auch hier Wir bedachten uns nicht und kletterten mit unseren Rucksäcken auf durch unsere Truppen. Heute ist die Stadt von deutschem Militär besondere Freundschaften und kleine Feindschaften. Die dide Frau das schwarze Untier hinauf. Leider fuhr die Maschine rückwärts, voll, und wir hatten in der Vormittagssonne das große Vergnügen, dort mit dem harten Gesicht zum Beispiel wird immer ganz wütend, so daß der falte Nachtwind uns schonungslos bestrich. Wir haben vom Ererzierplaße aus einen deutschen Flieger üben zu sehen, und enn jener fleine dürre alte Jude sie überbietet; und dann kann in diesen ersten zwei Wochen unserer Kriegsfahrt manches Unaus- zwar auf einem der in Reims   erbeuteten französischen Flug­sie wahrhaftig sogar manchmal mehr rufen, als es ihr Profit erlaubt. löschliche erlebt. Diese Nachtfahrt aber auf der Lokomotive in apparate. Den Schluß dieser Feilbietung machen einige Federbetten; sie Feindesland( und immerhin dicht hinter der Front der großen werden gierig betastet und gedrückt. Dann wendet sich die Gilde Schlacht) wird zu unseren schönsten Erinnerungen gehören. Der Berufstäufer geringschäßig ab. Eine ärmlich gekleidete Frau

nicht haben.

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Die Erstürmung der Mühle.

Von Emile Zola  .

Dieser Krieg ist in erster Linie ein Eisenbahnkrieg," so sagte ,, Niemals! niemals!" rief der letztere. Ich bin bereit zu sterben." ,, Ueberlegen Sie sich die Sache!" versezte der Offizier. ,, Den Dienst, welchen Sie mir abschlagen, wird uns dann ein anderer leisten. Ich biete Ihnen das Leben an, ich bin groß­mütig. Es handelt sich einzig und allein darum, uns nach Montredon durch den Wald zu führen. Es soll dort Fußpfade

Dominique gab feine weitere Antwort. ,, So bleiben Sie hartnäckig?"

,, Erschießen Sie mich und machen wir ein Ende!" rief er. Françoise flehte ihn von neuem an mit gerungenen Händen. Sie vergaß alles, sie würde ihm sogar zu einer Feig­heit geraten haben. Aber Vater Merlier ergriff ihre Hände, damit die Preußen nicht ihre weibische Erregung sehen sollten. ,, Er hat recht," murmelte er, es ist besser zu sterben."

[ Schluß] Der Dister blieb unoengsam. Er befahl sogar zwei Soldaten, sich des Mädchens zu bemächtigen und sie fortzu- geben." führen, damit die Hinrichtung des Greises mit Ruhe voll­zogen werden könne. Da entbrannte ein gräßlicher Kampf im Herzen des Mädchens. Sie konnte ihren Vater nicht so ermorden lassen. Nein, nein, lieber wollte sie zusammen mit Dominique#terben; und sie stürzte fort, in der Absicht ihre Stube zu erreichen, als Dominique selbst in den Hof trat. Der Offizier und die Soldaten stießen ein Siegesgeschrei ts. Er aber, als ob nur Françoise anwesend gewesen wäre, frat mit Ruhe, jogar mit einer gewissen Strenge, auf sie zu. Die Rotte war zur Stelle. Der Offizier wartete noch auf " Das ist nicht recht!" sprach er. Warum hast Du mich eine Schwäche Dominiques. Er rechnete noch immer darauf, nicht zurückgeholt? Vater Bontemps   hat mir erst alles er- ihn umzustimmen. Eine tiefe Stille trat ein. In der Ferne zählen müssen... Und nun bin ich da!" hörte man schwere Donnerschläge. Eine dumpfe Hiße er­drückte die Landschaft, und mitten in dieses Schweigen hinein ertönte auf einmal der Schrei:

Die Franzosen  ! die Franzosen!"

Troßdem fehlte es in Cambrai   auch an friedlichen Bildern nicht. Ja, zur Mittagsstunde, als der Frucht- und Gemüsehandel auf dem Marktplatz im vollen Gange war, hätte man meinen Mannschaften aufgestellt; er sah ein, daß er sich ohne die Ge­fahr einer totalen Niederlage nicht sofort zurückziehen könnte. Es war also besser, sein Leben teuer zu verkaufen. Jetzt waren die Breußen die Verteidiger der Mühle und die Fran­30sen die Angreifer. Das Gewehrfeuer begann mit einer bei­spiellojen Heftigkeit. Es dauerte eine halbe Stunde lang ununterbrochen fort. Dann ward ein dumpfer Krach ver­nehmbar und eine Kugel zerschmetterte einen Hauptast der hundertjährigen Ulme. Die Franzosen führten Kanonen mit fich. Eine Batterie wurde in demselben Graben aufgefahren, in welchem Dominique sich verborgen hatte. Sie bestrich mit ihren Geschossen die Hauptstraße von Rocreuse. Der Kampf konnte auf diese Weise nicht lange mehr währen.

O! die arme Mühle! Kugeln zerschossen sie auf allen Seiten. Eine Hälfte des Daches wurde emporgeschleudert. Zwei Mauern zerbarsten. Aber am jammervollsten stand es auf der Seite der Morelle; die von den Mauern losgerissenen Epheuranken hingen wie Feßen herunter. Auf dem Bache trieb Trümmerwerk aller Art, und durch eine Bresche sah man die Stube von Françoise, der jungen Dirne, mit ihrem Bett, dessen weiße Vorhänge sorgsam zugezogen waren. Schlag auf Schlag trafen zwei Kugeln das alte Mühlrad, es knarrte noch ein legtes Mal, dann war's vorbei mit ihm; die Schaufeln

Ein

Es war drei Uhr. Große schwarze Wolken waren lang­fam am Himmel heraufgestiegen, der Nachbote irgendeines in der Nähe herniedergegangenen Unwetters. Dieser halbe Simmel, diese kupferfarbenen Wolkenfeßen gaben dem im Sie waren es wirklich. Auf der Straße von Sauval, wurden vom Bache fortgeschwemmt, dann brach auch der Sonnenschein so heitern Tale von Rocreuſe das Aussehen am Waldessaume, erkannt man die Linie der Rothosen. Eine Rumpf entzwei. Es war die Seele der lustigen Mühle, welche eines von düsteren Schatten utmlagerten Wordwinkels. Der außerordentliche Aufregung herrschte in der Mühle. Die eben aus derselben geflohen war. preußische Offizier hatte sich damit begnügt, Dominique ein- preußischen Soldaten liefen unter gutturalen Schreien durch- Hierauf schritten die Franzosen zum Sturme. chließen zu lassen, ohne sich über das ihm vorbehaltene Schick- einander. Uebrigens war noch kein Schuß abgegeben worden. fal auszusprechen. Seit dem Mittag war Françoise die Beute einer unsäglichen Seelenangst. Sie wollte nicht vom Hände flatschend. Hofe weichen trop der inständigen Bitten ihres Vaters. Sie erwartete die Anfunft der Franzosen  . Aber die Stunden berſtrichen. Der Einbruch der Nacht stand bevor und ihr Schmerz wurde ein so heftiger, als all diese gewonnene Zeit die furchtbare Röjung nicht mehr ändern zu sollen schien.

"

Die Franzosen  ! die Franzosen!" schrie Françoise, in die Sie war wie von Sinnen. Sie entglitt der Umarmung ihres Vaters und lachte laut, die Arme in die Luft reckend. Endlich famen sie also und sie kamen noch zur rechten Zeit, denn Dominique war noch da, stand noch aufrecht.

Ein fürchterliches Rottenfeuer schlug wie ein Blizschlag Gegen drei Uhr aber trafen die Preußen ihre Vor- an ihre Ohren. Sie wendete sich um. Der Offizier hatte

wütender Kampf mit der blanken Waffe begann. Unter dem rotfarbenen Himmel füllte der Nordwinkel des Tales fich mit Toten. Die weiten Fluren mit ihren einzelnen großen Bäumen und ihren Pappelreihen schienen verödet. Die Wälder zur Rechten und Linken schlossen die Streitenden ein wie die Mauern einen Zirfus, und die Quellen, Brunnen und Wässer­lein verursachten inmitten der Panif, welche die Landschaft ergriffen hatte, schluchzerhafte Geräusche.

Unter dem Schuppen saß unentwegt Françoise, neben bereitungen zum Aufbruch. Seit einer Weile hatte der Offi- eben gesagt: dem Leichnam Dominiques gekauert. Vater Merlier war zier sich, wie am Abend vorher, mit Dominique eingeschlossen. Vor allem wollen wir das hier in Ordnung bringen!" foeben von einer Kugel niedergestreckt worden. Da trat, nach Françoise hatte begriffen, daß das Los über sein Leben fiel. Und Dominique persönlich gegen die Mauer eines dem die Preußen samt und sonders niedergeschossen waren Da faltete sie die Hände, sie betete. Vater Merlier bewahrte Schuppens stoßend, hatte er Feuer kommandiert. Als und die Mühle in Flammen stand, der französische   Kapitän an ihrer Seite seine stumme, strenge Haltung des alten Françoise sich umdrehte, lag Dominique am Boden, die Brust allen voran in den Hof. Seit dem Anfange des Feldzuges teinen Kampf unternimmt. war dies der einzige Erfolg, welchen er errungen hatte. So Bauersmannes, welcher gegen das Verhängnis der Tatsachen von einem Dukend Kugeln durchlöchert. Sie weinte nicht, sie blieb wie blödsinnig. Ihre Augen zeigte er jetzt im Siegesrausche, seine hohe Gestalt empor­werden ihn erschießen!" mein Gott! o mein Gott!" stammelte Françoise; sie wurden starr, und sie setzte sich wenige Schritte von dem Reich- reckend, das liebenswürdigste Lächeln als stattlicher Kavalier. nam unter den Schuppen. Sie schaute ihn an; sie machte von Und als er Françoise zwischen den Leichen ihres Mannes und Beit zu Zeit eine unbestimmte Bewegung mit der Hand wie ihres Vaters inmitten der rauchenden Trümmer der Mühle ein Kind. Die Preußen hatten Vater Merlier als Geisel erblickte, da begrüßte er sie galant mit seinem Degen und rief ergriffen. triumphierend:

Der Müller zog sie heran und nahm sie wie ein kleines auf seine Knie.

Kind In diesem Augenblick trat der Offizier heraus, während zwei Mann hinter ihm Dominique führten.

Es war ein prächtiges Gefecht. Der Offizier hatte seine

,, Viktoria! Viktoria!".