r. 56.- 1915. Unterhaltungsblatt des Vorwärts

Aus Briefen Scharnhorsts.

Von den Briefen Scharnhorsts waren bisher nur verhältnis­näßig wenig veröffentlicht, und so kann Karl Linnebach   in seiner Ausgabe des Briefwechsels Scharnhorsts, deren ersten, die Privat­briefe umfassenden Band der Verlag von Georg Müller in München  demnächst erscheinen lassen wird, eine reiche Fülle noch unbekannter Briefe des großen Strategen zur Mitteilung bringen. Es sind keine literarischen" Briefe. Scharnhorst war kein Meister der Sprache, wie etwa Gneisenau oder Clausewit; seinen Briefen fehlt, wie der Herausgeber bemerkt, alles Glänzende, Wizige und Unterhaltsame, die leichte Beweglichkeit, das Spiel der Phantasie. Sie entschädigen uns aber dafür durch innere Gediegenheit und edle Schlichtheit. Als Kind seiner Zeit wird er in dem Geiste erkennbar, der z. B. in seinem Briefe an den Obersten von Tempelhof   in Berlin   vom 27. Januar 1793 zu spüren tit:" In 20 Jahren, hoffe ich, werden die höheren Stände schon gebildeter und billiger denken.... Dagegen halte ich es für Pflicht, wo man kann, den höheren Ständen in Gesellschaften ihre schlechte Denkungsart, ihre ungerechtigkeit vorzuhalten und ihnen zu zeigen, daß dies nicht mehr so in der Folge bestehen kann. Ich habe dieses freimütig getan; denn diese zum Teil argen Menschen verführen überdies noch die Fürsten   und stehen der menschlichen Glückselig­keit dadurch auf manche Art im Wege."

Die Zeit war nicht danach angetan, Scharnhorsts ideale Wünsche zur Wirklichkeit werden zu lassen. Den tatfrohen Mann ergriff beim Anblicke des Zeitjammers mehr und mehr tiefer Mißmut. Als sein in Halle studierender Sohn Wilhelm im Jahre 1805 ihm gegenüber geäußert hatte, wenn alles über und über ginge", könne er sich nicht enthalten mitzufechten, da mußte ihm der Vater schrei­ben: Dies macht Deinem Mute und Deinem Patriotismus Ehre. Lerne aber, mein Sohn, diese Tugenden früh besiegen. Sie haben mir von jeher, und vorzüglich auch in diesem Augen­blicke, mehr Kummer als irgend ein Laster gemacht. Uebrigens wünsche ich nicht, daß Du jemals als Soldat auftrittst; schwerlich würdest Du hier Befriedigung finden. Den Franzosen würdest Du nicht dienen, und die übrigen Armeen befinden sich größten­teils in solchen Verhältnissen, daß auch bei ihnen in der Zukunft wenige Shre zu ernten ist. Alter, Schwäche, Untätigkeit, Un­tvissenheit und Unmut auf der einen Seite, Tätigkeit und Ent­schlossenheit auf der anderen."

ich leben werde."

Sonntag, 7. März.

scheidenden Einfluß zu haben, die unzähligen Schwierigkeiten Garnisondienst war ihm zuwider. Immer wieder dachte er daran, des Fortganges derselben zum Teil zu heben, wenigstens viel sich aufs Land, in eine Oberforstmeisterstelle, zurückzuziehen. Gutes zu stiften."

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Als der Siebenjährige Krieg losbrach, jubelte er vor Freude, end­Die Hemmungen, auf die er bei der Erfüllung dieser Aufgabe lich nicht länger in Potsdam   stillsißen zu müssen, und wünschte sich stieß, waren freilich schier unermeßlich. Ich ärgere mich unauf- nichts sehnlicher, als 200 Mann fommandieren zu dürfen und von hörlich so schrieb er der Tochter am 2. April über die Un- 2000 Desterreichern angegriffen zu werden". Anfang 1757 war der wissenheit und Schlechtigkeit, werde aber dagegen durch den guten Dichter, dessen Name allmählich solchen Klang gewonnen hatte, daß; Geist, der im allgemeinen herrscht, wieder erquickt." Trafen ihn selbst der König darauf Rücksicht nahm, Major geworden. Aber in schon die vielen Fehler, die von seiten der Verbündeten gemacht den ersten Jahren des Krieges, in den er mit einer gewissen Todes= wurden, als schwere Schläge, so verzehrte sich dieser Feuergeist ahnung, ja mit Sehnsucht nach dem Tode gezogen war, gelangte er dann vollends, als er verwundet, ohnmächtig auf dem Krankenbett zu feiner Betätigung. Zu seinem Verdruß bleibt er den großen Schlachten lag und den Dingen untätig zuschauen mußte, die er, wie er fern, bis der Tag von Kunersdorf, der 12. August 1759, fam. Da der fühlte, hätte meistern können. Damals schrieb er aus Znaim   am Kommandant feines Regiments fiel, mußte er es führen. Beim 21. Mai 1813 an seine Tochier jenen Brief, der wohl den tiefsten Sturm wird er an der Rechten verwundet. Er ruft die Fahnen Einblick in die Tragik dieses Lebens eröffnet: seines Regiments zu sich, greift den Degen mit der Linken und stürmt " Ich will nichts von der ganzen Welt; was mir wert ist, gibt vor, bis ein Schuß auch die Linke trifft. Wieder ergreift erden Degen sie mir ohnehin nicht. Mir ist eine Stelle, wenn ich herge- mit der blessierten Rechten, bis ihm in einem Augenblick, da der stellt bin, bestimmt. Eine sonderbare. Mir ist das aber gleich Sieg sicher scheint, eine Kartätschenkugel das rechte Bein zerschmettert. gültig. Könnte ich das Ganze kommandieren, so wäre mir daran Soldaten tragen ihn hinter die Front, wo er, als dann die Preußen viel gelegen, ich halte mich in aller Vergleichung ganz dazu fähig. fliehen müssen, hilflos liegen bleibt. So geriet er in die Hände der Da ich das aber nicht kann, so ist mir alles gleich. An Distink- Kosaten, die ihn ausplünderten bis auf den nackten Körper und ihn tionen ist mir nichts gelegen; da ich die nicht erhalte, welche ich an den Rand eines Sumpfes warfen. Am Abend fanden ihn russische verdiene, so ist mir jede andere eine Beleidigung und ich würde Husaren und nahmen sich seiner an. Aber gegen Morgen mußten mich verrachten, wenn ich anders dächte. Alle 7 Orden und mein diese fort und wieder kamen Kosaken   und raubten ihn nochmals aus. Leben gäbe ich für das Kommando eines Tages. Daß dies, was Erst am Abend dieses Tages fand man ihn und schaffte ihn nach ich hier schreibe, ganz meinem Wesen zuwider, daß ich nichts Frankfurt   a. d. D., wo er am 24. August starb. Seine Freunde verlange, nie mich unzufrieden äußerte und jest so ganz anders Gleim, Bodmer, Lessing, Abbt   widmeten ihm Nachrufe, und zu Dir schreibe, wird Dich befremden. Es ist aber dies kein Brief, Lessings" Tellheim" soll er die edelsten Charakterzüge geliefert haben. sondern eine eigentliche Nachricht für Dich, wie Dein Vater dachte, Er hatte gefunden, was er sich in einem Gedichte gewünscht: wenn ich einst nicht mehr da sein sollte." Wenige Wochen später war Scharnhorst nicht mehr. ,, Auch ich, ich werde noch, vergönn' es mir, o Himmell Einher vor wenig Helden ziehn!

Ewald von Kleist  .

Geboren am 7. März 1715.

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Ich seh dich, stolzer Feind, den kleinen Haufen flieh'n Und find' Ehr' oder Tod im rasenden Getümmel."

Musik.

Be­

Der Name Ewald von Kleist   ertvedt bei seiner Nennung in uns nur eine Erinnerung: das Gedächtnis seines Todes in der Schlacht bei Kunersdorf. Sonst ist dieser Kleist allenfalls eine Erinnerung Königliches Opernhaus: Die sieben aben". aus der Literaturgeschichte. Seine Naturbilder, wie das Gedicht Der Märchendichtung von Hans Joachim Moser  ; mit der Musik zu Frühling". bedeuteten in ihrer Zeit gewiß viel, und um 1750 war Euryanthe  " von Weber." Weber starb an der Sehnsucht, er eine der wenigen literarisch wertvollen Erscheinungen. Aber als Wagner zu werden," hat Peter Cornelius einmal gesagt. Im Hin­Schon das nächste Jahr sollte Scharnhorsts trübste Ahnungen Dichter ist Kleist uns heute nur noch historisch interessant, als ein blid auf" Euryanthe  " stimmt dies Urteil; denn die Musik zu ihr bestätigen. Er erlebte den Zusammenbruch des preußischen Vorbereiter. Halb gehört er zu den spielerischen Anakreontikern, verrät die Merkmale des späteren Wagnerschen Musikdramas", Staates bei Jena  - Auerstädt mit und er empfand als ein Glüd, neben seinem Freunde Gleim; halb zu den Schweizern um Bodmer, insoweit solche sich in Lohengrin  " offenbaren. Aber während daß er die Ehre der deutschen   Waffen durch seine Teilnahme an die, wenn auch in einer sentimentalen Art und Weise zur Natur" hier ein Dichter- Komponist Text und Musik aus einem Geiste Blüchers kühnem Rückzuge retten konnte. Damals lernte er diesen zurückzuführen fuchten. Ja, sein Naturempfinden ist unbedingt echt. erſchuf, war Weber auf das Libretto eines anderen angewiesen. Mann würdigen, vor dem er dann in der entscheidenden Stunde Aber seine Dichtungen geben uns heute gar nichts mehr, und wenn Die im Kern miserable Euryanthe  "-Dichtung der Chezy war des Jahres 1813 bescheiden zurückgetreten ist. Nach den Tagen man seiner gedenkt, geschieht es auf dem Umwege über das tragische Schuld daran, daß das Werk in Vergessenheit geraten war. Dies Los verdiente nun die geradeswegs herrliche Musik ganz und gar von Lübeck   schrieb er seiner Tochter über Blücher  :" Nie hat eine Ende seines Dichter- und Soldatenlebens. größere und innigere Freundschaft und Zutrauen stattgefunden, Dieser erste Dichter, den das alte pommersche Geschlecht der nicht. Alle Versuche jedoch, das Libretto zu verbessern, scheiterten. als zwischen diesem braven, mutvollen Mann und mir. Wir Kleist hervorgebracht, wurde am 7. März 1715 auf dem Stamm- Wie nun, wenn es gelänge, der Musik eine neue Dichtung allein waren immer gutes Muts, wenn die Not am höchsten war; schloß Beblin Pommern geboren. Seine Eltern hatten ihn für die unterzulegen? Dies Wagnis hat jetzt ein junger Poet, namens nie war eine Differenz der Meinung zwischen uns, nie ver- juristische Laufbahn bestimmt, trotzdem er von Anfang an mehr Moser, unternommen. Das Märchen von den sieben Raben schien schiedene Gefühle; ivir waren eine Seele, ein Gedanke, ein Ent- Liebe zu den schönwissenschaftlichen Studien zeigte. Aber dann ver- ihm als der geeignetste Vorwurf. Und der starke Erfolg, den es schluß. Die Tage, die ich bei ihm gewesen, waren mühsam und anlaßten ihn widrige pekuniäre Verhältnisse, gegen seine Neigung, mit der Euryanthe  - Musik bei seiner Erstaufführung am Freitag fatiguant( ermüdend) für mich, aber mir merkwürdig, so lange um der rascheren Karriere willen, der Anregung hochgestellter Ver- davontrug, bestärkt uns in dem Glauben, daß Moser einen glüd­wandter zu folgen und in die dänische Armee einzutreten. Vierlichen Griff getan. Im Bestreben psychologischer Vertiefung er­Es folgte die Zeit seines großen Reorganisationswertes. Die Jahre, bis 1740, diente er dort, als eine Verordnung Friedrichs II. fand er sich allerdings auch einige Personen und Motive. ganze Bitterkeit seines Herzens schüttete er einmal im März 1812 ihn nach Preußen zurückrief. Als Seconde- Leutnant kam er ins Re- dingung war, daß nichts von der Musik geopfert würde und daß Bohen) aus: Mit wehmütigem Herzen nähere ich mich Ihnen, Kaserne bot". Der Dienst unter des Königs Augen war pedantisch dann, wenn man der Meinung wäre, als habe er dem schlichten in einer Aufzeichnung an Freunde"( vielleicht Gneisenau und giment 35 nach Potsdam  , das damals das Aussehen einer großen Wort und Handlung ihr sich so organisch als irgend denkbar an­schmiegte. Uns deucht, diese Absicht sei Moser gelungen, selbst um mit Ihnen zu trauern über das Schicksal der deutschen   Völker. streng, und Kleist fühlte sich in ihm wenig wohl. Sein Wesen stieß Märchen Gewalt angetan. Nichts hält jetzt den großen Gang der Weltbegebenheiten auf.... hart gegen den Geist des Preußentums, der ja niemals sehr für's Unsere Regenten kennen keine Ruhmbegierde; sie wurden von Poetische" war, und die Kameraden sagten ihm wenig zu. Schulmeistern und Stockorporalen gebildet; unsere Großen kennen Da lernte er 1743 Gleim kennen, der damals Sekretär bei dem keine Ritterjitte, wollen bloß die Welt genießen. Die Gefühle Prinzen Schwedt war. Stleist war in einem Duell verwundet worden. und der Geist der höheren Stände bezeichnen eher den Sklaven Gleim hörte von der Geschichte bei Tafel, eilte zu dem Kranken und als den freien hochgeborenen Deutschen  ." befreundete sich bald mit dem jungen Offizier. Ja, er rettete ihm Alle Bitterfeit aber, aller Unmut waren vergessen, als endlich, auf eine sehr lustige Weise das Leben. Kleist litt schr an feiner nicht zum geringen Teile dank seiner unausgefeßten Wirksamkeit, vernarbenden Wunde, und Gleim las ihm vor. Bei einer solchen die Stunde der Tat schlug. Unter ungezählten Widrigkeiten schuf Gelegenheit, da Gleim eines seiner kleinen scherzhaften Lieder las, er Preußens neues Heer. Am 19. März 1813 schildert er selbst in geriet Kleist in's Lachen, und infolge einer jähen Bewegung sprang einem Briefe an seine Tochter mit kurzen, martigen Worten seine die Wunde auf. Das war ein Glück, da sich bereits falter Brand Wirksamkeit:" Ich habe mit unbeschreiblicher Anstrengung für einzustellen drohte. Von dieser Zeit datiert die innige Freundschaft König und Vaterland gearbeitet, ich habe mein vornehmstes Augen- zwischen den beiden Männern. Gleim war es, der die poetische merk auf die Belebung des Geistes gewandt, und durch die Herbei- Gabe in dem preußischen Leutnant entdeckte und ermunterte, und er ziehung und Enthusiasmierung der jungen Männer meinen Zweck brachte Kleist auch mit andern literarisch interessierten Menschen zu­erhalten und so das Interesse aller Familien an den Krieg ge- sammen. Seitdem war das Leben Kleists  , der eine schwere Alles ist im Fortschreiten, nun gehe ich gegen den melancholische Natur war, noch zwiespältiger. Unter feinen Same­Feind; ich habe die Gelegenheit, auf die Operationen einen ent- raden galt es als eine Art Schande, Dichter zu ſein", und der Interesse für das Wohl des Heims verloren; das seltsame Ereignis, daß er ordentlich wurde und selber den Haushalt aufrechterhielt, hatte sie geradezu frank gemacht.

fettet.

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Ueberfluß.

Von Martin Andersen Nerö.

Die Zeit schlich hin; sie war in der Nacht nicht im Bett, sondern saß auf dem Stuhle und starrte. Von Zeit zu Zeit fam ein Mädchen oder der Hausknecht ins Zimmer, stellte sich erstaunt, daß sie immer noch da war, verrichtete irgend etwas in herausfordernder Art und ging wieder. Sie geradezu auf die Straße zu werfen, wünschte oder wagte man nicht.

Und so blieb sie sitzen, hartnädig. Niemand sollte es mit ansehen, daß sie ihrer Pflicht untreu wurde oder aus dem Wege ging. Einen einzigen Augenblic sah sie sich über dunkles, plätscherndes Wasser gebeugt stehen, aber dieses Bild wich schnell vor anderen, helleren.

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Das Werk erfuhr dekorativ, gesanglich und darstellerisch eine erlesene Aufführung. Die Damen: Hafgren- Waag( Spinnerin), Leffler- Buckard( des Kanzlers Weib), Clare Dug( Fee) und die nicht minder das Orchester unter Leo Blech  . Warum man aber Herren: Bischoff( Kanzler), Unkel  ( Königsohn) leisteten Schönes; 3ei jo geschmacklose Buppen als Kinder der Spinnerin vorführen mußte, bleibt rätselhaft.

Kleines Feuilleton.

Der Kohlenverbrauch der Gasanstalten.

ek.

In der letzten Sihung der Deutschen Beleuchtungstechnischen Gesellschaft machte Geheimrat Frant, einer der Senioren der deutschen   chemischen Wissenschaft, einige interessante Mitteilungen über die Benutzung englischer Kohle durch die deutschen  , speziell vom Hörensagen," fügte er spöttisch hinzu. Ich weiß nicht, ob Frau Sörensen erlaubt, daß Susanne heut nacht hier bleibt, da sie ohne Logis ist? Die beiden Damen könnten vielleicht zusammen im Bett schlafen, dann leg ich mich auf die Chaiselongue? Oder auch wenn Frau Sörensen vor­ziehen sollte?" Er grinste verschmitzt.

Nee, ich werd den Teufel tun, ich mag nicht zusammen­liegen mit so' nem Streifbrecher," erwiderte Susanne aufge­bracht. Ja, gaffen Sie nur, ich weiß recht gut, was Sie für eine sind! So' ne Großmutter, die ihrem Mann fortgelaufen

Sie hatte ihm das Ganze überlassen, ihm dabei entgegen­gearbeitet und sich dazu aufgeschraubt, unsinnige Ansprüche an feinen Charakter zu stellen warum, begriff sie nicht. Was machte es wohl aus, wenn er ein bißchen Wirtshaus spielte, da er ja sein Abstinenzlergelübde streng befolgte! Das war ja gerade das Rührende. Aber sie hatte ihn nur geliebt, solange er ein Vieh war, so war sie nun einmal. Und wie garstig, schlecht und ungerecht war sie gegen ihn gewesen, ist. Pfui!" alles aus dem Bedürfnis nach Liebe heraus. Denn Liebe war etwas Böses, Garstiges, darum wurde sie dadurch bestraft, daß fie nie zu ihm zurückkehren durfte, zu ihm, der ihr nichts Böses wünschte, sondern nur mild und gut war.

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Zwei Tage waren verstrichen, und die Nacht verrann, ohne daß Frau Sörensen es merkte; sie hatte kein Licht an­Hier und da nagte der Hunger an ihr, so daß Herz und gezündet, sondern begnügte sich mit dem Schein von draußen; Zwerchfell ihr weh taten. Aber der Hunger kam wie etwas fie wußte unklar, daß es über Mitternacht   war, denn die eine Lichtes und brachte Kunde von jenen Zeiten, als sie die Reihe der Laternen war ausgelöscht worden. Kraft im Hause war und es den Ihren ganz armselig ging. Mit geschlossenen Augen, in milder Gemütsstimmung, Es bruzelte und prasselte in der Bratpfanne, und das faß sie da. Die Liebe ihrer Jugend mit ihrer Erwartung glühende Fett besprigte ihre nackten Arme: Pferdefleisch, in und ihren Stelldichein war an ihr vorübergeglitten, und sie Pferdefett gebraten. Und aus ihren Augen fielen Tränen fühlte, daß sie eine glückliche Jugend ein glückliches Leben binab Just so brannte es in der Herzgrube! Aber der überhaupt verbracht hatte.

Frau Sörensen antwortete nicht. In Eile zog sie ihre Sachen an und eilte hinaus, öffnete die Entreetür und stürzte die Treppe hinab.

O, Susanne, süßes Puppchen, renn runter und laß sie hinaus. Ich selber getrau mich nicht."

, die Haustür ist ja offen," antwortete Susanne zärt­lich und schlüpfte aus den Kleidern.

Frau Sörensen lief sinnlos geradeaus durch ein paar Straßen und kam nach Nörrebold; hier brach sie auf einer Bant vollständig zusammen vor Müdigkeit. Hin und wieder durchlief ein heftiges Bittern ihren Körper, aber sie fühlte das nicht, fie schlief. Als sie erwachte, saß eine Mannsperson neben ihr; er hatte den Arm hinter ihr auf die Banklehne gelegt, als ob er zu ihr gehöre, und bemühte sich, unbemerkt Duft war belebend, und neben ihr stand ein kleiner Junge Jetzt hörte sie, wie ein Schlüssel ins Entreeschloß gesteckt die Hand unter ihre Taille auf die Brust gelangen zu lassen. und hüpfte ungeduldig. Ihr selbst wurde der Mund wässerig, wurde, und vernahm schleichende Tritte; dann wurde ihre Mit einem Schrei fuhr sie auf, und er schlich fort. und sie spürte Wohlgeschmack und war glücklich darüber, ge- Türklinke niedergedrückt. Nun fommt er," dachte sie mit Dann ging sie matt weiter und wagte nicht, sich wieder schafft zu haben; aber wenn sie und der Junge aßen, weinte einem Lächeln. Sie war zu tief in ihren Träumereien, sich zu sehen, aus Furcht, ausgeplündert zu werden; sie schlief im fie wieder bei dem Gedanken an den Augenblick, wenn nichts flarzumachen: wer; auch der Haß war fort und die Angst Gehen. Die Knie wanften unter ihr. mehr da sein würde. Das waren die glücklichen Zeiten mit vor der Schande; ihr war zumute wie dem, dem ein glück- Ein Herr strich dicht vorbei und fah ihr ins Gesicht. den Kämpfen und Qualen für eine Wirklichkeit, für die Erlicher Traum in Erfüllung geht. haltung des Heims. Damals fehlte ihr nichts, und sie genoß Agent Jochumsen ging gleich an den Tisch und zündete es wie einen Sieg, so oft es ihr gelang, den Hunger einen Licht an. Er pfiff gemütlich, aber plötzlich gewahrte er Frau oder zwei Tage fernzuhalten. Und dann die Angst, daß ihm etwas zustoßen würde, Sörensen drüben in dem Lehnstuhl und hielt mit einem die sie zittern ließ, wenn sich zur Nachtzeit ein Wagen näherte! Und die Freude darüber, ihn zu sehen, völlig betrunken viel­leicht, aber atmend und mit gesunden Gliedern! Auch das war ein Glück, so armselig es auch erscheinen mochte.

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Doch dann folgte das Unbegreifliche: seine merkwürdige, plötzliche Bekehrung, der Fortschritt zu Hause dieses wirk­lich große Glück, das zu ertragen sie nicht vermocht hatte, wie ihr ein vages Gefühl jetzt sagte. Sie war erschlafft, hatte das

Fluch inne.

Ein junges Weib vom Fabrikmädchentypus hatte sich in zwischen draußen im Entreee vorwärts getastet und trat jekt ein. Da haben wir die Bescherung!" rief sie, als sie ihre Nebenbuhlerin bemerkte.

Frau Sörensen erhob sich schnell, als sie das junge Mädchen sah.

Meine Schwester, Frau Sörensen," sagte der Agent hastig, und dies ist Susanne. Sie kennen sich ja beide schon

Und dann kam er von hinten neben sie, steckte seinen Arm unter den ihren und erklärte ihr seine Liebe. Es durchzuckte fie vor Schreck bei dem Worte Liebe. Lieben-- das Wider­wärtigste von allem! Daß sie das doch nie wieder loswerden konnte, so todmüde wie sie war! Dieses Wort Klang, als ob jemand mit einem Hammer auf ihren franken Kopf schlug. Sie weinte wimmernd vor Schlaffheit und Qual, stürzte da­von, ohne den Herrn anzusehen oder zu antworten, fonnte ihn aber nicht abschütteln. In ihrer Verzweiflung lief sie zu einem Herrn, der drüben auf der anderen Seite des Boule­vards ging, und bat ihn, ihr den zudringlichen Menschen vom Salse zu schaffen.

( Forts. folgt.)