Nr. 217.- 1915.
Unterhaltungsblatt des Vorwärts Dienstag, 21. September.
Erinnerungen von A. Ger.
Nach dem Falle von Kowno war vorauszusehen, daß die Russen auch Wilna nicht halten konnten. Reichlich dreißig Jahre sind es her, daß ich in beiden Städten als Monteur tätig war. Was über Kowno zu sagen ist, hat die Presse bereits gebracht. Es war in erster Linie Festung und Garnisonstadt.„ Kowno uneinnehmbar, starte Werke, große Besatzung", versicherten mir die Russen. Seitdem hat die Belagerungstechnik freilich große Fortschritte gemacht und der Wirkung des„ durch äußerste Steigerung mit Hilfe von Ballon- und Flugzeugbeobachtung glänzend geleiteten Artilleriefeuers", von dem der deutsche große Generalstab berichtet, vermochte auch diese uneinnehmbare" Festung nicht standzuhalten.
Einen wesentlich anderen Eindruck machte Wilna , die Hauptstadt des Gouvernements gleichen Namens an der Wilija , einem Nebenfluß des Njemen. Es liegt landschaftlich schön, in einem von mäßig hohen Bergen umschlossenen Tale, und ist offenbar eine sehr alte Ansiedelung, da sie schon im Jahre 1128 in Urkunden erwähnt wird.
Neben anderen öffentlichen Gebäuden besitzt Wilna ein Museum mit Bibliothek sowie zwei Theater. Unter den Denkmälern befindet sich eins der sattsam bekannten Katharine II. Von 1803-1832 war Wilna Siz einer polnischen Universität.
Ungeheuer groß ist im Verhältnis zur Masse der Bevölkerung die Zahl der Kirchen. Wenn ich richtig gezählt habe, waren es ein schließlich der Kathedralen an sechzig Kirchen und Kapellen und fünf Klöster. Zur großen Hälfte dienten diese„ Gotteshäuser" der russisch ortho doren, zur kleinen Hälfte der katholischen Konfession, während umgekehrt die katholischgläubigen Christen der Zahl nach die Orthodorgläubigen um das Doppelte übertrafen. Zu den Kirchen tamen noch für den israelitischen Teil den israelitischen Teil der Bewohner fünf Synagogen und an siebzig Betschulen. Für die seelischen Bedürfnisse der Einwohnerschaft war also in überreichem Maße gesorgt.
So vieles Neue und Hochinteressante für soziologische Forschung mir die russischen Zustände auch boten, und mit so großem interesse ich diese halbasiatische Welt auch betrachtete und sie in ihren Tiefen zu erfassen trachtete, es war doch ein Gefühl wie Erlösung, als ich erst wieder die russische Grenze hinter mir hatte und nun auch hoffen fonnte, über die russische Einquartierung, die ich immer noch bei mir trug, Herr zu werden.
Gaffen an die Südseite der Häuser lehnten und durchsonnten. Oft Grenze war ich mit ihnen behaftet und während der ganzen Dauer habe ich versucht, die seelischen Regungen zu entziffern, die sich in meines Aufenthaltes in Rußland führte ich einen vergeblichen Kampf ihren Gesichtern spiegeln, wenn sie hinausstarrten in die breiten gegen die schrecklichen Blutsauger. Was ich abends in stundenlanger Straßen, in denen die Bessersituierten gepugt lustwandelten. Stumpfe Suche vertilgte, fam am anderen Tage wieder in neuen Rotten Resignation, tiefe Trauer über das eigene namenlose Elend, heißes hinzu. Verlangen nach eben solchem Glück, wie es die draußen Gehenden genossen, dumpfer, zielloser Ingrimm, lechzende Wut, das alles sprach aus den Mienen, den verschleierten oder funkelnden Augen. Ein großer Teil der Bevölkerung- annähernd 50 Proz. bestand aus Juden. Meist von der Spezies, die äußerlich feine Merkmale des Judentums an sich trägt, und die ich in Wilna zum ersten Male in ihrer besonderen Art fennen lernte. Handel und Industrie befand sich zum großen Teile in den Händen dieser rührigen und betriebsamen Leutchen. Ihr Einfluß auf die Stadtverwaltung und wohl auch auf die zarischen Beamten der Landesverwaltung war daher groß. Ihm ist es wahrscheinlich auch zuzuschreiben gewesen, wenn bei der allgemeinen Judenhezze, die seit Jahr und Tag in Rußland üblich ist, soweit mir bekannt geworden, aus Wilna keine Ausschreitung und kein schroffes Vorgehen der Regierungsorgane gegen die Juden gemeldet wurde..
Kleines Feuilleton.
Pflaume und Zwetschge.
Der wackere schwäbische Volksschullehrer und Dichter Samuel Friedrich Sauter , der als das Urbild des Biedermeiertums in Deutschland zu besonderer Berühmtheit gelangt ist, hat uns auch ein hübsches„ Lied im Zwetschgenherbst" beschert, das folgende Strophen aufweist:
„ Was wie ein Magnet wirkt, Das nennt man magnet'sch Was leicht sich entzwei macht, Ist Zweitsch oder Zwetsch.
Von Zwei entsteht Zwilling, Zwirn, Zwiesel und Zwist, Wahrscheinlich, daß Zwetschge Ein Schwesterwort ist.
Da der Inhaber des Unternehmens, in dem ich tätig war, eben falls zu den Juden zählte, und bei ihm viele angesehene und wohl habende Glaubensgenossen verkehrten, denen ich stets vorgestellt wurde, hatte ich reichlich Gelegenheit, Beobachtungen über ihren Geschäftssinn und ihre geistige Regsamkeit zu machen. Ihre Wißbegierde war grenzenlos. Man kann sagen, sie suchten aus einem Menschen herauszuholen, was von ihm überhaupt nur zu erlangen war. Soweit sie der jüdischen Oberschicht angehörten, waren sie ausnahmslos schon in Deutschland gewesen, von dessen Zuständen und Einrichtungen sie mit größter Bewunderung sprachen. Sehr auffällig Die Sprachkunde war nicht die stärkste Seite unseres guten Dichters; war dabei, daß selbst die Intelligenten unter ihnen von dem Wesen er befand sich bezüglich der Erklärung des Wortes Zwetschge" volleines fortgeschrittenen Staates außerordentlich wenig begriffen hatten. fommen auf dem Holzwege. Zu seiner Zeit war allerdings noch Entweder war ihr ganzes Sinnen und Denken nur auf Geschäft und nicht die richtige Erklärung des Wortes bekannt, die unseren Sprach Geschäftemachen gerichtet gewesen oder sie besaßen überhaupt nicht forschern erst in neuester Beit gelungen ist. Manchem wird es fretdie Fähigkeit, tiefer in politische Dinge einzudringen. lich nicht recht einleuchten, daß das Zwetschge " oder„ Zwetsche" von Bei den Unterhaltungen, die ich mit ihnen über politische Vor- Damascenum( zu ergänzen ist: Prunum- Damascener Pflaume) Unter den Kirchen waren hervorragend schöne Bauten. So gänge in Deutschland führte, bekam ich einen Begriff von dem abzuleiten ist. Nach den Forschungen von Kluge und wenig sympathisch mir als Anhänger der sozialistisch- materialistischen Willfürregiment der russischen Gouverneure. Immer und immer Weigand entstand aus Damaskus ( diese Bezeichnung war und monistischen Weltanschauung der Zweck war, dem sie dienten, so wieder fragten diese Vertreter der jüdischen Intelligenz ganz erstaunt, um 1600 bei uns üblich) Dmaskin, daraus Dwaskin und schließsehr habe ich mich an ihnen als Werken der Baukunst ergößt. In ob denn der Gouverneur so etwas überhaupt zugelassen habe, ob lich Zwaskin. Dem Worte Pflaume ( althochdeutsch pfruma) liegt den verschiedensten Beleuchtungen habe ich sie betrachtet, und mich denn der Gouverneur nicht zur Rechenschaft gezogen und abgeſetzt das lateinische Wort prunum zu Grunde. Bei Plinius ist von biele Stunden an ihren reinen Formen, ihrer schönen Linienführung werde, wenn er so etwas dulde usw. Einen Staatsorganismus einem prunum damascenum die Rede; diese Benennung weist also erfreut. Der Stolz der gläubigen Katholiken ist die in der Tat ohne den allmächtigen, alles bestimmenden Gouverneur fonnten sie die beiden Grundworte der norddeutschen Bezeichnung Pflaume" oder prachtvolle Marmorkapelle in der Kathedrale des heiligen Stanislaus. fich gar nicht vorstellen. der süddeutschen Benennung Zwetschge " auf. Der Norddeutsche spricht Auch in einigen anderen Kirchen war das Innere von über- Nicht minder bekam ich bei anderen Gelegenheiten einen Begriff von Pflaumenkuchen, der Süddeutsche von Zwetschgenkuchen oder wältigender Pracht, die zu den meist ärmlichst gekleideten Besuchern von dem, was in Rußland bei dem Beamtentum durch Handsalbe" Zwetschentuchen. Unsere Obstkenner sind bemüht, die länglichen und ihrem gedrückten Wesen einen schreienden Kontrast bildete. Die zu erreichen war. Auf den ersten Blick konnte man in den Betrieben Pflaumenforten als Zwetschgen von den runden als Pflaumen zu allerärmsten, nur in Lumpen gehüllten frommen Beter wagten sich sehen, daß es an einer behördlichen Kontrolle über richtige Anlage unterscheiden und diese Unterscheidung bürgert sich bei uns immer nicht in das Innere der Kirche, sie knieten draußen auf und fortdauernde Betriebssicherheit der maschinellen usw. Einrich- mehr ein. Im Elsaß fagt man für Zwetschge gewöhnlich Duetsche; den Stufen nieder, und man sah es ihnen förmlich an, von tungen gänzlich mangelte. Auf die schweren Bedenken, die ich gegen dieselbe Bezeichnung führt dort ein Stück Kautabat, das im übrigen welchen Ehrfurchtsschauern sie gepackt wurden, wenn sie bei dem viele der letzteren aussprach, wurde mir immer leichthin mit einer Deutschland Priem oder Prieme genannt wird. Das Wort„ Prim" Deffnen der Tür einen Blick in den strahlenden Innenraum werfen bezeichnenden Bewegung des Daumens und Zeigefingers ge- ist ebenso wie die Sitte des Tabaktauens niederländischen Ursprungs; konnten. Mit der gleichen scheuen Ehrfurcht nahten sich diese so- antwortet: davon sehen unsere Beamten nichts. pruim heißt im Holländischen die Pflaume( nach dem lateinischen wohl an Geist wie an irdischen Gütern armen Menschen dem auf Wie der Chef so gehörte auch das Personal in dem Betriebe, prunum); mit derselben Bezeichnung belegten aber auch die Holdem Tore Ostrh angebrachten wundertätigen Bild der Mutter in dem ich montierte, ausschließlich dem Judentum an. Außer länder die Stückchen Kautabat, die zum Kauen in den Mund geGottes. einigen wenigen männlichen Arbeitern bestand es nur aus einer nommen werden, weil sie fleinen getrockneten Pflaumen ähnlich Diese tiefe Demut im Wesen der Armen, ihre Versilavung, die großen Schar junger Mädchen. Nach meiner Schäßung waren sehen. Als die Sitte des Tabattauens von den Holländern zu uns fich schon äußerlich in Haltung und Gebärden zeigt, sind eine der zwischen achtzig und neunzig Prozent von ihnen blauäugig und gelangte, entstanden damals unsere Worte„ Priem“ und„ priemen", Erscheinungen in Rußland , die dem aufmerksamen Beobachter sehr blondhaarig und zeigten einen so ausgesprochen slawisch- germanischen bald auffallen. Ich hatte weiterhin oft Gelegenheit, die furchtbare Gesichtstyp, daß man nimmermehr Jüdinnen in ihnen vermutet Armut und die entsegliche Lebensweise dieser untersten Volksschichten fennen zu lernen. Die Bevölkerung Wilnas war ständig im Wachsen, und sie wird gegenwärtig wohl nicht weit von 170 000 entfernt sein oder diese Bahl schon überschritten haben. Industrielle Betriebe der verschiedensten Art gab es bereits damals in beträchtlicher Bahl, und es ist als sicher anzunehmen, daß sie seitdem noch zugenommen haben. Da auch die Verfrachtung von Holz und Getreide in be deutendem Umfange betrieben wurde, machte Wilna den Eindruck einer in voller Entwickelung befindlichen Industrie- und Handelsstadt, und seine dem Geschäftsverkehr und dem sogenannten besseren Bublifum als Promenaden dienenden Straßen zeigten großstädtischen Charakter.
Ganz anders sah es natürlich in den Vierteln aus, in denen die Armut hauste. Die Straßen nur allerengste Gassen, und in ihnen fand ich Häuser mit Höfen, so eng und so angefüllt mit Kot und Schmutz aller Art, wie sie eben nur noch in russischen Städten möglich sind.
Ein unvergeßlicher Anblick war es, wenn an schönen Sonntagen die Bewohner dieser Armeleuteviertel sich in ihren schmalen
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Rotes Vlamenblut.
Von Pierre Broodcoorens . „ Herr Oberschöffe, ich bringe Ihnen jemand!" kicherte die Mutter, indem sie das Kleeblatt einführte. „ Bah!" ſagte phlegmatisch der Hagere Mann, indem er mit dem Zeigefinger wichtig den Schirm seiner Kopfbedeckung berührte. " Ich überlasse Sie Ihren Geschäften," sagte der Dicke. „ Aber warum, Herr Baeckland? Sie haben ja noch Zeit!" versicherte das junge Weib." Ihr Zug kommt erst in zwanzig Minuten."
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hätte. Alle schwärmten sie für Deutschland , und wenn ich in der Notizen. Lage gewesen wäre, ihnen eine, wenn auch nur armselige Eristenz in Deutschland zu verschaffen, würde gewiß ein halbes Hundert von Musikchronit. Im Dom Konzert von Prof. Jrrihnen mit mir losgewandert sein. Da sie alle jiddisch das be- gang am Dienstag, den 21. September, abends 8 Uhr, wird fannte Judendeutschsprachen, war eine Verständigung mit ihnen u. a. die Orgelsonate( Psalm 94) von Reubke aufgeführt. Eintritt wie überhaupt mit der gesamten Judenschaft, und das bedeutet mit 20 Pf. halb Wilna , ungemein leicht.
Der Verdienst, den diese Arbeiterinnen erzielten, war ein unglaublich niedriger. Mit ihm das Leben zu fristen, war, abgesehen auch von der großen Bedürfnislosigkeit, nur möglich bei den ebenso erstaunlich niedrigen Preisen der Nahrungsmittel, die unseren Hausfrauen, gegenüber den heute bei uns üblich gewordenen Wucherpreisen, einfach als märchenhaft erscheinen würden.
Ueber die sanitären Zustände, Aborteinrichtungen usw. ist nichts zu berichten, aus dem einfachen Grunde, weil sie in des Wortes vollster Bedeutung unbeschreiblicher Art waren. Auch gab es keine Möglichkeit, dem Getier zu entgehen, gegen das jetzt im Interesse unserer Soldaten mit Aufwand von Hunderttausenden Lausoleums" errichtet werden. Schon zwei Tage nach Ueberschreiten der russischen wir könnten wohl was dazu nehmen. Nicht zu teuer. Ein Stück Brot, etwas Senf."
,, Sie sollen es haben."
Aber da kam der Schöffe zurück.
"
- Vorträge. Der russische Mensch und sein and lautet das Thema des mit zahlreichen Lichtbildern ausgestatteten Vortrages, den Karl Meißner in der Treptow- Sternwarte am Mittwoch, den 22. September, abends 8 Uhr halten wird.
- Alexander Moissi ist als Begleitoffizier eines Flugzeuges, das im Nebel in den feindlichen Linien landete, in französische Gefangenschaft geraten. Moissi war beim Ausbruch des Krieges als Freiwilliger ins deutsche Heer eingetreten.
- Wilna , die alte Hauptstadt Litauens , und heute ein wichtiger Eisenbahnknotenpunkt und bedeutender Handelsplay, batte in normalen Zeiten 200 000 Einwohner. Es ist nach Warschau , Lodz und Riga die größte Stadt in Westrußland.
ihren Albinowimpern; plößlich aber rannte sie freischend und mit den fleischigen Ohren den schmutzigen Rüssel schlagend in einem schwerfälligen Trott vorwärts.
Jetzt heiterte der Schöffe sich auf. Er zwinkerte mit
,, Baeske," sagte die Maklerin, indem sie sich eifrig erhob. den Augen und ließ die Zunge gegen den Gaumen Klacken. Ich habe Ihnen erst mal was zu sagen."
Sie nahm ihn beiseite in eine Ecke und setzte ihm die Angelegenheit auseinander, die sie mit ihrem Gefolge in den Brüsseler Hof" geführt hatte.
zurück.
Nach einiger Zeit kam sie wieder zu Klip und Souhe ,, Wollen Sie mitkommen und sie sich ansehen?" sagte der Hagere Mann einfilbig. ,, Einen Augenblick!" rief das junge Weib vom Hinter,, Die Leute könnten am Ende erst
" Eben! Ich kann die Zeit noch ausnüßen und zu Hoor- grunde der Küche her. naert gehen.„ Time is money!" sagen die Engländer."
Er hatte ein selbstbewußtes Lächeln in seinem dicken frühstücken?" schwarzen Schnurrbart, leerte mit einem Zug sein Kümmel- ,, Entschuldigen Sie, Madame," antwortete ihr der Stuhlglas und nahm dann vom Billard einen Musterkoffer aus macher galant. gelbem Leder. ,, Wir haben viel zu tun. Wie Sie wollen," sagte sie.
"
,, Also auf nächste Woche?" fragte der Wirt. " Wahrscheinlich!"
effen."
"
Wir wollen lieber nachher
Beständig kühl und steifleinen schob der Schöffe einen Riegel zurück und öffnete eine Stalltür.
Der dickbäuchige kleine Handlungsreisende drückte mit Sie begaben sich in den Hof. Auf dem Erdboden standen Ausdruck die weiße Hand, die das junge Weib ihm matt über Eimer und Ackergeräte zwischen Gipsabfall und Bauschutt den Schanktisch hin überließ. Dann entfernte er sich, nachdem umher. Gegen die halboffene Tür eines Schuppens hob sich er mit Würde gegrüßt hatte, von dem hageren Manne hinaus- ein mit Kartoffeln gefüllter Zuber ab, und, in einiger Entgeleitet. fernung davon, ein vergessenes Milchgerät in der Nähe von Eine Befangenheit hielt diesmal selbst Klip unbeweglich aufgeschichteten Reisigbündeln und Holzkloben. auf seinem ausgefehlten, in der Mitte mit kleinen Löchern versehenen Stuhl. Konnte der Eigentümer eines so schönen Lokals wirklich Säue aufziehen? Die vergoldeten Vorhänge des Cafés, sein mit einer grauen Decke überzogenes Billard, die bemalten Wandfüllungen, die eine Fuchsjagd darstellten, mit Amazonen in zinnoberroter Kleidung und reitenden Jägern, Er hatte einen Knüttel ergriffen und schlug mit ihm derb die das Jagdhorn bliesen, versezte die Bauern in Er- auf die fleischigen Hinterbacken des Geschöpfes. Es rührte staunen. sich nicht, begnügte sich im Wohlsein seines Dusels nur damit, zu grunzen.
Beklommen, die Augen weit aufgerissen, wagten sie nicht einmal zu flüstern. Endlich brach der Stuhlmacher aber doch das Schweigen, indem er seine Müze abnahm und mit einem Anflug von Respett fagte:
" Zwei Glas Bier und zwei Tassen Milchkaffee, Madame." Lächelnd kam sie zu ihnen hin.
Sie kommen von weit. Wollen Sie nichts essen?" Klip und die Stute" sahen fich an.
"
Ja," sagte er zögernd, ich habe ein Stück Fleisch. Ja,
Eine rosige Masse, die sich auf einer sauberen Streu wälzte, hob sich undeutlich aus der Dunkelheit ab. " Hop, Faulpelz!" sagte er.
"
Warten Sie mal, ich bringe sie' raus," sagte Aryn. Er drang in den Schweinestall ein und zog der runden Masse mit der Hand schallende Schläge über. Ein Strohgeraschel erhob sich und sie kam eilig zum Vorschein.
Ohne zu antworten schüttelte Klip den Kopf.
Die Sau tam auf sie zu. Sie wichen aus. Doch als sie schnüffelnd weiter lief, folgte ihr der Stuhlmacher. Vor einem Schutthaufen blieb sie stehen und wühlte ihn, nach einem Fund suchend, auseinander. Dann hockte er neben ihr nieder, legte ihr die Hand unter dem Bauch und befühlte sie lange. Mensse und Souhe waren sehr interessiert hinzugetreten. „ Na, ist sie recht?" fragte die„ Stute" ängstlich. Wollen sehn", antwortete er ausweichend.
"
Zweifeln Sie, daß sie trächtig ist?" sagte der Wirt ,, Nichts beweist, daß sie's ist," antwortete der andere
schielend. trocken. Der Schöffe geriet in Aufregung. Aber gewiß war sie trächtig, seine Sau. In seiner eigenen Gegenwart hatte man sie mit dem Eber zusammengebracht. Aber ganz gewiß! Man sah's auf den ersten Blick. Ein Blinder konnte es erfennen. Und indem er auch seinerseits auf das Tier zueilte, betastete er's wütend und forderte Klip auf, eigenhändig festzustellen, daß die Zigen hervorträten.
"
Ich wills nicht in Abrede stellen," gab der Stuhlmacher freundlich zurück. Aber wieviel wird sie haben?" Ich wette, zehn," versicherte der andere frech. ,, Ta, ta, ta," trällerte Klip.
Der Schöffe richtete sich, indem er sich mit der Hand über die Kniescheiben strich, nachdenklich wieder auf und blickte der Sau nach, wie sie über den Hof hin lief.
,, Na, Sie brauchen sie ja nicht zu kaufen," sagte er nach einer Weile. Ich weiß, was sie wert ist."
Die Maklerin und Mensse hatten sich wieder ins Haus begeben: ein feiner Regen hatte angefangen zu rieseln. Sie jagten das Tier wieder zum Stall zurück. Aber es fühlte sich offenbar im Freien wohl, immer wieder entschlüpfte es ihnen mit einem Seitensprung. Bis Klip auf eine List kam. Er erinnerte sich an das bei dem Holzhausen vergessene Milchgefäß, ging es holen und hielt es der Sau vor. Mit einem Sie wog gut 280 Pfund und war mittleren Wuchses. Grunzen folgte sie seiner Lockung. Als sie aber beim Stall Ein Zittern lief ihr über die weichen Fleischmassen, die war, versteckte sich Aryn mit einem plötzlichen Sprung. Und hier und da mit braunem Schmuk bekrustet waren. Kleine nun stürzten sie zu Zwei auf sie zu und stießen sie in Strohhalme staten ihr noch in den Borsten. Vom Tageslicht ihr Loch. geblendet zwinterten ihre blauen Augen eine Weile unter
( Forts. folgt.)