Nr. 20.- 1916. Unterhaltungsblatt ües vorwärts Dienstag, 25. Januar. Althen. Zluf Deck, scheinbcrr dicht über meinem Kopf, raßeln die Anker ketten. Meine Kabinentür wird aufgerissen, der Ruf:.die Akropolis  in Sicht!" erschallt.Die Akropolis  !" Eine Strecke ins Land hinein, hinter grünen Hügeln, erhebt sich ein steiler, braungoldener Felsen. Und aus ihm heraus wächst, wie von der Natur geschaffen, die Burg des alten Athen  . Unerreichbar wie es scheint, mehr traumhaft als wirklick. Man unterscheidet wenig Einzelheiten, aber was an Linien und Konturen zu erkennen ist, macht den Eindruck, als sei hier jedes Schwergewicht, jeder Wider» stand der Materie überwunden. Allmählich schieben sich die Berge wieder vor die visionäre Er» scheinung. Um ein Vorgebirge herum steuert der Dampfer in die Bucht von P i r ä u Z. Wie ausgelöscht ist die Erinnerung an da? klassische Altertum. Ein großer Hafen, halb europäischen, halb orientalischen Gepräges, liegt vor uns. Wie zwei Fangarme dehnen sich rechts und links die Wellenbrecker; sie lassen den Schiffen nur eine schmale Durchfahrt, die den Führern größerer Dampfer am liebsten ist, wenn sie sie hinter sich liegen haben. Es wimmelt von großen und kleinen Schiffen im Piräus  . Jedes Land, das auch nur einigermaßen Ueberseehandel treibt, läßt seine Schiffe hier anlaufen. Für viele Vcrbiickungen ist Piräus   der Um» schlaghafen. Direkte Linien gehen von hier nach Konstantinopel  , Smyrna und Alexandrien  , nach Trieft, Neapel   und Genua  . Trotz- dem fehlte Piräus   bisher die Bedeutung für den Handel, den Salpniki besaß; denn es sind keine nennenswerten Schienenwege vor» banden. Erst die Fertigstellung der projektierten Bahn durch den Sandschak und der Zweiglinien würde die Stadt zu ihrer vollen Bedeutung bringen. DaS Verkehrsmittel, das uns in knapp 20 Minuten vom Hafen mitten in die Stadt brachte, war eine Untergrundbahn modernsten Typs. Die sehr praktisch und bequem eingerichteten Wagen stammten aus den Werken von Siemens u. Halske, wie man auf dem Balkan   gerade auf dem Gebiete der Elektro-Jnduftrie be­sonders oft deutschen Erzeugnissen begegnet. In schnellem Tempo ging es ohne Aufenthalt nach Athen  . Als wir aus dem unterirdischen Bahnhof an die Oberfläche stiegen, bat jeder von uns im Herzen der Stadt Athen   sofort reuig ab, was er an trüben Gedanken über sie gehegt hatte. Der Boulevard", auf dem wir standen, war eine der schönsten Straßen, die ich je gesehen habe. Von imposanter Breite, mit vier Zeilen dicht» belaubter Bäume und Palmen geschmückt, führt sie schnurgerade durch die ganze Stadt. Die Paläste, die rechts und links über die Wipfel hinwegsehen, sind alle aus einem blendend-weißen Stein gc- baut und in einem Stil, der in sehr glücklicher Weise die klassischen Formen in Einklang bringt mit der Bauweise moderner Zweckbauten. Dadurch erhält das gesamte Stadtbild einen vornehmen, eigenartigen Charakterzug und bleibt doch im Nahmen dessen, was wir unter einer modernen europäischen   Großstadt verstehen. Wo man sich auch in Athen   befindet, sobald man sich der Meer- seite zuwendet, fällt der Blick auf die Akropolis  . Alle Straßen scheinen auf sie zuzulaufen. Sie thront über der Stadt und man hat den Eindruck, als breite sich hinter ihr das Nichts. Man muß ziemlich weit aus der Stadt herausfahren, um auf die Akropolis zu kommen. Demütig, zu Fuß, mutz man ihr nahen. Auf demselben steinigen Pfad, auf dem früher die Opferzüge wall- fahrtet«», steigt man hinan, zu den Säulen des Parthenons. Weit in der Runde stört kein profaner Bau das Bild. Der Ausblick zur Stadt ist bis zum letzten Augenblick durch den Gipfel verborgen. Geyen das Meer hin aber breitet sich eine Dünenlandschaft, in der nicht? steht als vereinzelte Ruinen und kleine Gruppen weiß- blätteriger Olivenbäume. Die Häusergruppen von Piräus   und Phaleron. dem bekannten See&ad, sind durch hohe Sanddünen verdeckt, die teilweise erst künstlich geschaffen wurden. lieber daS Erlebnis, �as eine Stunde auf der Akropolis   be- deutet, zu sprechen, hat keinen Sinn, besonders heute nicht, wo der Name Athen   so ganz andere Fragen an sich geknüpft hat, als die, welche au? steinernen Trümmern aussteigen. Nur eins sei ge. sagt: diese Trümmer, dies« geborstenen Säulen, gestürzt« Kapitale, zerstörten Tempel sind in ihrer Verwüstung noch erhabener als zodeß Bauwerk, das irgendwo auf der Erde Menschensinne in seinen Bann schlägt. DaS hier fftbeseelter Stein", und man empfindet es, wie angesichts solcher Kunstwerke die Sage vom Apoll   entstehen konnte, der mit den Tönen seiner Leier die Quadern zur Halle türmte. Harmonie und Rhythmus, die Grundelemente joder Musik, finden sich auch in dieser steinernen Komposition. Auf dem Rückwege in die Stadt kommen wir an ein paar Stellen vorbei, auf denen sich Weltgeschichte abgespielt hat. Da ist ein flacher, schwarzgrauer Felsen: auf ihm richtete in alter Zeit der A r e o p a g. Hier hielt Paulus   seine Apostelrede vor den Männern Athens  . An einem eingefriödcten riesigen Gräberfeld geht es vorüber, auf dem die Arbeiten Schliemanns nicht nur un- zählige Grabsteine, sondern auch viele Ileberreste von Tmnpel- bauten und Denkmälern freigelegt haben. Rings um diese Ruinen, noch auf dem Boden des ursprünglichen Athens  , dehnt sich die Handwerker st adt, das einzige Viertel, in dem der Ge- danke an den Orient wisder lebendig werden kann. In hundert krummen und engen Gätzchen, die vom Lärm der Arbeit erfüllt sind, drängt sich hier ein armseliges und anspruchsloses Volk. Hier hört den ganzen Tag das Glockengcwimmer nicht auf, und fast in jeder Straße steht eine Kirche, aus deren Dämmern das Licht un- zähliger Wachsstöcke ins Freie strahlt. Bettler aller Art und jeden Alters zanken sich mit den Verkäufern von geweihten Amuletten, Lichtern und Wachsblumen um den Platz in der Vorhalle. Zwischen dieses Viertel und die eigentliche Stadt schiebt sich ein Gürtel von öffentlichen Anlagen und staatlichen Gebäuden, Ka- fernen. Militärschulen und Lazarette stick in dieser Gegend per- einigt. VomSchloßgarten" einem Paradies, in dessen Miite das häßlichste und nüchternste Königshaus der Welt liegt gelangt man in den schönsten und modernsten Stadtteil, der nach Plänen des bayrischen Baumeisters Klenze angelegt worden ist. Besonders zwischen Universitäts  - und Stadionstraße sticket sich auf Verhältnis- mäßig engem Raum eine Reihe außerordentlich schöner und be- deutender Bauten. Hier liegen neben der llniversität die öffent- lichen Bibliotheken, in unmittelbarer Nähe die Akademie der Wissenschaften, das Deutsche Archäologische Institut, die meisten großen Gesandtschaften und das Haus Schliemann  , das an Schätzen der alten Kunst, und nicht nur der griechischen, mehr birgt als irgendein anderes Privathaus auf der Welt. An der Stadion- stratz« liegen das Parlamentsgebäude nick die Ministerien. Diese wundervolle, vornehme Straße ist wie geschaffen für die gern inszenierten politischen Demonstrationen, die sich nicht selten auf ihr abspielen. Das moderne Athen   ist eine überaus elegante und lebensfrohe Stadt.Klein-Paris" könnte man es nennen, wie einst Goethe sein Leipzig  ". Und mit größerem Recht, denn auch die französische  Sprache gehört zu dieser Stadt, und die Damen der ganzen und halben Welt Athens   sind geschätzte Kundinnen in den Modesalons der Seinestadt. Aber auch sonst ist Frankreich   für Neuhellas das Land, aus dem manKulturgüter" beziebt, trotz der deutschen  Königin und trog des Lebenswerkes, das Männer wie Schliemcrnn, Törpfcld u. o. daran gesetzt haben, um den Griechen von heute das Erbe ihrer unerreichbaren Ahnen zu erhalten. Die lateinische Münzkonvention, der Griechenland   angehört, scheint auch für das Geistige zu gelten. Trotzdem ist gerade in Griechenland   das eigene Bildungswefen sehr hoch entwickelt. Die kleinsten griechischen Dörfer haben thre Schule. Und ein sehr kühner Schritt, den zu tun wir noch immer zaudern, ist dort unten längst gewagt worden: von der Elementar- schule bis zur Universität ist jeder Unterricht, sind alle Lehr- und Lernmittel völlig unentgeltlich. Der Geldstandpunkt ist bei der Schulfrage vollkommen ausgeschaltet. Auch der ärmste Junge hat bei geeigneter Veranlagung das Recht und die Möglich- keit, zu studieren. Das hat zeitweise zu einem Massenandrang aus die Universität von Athen   geführt und ein Bildungsproletariat ge- schaffen, das in keinem Verhältnis steht zur Bevölkerung des Landes. Es soll sogar der akademisch gebildete Stratzenba-hnführcr vorkommen. Andererseits ist der allgemeine Bildungsstand in Griechenland   bedeutend höher gegenüber dem der anderen Balkan  - länder, und die wirtschaftlichen und politischen Erfolge deS Landes dürften in erster Linie auf diese Tatsache zurückzuführen sein. Die Bildungspolitik in Griechenland   der dänischen gut der- aleichbar wird in reichem Maße unterstützt durch die Freigebig- reit, mit der sein« in der Fremde reich gewordenen Söhne die alte Heimat bedenken. ES ist dies einer der schönsten Züge im Cha- raktex des griechischen Volkes, daß es seine Heimat nicht nur tn Worten pevherrlicht, sondern ihr gern über jede Pflicht hrnaus mit materiellem Opfer dient. Athen   wird oft diezusammengeschenkte" Stadt genannt. Daran ist viel Wahres, denn ein großer Teil dessen, was an Bildungsinstiwten, öffentlichen Anlagen, sanitären An. lagen usw. den Fremden in respektvolles Erstaunen setzt, ist Gc- schenk ausgewanderter Griechen. Das«tratzenlcben ist fast ganz europäisch. Einen mcrkwür- digen Eindruck machen nur die Ziegenherden, die mit vollen Eutern morgens durch die Straßen getrieben werden. Anscheinend sind die Athener   Hausfrauen gegen die Möglichkeit einer NahrungL- mittelfälschung, und darum lassen sie sich Milch direkt in die Ge- säße melke m Eine Spezialität Athens   sind auch dieLustri", die Schuh» putzer, die mit afsenähnlicher Geschwindigkeit für fünf Lepta ssdemr Stiefelpaar Hochglanz verleihen. Manche haben ihr Geschäft»ach amerikanischem Muster eingerichtet, sich einen Laden gemietet, in dem der Kunde auf hohen Ledersesseln thront, während die Prozc- dur derFutzwaschung" vorgenommen wird. Wer will, kann dabei die neuesten Tageszeitungen lesen, die zur Benutzung der Gäste anhängen._ C. Z. Klötzel. kleines Feuilleton. Montis Gperetten-Theater:»Oer Sterngucker". Unsere Operettenkomponisten älterer Ordnung wollen oder können nicht mehr umlernen. Als sie jung und zeugungskräsiig waren, verlockte sie schwerer Goldgelvinn, weiter auf der ein- geschlagenen Bahn leichter Erfolge fortzuschreiten und sie lachten der Kritik. Heute, da mancher gern einlenken möchte, nützt sie ihn- nichts mehr oder doch nur herzlich wenig. Literarische Unter- ernährung möchte man'S nennen, wenn produktive Musiker immer wieder zur alten Operettenschablone und zu miserablen, mindesten» armseligen Textunlerlagen greifen. Auch derSterngucker" gehört zu diesen. Es ist nichts anderes. wenn in läppischer Handlung und noch läppischere» Reimen irgendein junger Nabob an- statt Rennpferds zu halten, sich mit der Slernsucherei be- schäftigl und schließlich nach allerhand harmlose»Verlobungen" mit Backfischen so nebenbei heiratet. Mit zwei langweiligen Akten glaubte man die alltägliche Angelegenheit als erledigt betrachten zu jollen. Da kam noch ein dritter Akt, worin die unerbittlich neue Weisheit kundgemacht wurde, wie rasch eine mit reichen Sternguckern geschlossene Ehe in die Brüche gehen kann, wenn der Gatte nicht fleißig mit seinem Weibchen Spatz und Spätzin spielt. Zu dem allen schrieb Lehar   seine Musik. Sie hört sich, das muß man sogen, recht artig und gebildet an. Ja, auch Lehar de- strebt sich offensichtlich, alle Errungenschaften des modernen, sogar des futuristischen JnstrumentalsatzbauS zur Anwendung zu bringen. Trotzdem gelang es ihm nicht, wie die Duos, Couplets und Walzer beweisen, über die wehleidige Schablone des OpereitenkomponierenS hinauszukommen. Ein langlebiges Ding wird sein»Sterngucker" schwerltch sein.___ ek. wieviel Sterne gibt es! In neuester Zeit ist man so weit gekommen, die Zahl der Sterne auf rund anderthalb Milliarden zu schätzen, womit eine der schwierigsten Aufgaben der Astronomie gelöst wäre. Diese Zahl, die nur annähernd genau ist, wurde von den Astronomen Chapman und Melotte, die in der Greenwicher Sternwarte arbeiten, gefunden. Sie haben sich zu diesem Zwecke der pholographischen Platten deS der- storbenen Liebhaberastronoms Franklin-AdamS bedient. Bekanntlich lassen sich auf der pholographischen Platte Lichteindrllcke festhalten, die dem, selbst mit dem größten Fernrohre bewaffneten menschlichen Auge nicht mehr erkenntlich sind. Diese Aufnahmen zeigen Sterne bis etwa zur zwanzigsten Größe, während der Llchteindruck der Sterne aus das menschliche Auge bei der neunten oder zehnten Größe aufhört. Das bloße Auge sieht etwa 8000 Sterne aller verschiedenen Größen. Daß das Zählen der Sterne äußerst mühsam ist. kann man sich leicht vorstellen, besonders da deren Anzahl mit jeder Größenklasse etwa um das Dreifache zu- nimmt. Dies gilt jedoch nur für die Sterne erster Klassen, sonst wäre die Anzahl eine erheblich größere, die Zählung aber bedeutend leichter. So ist z. B. die Zahl der lt. Größe nur noch die doppelte der 13.. und dieser Unterschied nimmt immer mehr ab, bis bei der 24. Größe, bei welcher wir auf die Hälfte aller sichtbaren Sterne gelangen, die Zahl der Sterne mit der fortschreitenden Größenklasse nicht mehr zu-, sondern abnimmt. Notize». Der Berliner   Bolks-Chor veranstaltet am Sonn" tag. den 30. Januar, abends 7 Uhr, in der Festhalle des Rathauses (Eingang Jüdenstratze) einen Franz Llszt-Abend, in dem Egon Petri  eine größere Anzahl Lisztscher Klavierkomposittonen vortragen wird. Einlatzkarten für 30 Pf. nur in den Chorproben Mittwochs und Frei- tags, abends SVz Uhr, Langestr. 31(Aula). Gastspiele für die Lazarette.Die Kleinen Hauskomödien mit Musil   älterer deutscher Meister" beginnen Mitte nächster Woche ein Gastspielreise durch die Lazarette der Mark. Die erste Aufführung findet in dem Pavillon deS VereinS-LazarettS Beelitz-Heilstätten statt. 10] Der Sang öer Sakije. Ein Roman aus dem modernen Aegypten. Von Willi Seidel  . Während Daud sich nun Aug' in Auge mit dem Telde sah. kam ihm wohl der Gedanke, sich ein einziges, ja. bloß ein einziges der größeren Stücke anzueignen, und er schüttete bis auf ein Vierschillingstück die Beute in den Sack zurück. Die Münze mit den Fingern umklammernd, wollte er zurückweichen; da aber überkam ihn ein plötzlicher eiskalter Schreck: ihm war, als wandere sie, als strebe sie selbständig aus seiner Hand zurück wieder unter die Scherbe KU den anderen: und seine abergläubischen Augen glaubten tn der Ecke ein Wesen zu erkennen, einen erdfarbenen Afrid von der Gestalt des Dabbus, der hoch und fein wie eine junge Katze schrie, nicht laut, nur so, als ob dem Lauschenden das Trommelfell erklinge. Daud verscharrte eiligst feine Beute; dann floh er aus dem Stall, am ganzen Leibe zitternd. Er dämpfte seine Angst dadurch, daß er in dem Wohn- und Schlafraum bei der Feuerstelle nach Essen   suchte und von enthülstem Ful und Fleischstückchen, die er hinter der Hand- getreidemühle entdeckte, eine Mahlzeit hielt. Sein Appetit war so mächtig, daß ihn seine Befriedigung der Zukunft gegen- über völlig gelassen machte. Denn nun(er hörte sie schon von weitem schnaufen) kamen die Eltern zurück. Sie atmeten hörbar durch die Nasen und waren ermüdet. Zunächst rührte Daud sich in der Ecke nicht und verhielt sich mäuschenstill, da er sein böses Gewissen spürte, als er die Eltern sah. Es war halbfinster geworden; durch die Tür sah man noch einen schwefelgelbeu Streifen am Himmel. Doch war es noch hell genug, daß Daud die Züge seiner Ernährer be- trachten konnte. Sie waren tief durchfurcht und mürrisch. Dabbus kam herein und verschwand wie ein Gespenst in einem Winkel. Umm-Dabbus hantierte mit allerlei und sprach mit sich selbst.»Nun sucht sie den Ful", dachte Daud. Wahr- haftig, das tat sie; und als sie ihn nicht fand, ward sie recht ungehalten. Sie beschuldigte zunächst DabbuS, und dann den Vater, der die Zumutung in bilderreichen Wendungen von sich wies. Immerhin schoß damit der Unmut ins Kraut und die zermürbten Leute schrien sich mit schallenden Stimmen und leidenden Gesichtern an. Endlich beruhigte sich die Frau und zündete eine Funzel an, um noch ein letztes Mal zu suchen' und bei dieser Gelegenheit beleuchtete sie Daud. .»Schande über dich, du Undand schrie sie, zunächst nur aus ihrer Stimmung heraus; hierauf fuhr sie ihm mit sehr schnellen Fingern an den Mund und roch an ihrer Hand. »O. Unheil über dich Auswurf du hast den Ful ge- gessen!!" Sie schwenkte ihre Hand zur Bestätigung gegen den Vater, der wie ein Gewitter näher kam. Er rüstete sich, Daud zu prügeln, und dabei kamen ihm auch dessen andere Sünden zum Bewußtsein, was seinen Eifer förderte. Daud wand sich ihm jedoch wie eine Schlange unter den Händen weg, so daß.der alte Fellache im entscheidenden Augenblick mit seinem Grimm allem war. Seine müde, eckige Gestalt drehte sich ratlos, da er nicht wußte, wohin Daud entschlüpft war. Da die Funzel im Gemengq verlöscht war, sprach er in das Dunkel hinein: Wo bist du. und warum tust du uns dies an?* Hier bin ich, Vater," erwiderte die Stimme aus un­deutlicher Richtung.Ich habe den Ful gegessen, denn einer, der das erhabene Wort kennt, muß seinen Magen stärken." Was faselst du da vom erhabenen Wort? Seit wann sprichst du diese Sprache?" Seit heute bin ich bei einem Fiki in der Schule, der mich lehrt." Ah, darum hast du die Sakije schmählich verlassen; wie ein Trotzkopf hast du gehandelt. DaS kleine Ferkel Dabbus kann die Büffelkuh nicht treiben; wir haben ihn erprobt. O, über dich erbärmlichen Schmutzfink! Und du glaubst, Mah hat dir eine andere Laufbahn gewiesen als das ehrenwerte Gewerbe all derer, die vor dir waren? Du bist noch ein Eidotter und willst ein Fiki werden? Was lehrte er dich?" Da sang Daud seine Sure. Sie klang seltsam eindrina- lich aus dem Dunkel heraus und rief Demut hervor. Eine Pause entstand; und von jetzt ab ward Zabals Tonfall milder. Es ist eine gute Sache, das richtige Wort zu beten, wie es geschrieben steht. Wir beten, wie wir es überkommen haben: doch wer spricht uns den heiligen Koran  ?" Dies ist dieEröffnende", dozierte Daud.Hierauf, mein Vater, folgtDie Kuh". Diese ist zu Medina gcoffen- bart.. fügte er etwas selbstgefällig bei. Wunder über Wunder", rief Zabal aus, während Umm- Dabbus schwieg und ihre weich gefchlitzte» Augen aufriß, wo­durch ihre Züge die Schlaffheit religiöser Hingabe annahmen. Daud benutzte diesen günstigen Angenblick, um zu der praktischen Seite zu kommen. Ich werde viel Geld verdienen und werde den ganzen Koran   lernen und lesen und schreiben. Bald werde ich auf llen Hochzeiten und Beschneidungen als Sänger bezahlt, denn der Fiki lobte meine Stimme; sie sei eitel Schmelz und Wohlklang, sagte er, und er habe ähnliche Stimmen nur in Kairo   gehört. Kein Unglück darüber l" fügte er erschrocken bei, als er sich auf diesem riesigen Eigenlob ertappte. Nachdem er ein Weilchen still gewesen, um die Verhütungsformel in ihrer Wirkung nicht zu schwächen, fuhr er fort:Ich werde auch bei Beschwörungen zugegen sein, und die Afrids unter dem Dschinn werden>vie Spatzen vor dem Adler flüchten. Denn das heilige Wort, welches ich erlernen werde, ist mächtig ganz und gar. Ich werde als Schreiber bezahlt werden und eure Beschwerden an den Mudir zu Papier bringen; ich werde euch Amulette gegen den bösen Blick verfertigen, euch und allen, die mich darum bitten, ich werde kein Geld dafür nehmen, und Allah   wird mich lohnen." Die Eltern hatten diese Rede staunend mit angehört. War die schwarze Gestalt dort im nachtdunklen Rahmen der Tür, die so tönend sprach, der schmutzige kleine Büffelwart? Ja. wahrhaftig, da mußte ein Wunder geschehen sein. Und ihre Herzen schwollen ihm entgegen. Segen über dir! Ja, wir werden von dir einen großen Nutzen haben unser Leben lang!" Das weiß Gott,  " meinte Daud voll Ueberzeugung. Aber jener Schesch verschenkt sein Wissen nicht." Zabal wurde unruhig, und auch Umm- Dabbus nestelte an ihrem schwarzen Kopftuch. Was heischt der würdige Mann?" fragte Zabal. Er läßt dir sagen und spricht:.Wenn du mir im An- fang jeden Monats einen Doppelpiaster übersendest... und ein junges Huhn... und eine Wassermelone, wenn sie reifen, so wird Gott   mir und dir gnädig sein."' Die Wirkung dieser Eröffnung war die, als hätte ein Blitz in der Hütte eingeschlagen. Endlich stöhnte Zabal und sprach: Allah  ! Du weißt nicht, was du sprichst! Gott   ist groß! Ein junges Huhn! Einen Doppelpiaster jeden Monat! Bin ich ein Effendi? Jeder Tag frißt den anderen auf! Wir sind arm wie Ratten! Woher sollen wir das nehmen?" Hast du kein Geld?" Bei meinem Bart, keine zehn Milliemes." Du sprachst freventlich: ,Bei meinem Bart'; geh in den Hühnerstall und hebe die Topfscherbe auf unter dem Kot, in der Ecke; da ist Geld genug, um zehn Schulmeister für mich fett zu machen II" (Forts, folgt.)