Nr. 81.- 1916.Unterhaltungsblatt öes vorwärtsMittwoch, 3. April.Der Zuave.Von Edgar Hahnewald.Die Nacht war kurz. Bier Stunden Schlaf am Straßenrand,auk einer Hafergarbe, untern, Wagen— wo eben der und jener inder Dunkelheit todmüde niedersank.Aber nun standen wir frisch und wach in der lichten Dämme-rung. Der Körper beglich die knappe Erholung aus verborgenenKraftvorräten. Und obendrein ermunterte uns alle eine erregendeSpannung. Sie belebte die Gesichter und sie klang in den Ge-sprächen an den Feuern wieder. In ihrer Mitte stand ein Wort:Sedan. Dort war etwas im Gange. Um das französische Heerschloß sich ein Ring, enger und enger— dort vollzog sich eine Ent«scheidung— in einigen Stunden vielleicht— vielleicht morgen,übermorgen— und dann--? So spukte es in allen Köpfen.Einige halbe, halbversiandene Andeutungen, einige aufgefangeneWorte der Offiziere gaben den Anhalt. Das andere ergänzte dievielfältige Phantasie aus dem Wirrwarr eigener Erlebnisse undumherschwirrender Nachrichten. Und von Mund zu Mund nahm'simmer kühnere, gewissere Gestalt an— es lag in der Luft.Die Sonne kam eben strablend. als wir aufbrachen. Bor uns,neben uns, hinler uns marschierten Bataillone, Batterie«, Kolonnen— ei« unabsehbarer, endloser, dröhnender Strom, der sich seitgestern nachmittag auf dieser Straße dahinwälzte. Und noch nahmer kein Ende.In einem Wäldchen bogen wir ab. Vor uns öffnete sich einheimliches Tal mit Wiesen und wogenden Feldern.Ueber den Höhenzug rollte Geichützdonner. Mit der Dämme-rung schon war er erwacht. Er füllte die schütternde Lust, sie selbsthörte auf. Luft zu sein und wurde Donner, als sei das ihr Wesenvon Anbeginn der Welt. Die Wiesen lagen still gebreitet, und dieBäume standen und regten kein Blatt. Sie standen, als grübeltensie selbstvergesien den Zeiten nach, da über ihnen der unendlicheblaue Himmel schwieg. Die donnernde Luft ober drang in allePoren der Haut, jede Faser des Körpers ergab sich dieser dröhnendenOrgie einer unerhörten elementaren Kraft und fühlte sich eins mitihr. Es war ein Glücksgefühl, zu leben, den taufrischen Morgen zuatmen und den schreitenden Gaul unter sich zu fühlen.Die Geschütze donnerten vor uns und sie donnerten fern undferner. Dort drüben liegt Sedan, jagten die Offiziere. Sedan—das war es.Stundenlang marschierten wir, stundenlang warteten wir—irgendwo. Kompagnien drängten mit engen Gliedern hart an denWagen vorbei. Die Sonne brannte. Die Luft war wie der heißeAtem der Schlacht.Immer näher lrochen die Geschütze vor uns. Nun find fie derDonner, und die Schläge der Rollsalven zertrümmern die Luft.Die Landschaft lacht nicht mehr. Sie liegt bange in der Glut.Der Weg nimmt die Höhe. Im Schutze eines kastanien-beschatteten Gehöftes wartet eine Schwadron. Ein Auto mitfliegendem Divisionswimpel rast vorüber—«in klagend verwehendes Hupensignal— Wind und Staub als wirbelnder Schweifhinterdrein. Truppen marschieren. Der Tritt ist straff wie zusammen-geraffte Kraft kurz vorm Ziel. Krankenträger laufen zwei und zweimit Bahren in den Feldern auf und ab. Kolonnen rasseln hin undher. Und in plötzlicher Eile fahren wir in ein Weizenfeld, mittenbinein in das reife, goldnc Gewoge. Der erste, der zweite, der dritteWagen, der vierte— eine Stimme ruft: Kanoniere vor. Siekommen. Der Weizen rauscht um sie. Dann tragen sie eineLast— sie schimmert rot und blau zwischen den Trägern. Und nocheuie, und noch eine. Ein streifender Blick hinüber und ein Be-greifen: Das sind tote Franzosen, die die Kugel in den Weizenstreckte. Ein Kommando von vorn— und immerfort surchen diekommenden Wagen durch Weizen und Acker, der fünfte, der sechste,bis zum letzten.Drüben, im Baumschatten, liegt ein Haufen— rot und blau.Aber es ist keine Zeit. Die Wagen der leichten Kolonne warten, undvorn, überm Tal schlagen die heißen Haubitzen. Es klingt wie dashungrige Gebell riesiger Hunde.In, Gänscniarsch achfeln wir die Geschosse hinüber. Die Staudeneines Maisfcldes quarren und schnalzen unter unseren Stiefeln, dannhaben wir eine grüne, breiige Gasse durch den Mais.Sechshundertzwölf Schuß— fertig! Die leichte Kolonne trabtklirrend davon, lind wir schaufeln Kochgräben, brechen einen Zaunnieder und fachen Feuer an. Es ist so heiß, daß man kaum dieFlammen sieht. Die Lust flimmert noch in Augenhöhe über demAcker.Die Pferde fteffen. Die Keffel brodeln. ES riecht köstlich»achfrischem Kaffee.An die Toten drüben denkt man nicht— absichtlich nicht. Mansagt oder tut rasch irgend etwas Gleichgültiges, wenn der Blick zu-fällig den rot und blauen Haufen streifte.Im Weizenfeld sieben einzelne Apfelbäume mit breiten, wirrenKronen. Im lockeren Gezweig leuchten die Aepfel. Die Soldatenschlagen mit Karablnern und Zaunpfählen in die Aeste und dieAepfel fallen dumpf und weich in den Weizen. Einer klettert hinaufund schüttelt, und rund um den Stamm stolpert und hascht dieSchar nach den fallenden, rollenden Früchten.Da steht noch ein Baum, über und über mit roten Aepfeln be-laden. Einige laufen hin. Aber sie schütteln nicht und lachen nicht.Sie stehen betroffen:— da liegt ein Toter. Er liegt auf dem Ge-ficht, als küsse er die sonnige Erde. Jede Hand umkrampft ein aus-gerissenes Aehrenbündel. Es ist ein Zuave. Der Weizen schmiegtsich um seine südlich bunte Tracht. Die Farben leuchten in derstrahlenden Sonne— und doch ist's mit einem Male kühl in allerMittagsglut.Er liegt nicht allein. Da? ganze Weizenfeld im Schatten derAepselbäume ist ein Totengarten. Da und da— und da— überallleuchten die bunten Farben in den zerwühlten Nehren. Wir stehenvor dem zweiten, vor dem dritten und vierten— und noch immerist's ein fremder Gedanke wie beim Anblick des ersten Toten amWege: das find Menschen....Sie liegen starr. Die wachsbleichen Hände ragen verkrampftaus den bunten Uniformen. Da liegt einer mit unnatürlich ein-geknickten Armen— wie ein grotesker, grausiger Hampelmann. Einerzeigt die Zähne, als lächle er. und er hat doch so schrecklich verglasteAugen. Der Bart sitzt wie angeleimt über dem lächelnden Mund.Das bunte Tuch um die starren Glieder ist weich wie das unsere.Bei der scheuen Berührung ist es, als lebe dieses Tuch.So liegen sie, mit entsetzlichen Wunden— abstoßend wie diekünstlichen, allzu treuen Wachsfiguren im Panoptikum eines Schützen-festes. Und es sind doch Menschen.Wir gehen weiter— eS ist wie ein Zwang.Da liegt ein zerfetztes, fortgeschleudertes Bein in blutigen, ver-sengten Tuchfetzen. Es liegt dort wie eine Lockspeise für Bestien.Drei Schritt weiter schimmert ein halbnackter Leichnam. Er liegtauf dem Bauche, aber der Kopf ist herumgedreht. Die Augen starrenweit aufgerissen in den endlos strahlenden Himmel. Das fort-geschleuderte Bein fehlt dem Toten.Rings um den klaffenden Granattrichter— eZ war eineSchlachtbank.In der flimmernden Luft taumelt ein Falter. Schwebendsegelt er über den bunten Uniformfetzen— sind es Blumen? Dannsetzt er sich auf das kalte nackte Fleisch und läßt die herrlichen Flügelspielen. Er dreht sich auf den fadendünnen Beinchen und sitzt dannstill mit breiten, schillernden Schwingen.Dieses tändelnde Spiel des Falters ist grausamer als allda? andere.Mit einem drückenden Gefühl in der Kehle gehen wir. DiePferde stehen und mahlen gemächlich in den Frcßbeuteln. Sie lassensich das weiche, warme Fell streicheln und glänzen ihren Reiter mitgroßen, treuen Augen an. Aber drüben leuchtet der Haufen, rotund blau— über dem warmen Leben ringsum liegt's wie einfrostiger Schleier.Da zieht uns ein leise klagender Laut in den hohen Mais. Tiefin den geknickten Stauden liegt ein verwundeter Zuave. Er siehtuns an, Angst und Hoffnung im fiebrigen Blick, und deutet mattauf eine sickernde Wunde. Schulterschuß. Der Durst quält ihn, ernetzt in einemfort die heißen Lippen.(Schluß folgt.)kleines Feuilleton.Irühlingswetter.Strahlender Sonnenschein und wolkenloser Himmel vergoldenden diesjährigen Aprilbeginn, der mit seiner Wärme und Trocken-beit nunmehr ganz Deutschland den Frühling gebrachl hat. Währenddie erste warme Periode in diesem Jahre auf Mittel- und Süd-deutschland beschränkt geblieben war, in Norddeulschland dagegenjene Märztage noch rauh und nachwinterlich gewesen waren, ist jetztdie Frühlingswärme einheitlich über ganz Mitteleuropa verbreitet.Schon am Schlusie der vorigen Woche war es mit Ausnahme desäußersten Nordostens im ganzen Lande wärmer geworden, unddieie Erwärmung hat während der letzten Tage weitere und be-deutende Fortschritte gemacht. Nachdem schon Sonntag an viele»Orlen 18 bis!9 Grad Wärme vorgekommen waren, stiegMontag das Thermometer nicht nur im Westen und Süden,sondern auch schon im mittleren Noiddeutschland bis auf 20 Gradoder etwas darüber hinaus. Der gegenwärtig die Wetterlage beein«ernflussende hohe Luitdruck begünstigt denn auch die wertere Er-wärmung. und der Umstand, daß der Lustdruck infolge der Annähe-rung einer von Südwesten langsam vordringenden Depression nunallmählich wieder abnimmt, macht für die nächsten Tage die Witte-rung zwar wieder unsicherer, verbeißt uns aber zunächst doch nochechte Frühlingswärme. Nachher werden von Westen nach Osten fort-schreitende Wärmegewitter wohl zunächst wieder einen Rückschlagbringen, der aber hoffentlich nicht von Dauer sein und uns keinefür die junge Vegetation so gefährlichen Nachtfröste bringen wird.Was ein Kriegstag in Frankreich kostet.Während die Presse der Alliierten sich eifrigst damit beschäftigt,die angeblichen Schwächen der deutschen Finanzlage herauszurechnen,haben die alliierten Regierungen vollauf genug damit zu tun, ihreeigenen Finanzen immer wieder einer Prüfung zu unterziehen. Wiewenig erfreulich es um die Geldverhälnrisse in Frankreich steht, geht au»der Tatsache hervor, daß die Pariser Blätter seit einiger Zeit nicht ganzim Einklang mit ihren stolzen oder beruhigenden Phraien, Betrachtungenüber die Ausgaben und Einnahmen des Landes veröffentlichen, die dieZukunft nicht gerade im rosigsten Licht erscheinen lassen. Zu solchenErwägungen gibt besonders die Berechnung Beranlasiung. die derBerichterstatter der französischen Budgeikommission dem Parlamentbekannt gab. So sehr dieser Bericht sich auch bemüht, die Staats-einnahmen in möglichst vorteilhafter Weise aufzuzählen, so kommter doch nicht über die große Kluft hinlveg, die diese Ein-nahmen von der durch den Krieg ins Ungeheure gesteigertenAusgaben trennt und sich fortwährend zu erweitern droht.Nunmehr berechnet daS.Journal" die französischen Kriegs-ausgaben seit Ausbruch der Feindseligkeiten, und trotz allergelenkigen Wortspiele vermag das Blatt nicht ganz seine Sorgenzu unterdrücken. Wenn man zu den bisher verausgabten Summennoch die bis zum 30. Juni erforderlichen Ausgaben schätzungsweisedazu rechnet, so ergibt sich die Summe von 35 191 256 69t Fr. für daSKriegsministerium, 1436 217 585 Fr. für die Marine, 374 574 26 l Fr.für die Kolonien. Die Gesamtausgaben vom 1. August 1914 bis zum36. Juni 1916 belaufen sich demnach auf 87 Milliarden, 2 Millionen,86 486 Fr. Da die für andere als für Kriegszwecke erforderlichenAusgaben in demselben Zeitraum sich auf 9 779 799 878 Fr. berufen,berechnet der»Marin" für die Dauer von ungefähr 24 Kriegs-monaten einen Gesamtaufwand von 46 781 879 843 Fr. Ein Kriegs-tag, so schließt das„Journal" diese für den französischen Staats-Haushalt ein wenig peinlichen Betrachtungen, lostet Frankreich87 Millionen Frank._(z)Nottze».— Unsere neue Erzählung spielt in der Naüwstcckedes Reiches in dem Gebiet, in dem sich der litcrnische Stcmmr zubehaupten gewußt hat. Ernst Wickert(geb. 1831 zu Jnstettog)lernte(von 1860 an) als Kreisrichter Land und Leute grirlMichkennen und gewann für die Landschaft und ihren eigenartigenMenschenschlag soviel Interesse, daß er sie zum Gegenstand seiner„Litauisch-c Geschichten" machte. Diese Erzählungen, die zumeisteinen kriminalistischen Einschlag haben, machen mehr als seinegroßen Romane und Theaterstücke seine literarische Bedeutung aus.— Die Lebensdauer von Geschützen ist die Zahlder Schüsse, die ein Geschütz auShält bis seine Präzision unter einengewissen Wert sinkt. Die Lebensdauer einer 36,5-Zentimeter-Kanonewird auf 156, die eines 21-Zentimeter-Rohres auf 466 und einesFeldgeschützes auf ungefähr 4666 Schuß nach»Norsk-Artilleri-Ttds-skrifl" geschätzt. Wenn also ein modernes Kriegsschiff die Feuer-geschwindigkeil seiner großen Geschütze ausnutzen wollte, wärendiese schon nach einem mehrstündigen Gefecht abgenutzt. Indessenist aber die Lebensdauer eines Geschützes von soviel verschiedenenFaktoren abhängig, daß die oben angeführten Zahlen nur alsMittelwerte zu betrachten sind, von denen sie um 56 Proz. nachbeiden Seiten hin abweichen können.(z)1]Cnörik Kraupatis.Eine litauische Geschichte von Ernst Sichert.Die große Mühle in Kraupatischken war vor zwei Jahrenabgebrannt.Man nannte sie die„große Mühle", weil das jsslüßchen,das unfern diesem Torf in den Pregel mündete, weiter auf-wärts noch zwei oder drei Mühlen trieb, die über eine gc<ringere Wasserkraft verfügten. Aber die Mühle hatte auchwirklich zu der Zeit, in der sie angelegt wurde, und in diesemTeile vonZPreußisch-Litauen für ein bedeutendes Werk geltenkönnen. Später, bei verbesserter Technik, war sie von mancherKonkurrentin überholt. Aber sie hieß noch immer im Volks-munde die„große Kraupatischker Mühle", und so hieß sieauch, nachdem sie abgebrannt war und bis auf ein unversehrtgebliebenes Seitenhäuschen als Ruine dalag.Es war übrigens feit dreißig oder vierzig Jahren, alsoungefähr so weit zurück, als die jetzigen älteren MännerKinder gewesen waren, üblich geworden, sie auch die„alte"Kraupatischker Mühle zu nennen. Nicht weil ihr eine neuezur Seite stand, sondern weil sie wirklich nachgerade alt, rechtalt war. Tavon konnten sich alle Mahlgäste überzeugen, dieunter ihr mächtiges Dach traten— die ganze Mühle schien,aus einiger Entfernung gesehen, nur Dach zu sein— und dasGebälke bewunderten. Es stammte noch aus der Zeit, alsan den Duellflüssen des Pregels meilenweite Wälder mitihren Beständen von uralten Eichen das Land bedecktendort, wo sich unter der Herrschaft des deutschen Ordens undunter den Herzögen und viel später noch bis in die Regie-rnngszeit des Großen Kurfürsten hinein„die Wildnis" alsSchutz gegen feindliche Einfälle ausdehnte. Wer damals eineAnweisung auf Bauholz erhielt, hatte die Auswahl untereiner Riesengarde und konnte seinen Bedarf nach völligemMaß decken. Man baute ja auch noch„für die Ewigkeit". DieBalken, die da von Mauer zu Mauer querüber lagen, mochtengut die vierfache Stärke heutiger Träger haben und warenso dicht gereiht, daß sie kaum eines Bretterbelagcs bedurften.Ueber ihnen aber strebte ein Wald von Stützen. Rieaeln undSparren auf: man hätte da einmal gehörig„durchforsten"können, ohne die Sicherheit des mit schweren Pfannen, Mön-chcn und Nonnen, gedeckten Daches zu gefährden.Und wie schwarzbraun das Holz geworden warl Nichtdie kleinste morsche Stelle ließ sich entdecken. Es war nichtnur bildlich gesprochen„fest wie Eisen". Mit der Art einenSplitter abzubringen, kostete keine kleine Mühe. Und vondemselben Materich waren die Räder und Wehre, der Fach-bqmn und die Schützen darüber.„Ja, damals verstandendie Leute noch haltbar zu bauen! So ein Holzchen— hä, ha,häl Es ist eine Freude anzusehen."Das alte Ding stand so fest, daß kein Sturm es um-werfen und kein Hochwasser es unterspülen koimte. Vielleichtwär's wirklich für die Ewigkeit gebaut gewesen, wenn dasFeiler es nicht zerstört hätte. Merkwürdig! Durch ein paarJahrhunderte war es auch von diesem Elemente verschont ge-blieben. Aber vor zwei Jahren— das war freilich auch nichtmit rechten Tingen zugegangen: das Feuer mußte angelegtsein. Sw zufällig fing solches Holz nickt Feuer, es war sickermit Petroleum begossen worden. Das hatte eine Flamme ab-gegeben, als ob das ganze Dorf brannte— meilenweit warsie zu sehen gewesen und Nackt und Tag und die zweite Nackthatte sie reichlich zu zehren gefunden. Als die schweren Dach-ziegel schon prasselnd und polternd in den Jnnenraum ge-fallen waren und da wie ein sckwarzer Berg aufgehäuft lagen,stand noch das verkohlte Gebälk, und als rnan's mit langenHakenstangen uinriß, zeigte sich's, daß das Feuer nicht hattedurchfressen können. Ja, so ein Holzchen!Leider war nicht nur die alte Mühle zerstört worden,sondern bei dem schrecklichen Brande auch ein Menschenlebenverloren gegangen. Die volle Gewißheit davon hatte manerst beim Aufräumen erlangt, als man die verkohlten Gebeineeines Menschen fand. Es ließ sich denn auch feststellen, daßein Bettler, der sich den Tag über im Torf herumgetrieben,spät abends nach der Mühle gegangen und�dann verschwundenwar. Er mochte von hinten über den Schweinestall eingc-stiegen sein und sich auf dem Heuboden sein Nachtlager be-reitet haben. Man meinte anfangs, er sei der Brandstiftergewesen, vielleicht aus Rache, weil er von der Mutter desMüllers abgewiesen worden. Aber es mußte doch unglaublichscheinen, daß er dann so lange Wartete, bis ihm die Flammeden Ausweg sperrte. Mit Vermutungen durfte man sich nichtlange plagen. Schnell genug wurde gewiß, was kein Menschfür möglich gehalten hätte: der Müller selbst hatte die Mühleangesteckt.Der Müller war Heinrich Kraupat oder, wie die Litauerihn nannten, Endrik Kraupatis. Solange man zurückdenkenkonnte, hatte der Besitzer der großen Kraupatischker Mühlestets Kraupat geheißen. Auch aus den Grundaktcn ergab sichkein anderer Name. Es war sehr möglich, daß keineswegs inälterer Zeit immer der Sohn dem Vater folgte: der Ehemanneiner Tochter oder selbst der Käufer konnte den NamenKraupat angenommen haben: denn der Müller in Krau-patischken konnte füglich gar nicht anders heißen. Unzweifel-hast war aber bereits der Großvater des Heinrich KraupatBesitzer der Mühle gewesen. Er hatte, wie erzählt wurde, zuder Zeit, als die Franzosen hier nach Rußland gingen, seinGeld so gut versteckt gehabt, daß sie es nicht hatten auffindenkönnen. Sein Sohn galt sein Leben lang als ein Wohl-habender Mann, und auch von dessen Sohn Heinrich wußteman's nickt anders, als daß er so manchen Gutsbesitzer undPferdezüchter in der Gegend„bequem in die Tasche stecken"könnte. Aber er war bei Gericht trotz allen Leugncns über-führt worden. Zehn Jahre Zuchthaus hatte er vom Schwur-gericht in Titsit bekommen, West beim Brande ein Mensch dasLeben verloren hatte. Es wurde ihm dabei schon zu gut ge-rechnet, daß ihm dessen Anwesenheit in der Mühle unbekanntgewesen sein konnte.Endrik Kraupat hatte einen Zeugen seiner Tat gehabt.Es war sonst nicht viel gegen ihn ermittelt: daß er einmalbeim Glase Bier im Aerger sich ausgelassen, das alte Dingstehe schon zu lange und tauge in jetziger Zeit nickt viel: dieMühle abzubrechen und nack den jetzigen Prinzipien wiederaufzubauen, koste zu viel Geld. Ter Himmel könnte aberWohl einmal ein Einsehen haben und einen Blitz herunter-schicken. Brenne dos alte Gestell nieder, so hätte ja doch nie-mand einen Schaden davon, die Versicherungsgesellschaft müsseblechen. Das hatten viele gehört und nicht sonderlich schwergenommen. Erst nachträglich war ihnen eingefallen, daß dieWorte Bedeutung gehabt haben könnten. Ein andermal hatteer gemeint, er sei eigentlich kein rechter Müller, da er dasHandwerk nicht aus dem Grunde gelernt habe, und würde,wenn er günstig gegen bar verkaufen könnte, lieber etwasanderes unternehmen, einen Pferdehandel vielleicht oder der-gleichen. Auch das hatte niemand verwundert, da man jawußte, daß die Mühle seinem älteren Bruder bestimmt ge-Wesen war, der dann leider verunglückte, und daß Endrik da-mals als Sergeant bei den Dragonern diente und Gendarmzu werden beabsichtigte. Nun war auch das vorgeholt. Ansich konnte auch nichts Verfängliches darin gefunden werden,daß er am Abend vor dem Brande feine Leute mit dem Fuhr-Werk nach der Stadt geschickt hatte, eine Maschine abzuholen,die viel Wasserkraft sparen sollte. Jetzt hieß es, er hätte diePferde nicht verbrennen lassen wollen. Es wurde ausge-rechnet, daß die Mühle sehr hoch versichert gewesen sei. Aberdas alles, zusammen mit dem Umstände, daß die Mühle un-zweifelhaft angesteckt worden war, wie sich das Feuer ent-wickelt hatte, würde ihm nicht den Hals gebrochen haben. DerZeuge gab den Ausschlag. Beschwor doch der alte DavidsEnsikat, der in seinen jungen Jahren noch bei dem Großvaterdes jetzigen Müllers in der Lehre gewesen war, seinem Vaterlange Jahre gedient chatte und jetzt in der Mühle das Gnaden-brot aß. er habe mit eigenen Augen gesehen, wie Endrik inder bestimmten Nackt das Feuer anlegte. Gegen ein solchesZeugnis hatte alles Ableugnen nichts geholfen.(Forts, folgt.)