Nr. 258. 1916.

Unterhaltungsblatt des Vorwärts freitag, 10. November.

Vorweltliche Tiere.

In seinem letzten Kosmos"-Bändchen hat Wilhelm Bölsch e den Stammbaum der Insekten"( Francksche Verlagshandlung, Stutt­ gart  ; Preis 1 M.) behandelt, jener Klasse des Tierreiches, der Bienen, Wespen, Ameisen, Heuschrecken, Fliegen, Mücken, Flöhe und Wanzen, und überhaupt so viel Getier angehört, daß man die Zahl seiner Arten schon auf annähernd 400 000 schätzt. Was bei aller Ver­schiedenheit in zahllosen Einzelheiten alle doch wieder eint, ist der Grundplan des Körperbaus, die Dreiteilung des Tieres in Kopf, Bruststück und Hinterleib und die sechs Beine, die alle dem Bruststück entspringen. Mit diesem Bau, und besonders mit den sechs Beinen, nehmen die Insekten eine Art Mittelstellung ein zivischen vielbeinigen Tausendfüßern, achtbeinigen Spinnen, Skorpionen und Krebsen einerseits und den allerdings ungleich höher organisierten vier­beinigen Tieren andererseits. Mit dem Auftreten der Beine scheidet sich das Land- vom Wassertier. Die Beine oder besser zunächst Füße entstanden an den Ringen", die den Leib vieler wurmartiger Tiere geringelt erscheinen lassen. Den Tausendfuß hat jeder einmal ge­sehen und die enorme Anzahl seiner Füßchen bestaunt, mit denen er doch so erbärmlich langjam vorankommt, nur eben gerade etwas schneller als eine Schnecke. Damals war der Fuß noch" Idee", wenn man so sagen will, und es bedurfte einer Entwickelung durch die Jahrhunderttausende, bis diese Fußverschwendung sich so weit abge­schliffen und die Idee so brauchbare Formen angenommen hatte, wie fie heute in den im Kampf ums Dasein so wohlbewährten wenig füßigen Lebewesen die Welt bevölkern. Die Tausendfüßer und ihre Verwandten haben sich teilweise als lebende Fossilien" erhalten, aber gegenüber dem Heere der mit nur sechs oder vier Gliedmaßen versehenen Geschöpfe spielen sie gar keine irgendwie nennenswert in Betracht kommende Rolle mehr.

Der Weg, den der Stammbaum der Insekten genommen hat, und den wohlerhaltene Versteinerungen an wichtigen Punkten be­Legen, führt an Gabelungen und Kreuzwegen vorüber; er ist nicht einfach genug, um an dieser Stelle näher verfolgt werden zu können. Auf diesem Wege hat schon manche Insektengruppe ihren Höhepunkt erreicht und wieder überschritten. Hierher gehört z. B. das Geschlecht der Libellen, in deren heute lebenden Formen wir Vertreter eines úralten Geschlechts erblicken. In der Steinkohlenzeit lebten in Frank­ reich   Urlibellen mit einer Flügelſpannweite von 70 Zentimeter; fie Klafterten also fast dreiviertel Meter, und wir können froh sein, daß wir heute nur noch Versteinerungen dieser größten aller je da­geweſenen Insekten vor uns haben. Aber, wie gesagt, der inter­essanten Einzelheiten im Stammbaum der Insekten sind zu viele, und wir möchten Bölsches reich illustriertes Heftchen jedem Natur­freunde angelegentlich empfehlen.

Kleines Feuilleton.

Gerhart Hauptmann   und die schlesische Leinen­industrie.

fällt bei

fich auch in Bölsches Insektenbändchen wieder ein oder einige Fehler Entstehung der Kurzsichtigkeit forscht, scheint nun zum erfolgreichen sollten nachweisen lassen, so würde der Wert dieser anregenden Schil- Abschlusse feiner Untersuchungen gelangt zu sein: Er hat eine derungen im großen ganzen dennoch derselbe bleiben. Pold. Erklärung für die Entstehung der Kurzsichtigkeit geben können, die allen beobachteten Veränderungen des Auges gerecht wird und zudent im Tierversuche hat bestätigt werden können. Er veröffentlicht hierüber einen Aufsatz in den Naturwissenschaften". Er legt zunächst dar, warum nicht, wie man z. B. annahm, die Verlängerung des furzsichtig gewordenen Auges auf die Tätigkeit der Augenmuskeln bei häufiger Rabarbeit zurückzuführen sei. Die Beobachtung, daß gewisse Naharbeiter, etwa Juweliere und Gold­arbeiter, die nicht mit gebeugtem Kopfe arbeiten, sondern bei auf­In einer kleinen Studie über den Verfall der schlesischen rechter Haltung den Arbeitsgegenstand dem Auge nähern, sehr selten Leinenindustrie, die Dr. Artur Friedrich im Novemberhefte der turzsichtig sind, während bei zahllosen Schulkindern, die mit Deutschen Revue" veröffentlicht, weist er darauf hin, daß die Mumpf  - und Stopfbeugung arbeiten, Sturzsichtigkeit die Folge Vorgänge bei den blutigen Weberaufständen des Jahres 1844 zu ist, brachte den Gelehrten auf die richtige Spur: das Peterswaldau und Langenbielau von Hauptmann in seinen Webern  " jugendliche Auge, das ziemlich dehnungsfähig ist, genau dargestellt worden sind. Wenn man die erschütternden, in gebeugtem Kopfe ein wenig nach vorn und unterliegt diesem Drama vorgeführten Bilder zuweilen für das Erzeugnis dabei der Wirkung der Schwerkraft; es verändert sich der Form einer mächtigen Dichterphantasie hat halten wollen, so sind sie in nach ähnlich wie etwa ein mit Wasser gefüllter, an einem Faden Wirklichkeit nach Dr. Friedrich im wesentlichen ein geschickt zu- aufgehängter Gummiball sich dehnt, wobei der Sehnerv die Rolle fammengefügtes Mosaik der Tatsachen, die der sehr eingehende des Fadens spielt. Versuche an jungen Kaninchen, Hunden und Bericht des Regierungsassessors Schneer enthält. Ihn hatte der Katzen, die täglich mehrere Stunden hindurch in einer Lage gehalten Breslauer Hilfsverein im Mai 1844 zu speziellen Erhebungen in wurden, bei der der Kopf abseits gerichtet ist, ergaben, daß binnen das Notstandsgebiet entsandt, und was dort an schmerzlichen Wahr- Vierteljahrsfrist Kurzsichtigkeit eintrat, die allmählich anstieg. In nehmungen auf einer mehrwöchigen Reise, über ein weites Berg- legter Zeit hat Professor Levinsohn entsprechende Versuche an land verteilt, dem gewissenhaften Beobachter entgegentrat, das jungen Affen angestellt, deren Augen mit denen des Menschen eine wird vom Dichter wirkungsvoll auf einen Fleck zu einem grellen, fehr große Aehnlichkeit haben. Bei einem Affen, der bei Beginn des grauenerregenden Gemälde vereinigt. Selbst die dem Hörer wie Versuchs nicht furzsichtig war, wurde am Ende der Versuche, die sich Hammerschläge auf die Seele fallenden, scharf geprägten Wen- über ein Jahr erstreckten, eine erhebliche Kurzsichtigkeit festgestellt. bungen sind nicht vom Dichter erfunden, sondern entstammen un- Die Zunahme der Refraktion erfolgte langsam und allmählich, fie mittelbar dem Munde des schwergeprüften Voltes, und sind zuerst veränderte sich im Verlaufe von 8-14 Tagen. Gleichzeitig mit dem von dem Echo der Schneerschen Berichterstattung aufgefangen. hohen Grade der Kurzsichtigkeit treten Veränderungen am Rande des Die erschütternde Wirkung des Dichtertverkes ist also großenteils Sehnerven auf, wie sie für Kurzsichtigkeit bezeichnend sind. Die auf den bittern Ernst der darin dargestellten Wirklichkeit zurück- Untersuchung der fünstlich furzsichtig gemachten Affenaugen ergab zuführen. Dr. Friedrich weist darauf hin, daß Hauptmann auf die alle Merkmale, die man vom furzsichtigen Menschenauge her kennt. größeren Zusammenhänge, aus denen die Katastrophe der schlesi­Schen Leinenindustrie und damit auch der Aufstand von 1844 erst verständlich wird, seine Aufmerksamkeit nicht gerichtet hat. Der Wettbewerb der Baumwolle und ihrer maschinellen Herstellung in England, die Absperrung nacheinander des englischen, des franzö­fisch- belgischen, des österreichischen   und des russischen Marktes, schließlich die leidige Zähigkeit, mit der der kleine Mann im Weber­lande am Althergebrachten festklebte und sich allen Fortschritten verschloß; das waren die großen, mit der Weltgeschichte der euro­ päischen   Wirtschaft zusammenhängenden Gründe, die den Verdienst der Spinner und Weber Schlesiens zuletzt fast bis auf Null herab­drückten und jene jammervollen Zustände herbeiführten, aus denen die Revolte von 1844 hervorging.

In einem Bändchen der Sammlung Aus Natur und Geistes­welt" hat O. Abel   Die Tiere der Vorwelt"( Verlag B. G. Eine Vorläuferin der Deutschen Bücherei. Teubner, Leipzig  ; Preis geb. 1,25 M.) nach allgemeineren Gesichts- Im neuesten Heft der Zeitschrift für Bücherfreunde" macht punkten zu betrachten versucht. Auch hier finden wir keine systemati- Dr. Julius Zeitler   in einem der Deutschen Bücherei gewidmeten schen Aufzählungen, sondern Abel belehrt uns in verständlicher Aufiaz darauf aufmerksam, daß der Gedanke einer alle deutschen Sprache über die Quellen, aus denen die Lehre über die vorweltlichen Bücher umfassenden Nationalbibliothet schon 1848 ausgesprochen und Tiere schöpft, schildert uns, wie die Knochenlager ans Licht kommen, in die Tat umzusetzen versucht wurde. In dem längst noch nicht ge­welche Rolle dieje Reste früher in Volfsglauben, in der Sage, aber nügend gewürdigten Parlament, in dem der Paulstirche zu Frank­auch in der früher auf diesem Gebiet recht phantastischen Wissenschaft furt a. M. nämlich, wurde die Begründung einer Reichsbibliothek gespielt haben, und er geht dann über auf die moderne Entwickelung, durch den Inhaber der Hahnschen Buchhandlung in Hannover   ver­den Fortschritt und die Ziele der Paläontologie. Das Bändchen ist in anlaßt. Er stiftete die Bücher seines Verlages,( worunter sich z. B. feiner Art ausgezeichnet, nur etwas knapp im Umfang für den die Monumenta Germania historica befanden) und erreichte durch dies großen Stoff, und eine Erweiterung wäre bei einer Neuauflage zu glänzende Beispiel, daß seine Joee von der Reichsversammlung gut­begrüßen. Dafür könnte ruhig der polemische Teil fortfallen, den wir geheißen wurde. Andere norddeutsche und füddeutsche Verleger gaben am Schlusse des Bändchens finden, denn er gehört eigentlich an ganz gleichfalls ihre Bücher her, ein Reichsbibliothekar wurde ernannt und andere Orte. Aber gerade dieser polemische Teil hat mich veranlaßt, ein nationaler Aufruf zur weiteren Förderung des Unternehmens Abels Bändchen mit dem von Bölsche zusammen zu besprechen. Abel, erlassen. Darin bieß es zum Schluß: Dann geht kein deutsches Buch ganz der Professor der Paläontologie an der Universität Wien   ist, fomimt verloren, die reichen Früchte des mühsamen Strebens deutscher auf die Popularisierung der Wissenschaft zu sprechen, und wendet sich Buchhändler sind unseren Nachkommen gesichert, und der eble Sinn 11. a. heftig gegen die Schriften Bölsches, die Jahr für Jahr Jrr- der deutschen Verleger erwirbt sich durch die großen, dem Vaterland tümer in die breiten Volksschichten" tragen, welche zwischen den dargebrachten Opfer das lohnende Bewußtsein, zu der Verwirk­Grenzen von Wissenschaft und Dilettantismus nicht zu unterscheiden lichung der hohen Jdee eines einigen, geistigen Deutschlands   den vermögen". Es mag schon sein, daß sich in manchen Darstellungen festen Grund gelegt zu haben." Doch dieser schöne Plan hielt in Bölsches Angaben finden, die vor dem bekannten strengen Richter der rauben Wirklichkeit noch nicht stand. Die Reichsbibliothek wurde stuhl der Wissenschaft nicht zu bestehen vermögen. Es ist leider auch zwar nicht verauktioniert, fie besteht vielmehr iogar noch jetzt; aber wahr, daß es Popularisatoren der Wissenschaft gibt, die mit allzu un- die 5000 Bände führen ein geruhiges Leben. Sie sind nämlich 1854 kritisch heruntergeschriebenen Erzeugnissen mehr Schaden als Ruben von der Galerie der Paulskirche ins Germanische Museum nach anrichten. Bei Bölsche aber nehmen vereinzelte Irrtümer niemals Nürnberg   überführt und stehen dort noch in geschlossener Sammlung. Den Umfang an, der einen so heftigen Angriff rechtfertigen könnte. Solange die im Vollbesitz des ganzen Materials befindlichen Pro­Neues über die Entstehung der Kurzsichtigkeit. fessoren sich für zu schade halten, sich selbst erheblich umfangreicher als bisher an der Vervolkstümlichung ihrer Sonderivissenschaften zu Wenn man wüßte, wie die Kurzsichtigkeit entsteht, fönnte man beteiligen, solange steht die Aufgabe, weite Volksfreise mit den wich- diefes ungeheuer weit verbreitete Augenübel erfolgreich bekämpfen. tigsten Ergebnissen der Forschung vertraut zu machen, viel zu hoch, Alle bisherigen Erklärungsversuche für ihre Entstehung haben aber als daß wir auf verdienstvolle Popularisatoren verzichten könnten in diefer Beziehung feinen Erfolg gehabt. Der Berliner Augenarzt, mag ihnen auch manchmal ein Fehler unterlaufen. Und selbst wenn Professor G. Levinsohn  , der feit einer Reihe von Jahren nach der " Ich bin sicher, daß noch niemand hier ist. Ich möchte sogar auf die Straße hinaustreten."

Zur Begrüßung.

Von F. Mirandola.

" Das erlaube ich in keinem Fall. Es ist ganz klar, daß sie auf dich zielen werden, wie auf eine Schießscheibe." ,, Sie sollen schlecht schießen."

Kriegspsychologie eines Infanteristen.

Die folgenden Ausschnitte der Psychologie im Felde sind einer von Harald Niels herausgegebenen Sammlung Nordschleswigsche Soldatenbriefe" entnommen, die dieser Tage im Verlage von Eugen Diederichs   in Jena   erscheint. Sie sind für die Kenntnis der eigenartigen Feldpsychologie von besonderem Wert: Der Krieg hat seine eigene Psyche. Das Milieu im Felde prägt uns. Allein schon, daß wir ein reines Mannsvolksleben führen, drückt uns sein Gepräge auf. Wie gut tut es doch, in bevölkerte Gegenden zu kommen und Kinder am Wege spielen zu sehen. Ja, gestern wurde mir ganz warm ums Herz, als ich einer Sau mit ihrem Wurf be­gegnete, die wir eingefangen hatten. Es war wie ein Erlebnis, eine Mutter zu sehen, selbst wenn es auch mir eine Sau war.... Wir müssen hier manche unserer Begriffe von Dingen revidieren. Am gründlichsten ist wohl der Unterschied in der Auffassung aller Art Gefahr. Ich muß lachen beim Gedanken an alle Gefahren, die Leben und Gesundheit des Bürgers bedrohen. Ueberiß Dich nicht, erkälte Dich nicht!... Man kann sich an alles gewöhnen, auch an den Anblick Verwundeter. Ich habe wochenlang manch grauenvollen Anblick vor Augen gehabt, mich nach und nach daran gewöhnt und, war der feindliche Schüßengraben genommen, mitgeholfen, die Toten zu bestatten. Es war eine grausige Arbeit, der wir uns am liebsten entzogen hätten. Aber sie war notwendig, und als wir erst mal daran waren, ging es dann hurtig und rein mechanisch von der Hand. Diese Erfahrung von der erlahmenden Macht der Gewohnheit immer wieder zu erproben, bietet sich uns reichlich Gelegenheit, sobald wir vom Frieden des Quartiers in das Ge­tümmel der Schlacht zurückkehren. Der ersten Gewehrkugel, die uns den Weg kreuzt, sehen wir etwas schief nach, und viel bleibt nicht zu sagen übrig, wenn die Kanonen ihren erzenen Mund öffnen. Aber in der Regel dauert es nicht lange, da sind wir mit der Schießerei wieder vertraut, und je dichter die Kugeln fallen, desto ungefährlicher kommen sie uns vor.... Taub für den Tumult und stumpf gegen die Gefahr, das kann man werden. Von Napoleon  wird als Beleg seiner geistigen Ueberlegenheit angeführt, daß er sich mitten in der Schlacht zum Schlaf niederlegen konnte. Ich bin auch beim Donner der Kanonen eingeschlafen; eine Heldentai ist es nicht, ganz einfach nur eine atatürliche Reaktion gegen die An­spannung der Nerven...."

Notizen.

Konsumgenossenschaften im Theater. Die An gehörigen der beiden Wiener   Hoftheater, des Burgtheaters und der. Oper, haben einen Konsumverein gebildet. Großeinfäufer und Leiter ist der berühmte Sprecher Georg Reimers  . Er hat für 3000 Menschen zu sorgen. In jedem der beiden Theater wird ein Probesaal zur Ber­faufsstätte gemacht. Auch die Lehrer und Beamten der Wiener Uni­ versität   haben sich genossenschaftlich zusammengeschlossen.

"

Die Moskowiter sind in der Stadt. flüsterte der ältere Schweigen trat ein. Es war geschehen. Das ängstlich erwartete Uebel war eingetroffen. Nicht wie ein Sturmwind, der die Bäume fällt, war es dahergekommen, sondern Heimlich, das verhüllte Ant­lig zur Erde geneigt, kriechend, schüchtern... aber um so fürchter

Redensarten... übrigens schießen sie vielleicht wirklich schlechtlicher.

"

Wie spät ist es?"

"

Schon zwei Uhr."

Aus dem Polnischen von Stefania Goldenring. Die Straßen waren wie ausgestorben. Alle Laternen brannten und warfen einen düsteren Glanz auf die Mauern. Die Häuser... im weiß es nicht, aber geh' nicht hinaus." standen wie erstarrt in Erwartung dessen, was fommen sollte; ob­gleich durch die dichten Vorhänge nur hier und dort Licht durch­brang, wußte man dennoch, daß drinnen alles wachte, daß niemand Erst zwei Weißt du, ich habe jetzt genug. Wir wollen den Mut hatte, einzuschlafen. Wie eine Seele im schlaflosen Körper, schlafen gehen. Wir ziehen une natürlich nicht aus. Du legit dich so irrten die Menschen unstet innerhalb der vier Wände ihrer Zimmer auf das Sofa, ich in den Sessel; wir wollen ausruhen.... Was umber. ist das!...

Jene Laternen, die von der Dämmerung bis Tagesanbruch brannten, starrten wie staunende Augen in das geheimnisvolle Dunkel, wachsam und scheu, jeden Augenblick bereit, für immer zu berlöschen.

Man fühlte, daß dies Leben, das in seinen Grundfesten be­droht war, alle Kraft anipannte, um das mächtige, unvermeidlich nabende lebel in Augenschein zu nehmen. Alle Sicherheit, alles Selbstverständliche drückte sich nur noch in der Hoffnung aus:

Vielleicht können wir uns noch retten!... Wenn nur fein Anstifter käme!"

Seit zwei Tagen war die Stadt ohne Herrn. Ueberall hörte man sagen: Wir sind gerettet, wenn nur kein Anstifter fäme! Wenn nur niemand eine Dummheit beginge!" Es fehlte in der Stadt nicht an solchen, die zu jeder gemeinen Tat fähig waren.

In der finiteren Wohnung saßen zwei Menschen, die Gesichter an die Fenstericheiben gedrüdt.

An der Stelle, wo das Haus stand, ging von der Hauptstraße eine schmale Quergasse ab, die nur von einer einzigen Paterne er leuchtet war. Sie führte zum Bahnhof und war unlängst noch ziemlich belebt. Heute war auch sie von der allgemeinen Stimmung der Erwartung des Uebels beherrscht. Der Bahnhof hatte sich im Dunkel aufgelöst, als ahne er, daß man es hauptsächlich auf ihn abgesehen hatte und daß er den Ausgang bilden würde für weitere Schreckenstaten.

-

Ein Krach ertönte in der Ferne... ein Knarren, als ob jemand Eisen sägen würde....

Nur einmal hatte es gefagt: I bin da! Dann verstummte es, verkroch sich in das Dunkel der Gassen, die nicht von der schützenden Reihe Laternen erleuchtet war, und kauerte dort, die Klauen wezend, gemein, niedrig, ebenso bereit, an den Hals zu springen, wie mit eingerolltem Schwanz blindlings zu fliehen.

Aber aller Mut fonnte gegen dieses Scheusal nichts ausrichten. Es hatte tausend Hände, eine unienge Schlangenleiber, die in der Wenn es Finsternis zusammengerollt lagen, zum Sprunge bereit. an einer Steffe mich, tauchte es an einer anderen wieder auf. Es war gekommen und fand alles mit dem Gesicht nach unten gekehrt,

Beide erstarrten am Fenster. Das Geräusch lam immer näher. von Angst gebannt. Gin langgedehntes Stöhnen begleitete es nun. Em Auto!" flüsterte der ältere.

Das Stöhnen näherte sich rasch, man fonnte bereits genau er­tennen, daß ein Auto mit schwindelnder Schnelligkeit heranraste. Es rast nicht wenig!" sagte der ältere. Woher weißt du?" fragte der andere.

" Ich erkenne es am Pfiff."

Ob es die Unsern sind?"

-

Wie sollte sich die herrenlose Stadt verteidigen? Wenn nur nicht jemand eine Dummheit beginge!"

So hieß jetzt der Mut zu einer unmittelbaren ehrlichen Tat der Entrüstung. Sie faßen wortlos, aufmerksam horchend, während in der Seele eines jeden die naive, findliche Frage lauerte: Wie mag es wohl aussehen?

-

Ein Dröhnen hallte durch die Luft, ein Krachen ein Gegen stand fiel und wälzte sich, wie zerbrochenes Glas flirrend, zur Erde. Woher denn... Das ist zu gefährlich... Gestern wurden ja Beide erstariten. Sie faßen eine Weile unbetweglich, in der lleber bereits Patrouillen gesehen."

Leeres Gerede... eh!"

In diesem Augenblick huschte das schwarze Schattenbild des Autos vor dem Fenster vorüber. Die Schauenden erblickten ein vorn am Wagen in die Höhe ragendes Messer zum Durchschneiden des Drahts, der quer über den Weg gezogen war; zwei in der Richtung des eilenden Autos tiefgebückte Müzen, die hinten herabbängenden Falten des zusammengelegten Dachs und phantastisch aufgewirbelten Staub, den die mit unvergleichlicher Heftigkeit die Erde aufreißenden Hinterräder emporwarfen. Es raste wie ein schwarzes Gespenst. Die

Laternen leuchteten nicht.

Die beiden Menschen, die am Fenster saßen, sprachen halblaut Die Unseren!" sagte der jüngere. und rauchten Zigaretten. Oft hielt einer mitten im Sag inne, ver­Moskowiter!... gweifellos!" widersprach der andere. Plötzlich steckte die Zigarette hinter dem Fensterrahmen und horchte. fiel ein Schuß in der Nähe. Wir wollen das Fenster öffnen," sagte der jüngere, ein groß­ Siehst du, es sind die Unseren!" triumphierte der Jüngere. gewachsener, magerer Mensch. Der Schuß dröhnte fürchterlich in der Stille. Sofort wurden " Nein... nein..." widersprach der ältere. Bitte, mach' alle Fenster der gegenüberliegenden Wohnungen schwarz. Die nicht auf. Sie tönnen schon hier sein und lauern; wenn die Laternen schienen jest weiß zu leuchten, gleichsam mit einem Toten­Scheibe im Laternenlicht erglänzt... so wird sie das locken... licht, angesichts dessen der rosige Schimmer der Totenferze heiter, ganz bestimmt." lebendig und anheimelnd erscheint.

zeugung, daß das unbekannte, geheimnisvolle Uebel schon nahe sci gang nahe, im Hause, im Zimmer. Ihr Blut erstarrte angesichts jenes lautlosen Kriechens, des un fühlbaren Näherrückens der todbringenden Macht.

In dem tiefen Dunkel des Zimmers befand sich jemand... er bewegte sich deutlich... sie fühlten, daß er näherrüdte.

Blöglich sprang etwas auf den Schoß des älteren. Er fuhr schreiend auf.

Eine große Kaze sprang auf den Fußboden, erhob den Kopf cr staunt, zog das Fell ein, wich einen Schritt zurück und war mit einem Satz unter dem Schrank.

Das ist unser Kater!" sagte der jüngere und seufzte erleichtert. Kisch! Keisch!" rief er die Stage, aber vergeblich. Sie blieb unter dem Schrank.

Sie hat etwas heruntergeworfen," sagte der ältere, aber was liegt daran! Wie scheint es dir, sind sie schon hier?"

Es ist möglich... obwohl. Patrouillen doch kommen müßtcu... es scheint mir wenigstens so. Eine Reiterpatrouille von mehreren Menschen... Aber sich einmal dorthin. ( Schluß folgt.)]