waren es Vertreter der demokratischen Ideen, welche durch einVerbrechen den Staat zu„retten" gedachten; die römische Ari-stokratie stand hinter Brutus und Cassius, die Priester hinterRavaillac. Sind diese Parteien deshalb mit den Verbrechernzu identifiziren? Die Tyrannen der griechischen, italischen undsizilischen Städte waren meistentheils in ihrem Kampfe gegendie Adelsgeschlechter auf das niedere Volk angewiesen und be-günstigten dasselbe darum in gewisser Weise, ähnlich wie daszweite französische Kaiserreich mit demokratischen Formen buhlte,um der Menge Sand in die Augen zu streuen. So war es er-klärlich, daß die meisten Tyrannenmorde nicht vom Volke imengeren Sinne des Wortes, sondern vielmehr von den„bessersituirten Klassen" ausgingen. Das dürfte zur Genüge beweisen,daß die That des Hödel nicht als eine nothwendige Folge dersozialistischen Anschauungen(wenn, was noch zu beweisen, vonsolchen die Rede sein kann) zu betrachten ist.Ueberhaupt könnte, wenn wir rein politische Motive beidem Attentäter voraussetzen, nur ein enragirter Republikanerä tont prix den Mordversuch begangen haben. Haben wir esmit einem solchen zu thun? Ist in demselben Hödel, welcherdie Schriften und Traktätlein der Christlich- Sozialen, einerstreng monarchischen Partei, colportirte, ist in ihm der republi-kanische Gedanke in der That dergestalt zur fixen Idee ge-worden, daß er zum Verbrechen seine Zuflucht nehmen mußte?Man wird uns antworten, der Thäter sei doch jedenfalls durchdas Lesen der sozialdemokratischen Schriften, durch das Hörenihrer Agitatoren und eigenes Wirken in der Partei, wenn nichtgeradezu bewogen, doch angeregt. Wir wollen auch daraufantworten.Der deutsche Sozialismus ist, soviel wir wissen, niemalsmit dem republikanischen Programm hervorgetreten. Die Er-rungenschaften, welche seine Führer, wenigstens zunächst, an-streben, sind fast lediglich volkswirthschaftlicher Natur, sie habenmit der Form des Staatswesens, in soweit politische Momentein Betracht kommen, wenig oder gar nichts zu thun. Ja, wirgehen noch weiter zu behaupten, daß der Sozialismus(selbstangenommen, seine Vertreter erstrebten die streng s»ziale Re-publik) mit der Monarchie sich ganz wohl vertragen könne. Be»weis dafür die noch nicht lange aufgetauchte christlich- sozialePartei, die und vielleicht gerade in ihren namhaftesten Vertre-tern eine eigenthümliche Mischung von Communismus und Ab-solutismus repräsentirt; Beweis dafür die der Anarchie an-hängenden Communisten, welche den hauptsächlich in Deutsch-land vorherrschenden Marxisten den Mangel an republikanischerGesinnung vorwerfen und sich selbst als die Vertreter der wahrenFreiheit geriren. Man erinnere sich hierbei eines literarischenStreites zwischen der„Frankfurter Zeitung" und dem„Voewärts"gelegentlich der letzten Deputirtenwahlen in Frankreich. Die„Frankfurter Zeitung" sprach ihre Freude darüber aus, daß auchdie Sozialisten mit den Republikanern gemeinschaftlich Frontmachten gegen die Reaktion der Macmahonisten. Der„Vor-wärts" belächelte die„Schwärmerin für die Republik um jedenPreis", wie er die„Frankfurter Zeitung" benannte, warf die„elende Bourgeois-Republik" in einen reaktionären Topf mit dembonapartistischen Kaiserreich und verhöhnte die französischen Ra-dikalen, weil sie Hand in Hand mit den Republikanern andererSchattirungen gingen. Wir glauben nun, der Umstand, daßder„Vorwärts", das leitende Organ der Partei, eine so ge-ringe Meinung von dem Werthe der republikanischen Staats-form an und für sich hegt, spricht mehr für die S�uldlosig-keit der Sozialdemokratie an dem Verbrechen, als die DerzeitigenVcrtheidigungstiraden des Blattes, die mit kläglicher Sophistereiund gänzlichem Mangel an Logik(!!), nun gar der unglücklichenNationalliberalen den Attentäter an die Rockschöße zu heftentrachten.Man müßte die derzeitigen Führer der Sozialdemokratie zu-gleich für Dummköpfe und für Verbrecher halten, strebten sieüberhaupt danach, auf eine solche Weise den Willen des„Volkes"oder der„Proletarier" zu verwirklichen. Wer in den letztenJahren nicht politisch geschlafen hat, muß zugeben, daß eine syste-matischere und regelrechtere Erbauung einer Partei nicht leichtbeobachtet worden ist. Können wir nun ihr, der vollkommenbewußt Geleiteten, ohne uns lächerlich zu machen, den Vorwurfin's Gesicht schleudern, sie habe ihre Zeit, ihr Geld, ihre unge-Heuren Anstrengungen und schließlich sich selbst durch ein Ver-brechen auf's Spiel setzen wollen? Können wir ihr den geradezustumpfsinnigen Plan andichten, sie habe heute eine soziale(undpolitische) Umwälzung beabsichtigt, während der„Vorwärts"Der Professor Biedermann und der RedakteurBiedermann.Von allen Zeitungen im ganzen deutschen Reiche giebt sichdie in Leipzig unter der Redaktion des Herrn Biedermannstehende„Deutsche Allgemeine Zeitung" die größte Mühe, denAttentäter Lehmann der Sozialdemokratie anzuhängen. Wenn-gleich dies nun in jenem Blatte nicht durch Originalarbeit ge-schieht— Originalarbeit existirt in dieser Zeitung eben nicht—so arbeitet doch die Scheere mit großem Geschick und trägt inBezug auf das kindisch-freche Attentat aus allen, selbst denalbernsten und schmutzigsten Berliner Lokalblättern diejenigenNachrichten sorgfältig zusammen, welche geeignet sind, die ge-sammte Sozialdemokratie zu verdächtigen und für das Verbrecheneines Einzelnen und gar noch eines Verrückten verantwortlichzu machen. Schmunzelnd freut sich der Redakteur Biedermannsolcher freiheitsmörderischen Arbeit, welche mit dazu beigetragenhat, die rothe Reaktion heraufzubeschwören.Da plötzlich tritt der Professor Biedermann zu dem RedakteurBiedermann und sagt:„Du bist ein Taugenichts, du hast nichtsgelernt, steck' einmal deine Nase in ein vernünftiges Geschichls-werk oder noch besser, hör' einmal ein Colleg bei mir, dannwirft du einsehen, was du für dummes Zeug für dein Blattzuftmmenscheerst."Der Redakteur Biedermann nimmt sich diese Lektion zwarmchl zu Herzen, doch denkt er bei sich:„Du willst doch einmalII. l.;s Colleg des Professors hineingehen und hören, was dennd.r Mensch vom Katheder herunterschwatzt."Gedacht— gethan. Mittwoch den 15. Ma, besuchte alsoder Redakteur Biedermann das Colleg des Professor Biedermann,welcher gerade Geschichte las. Da hörte er:„Es ist ein großes Unrecht, welches die Partelleidenschaftbegeht, wenn man eine ganze Partei verantwortlich macht fürdie Tyat eines Einzelnen; so war es bei der Ermordung desHerzogs von Berry, die man den Bonapartisten ungerechterweisein die Schuhe schob, so war es bei der Ermordung Kotzebue s,für welche man die deutsche freiheitsdürstende, studirende Jugendverantwortlich machte und eine infame Verfolgung gegendieselbe in Scene setzte. Hinter Kerkergittern fand man die-jenigen jungen Leute wieder, welche für die Einheit und Frei-heit des Vaterlandes in hoher Begeisterung entbrannt waren.Infam nenne ich nochmals alle Diejenigen, welche solche Hetzevoran und die kleinen Lokalnachbeter in der Provinz hinterherhundertmal und mehr gepredigt haben, die goldene Zeit desZukunftsstaates sei noch nicht gekommen, nur durch jahrelangeArbeit und Kämpfe sei das Ideal zu erlangen? Müssen wirnicht vielmehr— und das mögen sich alle Die merken, die jetztmit Augcnverdrehen den Iozialismus als eine Berbrecherschulehinstellen— müssen wir nicht vielmehr geradezu anerkennen,daß keiner Partei ein schwererer Schlag zugefügt werden konnte,denn der sozialistischen, als der greise Kaiser von Mörderhandbedroht wurde? Daß gerade die Sozialdemokratie bei ihremradikalen Programm wie keine zweite es nöthig hat, einegewisse Reinheit und Moralität. ihrer Absichten zu betonen?Und wenn wir dies zugeben, müssen wir dann nicht logischerWeise ferner zugestehen, daß die Führer der Partei(abge-sehen vom moralischen Standpunkt) aus bloßen Klugheitsrück-sichten den Mordverfuch HSdel's verurtheilen und verdammen,ihn auch verhindert haben würden, wenn es in ihrer Macht ge-standen hätte?Die Aufregung über die That hat sich nach und nach gelegt.Ihr war es zuzuschreiben und ihretwegen war es zu verzeihen,wenn ein großer Theil der nichtsozialistischen Presse sofort denpolitischen Meuchelmord als eine Folge der sozialistischen An-schauungen hinstellte. Aber jetzt, wo sich die hochgehenden Wogender Entrüstung legen, ist es auch an der Zeit, daß die wunder-lichen Blasen verschwinden, die in der Tagesliteratur aufsteigen.Die Gerechtigkeit erfordert, daß wir eine Partei, der unbestreitbarehrenwerthe Männer angehören, nicht mit einem Verbrecheridentifiziren, etwa weil derselbe ihr angehört habe. Thatsacheist, daß Hödel nicht nur sozialistische, sondern auch christlich-soziale Schriften verbreitet hat; Thatsache ist ferner, daß er inLeipzig gegen die Sozialdemokratie conspirirt und mit Na-tionalliberalen in Verbindung gestanden hat;(Also bestätigt!Red. d.„V.") endlich, daß ihn die sozialistische Partei förmlichausgestoßen hat. Nachdem sie aber dies gethan hat, kann siemit vollem Rechte sagen:„Wir haben mit Dir nichts zu thun,weder mit den Narrenstreichen, die Du begangen hast, noch mitden Schurkenstreichen, die Du begehen wirst."Sozialpolitische Uebersicht.— In der Sitzung des deutschen Reichstags vom18. Mai fand die dritte, also die entscheidende Berathung derGewerbeordnungsnovelle statt. Unter das Banner der Regierungschaarte sich bei der Abstimmung über das Verbot der Sonntags-arbeit der gesammte Liberalismus. Während nämlich die Eon-servativen, das Centrum, Polen und Sozialdemokraten vereintfür das Verbot der Sonntagsarbeit, wenigstens in Fabrikenund auf Bauten, eintraten, stimmten die Nationalliberalen undFortschrittler gegen das Verbot, es der freien Vereinbarungder Arbeitgeber und Arbeiter überlassend, an Sonntagen zuarbeiten oder nicht. Die Liberalen trugen mit einer StimmeMajorität(132 gegen 131) den Sieg davon. Der klassischeAusdruck in der Regierungsvorlage, die also wieder hergestellt-norden ist, lautet:„Zum Arbeiten an Sonn- und Festtagenkönnen die Gewerbetreibenden die Arbeiter nicht verpflichten."— Die Gewerbetreibenden können überhaupt die Arbeiter nie-mals zum Arbeiten verpflichten; dies thut eine andere Macht:der Hunger, welcher in das ganze System der freien Verein-barung mit grausamer Hand einen klaffenden Riß macht. Undso geschieht es auch bei vorliegendem Falle. Wenn ein Arbeiterkeine Lust hat, an einem Sonntage zu arbeiten, an dem derGewerbetreibende den Wunsch äußert, zu arbeiten, so kann derletztere den ersteren allerdings nicht zwingen, aber er kann demArbeiter am andern Tage, ohne einen Grund anzugeben, dieKündigung zugehen lassen; der Gewerbetreibende kann sogar so-gleich bei der Einstellung des Arbeit suchenden Arbeiters er-klären, daß die Einstellung nur unter der Bedingung erfolgenkönne, daß auch Sonntags gearbeitet werden müsse. Endgültigalso zwingt der Hunger den Arbeiter also trotz seiner Freiheitzur Sonntagsarbeit.— Gegen diesen Tyrannen, den zwingendenHunger, haben die Sozialdemokraten Front gemacht, als sie dasgesetzliche Verbot der Sonntagsarbeit befürworteten; die Libe-ralen aber haben im Namen der Freiheit die Arbeiter dem grau-sigen Tyrannen auch des Sonntags zum Opfer gebracht,—ihnen war es nicht genug, daß die Arbeitskraft sechs Tage inder Woche ausgebeutet werde, sondern auch am siebenten Tage,am Sonntage, mußte das Menschenfleisch auf dem Altare desdadurch möglich machten, daß sie die an und für sich fluchwürdigeThat eines Einzelnen einer Partei oder einer ganzen Bevöl-kerungsklasse aufbürdeten."(Einige unterdrückte Rufe bei denStudenten: Lehmann! Hödel!)So ungefähr sprach der Professor Biedermann zu Leipzigim Colleg am 15. d. M.Der Redakteur Biedermann schüttelte beim Nachhausegehenden Kopf und murmelte:„Der alte Herr ist ja völlig unzu-rechnungsfähig geworden; er vertheidigt vor der studirendenJugend, die so schon den verderblichen Irrlehren der Sozial-demokratie vielfach verfallen ist, geradezu die Sozialdemokratie,er schützt letztere vor dem Verdachte, daß sie die Urheberin jenesscheußlichen Attentats auf unfern vielgeliebten Kaiser sei.Schrecklich, was so ein Professor schwatzt."—„Doch her jetzt,geliebte Scheere. du edle Trösterin des Redakteurs," so sprachder Redakteur Biedermann, als er zu Hause angekommen warweiter,„her jetzt, um den Unsinn des Professors zu Nichte zumachen. Da ist ja gerade die„Berliner Tribüne", allerdingsein Blatt, welches ein anständiger Mensch nicht in die Fingernimmt, aber es versteht zu schimpfen, zu verleumden und zwaraus dem ff— her also damit." �Die Scheere arbeitete gewaltig; der Setzerlehrling schmunzelte,als er nur„gedrucktes Manuskript", welches sich bekanntlich besserlesen läßt, erhielt; der Redakteur Biedermann aber lehnte sichermüdet von dieser harten Arbeit in sein Fauteuil zurück undmurmelte:„Nun ist die Sozialdemokratie trotz dieses Dema-zogen, dieses dummen Professor Biedermann, völlig vernichtet."—Doch jetzt wollen auch wir schließen in der Hoffnung,unsere Leser durch diese Biedermännerei nicht gelangweiltzu haben.— Wo sind die Königs- und Meuchelmörder zusuchen? Landaufund landab heult die ganze reaktionäre Meutejetzt von dem beliebten Thema, daß bei den Sozialisten dieKönigsmörder großgezogen würden, und man mag das noch sobündig widerlegen— die heuchlerische Rotte nimmt eben keineNotiz davon. Darum wollen wir den frommen Kumpanen der„Post",„Norddeutschen Allg. Ztg." und„Kreuzzeitung" einmalein Gericht aus ihrem Eigenen auftischen, das den Herren wohlnicht sonderlich behagen wird.Machen wir die Sache kurz: während auf gegnerischer Seitebehauptet wird, der Mangel an Religion trage Schuld anMammons geopfert werdm. Und diese Lmte redm gar nochdavon, daß die Sozialdemokraten Religi« und gute Sittebekämpften!?Nach Z 119 beantragen die Sozi aldemo'raten folgendenneuen Paragraphen einzuschalten:„Gewerbeunternehmer, welche für eigene Rechmng oder durchdritte Personen(Webfaktore, Ausgeber, Commisshnäre u. dgl.)Webwaaren, Phantasieartikel aus Walle, Seide, Baumwolle,Pflanzenfasern, Haaren, Glashaaren:c., sowie au� derartigenStoffen bereitete Garne(G-spinnste) in und außer dem Hausebei Gewerbetreibenden, Arbeitern oder Arbeiterinnen verarbeitenlassen, sind verpflichtet, jedem Beschäftigten bei Uebergabe derMaterialien einen schriftlichen Arbeitsoertrag(„Schluß- oderMusterzettel") einzuhändigen. Der Vertrag(Ichlußzettel ec.)muß enthalten: 1) den Namen des Arbeitzeber?; 2) Ort undZeit der Materialübergabe, sowie den Namen des etwaigenVermittlers(Faktors, Ausgebers, Commissionärs ec.); 3) allezur richtigen Fertigung der Waare nöthigen Ausführungsoor-ichriften in unzweideutiger, klarer und verständlicher Sprache;4) die Lohnangabe für ein bestimmtes Quantum Waare; 5) Be-stimmungen über die etwaigen Vermittlungsgebühren der Faktore,Ausgeber, Co inmissionäre:c.; 6) Angabe der Strangzahl unddes Gewichts der zu verarbeitenden Garne und Stoffe. Nichtnach Vorschrift gelieferte Waaren hat der Gewerbeunternehmeroder sein Vertreter(Faktor, Commissionär) im Streitfalle un-verzüglich dem Gewerbegerichte oder der nach§ 19 sonst zu�ständigen Behörde vorzulegen, welche innerhalb acht Tagen denStreitfall zu erledigen hat. Nur die Gewerbegerichte(beziehent-lich Behörden nach§ 19) find befugt, Lohnabzüge für schlechtgearbeitete Waare zu verfügen; diese Abzüge dürfen den drittenTheil des Arbeitslohnes für die streitige Waare nicht über-steigen. Zuwiderhandlungen werden nach§ 150 Ziffer 3bestraft."Der Abg. Blos, der diesen Antrag vertheidigt, bemerkt:Es handelt sich hier um einen Uebelstand von ziemlich allge-meiner Natur, der häufig zu einem wahren Ausnutzungssystemausgebildet worden ist. In gewissen Weberdistrikten steht zwi-scheu dem Arbeiter und Arbeitgeber noch eine Zwischenperson,ein Commissionär, der die Verträge mit den Arbeitern schließt,die gelieferten Arbeiten prüft und bei Fehlerhaftigkeit derselbenAbzüge macht, die sich oft auf einen ganz beträchtlichen Theildes Arbeitslohnes belaufen. Durch unfern Antrag soll fürdieses Verhältniß eine Rechtsbasis geschaffen werden, damit denWillkürlichkeiten möglichst gesteuert werde.Nachdem der sozialdemokratische Antrag natürlich abgelehntworden war,, werden die weiteren Paragraphen nach den Be-schlüssen der zweiten Lesung unveränd rt angenommen. DasGesetz ist also in der dritten Lesung noch verschlechtert wordenund zwar durch den Liberalismus, nachdem wir schon glaubten,daß es schlecht genug für die Arbeiter sei.— Der Bundesrath nahm in seiner Sitzung vom 20. d.Mts. mit allen Stimmen gegen die Hessens, Bremens undHamburgs den Entwurf des Gesetzes gegen Ausschreitungender Sozialdemokratie an, jedoch unter Ablehnung des§ 6,der, wie bekannt, dem Kautschukparagrahpen(130) der vomReichstag früher abgelehnten Strafnovelle sehr ähnlich sieht.Nach§ 6 wird nämlich Derjenige, der öffentlich durch Rede oderSchrift es unternimmt, in Verfolgung der in§ 1 bezeichnetensozialdemokratischen Ziele die bestehende rechtliche oder sittlicheOrdnung zu untergraben, mit Gefängniß nicht unter drei Mo-naten bestraft. Im§ 1 sind die„sozialdemokratischen Ziele„näher präcisirt Wörden und zwar unter Heranziehung der im§ 6 enthaltenen Bestimmung„Untergrabung der rechtlichen odersittlichen Ordnung". Solche Druckschriften und Vereine könnenvom Bundesrathe verboten werden. Die Vorlage gelangte indieser Gestalt gegen 4 Uhr zunächst ohne Motive an den Reichs-tag. Die Motive werden im Laufe des Abends erwartet.— DieBerathungen werden am Mittwoch oder Donnerstag ihren Anfangnehmen.— Die Wahl prüfungs-Commission des Reichstags(Berichterstatter Abg. v. Pxttkammer-Sorau) hat über die Wahlim schleswig- holsteinischen Wahlkreise(Altona) Bericht erstattet.Es handelt sich um die Wahl des Professors Karsten in Kiel,dessen Gegencandidat unser Parteigenosse G.W. Hartmann inHamburg war. Ersterer erhielt bei der engeren Wahl 14,125,Letzterer 12,815 Stimmen. Gegen dieses Ergebniß sind einedem Attentat, an der Sittenverwilderung, glauben wir den Nach-weis führen zu können, daß gerade in der Bibel, und an mehrals einer Stelle, der Meuchelmord und der Königsmord alshochverdienstliche Thaten gepriesen werden.Schlagen wir auf Buch der Richter, Cap. 3, Vers 12—23,so finden wir eine Erzählung, wie Ehud den König Eglon vonMoab während einer ihm gewährten freundschaftlichen Unter-redung unter vier Augen meuchlings ersticht und ob d'.eser Thatim Vers 15 als von Gott gesendeter Retter gepriesen wird.Im Buche Richter, Cap. 4, V. 17—21 wird erzählt, wieder flüchtige Feldherr Sisra bei der Frau Jacl Schutz sucht,diesen zugesagt erhält und dann im Schlafe von den Händendieser Frau meuchlings seinen Tod findet. Das Mordweib,welches in solcher Weise das Gastrecht entehrt, wird dann inCap. 5, V. 24-27 im Siegesgesang der Dcborah noch in be-geisterten Tönen besungen und hochgelobt.Im 2. Buch der Könige, Cap. 9, V. 6—10 wird ein Unter-feldherr des Königs Achab von einem Prophetenjünger insgeheimzum Gegenkönig gesalbt und mit dürren Worten aufgefordert,das ganze Haus seines Herrn zu erschlagen, welchem Befehleder Verichwörer auch bei der ersten passenden Gelegenheit ge-treulich nachkommt.Doch genug der bluttriefenden Beispiele! Wir fragen nur:tat man angesichts dieser Stellen noch die Keckheit, bei unsönigsmörder zu suchen und zu behaupten, in unseren Reihenwerden solche wahnsinnige Ideen ausgebrütet? Waren dieRavaillac, die Jogues, Clement etwa Sozialdemokraten, war esvielleicht der heuchlerische Oliver Cromwell? Wir sind in derThat begierig, die Antwort der Frommen zu vernehmen.— Eine Reminiscenz. Simson contra Bismarck. DerPräsident des ersten deutschen Reichstages, Herr Simson, derdoch gewiß nicht im Gerüche grundloser Opposition oder Regie-rungsfeindlichkeit steht, äußerte sich gelegentlich der Twesten-Affaire im preußischen Abgeordnetenhause über die Regierungs-kunst des Ministeriums Bismarck mit folgenden Worten:„Mit dieser Art der Regierung(auf wie persönlich edlenund patriotischen Motiven ihre Methode beruhen wag, was ichnicht weiß) ist schlechterdings unverträglich, was der Freiheitauch nur entfernt ähnlich sieht. Die Herren können nicht re-gieren, so gern sie es auch wollen möchten, mit einer freienPresse; sie können nicht regieren ohne Einfluß auf die Zu-sammensetzung der Gerichte und sollte dadurch da» Ansehen der