Haltung der Folter in ihrem schlimmsten Wesen. Und diese Fol- ter steht vollkommen im Belieben des Untersuchungsrichters, wäh- rend die ehemalige Folter nur unter Beobachtung streng vorge- schriebener Formen applizirt werden konnte. Vor einigen Tagen lasen wir, wie in Rudolstadt   ein Mann 6 Monate als des Mor de» verdächtig in Untersuchungshaft gehalten und schließlich, nach- dem sein Lebensglück zerstört, seine Frau in den Tod gejagt wor- den war, freigesprochen wurde, weil die Anklage absolut jeder Be- gründung entbehrte. Heut lesen wir in der BerlinerVolks- zeitung" Folgendes: Düsseldorf  , 12. Okt.(Eine Untersuchungsgeschichte am Rhein  .) Die Rheinländer rühmen stch deS bei ihnen geltenden Civilrcchts und auch wohl deS Versahrens in Untersuchungssachen. Das Ci- vilrecht wollen wir für heute bei Seite lassen, was aber hier auf dem Gebiete der Kriminaluntersuchung alles möglich ist, beweist folgende Geschichte. Im Juli v. I. wurde die Handlung Sieg- mund Jaeger, ein bedeutendes Getreidegeschäft dahier, fallit erklärt und der Inhaber verhaftet. Unmittelbar darauf erhob die Staats- behörde die Beschuldigung wegen einfachen Baukerotts. Indessen wurde nach ganz kurzer Zeit von dem Handelsgerichte die Frei­lassung des Falliten ohne Kaution und von dem Landgerichte gegen Kaution verordnet. Der auf diese Weise freigelassene Fallit sollte sich aber der ihm gewordenen Freiheit nicht lange erfreuen. An- (angs September c. wurde auf Betreiben der Staatsanwaltschaft eine Verhaftung von Neuem verordnet und die Anklage wegen betrügerischen Bankerotts erhoben. Seit jener Zeit, also wäh- rend eines Zeitraums von 13 Monaten befindet sich der Fallit noch immer in Untersuchung und Haft und ist immer noch nicht dem zuständigen Richter zur Aburthei- lung überwiesen. Dies ist geradezu unerhört und erinnert an die finstersten Zeiten des JnquisitionSverfahrens. Wie man sich erzählt, war die Führung der Untersuchung zuerst einem jungen unerfahrenen ReferendariuS übertragen, welchem sie aber wegen verschiedentlicher Mißgriffe, um unS gelinde auszudrücken, entzogen wurde. Die Sache gelangte dann in die Hände des ordentlichen Untersuchungsrichters. Verhaftet wurden demnächst noch der Vater des Angeklagten, ein Bruder desselben, ein Kaufmann aus Düssel­ dorf  , alle der Theilnahme an dem betrügerischen Bankerotte be- schuldigt. Trotz aller Untersuchungsmittel mußten alle Mit-Be- schuldigte nach und nach aus der Haft entlassen und es mußte auch die Beschuldigung selbst aufgegeben werden. Nur der Fallit blieb in Untersuchung und Haft, er befindet sich noch heute hinter Schloß und Riegel. Die Syndike des Falliments erstatteten am 28. Februar dieses Jahres einen Bericht an die Gläubiger, in welchem sie sagen,' daßsicherem Vernehmen nach sich keinerlei An- zeichen eines betrügerischen Bankerotts ergeben, vielmehr die des- fallsigen Verdachtsmomente vom Falliten aufgeklärt worden seien." Trotz alledem ist ter Fallit noch immer verhaftet und noch immer nicht dem zuständigen Richter überwiesen. Man sagt sich Ällerlei über Gutachten und Gutachten, die auf Veranlassung der Staats- auwaltschast über die Bücher des Falliten eingeholt und von denen deS Eine von dem Andern über den Haufen gestoßen worden sei, die kaufmännischen Gutachten sollen sich aber dafür ausgesprochen haben, daß kein Betrug vorliege. Wie dem aber auch sein mag, der Fallit hat ein Recht darauf, daß er vorS Gericht gestellt wird. Er soll sogar 6 Monate lang nicht vom Inquisitor vernommen worden sein. Ja, es soll sogar während der Justiz- ferien die Untersuchung vollständig brach gelegen haben. Als wenn es in einer Kriminal-Untersuchung, bei welcher der Angeklagte v er- haftet ist, überhaupt nur Ferien geben könnte! Inzwischen wer- den die Gläubiger des Falliments aufs Aergstc geschädigt, es liegen aus der Fallitmasse ungefähr 130,000 Thaler bei der Depositen- kafle deponirt, eine Verlheilung hat nicht stattfinden kön- nen, und die Gläubiger verlieren nicht nur die erhebliche Zins- disierenz, sondern entbehren auch des Kapitals, welches sie bei den gegenwärtigen Konjunkturen erst recht gebrauchen könnten. Die Verschleppung der Jaegerschen Untersuchung kann demnach für viele Gläubiger von der unheilvollsten Wirkung sein. Die oberste Justizbehörde hat sich gewiß in die Rechtsprechung nicht einzumischen und wo sie dies unter dem Lippe'schen Re- gime hier in Preßprozessen versucht hat, kann dies nicht genug verdammt werden aber dafür, daß ein Angeklagter vor seinen zuständigen Richter gestellt wird, dafür hat auch der Justizminister gl sorgen. ES sollen in dieser Richtung bereits Schritte gethan ein, damit dieselben aber nicht fruchtlos bleiben, haben wir ge- glaubt, uns mit dieses Zeilen an die öffentliche Meinung und zu- gleich an den Justizminister wenden zu sollen. Herr Justizminister, thun Sie ihre Pflicht und sorgen Sie dafür, daß der Kaufmann Siegmund Jaeger vor seinen zuständigen Richter gestellt wird!" So die Correspondenz derVolkszeitung". Warten wir ab, was derHerr Justizminister" thun wird! Für heute nur Eins: Gegen solche Justizgreuel wäre unter den heutigen Verhältnissen das wirlsamste Mittel, daß die Richter für ungerecht verhängte Hast persönlich mit Leib und Bermö- gen verantwortlich gemacht werden und daß der Geschädigte das Recht der Klage erlangt. Auf anderem Wege ist da nicht zu Helsen.   Um noch einmal auf den Faktor der ultramontanenDeut- scheu Reichszeitung", Herrn Siegert, der im Gesängniß sitzt, weil er es nicht mit seiner Ehre vereinbaren kann, den Verfasser eines angeklagten Artikels zu nennen, zurückzukommen, sei-hier be- merkt, daß, nachdem der oberste Gerichtshof diese Art von Folter alszu Recht bestehend" anerkannt hat, durch diese Entscheidung deS obersten Gerichtshofes nunmehr auch definitiv festgesetzt ist, daß der Rechter das Recht hat, zum Behuf der Erpressung von Zeugenaussagen die Folter der Untersuchungshaft nach Belieben zu verhängen. Wir sagen: nach Belieben; denn der Richter braucht jetzt blos diemoralische Ueberzeugung" zu haben, irgend Jemand weiß irgend Etwas, was auch die Behörde gern wissen möchte, und er hat dasRecht", den betreffenden Je- mand auf unbestimmte Zeit, aus Monate, auf Jahre, ohne Urteilsspruch, einfach nach seinem richterlichen Privatermessen, der Freiheit berauben, von Familie, Geschäft, Verdienst fortreißen, körperlich, geistig, finanziell zu Grunde richten zu können. Wenn das nicht barbarische Zustände sind, wissen wir nicht, was barba- rische Zustände sind. Wenn das nicht Gewissenszwang ist, wissen wir nicht, was Gewissenszwang ist. Wenn das nicht schmachvoller Eingriff in die persönliche Freiheit ist, wissen wir nicht, waS schmachvoller Eingriff in die persönliche Freiheit ist. Wimn das nicht Folter ist, wissen wir nicht, was Folter ist. Da wird jetzt von demKulturkampf" gefaselt. Wohlan, wo findet sich dieKultur" in der Siegerl'jchen Angelegenheit? Sind Diejenigen Vertreter der Kultur, welche einen ehrenhaften Mann, weil er nicht zum verrätherischen Schuft werden will, jetzt nahezu vier Monate im Gesängniß halten und das Von Rechts Wegen? Oder wird nicht im Gegentheil dieKultur", die wahre Kultur, welche gleichbedeutend ist mit Bildung und Humanität, nicht die Zündnadelkultur des QuatrifoliumS(vierblätteriges Klee  - l blatt) Wagener- Bismarck- Stieber- Quistorp, wird sie nicht unter die Füße getrampelt in der Person des unglücklichen Faktor« Sie­gert? Ebenso brutal unter die Füße getrampelt, wie nur je in der Person eines Opfers der katholischen Inquisition? Wodurch unter- scheidet sich diese protestantische Inquisition von der katho- ljschen? Wir sind begierig, ob jetzt die Presse sich rühren wird. Nach- dem die Entscheidung deS Obertribunals erfolgtj, ist jeder�Vor- wand, noch länger zurückzuhalten, beseitigt. DieVolkSzeitung", das Hauptorgatt der preußischen Fortschrittspartei, hak, wie�wir gesehen, die Entscheidung deS Obertribunals ohne Bemerkung mit- getheilt. Wird die gesammte übrige Presse dieses Beispiel unsäz- licher Feigheit und Verkommenheit nachahmen, und eS ruhig hin- nehmen, daß die Freiheit jedes einzelnen Staatsbürgers, der Will- kühr deS ersten besten Richters überliefert, lind daß die Presse von der Gnade und Laune des ersten besten Individuums, das Richter heißt, abhängig ist. DaS Objekt, um welches eS sich in dieser Affaire desultramontanen" ZeitungS-Faktors handelt, ist hun- dertmal wichtiger als das Objekt desKulturkampfs" zwischen kaiserlicher und päpstlicherGensdarmerie". Eine Abfertigung. Ja dem vom Kaiser(König) Wil  - Helm unterschriebenen Brief an den Papst findet sich auch die unvermeidliche Phrase vonreichs- und staatfeindlichen Umtrieben". Darauf antwortet nun in demMainzer Journal" ein Katholik, unter dem man wohl nicht ohne Grund Bischof Ketteler vermuthet, wie folgt: Staatsfeindliche Umtriebe haben Ew. Majestät uns im An- gestchte Europa's vorgeworfen. Entweder bewegt sich unsere Agitation innerhalb der Schranken der Gesetze, und dann wären Sie nicht berechtigt, uns diesen Vorwurf zu machen; oder sie geht über diesen Boden hinaus, und dann begründen staatsfeindliche Umtriebe das Ver- brechen des Hochverraths. Nun denn, Majestät, befehlen Sie Ihrer Regierung auf Grund der Thatsachen, die Ihnen ja ange- sichtS eines solchen Vorwurfs zu Gebot stehen müssen, unsere iFührer als Hochverräther vor Gericht stellen zu müssen. 'Nachdem Sie einen so furchtbaren(!!) Vorwurf gegen die Ehre(!!), gegen die Integrität(!!) des Charakters, gegen die Loyalität ihrer Gesinnungen geschleudert, gestatten Sie wenigstens diesen Männern, Ihnen zu beweisen, wie übel Sie berichtet waren." Abgesehen von der albernen Jercmiadc über denfurchtbaren Vorwurf", der in der Anklage hochverrätherischer Gesinnung liegen soll wir kennen sehr vieleHochverräther", die Männer von Ehre" und höchsterIntegrität bes Charakters" sind; und ken- nen sehr viele durchLoyalität" sich auszeichnende, sehr hochge- stellte und sehr einflußreiche Personen, die Lumpen in des Wor- tes weitester und verwegenster Bedeutung sind; und nicht bloß wir kennen derlei loyale Lumpen, sondern waS die Jeremiade noch alberner macht, der Mann, an welchen derKatholik" sein offenes Schreiben richtet, kennt sie auch, von seiner Berührung mit verschiedenen entlarvten Prachtexemplaren dieser Sorte Bismarck  - scheuVolks" her abgesehen von dieser albernen Jeremiade ist die Antwort von zwingender Logik. Entweder ist die Beschuldigung derStaatSfeindlichkeit" bloße Phrase, oder sie ist ernst gemeint. Im ersteren Fall ist sie durchaus unbedeutend, im zweiten Fall muß sie in einer Anklage auf Hochverrath gipfeln. Aus die- fem Dilemma kommen die Herren, die jenen Brief schrieben und vom Kaiser unterschreiben ließen, nicht heraus, sie mögen sich wen- den und drehen wie sie wollen. Kein Wunder, daßOnkel Spener", deS KaisersFrühstücks­zeitung", dem soeben von Berliner   Richtern bescheinigt worden ist, daß, wer auS dem Reptilienfond schöpfe, darum kein Schuft im juristischen Sinn sei, die unangenehme Antwort mit dem Alt- weibergeschwätz abzufertigen sucht, dieInsolenz des Tons"(dieses Schreibens) stehe selbst unter den Auslassungen der deutschen Bi­schöfe ohne Beispiel da;--der UltramontanismuS scheine den Beweis liefern zu wollen, daß die Ehrfurcht vor dem Ober- Haupt deS deutschen Reich« ihm ein gänzlich fremdes Gefühl ist, und daß er auch darin(!) mit der Sozialdemokratie auf gleicher Grundlage, mit der großen Mehrheit der Nation aber im feind­lichen Gegensatz sei. Nun, das Letztere bleibt abzuwarten. Was uns Sozialdemokraten betrifft, so bekennen wir gern, daß wir vor Niemand und NichtsEhrfurcht" haben, und daß wir dieEhr- furcht" für ein Gefühl halten, dessen nur unklare und beschränkte Menschen fähig sind. Daß die Antwort deS Katholiken nicht geeignet ist, den Kaiser in der öffentlichen Achtung zu Heben, daS geben wir gern zu; dieSpenersche Ztg." möge deshalb mit ihren eigenen Patronen rechten, welche den Kaiser, gegen allen konstitutionellen" Brauch in die Arena deS politischeu Kampfs geführt haben, wo es natürlich Püffe setzt. Erwähnt sei noch, daß auch die BerlinerVolkszeitung", Hauptorgan der preußischen Fortschrittspartei, über die Antwort höchlich erbost ist, und siedreist" nennt.Dreist", daß man sich aus den Boden deS Rechts stellt! O du für denRechtsstaat" schwärmende Dunckerin! Aus Krähwinkel hätten wir beinahe gesagt nein auS Bayern   schreibt man derFrankfurter Ztg.":Wir erhalten soeben Kenntniß von einer vom Ministerium deS Innern erlasse- nen Entschließung, die wohl eine prinzipielle Bedeutung in der Frage der Coalition der Arbeiter hat. Ja Augsburg   wollte stch vor längerer Zeit ein«internationale Metallarbeiter- schaft" bilden. Der Augsburger   Magistrat, an dessen Spitze der liberale" Bürgermeister Fischer steht, erließ hierauf eine Verfü gung, wonach dieseMetallarbeiterschaft" nach Art. 11 deS Ver- einsgejetzes als ein politischer Verein zu betrachten ist, da der Vereinszweck, wie insbesondere aus dem§ 2 der Vereinsstatuten hervorgehe, aus öffentliche Angelegenheiten sich beziehe.(Der dtirtc § 2 der Statuten nennt als Zweck der Bereinigung:gegenseitige Wahrung der Ehre und geistigen und materiellen Interessen der Gewerbsgenossen durch Abschaffung aller bestehenden Zwangskassen und Einführung freier KrankenuntcrstützungS- und Bezräbniß- kassen, Gewährung von Schutz an die Mitglieder gegen Bedrückung oder ungerechtfertigte Anforderungen von Seiten der Arbeitgeber und Behörden, nöthigensalls Bestreitung der Kosten für alle ge- richtlichen Klagen und Führung der Prozesse auS der Gewerkschafts  - lasse".) Die magistratische Verfügung enthält nun weitere Stelle: Mit Rücksicht darauf, daß die AugSburger Mitglieder der inter  - nationalen Metallardeiterschaft einen Bevollmächtigte» und einen OrtSkassirer gewählt und im Hinblicke auf die Statuten kann eS keinem Zweifel unterliegen, daß diese Mitglieder dahier thatsächlich einen Zweigverein der Metallarbeiterschaft bilden, deren Beschlüssen und Organen sie nach den Statute» unterworfen sind und mit welcher sie zu einem gegliederten Ganzen vereinigt sind. ES wird demgemäß auf Grund de« Art. 17 des Vereinsgesetzes eröffnet, daß der hiesige Zweigverein der internationalen Metallarbeiter- schaft, wenn derselbe in Wirksamkeit treten und bezw. seine Wirk- samkeit fortsetzen sollte, gemäß Art. IS, Ziff. 4 des Vereinsgesetzes sofort geschlossen und Strafeinschreitung gemäß Art. 122 de- antragt werden müßte." Der hierauf bei der schwäbischen Kreis- regierung erhobene RecurS wurde von dieser Stelle ohne jede weitere Motivirung verworfen und der Magistratsbeschluß pure(ohne Aenderung) bestätigt. ES wurde nun Beschwerde beim Ministerium eingereicht; dasselbe hat jetzt, nachdem ihm die Be- schwerde vor l'l, Jahren eingesandt wurde, dahin entschieden, daß der Beschluß des Magistrates außer Wirksamkeit gesetzt werde, da aus den Statuten der internationalen Metallarbeiter- schaft in Chemnitz   das Bestehen eines AffiliationsverhältnisscS im Sinne des Gesetzes zwischen der genannten Metallarbeiterschaft und den Mitgliedern derselben in Augsburg   nicht entnommen werden könne." So ist also daS unzarische Ministerium noch übertroffen, welches zur Entscheidung über die Statuten des Arbeitervereins Vorwärts" nur ein Jahr gebraucht hat. Die Entscheidung del Ministeriums hat das Gute, daß mit derselben den burcaukrati- scheu Plackereien in Bayern   gegen die internationale Metallarbeiter- schaft wenigstens insofern ein Ziel gesetzt ist, als die Artikel 14 und 17 des Vereinsgesetzes nicht mehr in der Weise angewendet werden können, wie es stch der Herr Fischer und die lakonische Kreisregierunz von Schwaben   erlaubt haben. Die bayerische» Arbeiter mögen sich den Fall merken, damit sie dem Hrn. Fischer und seinenliberalen" Genossen heimleuchten können, wenn die- selben sich unterstehen sollten, von ihrerFreisinnigkeit" zu reden. Moderner Ablaß  ! Pfälzische Blätter berichten: An einem Abend im Mai d. I. hat ein Oekonom  , David Raab, von Lambsheim  , einen gewissen Friedrich Lichtenbecger von Lud- wigShafen beim Verlassen des WirthShauses zu Lambsheim   über- fallen und mit Mess-rftichen so schwer verwundet, daß der Ange- griffenc wochenlang in Lebensgefahr schwebte. Im Publikum kennt man die Dinge nicht, welche den Thäter zu diesem lleberfall ver- anlaßten.-Zu Ende der vorigen Woche sollte nun die Aburtheilung Raab's vor dem Zuchtpolizeigerichte zu Frankenthal   stattfinden. Da, bei Eröffnung oer Sitzung, erklärte der Anwalt des Beschä- digten, daß dieser seinen Strafantrag zurückziehe. Somit war, nach der neuen R-ichSgesetzg-bung, jede gerichtliche Bestrafung be- seitigt, ja der Staat, d. h. die Gesammtheit der Steuerpflichtigen, hat die sämmtlichen erwachsenen Kosten der Untersuchung zu tragen! Nun Hai man mittlerweile erfahren und es ist so sehr öffent- liches Geheimniß, daß es bereits in den pfälzischen Zeitungen steht, daß Raab sich um den Preis von 5000 Gulden von Lichtcnberger losgekauft habe, wovon dieser der Gemeinde Lambs- heim die Hälfte schenke." Der vorliegende Fall zeigt, daß unsere moderne Rechtspraxis noch nicht einmal über den Tetzel hinausgekommen ist. Der Tetzel war allerdings ein frecher Pfaffe er war auch auS Leipzig   und verkaufte vor etwa 380 Jahren seine Ablaßzettel für schweres Geld unter dem Motto:Sobald daS Geld im Kasten klingt, die Seele aus dem Fegfeuer springt!" Die heute herrschende Rechtspraxis aber stellt Demjenigen, der einen meuch- lersschen Mordanfall verübt hat, einen Ablaßzettel ans mit dem Motto:Sobald daS Geld-m Kisten klingt, der Meuchler aus dem Gesängniß springt!" Die Sache ist einfach die: Die330 Jahre vom Tetzel aus dasneue Reich" haben uns so vielEntwicklung" gebracht, daß statt himmlischer jetzt irdische Ablaßzettel in aller Form ausgestellt werden. Der Tetzel war ein grober Schwindler; er griff derewigen Gerechtigkeit" imJenseits  ", im Himmel vor, verwandelte die Ehebrecher in Tugendhelden, die Diebe in Be- schützer deS Eigenthums, die Mörder und Räuber inKultur- tämpfer" Alles fiir's Geld! O, daß dieser Mann noch lebte! Er würde manchen Bock in ein Schaf verwandeln. Die moderne Rechtspraxis aber macht aus Meuchlern ganzanständige Leute", Alles sür's Geld! Ja, wer einen langen Geldbeutel hat, der mag sich wohl fühlen! Er fällt einen Andern meuchlerisch an, sticht ihn schier todt und zahlt für das Vergnügen 5000 fl., denn er hat's ja! Damit aber auch das Publikum seinen Antheil au solcher Kulturentwicklung habe, werden die Gerichtskostcnnieder- geschlagen", d. h. die gesammten Steuerzahler haben sie zu tragen. Die neue Bestimmung, welche die Bestrafung solcherKörperver- letzungen" nur auf Antrag des Verletzten eintreten läßt, macht eS möglich, daß irgend welcher reiche Flegel dieKörperverletzung" als Vergnügen betreiben kann! Mit Geld ist ja All-S wieder zu vertuschen! Nicht den Richtern zu Frankenthal   machen wir irgend einen Vorwurf; sie haben nach den bestehenden Gesetzen gehandelt, weil sie nicht anders konnten. Aber das System, nach welchem dieseGesetze" geschaffen sind, welches duld.t, daß für Geld Ab- laßzettel auf Mord unv Todtschlag ausgeft llt werden, da» System, dessen ganze Moral im Geldbeutel steckt, daS ist in unfern Augen, die wir das Interesse deS armen ManneS vertreten, ein unsitt- licheS System, das die heutigeGleichheit vor dem Gesetz  " nicht anders zu illustriren weiß, als mit dem Tetzel! Darum hinauS mit dem T tz.'l und waS drum und dran hängt, aus dem neun- zehnten Jahrhundert! Bett  ' um die gnädig' Straf!" hatte bisher der österreichische Soldat zu sagen, beoor die Prügel-Prozevur an ihm vollstreckt wurde, und mitDank' für die gnädig' Straf!" quittirte er den richtigen Empfang. Dieses famose Stück Kultur scheint verschicdeue Fabrikanten auf diegöttliche Jvee" gebracht zu haben, auch der Arbeiter, in ihren Augen daS zu scheerende Schaf, habe sich nicht allein für die Schur zu bedanken, sondern auch um dieselbe zu bitten. Es ist ein altes Kunststück der Herren Schafscheerer, daß sie stets einige Schafe auftreiben, die stch beklagen müssen, daß sie nicht mehr Wolle lassen dürfen, sobald die Herren Schasscheerer gegen jene weaizcn und ungenügenden gesetzlichen Bestimmungen vorgehen wollen, welche die Schur manchmal etwas erschweren. In diesem Sinne muß man eS auffassen, wenn in verschiedenen Blättern zu lesen steht, daß die Spinner von Crimmitschau  , Werdau  , Glauchau   und Plauen   gesonnen seien, eine Petition an das Ministerium zu richten folgenden Inhalts: -1) DaS königliche hohe Ministerium wolle hochgeueigtest dahin wirken, daß die MmimalalterSgrenze für die Beschäftigung von Kindern in Vigogne  - und Streichgarnspinncreien von dem 12. auf daS 10. Lebensjahr herabgesetzt werde; 2) das h. Ministerium wolle seinen Einfluß dahin geltend machen, daß die Bestimmung der ReichSgewerbeorvnung, wonach jugendliche Arbeiter von 14 bis 16 Jahren nur 10 Stunden täglich beschäftigt werden dürfen, l wieder aufgehoben werde; 3) das h. Ministerium wolle dahia wirken, daß die in der gegenwärtigen Gewerbeordnung enthaltenen% Beschränkungen der Arbeitszeit Minderjähriger nicht noch auf i höhere Lebensalter ausgedehnt werden; 4) daS h. Ministerium wolle dahin wirken, daß keine neuen beschränkenden Bestimmungen in Betreff der AibeitSzeit von erwachsenen weiblichen Personen rs gesetzlich angeordnet werden." ES wird Jedem klar sein, daß diese? Machwerk nicht von r' Spinnern, sondern von Spinnereibesitzcrn ausgeht. Leider i* ist es Thatsache, daß stch nur zu viele Arbeiter finden, welche in ihrem eigenen Fleische wühlen und solche Petitionen unterschreiben. L4 Der Lohn der Spinner ist durch die Konkurrenz der Maschinen l