Vom Ende der Tyrannen Lehren der Weltgesdiidite Von Plutarch  . Polykrates, der Tyrann von Sa- mos, stand auf dem Dachgarten seines Schlosses und zeigte seinem Freund, dem Duce" von Aegypten  , das beherrschte Land. Seine Feinde saßen im Kerker oder hatten auf die benachbarten Inseln flüch­ten müssen. Von Recht und Freiheit war auf der ganzen Insel Samos   nichts mehr zu merken. Dafür herrschtenRuhe und Ordnung", die Geschäfte blühten, und das Volk beugte sich demütig, wenn es den Tyrannen erblickte. So verlangte Poly­krates von seinem ägyptischen Kollegen das Geständnis, daß erglucklich" sei Aber derDuce" oder Pharao   war klüger und wollte dem Freunde Polykrates das Attribut nicht geben. Dann kam das Ex­periment mit dem Ring; dann geht die alte Erzählung weiter: es kam der Fisch und das Ende. Der Tyrann war tot, seine Herrlichkeit vernichtet, niemand wollte mehr von ihm etwas hören. Für die Mit­welt wurde sein Name ein Fluch und für die Nachwelt ein erbauliches Märchen. Das Schicksal des Tyrannen im alten Griechenland, wie die poetische Ueberlie- ierung es festhielt, ist typisch für all die Männer geworden, die in den nächsten zweieinhalb Jahrtausenden den gleichen Weg wandelten wie Polykrates von Sa­mos. Merkwürdig an der Geschichte der Tyrannen ist stets der plötzliche Wechsel. Gestern noch die Allmacht. «Er" erscheint stolz und sicher inmitten einer Garde, die Truppen salutieren und das Volk jubelt, und am nächsten Morgen ist alles wie weggewischt; übrig bleibt" ein kläglicher Misthaufen und der Fluch des befreiten Volkes. Der Typus des Tyrannen ist schon von den Denkern der Antike durchaus treffend erfaßt worden, und die späteren Erfahrun­sen haben nur die Richtigkeit des Bildes bestätigt Der Tyrann ist nicht identisch mit dem großen Diktator, wie er von Zeit zu Zeit in den Krisen des Völkerlebens auftritt und sein Genie dem Strom des Geschehens entgegenstellt. Weder ein G ä s a r noch ein Napoleon I.   gehören zu dem landläufigen Typus des Tyran- ncn. Sondern der durchschnittliche Ty- rann ist ein raffinierter, kleiner politischer Schieber, ein Demagoge, der sich in Zei- 1 'en einer solchen Krise breitmacht und im Wirrwarr eines unentschiede- "cn Klassenkampfes zur Macht «reift Die Tyrannen des Altertums traten auf. wenn in einer Republik der Kampf 'wischen Adel und Volk noch nicht e"tschieden war, und die modernen Ty- mnnen schleichen zur Macht wenn das Rmgen zwischen Kapital und Ar­beit eine bestimmte Entwicklungsstufe Erreicht. Sie schwatzen dann von der Versöhnung der Klassen und Stände, sie uppellieren an Volk und Nation, sie ver­sprechen jedem, was er hören will und Pzophezeien das neue Reich der Glück­seligkeit. Das Volk, eine Zeitlang von den Wechselfällen des Klassenkampfes ver- svim, glaubt ihnen und trägt sie hoch. Dann sieht man, wie die Tyrannen von Ihren Versprechungen nichts halten kön- "en, wie sie nichts bringen können als Mord, Gewalt und Niedertracht und eines Tages zerplatzt die ganze Herrlich­keit Aufstieg und Untergang der Tyran- nen ist immer nur eine Episode im histo- zischen Klassenkampf. Die wirklichen «zoßen Revolutionen im Völkerleben sind bberaus langwierig und schwierig, voll von Wechselfällen und Rückschlägen, da­ngen die Tyrannen kommen schnell und Jössen noch schneller gehen. So ver- 8leiche man in der Geschichte Frank- zeichs den schwierigen, qualvollen Ent­wicklungsgang der großen französischen  Revolution mit der operettenhaften Schnelligkeit mit der Napoleon III. die- �z Mustertyrann die Stufen zur Macht erstieg. Nach dem Tage von Sedan war Jez Tyrann von allen verlassen, und die Republikaner kamen ohne jeden Wider- staz.d zur Macht p O�ez nian denke an die wechselvollen treignisse der spanischen   Klassenkämpfe Das war Eure Sdmld Zusdirift eines katholischen Akademikers Der Autor des folgenden originel­len Beitrags zurSchuldfrage" hat in den Reihen des linken Zentrums ge­kämpft.Seine Zuschrift ist tür die geistige Haltung katholischer Kreise charakteristisch. Red. d.N. V." Deutsche   Mitbürger sozialistischer Gesinnung! Das heutige Dritte Reich Hitlers verfehmt Euch. Es schließt Eure Führer im Auslande von der Volksgemeinschaft aus, es verfolgt sie im Innern, wirft sie brutal aus öffentlichen und privaten Stellungen, beschlagnahmt ihr Ver­mögen, sperrt sie in Konzentrationslager, miß­handelt sie auf das Grausamste durch ihre SA.- und SS.-Horden, quält sie zu Tode, erschießt sieauf der Flucht", oder verhaftet die Familienangehörigen als Geiseln, wenn es ihrer selbst nicht habhaft werden kann. Laßt mich als katholischen Akade­miker, der auch bis zur Eröffnung des glor­reichen Dritten Reiches im öffentlichen Leben mitarbeitete und viele Versammlungen gehalten hat, prüfen, was denn eigentlich Eure Schuld war, daß so Entsetzliches passieren konnte, daß die ganze Welt erstaunt aufhorcht 1, Eure Schuld war, im Wilhel­minischen Reiche für die Verbes­serung der Lage der schaffenden Ständezu arbeiten. Zwar erkannte selbst Bismarck die Bedeutung einer starken Sozialdemokratie an. um den Besitzenden das Gewissen zu schärfen. Trotzdem wurde Ihr Im Staate als Bürger zweiter Klasse in allen öffentlichen Aemtern bis zum letzten Nacht­wächter ausgeschlossen. Trotzdem durftet Ihr zwar alsGemeine" des Königs Rock tragen, die Offizierslaufbahn aber blieb nicht Euch, sondern nur den Trägern der feudalen Kaste und deren Bankbehaltern vorbehalten. 2. Eure Schuld war welter, als der Weltkrieg kam, alles Vergan­gene zu vergessen und Euch dem b"e drohten Vaterlande zur Ver­fügung zu stellen, restlos Eure Blutopfer weit über andere besit­zende feudale Stände zu bringen. Es fielen Eure Besten; Ludwig Frank-Mann­heim. der einzige Abgeordnete, während feuda­lere Kollegen wie der Kaiserliche Kapitänleut­nant Graf Reventlow   daheim kämpften. 3. EineSchuld im Kriege war auch, daß Eure Frauen und Kinder an Unterernährung in der Heimat krank wurden und starben, wäh­rend kapitalistische Kriegsgewinnler mit dem feindlichen Ausland Geschäfte machten. Der Weltkrieg ging bekanntlich Infolge un­ersättlicher Erobcrungszicle alldeutscher Heim- kriegs-MauHielden und verpaßter Friedensge­legenheiten verloren. Da 4. war es Eure Schuld, als Wilhelm aufRat Hindenburgs" nach Holland   deser­tierte, Kaiserliche Minister, Junker und andere Patrioten sich in Mauselöcher verkrochen und einfach nicht da waren, mit den bisheri­gen Feinden(zusammen mit Erzberger) z u verhandeln und Frieden zu schlie­ße n, k u r z die Folgen des ganzen Kaiserlichen Systems zu liquidieren. 5. Eine weitere Schuld war es auch von Eueren besten Führern das Herabsinken Deutschlands   in den Bolsche­wismus zu verhindern, indem Ihr die Weimarer Verfassung   schüfet, die freieste der Welt 6. Daß ihr aber auch Freiheit gabt deren grimmigsten Feinden, ja ihnen sogar hohe Pen­sionen ausbezahltet um gegen diesen Staat zu wühlen, das war wirklich ein Ver­schulden, das nur Eurer übertriebenen Ge­rechtigkeitsliebe entsprang. Leider muß Jetzt dafür das ganze Volk, ja sogar die ganze Welt leiden. 7. Leider habt Ihr ein weiteres Ver­schulden auch begangen, indem Ihr an Treu und Glauben geglaubt habt und hohe Beamte aller Stellen in diesen Stellen be­lassen habt wenn sie nur den Eid auf die Ver­fassung geleistet haben. Ihr glaubtet eben auch an Manneswort und Dankbarkeit und vergaßet daß es diese Tugenden bei denEdelsten der Nation" eben kaum gibt 9. Ein weiteres Verschulden von Euch war auch, der Katholischen Kirche Weimar tatkräftig zu arbeiten, ihn als Hort der Freiheit auch für Eure Totfeinde, als Boll­werk sozialer Gerechtigkeit auszubauen. Leider habt Ihr dabei vergessen, daß ein großer Teil dieses Volkes der Dichter und Denker gar keine Freiheit will, sondern die Hundepeitsche und Bluthunde der Sklavenhalter vorzieht. Ein weiteres Verschulden von Euch war auch der KatholischenKirche in Deutschland   die Freiheit zu bringen, die sie unter Wilhelm nie hatte, freie Religionsaus­übung, Prozessionen u. a. mehr, nachdem doch das Wilhelminische Reich einprotestantisches Kaiserreich" gewesen war. 10. Auch ein Verschulden war, den kaiserlichen Feldmarschall Hindenburg   1932 zum Reichspräsidenten zu wählen unter großen Blut- und Geldopfern, außerdem auf Anregung Löbes den Gefreiten des Weltkrieges Hitler  die deutsche   Reichseinbürgerung zu verleihen. Die Quittung habt Ihr ja bereits empfangen, Ihr und alle anderen Wähler Hindenburgs sind heute geächtet, Löbe ist im Konzentrationslager und die Gegner Hindenburgs regieren im Drit­ten Reiche." 11. Daß Ihr gegen die Gewaltstreiche Pa- pens den gesetzlichen Weg nicht verlassen, bei allen folgendenTaten" bis zur letzten Reichs­tagssitzung im Mai 1933 loyal und objektiv ge­handelt habt und bis zuletzt auf dem Platze geblieben seid, so lange es überhaupt möglich war, ist unbedingt ein Verschulden. 12. Das größte und letzte Ver­schulden von Euch bestand aber darin, daß Eure führenden Männer nicht Alle auch weiterhin im Dritten Reiche ver­blieben sind, sich nicht Alle in Konzentra­tionslager schaffen, umlegen, durch die Straßen der Städte zum Gaudium eines braunen Pöbels führen ließen(zum Danke für ihre positive Mitarbeit am Staate, für ihre Gerechtigkeit auch perversen Tyrannen gegenüber, bei denendie Sprache nur dazu dient die Gedanken zu ver­bergen). Sic Alle hätten ihr gesamtes privates, Partei-, Gewerkschafts- etc. Eigentum den braunen Horden und deren unfähigen Organen ausliefern müssen, um das Dritte Reich nicht nur auszubauen, sondern auch die ganze Welt damit zu beglücken. Denn an Deutschem   Wesen muß noch einmal die Welt genesen." Wenn aber eines Tages überraschender Weise dieses System von Deutscher   Kraft und Stärke, von rassischer Reinheit und völkischer Vollkommenheit völlig zusammenbrechen und Ihr Wotan verhüte es! an seine Stelle treten solltet ob Ihr aus Eurem Verschulden lernen würdet, wer weiß es? Um Antwort wird gebeten! Ein katholischer Akademiker. Tyrannen und er kann noch jeden Wider­stand mit blutiger Hand niederschlagen. In der dritten Periode ergreifen Zweifel und Unglaube auch die eigenen Leute des Tyrannen, seine Leibgarde, seine Trup­pen, seine Ratgeber, seine Partei. Jetzt hat der Tyrann mit den Klassenkräften des Landes nichts mehr zu tun, er hat keine Erfolge mehr, man verachtet und verhöhnt ihn, manchmal stürzt er sich in ein Abenteuer der Außenpolitik, um die Katastrophe im Innern hinauszuschieben. Aber alles bleibt umsonst. Am Schluß der dritten Periode steht der Zusammenbruch. Wie lange jede der drei Perioden dauert, ist im Einzelfall ganz verschie­den. Aber diese Perioden und das Ende bleiben keinem Tyrannen erspart. im letzten Jahrhundert, man vergleiche damit den schnellen Sieg und das würde­lose Ende des Tyrannen P r i m o de R i v e r a. Oder um einige Beispiele an­zuführen, die sich in neuester Zeit in klei­nerem Rahmen abspielten, man denke an die Tyrannen Zankow von Bulgarien, Woldemaras von Litauen   und M a- c b a d o von Cuba  . Die Liste ließe sich beliebig verlängern, wenn man in ältere Geschichtsperioden zurückgreifen will. Es ist immer dieselbe Erscheinung; erst eine scheinbar gewaltige Macht des Tyrannen. eine stolze Entfaltung von Militär, Polizei, Leibgarden und sonstigen bewaffneten Anhängern des Herrn. Manchmal hält sich eine solche Herrschaft jahrelang, es gibt scheinbar keine Opposition mehr, in Strömen von Blut wird jeder Widerstand erstickt, und dann kommt eines Tages ein kleiner Anstoß, und das ganze Kartenhaus stürzt zusammen. Keine Regierung der Welt wird durch Roß und Reißige" gesichert, sondern jede Herrschaft besteht durch die Stärke der Klassenkräfte, die sie tragen, und durch die moralische Autorität, die von ihr ausgeht. So zerfällt die Herrschaft eines jeden Tyrannen in drei Perioden. In der ersten Periode glauben ihm weite Kreise des Volkes aus den verschieden­sten Klassen, die in ihm den Ueberwin- der der Gegensätze erblicken. In dieser Zeit ist der Tyrann wirklich stark. In der zweiten Periode beginnen die Illusio­nen zu schwinden, die Opposition wird stärker, aber noch glauben mindestens seine Söldner und sein Apparat an den Das Vorbild 1851- 1933 Von Karl Marx  . Ein Bandit hatte sich, unterstützt und ge­trieben von anderen Banditen, durch einen tückischen Streich der unbeschränkten Gewalt im Staate bemächtigt Durch eine Revolution also? Kein Gedanke! In Revolutionen fegt das Volk die bestehende Obrigkeit weg, aber er hatte sich das höch­ste Amt der Republik   erschlichen, und als er, unter frechem Bruch des auf die Verfassung geleisteten Eidschwurs ausholte, um die Republik   abzuwürgen, wußte er die ganze bewaffnete Macht, das Herr, die Polizei, die Gendarmerie hinter sich und gegen sielt nichts als die Parteien, die, unter sich hadernd, einander lähmten und, teils zu vcrtraucns- selig, teils überrumpelt, keinerlei Widerstands­kraft aufbrachten. Die Welt staunte, wie leicht einem so unbedeutenden und trüben Abenteurer die Macht zufallen konnte. Aber obwohl er über die Bajonette und die Kanonen gebot, fühlte er sich innerlich un­sicher. Bei aller Verachtung der Demokratie gelüstete es den Banditen, sein Banditenstück­chen durch einen Willensakt der Nation recht­fertigen zu lassen. Darum rief er mit schwül­stiger und schmalziger Proklamation das Volk zur Abstimmung auf. ein Plebis­zit der Massen sollte entscheiden, ob ihrem Vergewaltiger die oberste Gewalt gebühre. Volk, an die Urne! Wenn daraus eine über­wältigende Mehrheit von Jas hervorstieg. mußte auch die Welt den Usurpator als ein sozusagen legitimes Staatsoberhaupt aner­kennen. Entnervt durch Jahre der Unruhe und des Elends und verdummt durch eine auf das nie­drigste Niveau der Gewissenlosigkeit herab­steigende Propaganda, befand sich ein be­trächtlicher Teil des Volks in der Lage des Kranken, der in seiner Verzweiflung zum Kurpfuscher läuft, wo der Arzt zu versagen scheint Selbst wenn die verschwenderisch ausgestreuten Phrasen vonnationaler Ehre" undVolksgemeinschaft" nicht zogen, würden Millionen ohne weiteres mit Ja stim­men, die Kapitalisten, die in dem neuen Manne die sicherste Schildwaohe vor ihrem Kassen­schrank erblickten, die Fabrikanten, die von ihm eine Ueberwindung der schleichenden Wirtschaftskrise erhofften, die Kleinbürger. denen die kargen Ersparnisse zwischen den Fingern zerrannen, auch viele Arbeiter, die der Republik   grollten, weil sie ihre Verspre­chungen nicht gehalten habe, und vor allem die Bauern, denen die Agitatoren des Banditen mit besonders handgreiflichen Verheißungen Steuerbefreiung und hohe Vieh- und Getrcide- prelse um den Bart gegangen waren. Es fehlte nicht an Leuten, die gar nicht mit seinen Taten übereinstimmten, aber rund heraus er­klärten:Da er nach Abnutzung aller alten Parteien an die Gewalt gelangt ist, erscheint er als der einzig mögliche Mann an der Spitze. Fiele er, so käme der Bürgerkrieg, das Chaos, das Ende des Vaterlandes. Wir wissen, daß er ein Verbrecher ist, aber lieber für einen Verbrecher stimmen, der Ruhe und Ordnung verbürgt, als für Bürgerkrieg und Chaos!" Nur, würde die Zahl der freiwilligen Ja- Sager zum unbedingt erforderlichen Riesen­triumph ausreichen? Der Oberbandit und seine Unterbanditen ließen sich darüber keine grauen Haare wachsen. Nur eine unverfälschte Volks­abstimmung vermochte ihnen gefährlich zu werden, nicht die von ihnen geplante Farce einer Volksabstimmuhg, die einem wirklichen Plebiszit bestenfalls so glich wie die auf der Bühne aufgetischte Gans aus Pappe einem sab! gen Gänsebraten. Damit ein Plebiszit den Willen des Volke* ausdrückte, mußte es In voller Freiheit vor sich gehen. Pressefreiheit, Yer-