Pässe für Flüchtlinge! Eine brennende Frage der Emigration. Die Regelung der P a ß f r a g e, der Einreise- und Aufenthaltsbewilligungen ist geradezu die Voraussetzung für die wirtschaftliche Fürsorge für die deut­ schen   Flüchtlinge, Der Völkerbund   ist durch die russi­schen Flüchtlinge, deren Zahl auf eine Million geschätzt wird und die etwa 300.000 armenischen schon früher vor ahnliche Probleme gestellt worden. Der Nansenpaß wird von 50 Staaten für rus­sische, von 36 für armenische Flücht­linge ausgestellt. Diese Staaten erken­nen auch die Nansenpässe gegenseitig an. Deutsche   Behörden regten im Apri 1926 eine ähnliche Regelung für Staa­tenlose an und der Bund der Staaten­losen richtete im Jahr 1927 von Berlin  aus eine entsprechende Bitte an den Kommissar für russische Flüchtlinge. Ein Sachverständigenko­mi tee   hat dann nach Beratung der Frage im Januar 1927 ein Gutachten er­stattet. Es hat dabei festgestellt, da£i außer für die Staatenlosen eine Rege­lung gefunden werden müsse, auch für Personen zweifelhafter Staatsange­hörigkeit und für solche, deren Staats­angehörigkeit zwar einwandfrei fest­steht, denen aber von den Behörden ihres Staates der Paß verweigert wird Die Sachverständigen erklärten, ihre Aufgabe nach praktischen und mensch­lichen Gesichtspunkten löse zu wollen. Es komme darauf an, allen, die den Schutz eines Staates entbehren müssen, zu helfen und gleichzeitig den Staaten, in die sich die Flüchtlinge aus einem anderen Zufluchtsstaat begeben, eine Sicherung zu verschaffen. Die Sach­verständigen waren der Meinung, daß durch die Gewährung von Pässen, die zwar eine zweifelsfreie Staatsangehörig keit haben, aber keine Pässe bekommen können, die Zahl der Staatenlosen nicht vergrößert werde. Das Komitee schlug vor, die Staa­ten sollten eine Konvention abschließen, nach der den genannten drei Personen­gruppen von den Staaten ihres Aufent­halts ein Paß von einheitlichem Aus­sehen gegeben werden solle, mit dem TitelPaß für Personen ohne nationalen Paß." Die 3. Allgemeine Konferenz für Verbindungen und Verkehr machte sich in ihrem Beschluß vom 2. September 1927 den Expertenvorschlag nicht zu eigen. Gegen die Gewährung eines einheitlichen Dokuments bestand kein Widerstand, wohl aber gegen die Einbeziehung der Personen zweifelhafter Staatsange­hörigkeit, denen von den Behörden ihres Landes der Paß verweigert wird. Die Gegner der Gewährung eines Pas­ses an diese Gruppe sagten, es sei not­wendig, die Zahl derjenigen zu be­schränken, die sich entnationalisieren ohne eine neue Staatsangehörigkeit zu erwerben. Auch handle es sich bei den Personen, denen die Behörden ihres Vaterlandes keinen Schutz geben wollen oft um solche, die sich der Steuerlei­stung oder Militärpflicht entzogen oder gegen die Gesetze ihres Landes ver­stoßen haben. Die Konferenz ließ dann den Gedan­ken der Gewährung von Pässen an Personen mit zweifelsfreier Staatsange­hörigkeit ganz fallen. Sie lehnte auch den Vorschlag einer Konvention ab und beschloß lediglich den Staaten zu emp­fehlen, Staatenlosen und Per­sonen mit zweifelhafter Staatszugehörigkeit einen Personalausweis zu geben. Auf diesem Papier soll vermerkt wer­den, daß es sich um einen Fremdenpaß handelt. Es soll weiter vermerkt wer­den, daß der Träger des Passes bei Reisen das Recht zur Rückkehr in das Land haben soll, das den Paß ausge­stellt hat, es sei denn daß dieser Ver­merk gestrichen ist. Der Paß soll in der Regel auf 6 Monate ausgestellt wer­den. Er soll möglichst für alle Länder oder doch wenigstens Ländergruppen gelten. Jedes Land behält die Entschei­dung, ob es dem Paß sein Visa erteilen will, doch soll dabei möglichst einfach und großzügig verfahren werden. Ein Anspruch auf Schutz durch die Behör­den des Landes, das den Paß ausstellt, wird mit dessen Bewilligung nicht ver­bunden, ebenso wenig eine Aenderung in der Nationalität des Besitzers. Die Empfehlung der Kommission auf Ein­führung eines solchen Ausweises soll die Zulassungs-, Aufenthalts- und Nie­derlassungsgesetzgebung der einzelnen Staaten nicht berühren. Das Völkerbundsekretariat hat im Juni 1929 Auszüge aus den Antworten der Staaten auf die Empfehlung in der Paßfrage veröffentlicht. Danach haben sich bereit erklärt, den einheit­lichen Personalausweis einzu­führen oder hatten schon ähnliche Pa­piere: Südafrika  , Deutschland  , Austra­ lien  , Oesterreich, Belgien  , Bulgarien  , Dänemark  , Aegypten  , Finnland  , Frank­ reich  , Großbritannien  , Griechenland  ; Ungarn  , Indien  , Italien  , Japan  , Luxem­ burg  , Norwegen  , Niederlande  , Portugal  , Serbien  , Siam  , Schweden  , Schweiz  . Est­ land   gibt Staatenlosen oder Personen mit zweifelhafter Staatsangehörigkeit den Nansenpaß, Kanada   und die Ver­ einigten Staaten   von Nordamerika   ha­ben eine Art Schutzbefohlenenpaß für Personen, die lange Jahre ansässig sind und wollen andere Papiere nicht ein­führen, Rumänien   erleichtert die Ein­bürgerung für sie, und will daher dem Vorschlag der Kommission nicht folgen, Kleine Gesdilditen Lerne leiden, ohne zu klagen! Unter dieser netten U eher schritt kanzelt das Leipziger Naziorgan, dieLeipziger Ta­geszeitung", das ehemalige Weltblatt, die leipziger Neuesten Nachrichten" ab, weil sich die LNN. gestattet hatten, das Verbot einiger Stahlhelmgruppen in Braunschweig   als eine .Mchst beklagenswerte Verschärfung der Gegensätze" zu bezeichnen. Wir zitieren aas der höhnischen Antwort des Naziblattes wört­lich: .. so wollen wir keinen Zweifel dar­über lassen, daß kein bürgerli­ches Blatt das Recht hat, an irgendeiner Maßnahme einer nationalsozialistischen Re­gierung auch nur den Schein einer Kritik zu üben" Wohlmeinende Ratschäge oder gönner­hafte Hinweise lehnen wir dankend ab und Kritik bürgerlicher Blätter verbitten wir uns! Also nicht einmal eine Scheinkritik ist der bürgerlichen Pressedirne gestattet. Das Schönste an diesem Trauerspiel ist die Ueber- schrilt: Lerne leiden, ohne zu klagen! Arme Pressekulis! and nahmen die Verfolgung auf. Ueber den weiteren Verlauf der Affäre lassen wir das Naziorgan selbst sprechen: ,J)ie gestohlenen Gegenstände, Schmuck­sachen, Geld und ein Voltmeter, konnten den Einbrechern von den Verfolgern abge­nommen werden. Während die Schmuck­sachen abgeliefert worden sind, hat sich derjenige Verfolger, der dem Einbrecher das Geld and den Voltmeter abgenommen hat, bisher nicht gemeldet and auch die Gegenstände nicht abgeliefert." Hat er nicht? Aber wieso soll er denn auch? Was ein Nazi in der Hand hat, das hält er fest. Das ist sein gutes Recht, aufgebaut auf der Moral des neuen Reiches. Wer weiß denn, ob der Besiohlene nicht ein Marxist war? Und wie sagte doch Graf Helldorf   vor Gericht: .Alle Verbrecher'sind Marxisten!" Ein kösilidier Witj Wie des Chemnitzer   Naziorgan meldet, ist an einem Feiertag in einem Haus am Humboldtplatz eingebröchen und gestohlen 'worden. Eine alltägliche Sache! Aber auf die Hilferufe des Bestohlenen kamen vom nahen Jahnturnplatz nationalsozialistische Turner Immerhin etwas! In Chemnitz   ist die Stelle des sozialdemo­kratischen. germeisters Schenker mit einem nationalsozialistischen Handlungsgehilfen be­setzt, der nun im Chemnitzer   Naziblatt sein n Lebenslauf schildert. Da er selbst fühlt, daß die Aneinanderreihung belanglosester Banalitäten etwas peinlich wirkt, fügt er am Schluß mit gehobener Brust hinzu: Zur Vervollständigung meiner Ausfüh­rungen möchte ich nicht unerwähnt lassen, daß ich seit Frühjahr 1931 verheiratet bin". Natürlich! Respekt vor einem verheira­teten Mann! Wenn man sonst nichts hat ist das immerhin etwas. Der innere Raubkrieg Der deutscheReichsanzelger" veröffentlicht abermals eine Liste über Vermögensbeschiag- nahmen. Es bandelt sich n. a. um die G n t haben nnd in einigen Fällen aneb nm die Wobnungseinricbtungsgegenstän- d e der Eheleute Dr. Rudolf und Toni B r e i t s c h e I d, des Schriftstellers Hein rieb Mann, des kommunistischen   Zeitungs­verlegers Wilbelm Münzenberg, des ZCalen Sie schau Jhce AhoMtemeiitsQehühcen UbecuUesen? Unsere Postscheck-Konten lauten: TSCHECHOSLOWAKEI  : ZeitschriftN. V.", Karlsbad  Prag   46.149 ÖSTERREICH  : Neuer Vorwärts-, Karlsbad  Wien   B- 198.304 POLEN: Neuer Vorwärts", Karlsbad  Wandbau 190.t6S SCHWEIZ  : Neuer Vorwärts", Karlsbad  Zttridb Nr. Vlll 14.697 UNGARN  : Anglo- Cechoslovakische und Prager   Creditbank, Filiale Karlsbad  . KontoNeuer Vor­wärts". Bndapesi Nr. 2039 JUGOSLAWIEN: Anglo- Cechoslovakische und Präger Creditbank, Filiale Belgrad  , KontoNeuer Vor­wärts". Beograd Nr. Sl.OOS Wir bitten Sie, die Einzahlungen sofort und unter Beachtung der Kontenbe­zeichnung vorzunehmen. Rechtsanwalts und Notars Dr. Johannes Wert­ hauer  , des Rechtsberaters der ehemaligen kommunistischen   Reicbstagslraktion Professor Felix Halle   und des früheren Ministerial­direktors Hermann Badt  . Von dem Schrift­steller Emil Ludwig   und dem früheren Chefredakteur Leopold Schwarzschlld wurde deren Forderung auf Auszahlung des Rückkauiwertes ihrer Lebensversicherung ein­gezogen. Es ist ein Innerer Raubkrieg, den die Macht haber des Dritten Reiches   gegen die Opposi tion betreiben. Weil sie noch nicht stark genug sind, den Raubkrieg über die Grenzen zu tra­gen, üben sie sich an Ihren politischen Geg­nern Im Innern. Das heißi Amnestie! Massenverhaftungen in den letzten vier Wochen. Nach den Wahlen vom 12. November ver sprachen die nationalsozialistischen Machthaber eine Amnestie. Statt der Amnestie erfolgen jetzt täglich Massenverbaftungen, über die auf ausdrückliche Anweisung der Gehei­men Staatspolizei die Presse nicht mehr be­richten darf. Allein in den letzten vier Wochen sind mehr als 1000 frühere Mitglie­der und Funktionäre der S o z I a I d e mokratischen Parte) verhaftet worden. Und zwar allein in Dresden   500, in Chemnitz   190, in Breslan 120. Da auch unter den übrigen oppositionellen Grup­pen zahlreiche Verhaftungen vorgenommen wurden, so sind die Gefängnisse und Konzen­trationslager so überfüllt, daß häufig Entlas­sungen von Inhaftierten nicht ans rechtlichen oder politischen Erwägungen erfolgen, sondern einlach aus Mangel an Platz. Das Ist um so bemerkenswerter, well etsprechend den bar­barischen Grundsätzen des neuen nationalso­zialistischen Strafvollzugs die Gefängnisse be­reits vier- bis sechsfach so stark belegt sind als früher. Wenn also überhaupt Entlassungen erfolgen, so nicht, weil man begangenes Un­recht sühnen oder einen Strich unter das Ver­gangene ziehen will, sondern nur, well Ge­fängnisse, Zuchthäuser, Konzentrationslager und SA-Fofterstätten überfällt sind. Lettland   hat abgelehnt. Der Bericht ent­hält offenbar nicht alle Staaten, die dem Vorschlag der Kommission entspre­chend verfahren, so fehlt die Tschecho­ slowakei  . So erfreulich es ist, daß danach die ihrer Staatsangehörigkeit beraubten deutschen   Flüchtlinge einen Paß bekom­men können, so wenig günstig ist der Verlauf der Ange­legenheit für die Mehrheit der deutschen   Flüchtlinge. Ein Teil der Arbeiter, die vor den Bru­talitäten der Nazis geflohen sind, hat niemals einen Reisepaß gehabt. Ein Teil der politischen Flüchtlinge hat in der Eile Deutschland   ohne Paß verlas­sen. Ihnen und einen Teil der jüdischen Flüchtlinge wird aller Voraussicht nach der Paß, wenn er abgelaufen ist, nicht erneuert werden. Sie fallen nicht unter die bisherige internationale Regelung. Für sie wird der neue Völkerbundskom­missar für die deutschen   Flüchtlinge möglichst scHnell eine Regelung herbei­führen müssen. Die Gewährung des Nansenpasses ist mit vielen Umständ­lichkeiten verknüpft und noch umständ­licher ist es, ein Visa dafür zu erhalten. Die Schaffung einer Art Judenpaß muß, auch wegen der Konsequenzen, vermie­den werden. Darum bleibt nur die Ge­währung von einheitlichen Fremdenpäs­sen, also der Titre d'Identite, auch an die deutschen   Flüchtlinge, die die deut­sche Staatszugehörigkeit noch besitzen, aber keinen gültigen Paß haben oder ihn von den deutschen   Behörden nicht bekommen können. Der Kommis­sar für die Flüchtlinge wird seine ganze staatsmännische Kunst dar­auf verwenden müssen, eine Methode?u finden, die erlaubt, diese Papiere aus­zugeben. ohne dabei die auf der Konfe­renz 1927 erwähnten Interessen der Staaten zu verletzen. Die Flüchtlinge. hoffen, daß er auch in diesem Punkt ein tapferer und mitfühlender Anwalt ihrer Sache sein wird. Der Junggeselle als Staatsfeind Die Magistrats-Pfessestelle der Stadt Frankfurt   a. M. teilte mit: Nachdem der Herr Oberbürgermeister festgesteiit hat, daß in der' Stadtverwaltung noch 1600 ledige Personen als Beamte, Angestellte und Arbeiter beschäf­tigt sind, hat er aus Staats- und bevölkerungs­politischen Gründen diesen in Frage kommen­den Ledigen aufgegeben, die Gründe, die einer Verheiratung entgegenste­hen, mitzuteilen, bezw. der Frage einer Heirat ernsthaft näherzutreten, da die Innchal- tung von Arbeitsplätzen durch Ledige Verhei­rateten und Familienvätern die Existenzgrund­lage verschlechtert Für die Enquete von der Hitler und Röhm erst betroffen werden, wenn die Befra­gung auf das Reich übergreift soll folgen­der Fragebogen vorgesehen sein: Wann hatte Seine Ihre erste Freundin? Wie hieß sie? Wie weit kamen Sie mit ihr? Waren Sie schon einmal unglücklich verliebt? Wenn nein, warum nicht? Wenn ja. warum haben Sie dem Mädchen nicht gefal­len? Pflegen Sie fremde Ehen zu brechen? Welche und wie oft ihm Jahr? Leben Sie ihm Konkubinat? Wenn ja, wie können Sie sich das erlauben? Wenn nein, wie können Sie das bezahlen? Sind Sie bereit eine Germanin zu minnen, die wir Ihnen aussuchen? Wenn ja, sind Sie ein charakterloser Trottel! Wenn nein, kommen Sic ins Konzentrationslager! (Nichtgewünschtes zu durchstreichen.) Lernen' Nebensadie Aus einem Bericht desVölkischen Be­obachter" über die Einweihung der Staat­lichen Büdungsanstalt in Spandau  : Wehr- und Führertum, Rasse und Re­ligiosität sind die gleistigen Fundamente der neuen deutschen   Schule." Erst die Flinte dann das ABC. erst die Großmutter dann die Moral Herausgeber: Ernst Sattler  . Karlsbad  . Verant­wortlicher Redakteur: Wenzel Horn. Karlsbad  . Druck;Graphia" Karlsbad  Zeitungstarif bew. m. P D. Zl. l59J34/Vn-I932. ZDiinimt K APATCH EWSKY Erstklassige Ausfüh­rung Spridit deutsch  nnd englisdi 24. Ar. Friedeland Parts(8e) Fernsprecher: Carnot 38-13 Metro: Etoiie Zoiinotzt Erstklassige Ausführung Sprechstunde nachm. - Spricht deutsch 36, nie Doudeauville Paris  (t8e) Metro(Untergrundbahn): Chäteau- Rougs