Beilage des neuen Vorwärts" nr. 28

Für ein neues Programm

Bemerkungen zu einer Broschüre von Karl Kautsky  

Mit einer Broschüre Neue Pro-| Denn dies ist das Entscheidende: Wir gerüstet gewesen sei. Er verweist auf| chen Programm absolut Neues sagen gramme"( Verlag E. Prager, Wien  ) greift brauchen mehr willensmäßige und mehr seine eigenen Arbeiten über unsere Auf- könnten, nicht, weil wir voraussehen kön­Karl Kautsky in die Diskussion über geistige Vorbereitung auf unsere Aufgabe gaben nach der Machtergreifung und auf nen, wie es kommen wird. Wir brauchen die Aufstellung einer neuen programma- als vor 1918. die Einsetzung der Sozialisierungskommis- ein neues Programm, weil die Jugend die tischen Plattform für den sozialistischen   Erziehung zum sozialistischen   Wol- sion, die bereits im November 1918 er- alten nicht mehr kennt und weil sie erst Kampf ein. Er setzt sich darin insbeson- len ist eine unserer Hauptaufgaben. folgte. wieder Denken lernen muß- mühselig dere mit dem Wirtschaftsprogramm der Kautsky meint, der Erfolg der Sozialisie­Auch in diesem Punkte wollen wir uns von vorne anfangend. Kautsky   spricht in sozialistischen Revolution, der Idee der rung ,, wird ein Ergebnis der neuen Situa­Diktatur und dem Problem der Sicherung tion sein und nicht ein Ergebnis eines gerne darüber belehren lassen, daß es 1918 anderem Zusamenhang( S. 56) von Anfüh rung einer Bevölkerung, die gelernt hat, der Demokratie nach der revolutionären neuen Programms..." und um das wirt- an der wissenschaftlich- theoretischen Vor- selbst zu denken und zu handeln, was bei Umwälzung auseinander. schaftliche Programm jenes Artikels im bereitung der Sozialisierung nicht gefehlt den Deutschen   doch der Fall ist." Ma­ In   Nummer 6 des Neuen Vor- ,, Neuen Vorwärts" durchzuführen, brauch- hat. Wir wollen auch nicht darüber streichen wir uns nichts vor: Die Millionen­wärts" war in dem Aufsatz Revolution ten wir ,, nur der Gesinnung treu zu blei- ten, ob die Macht, die der Sozialdemokratie masse denkender Arbeiter" und klas­blei- ten, 1918 zugefallen war, ausreichte, um die gegen Hitler   und was dann?" die For- ben, die unsere Partei seit den Tagen des senbewußter Proletarier, mit denen wir Sozialisierung sofort in sofort in voller Breite derung erhoben worden, daß die Haupt- Kommunistischen Manifests stets beseelt zu rechnen gewohnt waren, gibt es nicht.. pfeiler des neuen sozialistischen   Pro- habenein, wir wehren uns dagegen, daß durchzuführen. Aber genügt es anderer- mehr. Tausende und aber Tausende sind in gramms die Aufteilung des Groß- der sozialistische Aufbau mehr das Ergeb- seits, zu sagen: unsere Macht reichte diesen Monaten zu Hitler   übergelaufen, und grundbesitzes und die Soziali- nis der neuen Situation als das Ergebnis eben nicht aus und deshalb mußten wir die Zahl derjenigen, die sich dem Druck der sierung der Schlüsselind u- unseres Wollens sein wird. Wir wissen, auf die Verwirklichung unserer Pläne ver­strien und der Banken sein müßten. daß wir heute nur versprengte Häuflein zichten? Hängt nicht die Größe der Macht Propaganda, der Massenstimmung, den Begeisterungsformeln entziehen können, Kautsky   wendet dagegen ein, daß dies eines schwer geschlagenen Heeres sind und einer politischen Bewegung gerade davon wird wahrscheinlich in den nächsten Mo­kein neues sozialistisches Programm sei, daß erst eine große Wende eintreten ab, in welchem Maße und in welcher Art naten noch weiter zusammenschrumpfen. sondern daß dieselben Forderungen in muß, ehe wir wieder erfolgreich voran- Nationalsozialisten stand in ihren Anfän- Jugend hat seit dem Krieg in wachsendem sie ihre Macht ausnutzt? Die Macht der Und vollends die jungen Menschen! Diese besserer Formulierung schon im Erfurter marschieren können. Aber wir vertrauen Nationalsozialisten stand in ihren Anfän­Jugend hat seit dem Krieg in wachsendem Programm von 1891 gestanden hätten. auf unseren Willen und unsere Kraft, daß gen keineswegs auf völlig sicherer Grund- Maße das Denken verlernt, und jeden Tag Zugleich setzt er auseinander, warum wir dann- gestützt auf unsere bitteren lage. Aber durch rücksichtslose und ge- unter faschistischer Herrschaft verlernt nach dem Umsturz von 1918 die Enteig- Erfahrungen diese Wende mit mehr Er- schickte Ausnützung ihrer Macht verstan- sie es weiter. Die deutsche Jugend denkt den sie es, sie fortgesetzt zu steigern und nicht mehr, sie marschiert nung des Großgrundbesitzes und der folg ausnutzen können. Diesen Glauben an Schlüsselindustrien nicht durchgeführt die eigene Kraft und den eigenen Willen erst richtig zu festigen. Bei allem Vorbe- nicht wohin! Der Faschismus hat die werden konnte. zu stärken, ist unsere Aufgabe, und das halt gegen die Methoden, die die National- Beine in Bewegung gesetzt, unsere Auf­Es ist sehr nützlich, die ungeheuren erreichen wir nur, wenn wir uns immer sozialalisten dabei angewendet haben- Schwierigkeiten wieder ins Gedächtnis aufs neue sagen: Wir müssen es besser wir werden daraus eins lernen müssen: gabe ist es, die Gehirne in Bewegung zu zurückzurufen, mit denen die Volksbeauf- machen, als es nach 1918 gemacht worden den Kampf um die Macht gewinnen wir tragten 1918/1919 zu kämpfen hatten: die ist, wie es auch kommen mag, sonst ist nur, wenn wir auch den Einsatz unseres. Demobilisierung, die Umstellung der ge- alles vergeblich. Denn es gibt schäd- Gedankenguts wagen und das Gewicht sagt, und man wird in anderem Zusam­samten Produktion vom Kriegs- auf den liche und nützliche Selbstkri- unseres grundsätzlichen Wollens im gün- menhang noch näher auf seine beacht­Friedensbedarf, die Fortdauer der Blok- tik. Ungerechte und oberflächliche Selbst- stigen Augenblick in die Waagschale wer- lichen Ausführungen über die Sicherung der Demokratie eingehen müssen. Aber kade, die entsetzliche Lebensmittelnot, die kritik führt zur Selbsttäuschung und wenn man seine Broschüre liest, hat man inneren Kämpfe der Arbeiterschaft, die Selbstüberhebung, ehrliche und gründliche Diese Erkenntnis zum Allgemeingut unsägliche Müdigkeit des ganzen Volkes aber festigt das Selbstvertrauen und den aller Sozialisten zu machen, ist auch ein nicht richtig einschätzt, unter denen wir das Gefühl, daß er die Voraussetzungen das alles waren Schwierigkeiten von Glauben an die Idee. Stück geistiger Vorbereitung. Um für diese heute in Deutschland   und für Deutsch­So gewaltigem Ausmaß, daß es fast über- Und die geistige Vorbereitung? geistige und willensfähige Vorbereitung land die Arbeit für den Sozialismus neu menschlicher Anstrengungen bedurfte, um Kautsky   nimmt die Sozialdemokratie ge- eine Plattform zu schaffen, dazu brau­sie zu meistern. gen den Vorwurf in Schutz, daß sie 1918 chen wir ein neues Programm; nicht, beginnen müssen. für ihre Aufgabe nicht genügend geistig weil wir glauben, daß wir in einem sol­

Und dennoch so gerne sich auch die Jungen über diese Schwierigkeiten be­lehren lassen wollen, wir fragen uns doch, ob man damals schon die volle poli­tische Tragweite des Verzichts auf die Enteignung des Großbesitzes erkannt hat. Hat uns nicht erst die

fen.

und weiß

setzen. Vieles ist zutreffend, was Kautsky  

Neudeutsche Schulbücher

furchtbare Erfahrung der letzten Jahre Irrsinn vergiftet die ganze Bedeutung der Enteignung für die Sicherung der Demokratie und

des sozialistischen   Aufbaues enthüllt? Wir wollen uns gerne belehren las­

11 Von Bismarck zu Hitler  . 12 Horst Wessel  .

Kindergehirne 13 Das Auslandsdeutschtum.

14 1 15

}

Den SA- Männern der Volksbildung" wie 13 Die nationale Revolution. sen, daß diese Forderung altes sozia- Herr Rust seine Schulmeister offenherzig 16 Theodor Körner. listisches Gedankengut ist, aber wir ha- nannte, ist Heil widerfahren. Nachdem sie den

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Zu dieser sogenannten Schulliteratur schreibt

Ernst Anders  .

meuchlerisch ermordet; man verfolge die Juden und jage sie aus dem Lande. Da for­derte die Regierung alle Deut­ schen   auf, an einem Tage alle jü­dischen Geschäfte zu meiden; das verfehlte seine Wirkung nicht. Die Greuel­märchen verstummten, die Lügen sanken in sich zusammen."

ben sie in ihrer grundlegenden politischen militärischen Drill und das Hitlergrüßen so die Neue Deutsche Lehrerzeitung": Diese Bo­Bedeutung neu erlebt und wie wir glau- ziemlich intus hatten, so daß die Geschichte gen hätten wir schon längst haben müssen; Diese Dinge müssen viele Hunderttausende für den Alltags- und Festtagsbedarf klappte, jetzt erkennen wir, was in unserer Jugender- von Kindern lesen und vielleicht sogar aus­machte sich eine geistige Oede im Schulbe- ziehung seit 1919 versäumt worden ist! Le- wendig lernen. Und wie viele sind unter ihnen, trieb bemerkbar. Die Lücke durch eigenes bendig und klar geschrieben, gut geeignet als die dieses bestialische Regime zu Waisen ge­Denken auszufüllen, widerspricht dem ,, Führer- Klassenlektüre."

ben

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1

tiefer erlebt als es vordem mög­lich war. Wir haben aus einer grausamen Erfahrung gelernt, wo die Aelteren früher nur aus einer, wenn auch noch so klaren Erkenntnis lernen konnten- prinzip" des Nationalsozialismus und ist ge- Um den ganzen Geist dieser Hefte zu kenn­fährlich. Doch wozu gibt es einen National- zeichnen, wollen wir einige Proben wörtlich und das ist schon ein Unterschied. Diese Erfahrung aber sagt uns: Wenn sozialistischen Lehrerbund? Dieser ist jetzt zitieren. Im Heft 1 wird auf Seite 5 den Kin­wir wieder an die Macht kommen, müs­tatsächlich in die Bresche gesprungen und hat dern die Legende aufgezwungen, daß Hitler  sen wir die Enteignung des Großgrund- der geistigen Verödung durch Herausgabe von allein im Felde einen französischen   Offizier und besitzes, der Schwerindustrie und der Schulschriften zu Deutschlands   Erneuerung 15 Mann gefangen genommen hätte. Früher Banken durchführen, auch wenn sich da- autoritär abgeholfen. 16 Nummern, jedes Heft sprach man von englischen Gefangenen, gegen dieselben Schwierigkeiten auftür- zu 16 Seiten, sind als deutsche Schulbücher im aber das war zur Zeit der Herausgabe nicht men wie 1918. Denn wir müssen mit ähn- Zeichen des Hakenkreuzes in mehr oder weni- opportun. Auf Seite 6, 9 und 14 wird lichen Schwierigkeiten rechnen. Kautsky   ger Zwangsvertrieb gebracht. Nummer 1 dieser

Hefte, wie kann es anders sein, hat den selbst­verständlichen Titel Adolf Hitler  , der Retter" und außerdem bereits eine Auflage

allerdings ist optimistisch und erwartet, ,, daß unsere Kraft diesmal größer sein wird und die Bedingungen günstiger für die Durchführung einer weitgehenden so­fortigen Sozialisierung." Wir alle wün­schen, daß es so wäre. Aber werden wir schichtsfälschung, an grenzenlosen Byzantinis­

wirklich damit rechnen können?

spricht dafür,

Vieles daß wir die Macht

von 200.000. Was diese, als Lektüre für die an nackter Ge­Schüler gedachten Hefte

mus, an krankhaftem Chauvinismus, an Kriegs­und Revanchegeist enthalten, übertrifft alles, vergifteter Schulliteratur gekannt hat. Schon die Titel sind charakteristisch:

wieder erst nach einem neuen Krieg über- was man bislang überhaupt an

nehmen werden. Aber selbst, wenn es

nicht zum Kriege käme müssen wir

nicht damit rechnen, daß der Faschismus 1 Adolf Hitler  .

nur in

schaft

einer furchtbaren Krise seiner 2 Die Schmach von Versailles  .

die göttliche Berufung Hitlers  

geschildert. Das muß man wörtlich genießen:

,, Und während er schuf, erfuhr er es wie­der und immer wieder, daß ein Höherer ihm sagte, was er zu tun hätte. Als einer, der wirklich berufen ist, trägt er Weisung und Kräfte in sich, die ihm kein Mensch jemals hätte geben können."( Seite 6.)

,, Er sagt mit fast prophetischer Seher­gabe auch die unaufhaltsame Entwicklung der kommenden Jahre voraus".( Seite 9.)

,, Der Wille Gottes hat ihn zu einem lebendigen Ausdruck einer geschichtlichen Tat gemacht."( Seite 14.)

Auf Seite 15 schließt dann der gottbeflies­

Macht gestürzt werden und daß seine Herr- 3 Unsere blutenden Grenzen. ungeheuerliche wirtschaftliche, gei- 4 Unsere Kolonien in Vergangenheit und Zu- sende Scribifax mit einer besonders frommen

stige und moralische Verwüstungen hin­

kunft.

terlassen wird? Und weil wir damit rech- 5 Paul v. Hindenburg  .

nen müssen, wieder auf einem 6 Albert Leo Schlageter  .

Trümmerfeld die sozialistische Auf- 7 Gedichtbände völkischer Freiheit.

bauarbeit zu beginnen, müssen wir schon 8

heute unseren Willen stählen mit unerbitt­

} Liederbuch für die deutsche Jugend.

licher Folgerichtigkeit das zu tun, was 10 Vom Zusammenbruch und Aufbruch der Na­man 1918 glaubte, nicht tun zu können.

tion.

Geschichtslüge. Dort heißt es:

macht hat, oder deren Väter in Gefängnissen und Konzentrationslagern schmachten? Im Heft 5 lesen wir folgende Indianergeschichte von Hindenburg  : ,, Ein Breslauer Schulmann, der in Mexiko  ein besonderer Freund der Indianer wurde, kam mit den deutschen   Jungen einer Auslandsschule in eine welténtlegene, was­serarme Gegend der mexikanischen Hoch­ebene. In einer Indianerhütte bat er um einen Trunk, seine Bitte wurde von der Indianerin schroff abgelehnt. Da sah er an der Wand das Bild der Mutter Gottes und daneben zu seinem freudigen Erstaunen das Bild Hinden­burgs über der ewigen Lampe. Folgendes Gespräch entwickelte sich:

,, Wer ist das?"

,, Ein großer deutscher   Marschall!" ,, Weißt Du auch, wie er heißt?" ,, El mariscal Chindenburg!"

,, Siehst Du, Hindenburg  , ist unser Lands­mann und Du willst uns nichts zu trinken geben?"

Im Handumdrehen brachte die Frau Was-. ser, Kaffee, Limonade und sogar Bier. Unter weltabgeschiedenen Indianern, die weder, lesen noch schreiben können, erfährt das Bild unseres Hindenburgs dieselben Ehren, wie das Bild der Mutter Gottes. Auch in der weitesten Ferne konnte Hindenburg   für seine Landeskinder wirken."

,, Noch immer dachten die sozialde. mokratischen und kommunisti­schen Wortführer und Landes­verräter, sie könnten Adolf Hitlers   Werk unterhöhlen und zum Sturz bringen- sie Als Nummer 17 und 18 sind Friedrich der behaupteten, in Deutschland   würden alle Große und Königin Luise   vorgesehen. Bei sol­Feinde der Regierung grausam behandelt und chem Massenverbrauch werden selbst d

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