Neuer Vorwärts
Sozialdemokratisches Wochenblatt
Verlag: Karlsbad , Haus„ Graphia" Preise und Bezugsbedingungen siehe Beiblatt letzte Seite
Nr. 45 SONNTAG, 22. April 1934
Frauenprotest gegen Hörigkeit
Aus dem Inhalt:
Wildwest vor den Toren Berlins Henkerwechsel in Berlin
Die Lage der Emigranten
Dr. Richard Kern: Wagemann gleichgeschaltet
Ein Frauennotbund gegen Erniedrigung und Verleumdung Gegen männlichen Irrwahn- Für Frauenrechte und Freiheit
Dr. Leonore Kühn( in der Denkschrift):
,, Man verlangt von der Frau, daß sie dankt, indem es einen Teil von ihnen in| stellenden Aemtern ausschaltet, stempelt man verschwunden sind, wenigstens im kleinen sich mit allen Kräften für den Staat ein- Kerker und Konzentrationslager schickte, sie automatisch zu etwas Minderwerti- Kreise wirken? Wir lassen auch hier setzt, daß sie ihre Steuern zahlt wie jeder Mann andere ins Ausland oder in den Selbst- gem und Unmündigem... Zeiten, in Vertreterinnen der nationalsozialistischen es wäre ungerecht, wenn unter denen, die über die Verwendung mord hetzte. denen der Macht will e, das Partei sprechen. dieser Steuern zu beraten haben, nicht In der Dezember- Nummer der Deut- Schwert herrschte, drängten die auch Frauen säßen... Seit einigen Jahrzelmten beginnt die Frau wieder zu er- schen Kämpferin< fand Dr. Margarete Frauen zurück. In Zeiten der Gewachen, und dieser Prozeß wird unauf- Adam gleichfalls scharfe Worte: dankenherrschaft traten sie nehaltsam fortschreiten, wie man sich ihm ben Die Frau, die der„, Drecklinie des politiden Mann; diese Perioden auch entgegenstemmt." schen Kampfes" entzogen werden soll, ist aber waren die Gestalter höheren Woher stammen diese Sätze? Aus heute in eine Drecklinie der Verleum- Lebens. einer Denkschrift des 1865 gegründeten dung gezerrt, der sie zu keiner Zeit ,, Allgemeinen Deutschen Frauenvereins"? deutscher Vergangenheit bisher Es gibt heute offenbar keine Frauen mehr einer demokratischen Frauenbro- preisgegeben war. Sie hat der Politik in Deutschland , nur noch Männer, denn sie kunftverheißend gerade für die Frauenwelt schüre des Zweiten Reiches? Aus einem der letzten 14 Jahre in ihren leider nur viel haben scheinbar keine Meinung mehr: man verbrannten Frauenbuch? Nein! Sie sind zu wenigen Vertreterinnen schlagfertigste, flei- sorgt dafür, daß sie keine Meinung wortgetreu einer Denkschrift na- Bigste und sachkundigste Mitarbeiter geliefert. mehr haben! tionalsozialistischer Frauen ,, an den Kanzler des Deutschen Die Frau im öffentlichen Leben. Reiches, Herrn Adolf Hitler , Wir geben den nationalsozialistischen und an den Vizekanzler Herrn Frauen selbst das Wort, denn sie müssen Franz von Papen " entnommen.( Ver- ja am besten wissen, wie es in ihrem lag Adolf Klein , Leipzig , 2. Auflage, 1934.) Staate aussieht:
Aus
Irmgard Reichenau( in der Denkschrift): Selbst in den ihnen als arteigen zugebilligten Arbeitsgebieten dürfen die Frauen heute nicht Führerinnen sein... Frauenwerk ist männerbestimmtes Werk geworden... In keinem Ministerium ist eine Frau an mitleitender
Was geht vor? Hat sich, dem Pfar rernotbund vergleichbar, nun auch ein Frauennotbund gebildet? Beinahe, nur nennt er sich nicht so, er nennt sich vorsichtshalber gar nicht, verfügt aber über eine eigene Monatszeitschrift Die Deutsche Kämpferine, die von Frau Sophie Rogge- Börner , Stelle, keine im Auswärtigen Amt . Berlin , herausgegeben wird und in dem gleichen Verlag erscheint wie die oben erwähnte Denkschrift.
Diese nationalsozialistischen Wählerin
Dr. med. Helene Börner(> Die Deutsche Kämpferin<, Februar 1934): Jetzt sieht man sich plötzlich vor die Notwendigkeit gestellt, etwas zu verteidigen, was man schon für sicheren Besitz hielt. Ja, es packt einen die Unruhe, es könnten voreilige Hände das einreißen und zerstören, was zueben erst gewonnen und aufgebaut wurde... Dr. phil . Margarete Adam ( in der gleichen Nummer der Deutschen Kämpferin<): Sophie Philipps, Lehrerin( in der Denkschrift): In der allgemein von männlicher Seite beDurch die Beschränkung unsres Geschlech- triebenen Hetze gegen die berufstätige Frau, tes auf ein eng umfriedetes Weibchendasein einer Hetze, deren Motive dem Manne einer wird der Geschlechterkampf neu aufflammen, besinnlicheren Zeit die Schamröte ins Gesicht
und bedrohliche Anzeichen dafür treiben werden, dürfte jeder Rekord durch sind vorhanden... Nicht um unseret- eine gewisse breite Schicht männlicher Aerzte willen, aber um derer willen, die nach uns kommen, rufen wir den führenden Männern des neuen Deutschlands zu:
,, Weltanschauungen der Freiheit sind Schwingen,
immer wieder geschlagen werden. Es konnte geschehen, daß in einer großen Mediziner kundgebung ein Arzt seinen weiblichen Kollegen zurief: Nieder mit den Frauen!", ohne daß ihm von männlicher Seite dafür auf
Weltanschauungen der Hörigkeit bleierne der Stelle die verdiente Zurechtweisung zuSargdeckel!"
Die Frau im Beruf.
Weibliche Schulleiterinnen werden mehr und mehr durch männ- Die Bilanz geht weiter. Wie steht es liche ersetzt... Damit, daß man die Frau um die Frauenberufe? Läẞt man die
tell geworden wäre.
Else Lilders, ehemalige Demokratin, in der Märznummer der Deutschen Kämpferin<<):
Im Jahre 1933 ist den erwerbstätigen
nen sind enttäuscht und beginnen, sich das aus allen einflußreichen, geistige Anforderungen Frauen, die aus dem politischen Leben Frauen in allen Berufen, Verheirateten und einzugestehen. In der Denkschrift heißt
es:
Henkerwechsel in Preußen
Diels fällt die Treppe hinauf
Auch die junge nachdenkende Frauengeneration beginnt bereits mit Unbehagen zu fühlen, daß sie einem seltsamen männlichen Irrwahn gleichzeitig Vorschub geleistet hat, als sie aus höchstem nationalen Empfinden heraus die aktiven Träger der Befreiung des deutschen Volkes zu unbeschränkten Herren ihres eigenen Schicksals erhob, damit aber auch zu Herren des gesamten Volksschicksals... In einer wirklich unbefangenen Wertung der Frau ist man noch keinen Schritt vorwärts, aber viele zuDiels ist die Tieppe hinaufgefallen. Noch rück gegangen. nicht fünfunddreißigjährig hat er von Göring In der Prinz Albrechtstraße aber wird Himm- Verlag Ullstein bereits im Jahre 1930 Daß die intelligenteren nationalsoziali- die Verwaltung des schönsten preußischen Reler regieren, dem bereits die politischen Polizeien getroffen wurde, also ohne Erlaubnis von stischen Frauen jene Weibchenrolle, die gierungsbezirkes übertragen erhalten, sicherman ihnen im Dritten Reich zudenkt, ent- sich entsprechend seinen eigenen Wünschen. anderer deutscher Länder unterstehen. Er wird Hitler und Göring ! darauf verzichtet, gleich Diels gleichzeitig Po- 2. Severing schreibe in seiner Autobiograrüstet ablehnen, ist mehr als verständlich Mag auch Fricks Streben zu verreichlichen, weniger verständlich erscheint es, daß die organisatorische Veranlassung des Henker- zelpräsident von Berlin zu sein, und die Los- phie, daß er stets gegen den Bolschewismus sie von der Entwicklung offenbar über- wechsels sein, so zeugt doch die Wahl des Re- lösung seines Amtes von Göring und die Un- gekämpft und niemals Marxist internationaler Prägung gewesen sei. Tatsache ist, daß ein rascht wurden, daß sie nicht vorher gierungspräsidiums für die Güte von Diels terstellung unter Frick betreiben. Denn Göring ist es, dem wieder ein Stein Manuskript von Severing bisher Bescheid wußten, daß sie einer Partel in Nase. t den Sattel halfen, die weder weibliche aus seinem preußischen Bau herausgebrochen überhaupt nicht vorliegt. Köln ist die Hochburg des preußischen Ka- worden ist. Diels weiß, warum er nach Köln Vertreter ins Parlament schickte, noch der Frau in ihrem Programm auch nur mit tholizismus, ist die Stadt, mit der das Zentrum geht! einer Silbe gedachte. Nun es zu spät ist, gefühlsmäßig am innigsten verbunden war. dämmert die Erkenntnis, hebt ein großes Selbst der nationalsozialistische Staat hat dort Klagen an, ja, die um mehr als ein Jahr- einen früheren Zentrumsmann als Polizeiprä- Die sidenten belassen. In Köln residiert als Erzbihundert Zurückgeworfenen besinnen sich schof der Kardinal Dr. Schulte, dessen BeSogar dankbar auf die Verdienste der ,, alten"- gegenwärtig in Deutschland arg als die der anderen katholischen Kirchenfürziehungen zu Hitler nicht weniger gespannt sind beschimpften- Frauenbewegung.
Diels, der bisherigé Chef der geheimen| Sympathien bei jenen Leuten gewinnen, die zeigen, wie ein kommunistisches Blatt mit der Staatspolizei, ist Regierungspräsident in Köln vielleicht morgen oder übermorgen wieder eine Wahrheit Fußball spielt. Es will ,, Tatsachen" geworden. Als sein Nachfolger wird der Füh- Macht und sicherlich dankbar sein werden, feststellen. Sie sehen folgendermaßen aus: rer der feudalen SS, Himmler, gemeldet. wenn man sie gut behandelt. Es kommt ja alles 1. Severing schreibt mit Hitlers und Göauf die Form an! Und Diels rühmt sich nicht rings Erlaubnis ein Buch. Tatsache ist, daß umsonst seiner Kinderstube! die Abmachung zwischen Severing und dem
sten und mancher nationalsozialistische Unter
Wahrheit
3. Der Ullsteinverlag arbeite mit dem Propagandaministerium zusammen und wolle Severing ein hohes Honorar für sein Buch zahlen. Tatsache ist, daß der Ullsteinverlag auf Anfrage ausdrücklich erklärte, ebenso wie Se
über Verleumder vering, daß er nicht wisse, ob das
Buch überhaupt erscheine. Der angebliche Fall Severing. 4. Severing habe auf Einladung Ende FeDie Nachricht, daß Severing eine Bro- bruar Göring besucht und erhalte seit dieser schüre geschrieben habe ,,, Mein Weg zu Hit- Zeit seine Ministerpension. Tatsache ist, daß Lob der 14 Jahre! führer hat durch seine tiberheblichen Tapsig- ler", ist zugestandenermaßen eine bewußte Severing keine Unterredung mit GöEine der Schreiberinnen wagt sogar, keiten noch zur Verschärfung des Konfliktes kommunistische Fälschung und ring gehabt hat( in der Ueberschrift des die Mär von den„ 14 Jahren Mißwirt- beigetragen. Verleumdung. Obwohl man bei den Kom-» Gegenangriffs<< heißt es sogar„ ,, Severings schaft" anzutasten, wenn sie bekennt: Das ist ein Feld für Diels. Popularität kann munisten daran gewöhnt ist, daß ihnen im Besuch bei Hitler"). Das ihm wegen angebEs ist nicht wahr, daß die Parla-| man mit der Geheimen Staatspolizei nur in un- Kampf gegen Gegner jedes Mittel recht ist, hat licher ,, Unterschlagung von zwei Millionen mentarierinnen nichts geleistet günstigstem Sinne erwerben. Der Bedarf von doch der in diesem Fall an den Tag gelegte Mark" vorenthaltene Uebergangsgeld hätten. Sie haben das geleistet, was unter Diels daran ist überreichlich gedeckt, der Aal Zynismus selbst in ihren eigenen Reihen als Minister erhält er seit Januar. den gegebenen Verhältnissen geleistet werden sehnt sich wieder nach dem Halbdunkel. In Erschrecken hervorgerufen. Den kommunisti- Bedarf es noch eines besseren Beweises, konnte, und es liegt kein Anlaß vor, sie zu Köln kann man das scharfe Licht der Oeffent- schen„ Gegenangriff" hält das nicht ab, daß die Kommunisten ihrer alten Taktik, den beschimpfen... lichkeit besser meiden, kann mit seine Verleumdungskampagne gegen Severing Faschisten in die Hände zu arbeiten, treu ge
Auch das Dritte Reich hat es ihnen ge- Geschicklichkeit imd urbanen Formen fortzusetzen. Wir wollen an seinem Beispiel blieben sind?