1. Buch Mosis I, 28
Am 27. November, im Jahre II des Drit ten Reiches gab es in der Pragerstraße in Dresden eine Szene, die bei den an ungewöhnliche Schauspiele doch nun schon reich lich gewöhnten Volksgenossen einiges Aufsehen erregte. Aus dem Residenzkauf- der in Verwirrung und Ohnmacht den Retter uns sandte, haus, kurzweg Re- Ka genannt, einem der der ihn durch Not schuf für der Freiheit größten Warenhäuser Dresdens , holte die Gebot, Polizei 36 Verkäuferinnen ab, die sich nicht zum Eintritt in den weiblichen
> Freiwilligen<< Arbeitsdienst gemeldet hatten. Nun wurden sie während der Geschäftszeit vor den Augen der Käufer von den schon weihnachtlich geschmückten Verkaufstischen gewaltsam weggeholt, wie sie gingen und standen auf Lastautos verladen und abtransportiert.
daß er des Volkes Not wandte.
und Leben.
Schmählich am Boden lag Handel und Arbeit Hunger und Elend zerbröckelten Willen und Gottlose Wut zielte nach Seele und Gut. Nirgends schien Heil uns gegeben.
Streben.
Da kam der Mann, den der Herrgott zum Höchsten geleitet,
tritt immermehr an die Stelle von Christus. | Stille Nacht, heilige Nacht, Der Nazismus wird die neue Erlösungslehre. Alles schläft, einsam wacht Nur der Kanzler zu treuer Hut, Aus der Bewegung selbst werden Gestalten wacht zu Deutschlands Gedeihen gut. herausgearbeitet, die dem Kultus der Massen Immer für uns bedacht. dienen sollen. Sie tragen nationalistische, revolutionäre und militaristische Züge und Stille Nacht, heilige Nacht, Alles schläft, einsam wacht werden, wie Leo Schlageter und Horst Wessel , Adolf Hitler für Deutschlands Geschick. als Vorbilder für die Jugend hingestellt. Es Führt uns zu Größe, zu Ruhm und zum Glück. seien Männer, würdig der Verehrung des Gibt uns Deutschen die Macht. ganzen Volkes. Ueber ihr Privatleben, das mit In einem anderen Gedicht» Der Erlöser< moralischer Reinheit ebensowenig zu tun hat werden der Helland, der die Welt von der wie mit christlicher Ethik, wird absichtlich Sünde erlöste und Hitler , der Deutschland erhinweggesehen. löste durch die politische> Revolution< 1933, nebeneinander gestellt:
In seiner Schrift> Die Kirche und das Dritte Reich « läßt sich der Universitätsprofessor Niebergall, Marburg , über die Person
In gleicher Weise wurde mit Arbeiterin- den er den Willen gestählt und das Auge geweitet. nen und weiblichen Angestellten der Schuh- Seele und Sein, setzt er zum Geisteskampf Hitlers folgendermaßen aus:» Sie wird tast
ein.
Bis ihm die Stunde bereitet.
in das Licht religiöser Verehrung gerückt; ihr fliegt geradezu ein religiöser Glaube entgegen. Alle Affekte, wie sie der Religion eigen sind, machen sich laut bemerkbar. Begeisterung, Hoffnung, Leidenschaft, Liebe und Führt nun mit Macht, Eifer und weisem furchtbarer Haß gegen alle anders GläubiBedacht,
Heilet nun all unsere Wunden.
Vater im Himmel, schenk all' seinen Plänen Gelingen,
Wie weiter mit ihnen verfahren wird, Volkheit im Kern hat er Deutschland im kann man nur ahnen, wenn man hört, daß Tiefsten gefunden, am 8. November im Trianon in Dresden eine ist nun unlöslich mit all unsrer Liebe verbunden, Versammlung der politischen Leiter und Amtswalter des Freiwilligen Arbeitsdienstes( FAD) stattgefunden hat, in der der Reichsstatthalter Mutschmann höchst persönlich sprach. Er hatte derart heikle Dinge zu erörtern, daß, bevor er begann,' vorsichtshalber sämtliche Kellner aus dem Saale gewiesen wurden. Es ist aber doch durch die Wände gesickert, daß Mutschmann über die Schweinerei in den Mädchen- Arbeitsdienstlagern gesprochen und dabei erwähnt hat, daß in einigen dieser Lager die Hälfte der Mädchen schwanger sei. Im Lager Radeberg bei Dresden sollen es sogar siebzig Prozent sein!
-
an
Schütze sein Leben und wahr' seinem Geiste die Schwingen.
Wir schaun auf ihn, segne in Gnaden sein Müh'n,
Neu uns zu Ehren zu bringen.<<
*
gen; es ist der Anspruch der Religion auf Absolutheit, der hier wirkt. Wir haben also eine Ersatzreligion oder einen Religionsersatz vor uns, eine» verkappte Religion<, die » Sakralisierung« eines Menschen, einen unter den Göttern des Abendlandes.<<
Im fernen Ost erstand Aus Gottes Vaterhand
Der Heiland, der die Welt beglückt.
Für unser Deutsches Land Hat Christus uns gesandt, Den Führer, der uns all' entzückt. Im fernen Ost einst bracht' Erlösung aus der Nacht Der Gottessohn durch Opfertod.
Durch Hitler unserm Land Erlöser jetzt erstand
Zu ewig hellem Morgenrot.
Der Glaube, daß Gott Hitler geschickt habe, um das deutsche Volk zu erretten, ist Gemeingut aller deutschen Christen. Also hat Gott die Welt geliebt, daß er ihr Adolf
Der Versuch, anstelle religiöser Vorgänge und Gestalten solche politischen Charakters und nazistischer Prägung zu setzen, wird Hitler sandte. auch in dem in Berlin erschienenen, mit dem j
Vor den Augen der Kritik aber reprň
Das ist ein poetischer Erguß des Pfar- Bilde eines Weihnachtsbaumes, zwei Engeln sentiert sich diese Modereligion mit ihrer rers Hosenthien, der dieses völkische und dem Hakenkreuz geschmückten Buch Dichterei als eine Bühne, auf der die politiElaborat im Pfarrerblatt( Nr. 41, 1934)» Weihnachten im Dritten Reich schen Regisseure eilig hin- und herlaufen, um veröffentlicht. Die gläubigen Nazischäflein gemacht. Die Schrift enthält Gedichte von das Feuerwerk des Hitlerkultus immer wiesollen das Lied nach der Melodie» Lobe den Fritz von Rabenau. Darunter findet sich der von Neuem zu entzünden. Unten aber Herren, den mächtigen König der Ehren auch das uralte Weihnachtslied> Stille Nacht, stehen die Rückhaltlosen, Unbelehr singen. heilige Nacht<, jedoch in der Weise verändert, baren, umnebelt vom metaphysischen Rauch daß anstelle der heiligen Familie Adolf Hitler nazistischer Propagandistik. tritt:
Wir können hier beobachten, wie eine neue Nazimythologie entsteht. Der Führer
Die>> Deutsche Zeitung« tadelt ein Inserat, das in einem ostdeutschen Großstadtblatt erschien und also lautete:
>> Mein Führer wünscht, daß ich mich verheirate. Aus diesem Grunde suche ich ein junges evangelisches Mädchen, rein arischer Abstammung, blond, vollschlank und reich.<
Diese etwas zu praktische» Bevölkerungspolitik<< der braunen Männchen soll übrigens auch einer der Gründe sein, die den» Führer< veranlaßt haben, in letzter Zeit einige Male, zuletzt Mitte November, nach Dresden zu kommen; still, ohne Paraden und unter beflissener Vermeidung alles Aufsehens hat er als Gast in Mutschmanns Villa geweilt, und man will belauscht haben, wie er stehend, chenen Schwangerschaft bis zur Geburt neuer Auf Wunsch des Führers mit fuchtelnden Fäusten heftig auf Mutsch- Deutscher Mädels<< und kleiner Hitlerjungen, die diesen BdM - Mädels von ihren braumann eingeredet habe mag dieses schöne lebende Bild auch erträumt sein, so kann nen Kameraden gemacht worden sind. Man wohl selten ein Traumbild der möglichen flüstert, daß es vorwiegend Führer- und BonWirklichkeit so nahe kommen, denn Grund zensprößlinge sein sollen, die da das gleichgeschaltete Licht der Welt» über alles in der zur Aufregung wäre das schon, wenn Welt erblicken oder auch nicht erblicken jedes Mädchen- Arbeitsdienstlager gleich ein werden. Wöchnerinnenheim angebaut werden müßte; soviel Geld hat nicht einmal das Dritte Reich! Das alles ist beileibe kein Witz! In der Es ist ja noch schlimmer: auch der Bund Woche vom 17. bis 25. November des Jahdeutscher Mädchen( BdM ) vermehrt sich ver- res II lagen in einem Saal mit 24 Betten 16 alle wegen solcher Geschichblüffend rasch. Im Rudolf- Heß - Krankenhaus BdM - Mädels in Dresden ( früher schlicht Johannstädter ten<! Krankenhaus genannt) hat man eine beson- Und wer ist schuld daran? Natürlich die dere Abteilung für BdM - Mädels einrichten Juden! Denn ein Jude war es- Moses hieß müssen. Nicht etwa, um dort deutsche Mäd- der Sittenverderber- der behauptet und chen als Krankenpflegerinnen auszubilden, geschrieben hat, Gott der Herr habe geboten: sondern um die Mädchen selber zu pflegen Seid fruchtbar und mehret Euch...! -nach künstlich herbeigeführten Fehlgeburten oder für die Dauer der nicht unterbro
Der Weg ins Exil
Weihnachten 1933 entfloh ich meinem Vaterland. Ein> Staatsfeind< und>> Hochverräter«, ein Vogelfreier, ein zialist.
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Friede auf Erden und den Menschen ein Wohlgefallen...
24. Dezember 1933, nachmittags. Die Stadt rüstet sich für den Abend, den man den heiligen nennt. Jeder, der Zeit und Geld hat, ist auf den Beinen, die letzten Einkäufe für das Fest zu machen.
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Manfred.
I Was hat die» Deutsche Zeitung Sein Führer wünscht es meckern? wirklich. 2000 schwangere.
da zu
doch
Pacificus.
Die NS- Volkswohlfahrt hat das Ersuchen mit dem Hinweis abgelehnt, daß nach der Vereinbarung zwischen dem Präsidenten der Reichsanstalt und dem Jugendführer des Deutschen Reiches dieser für die Betreuung aller Landhelfer und-helferinnen zuständig sei, auch für die 2000 schwanger gewordenen
Mädchen.
Es ist gelungen!
also
kündet:
,, Die Rückzüchtung des altgermanischen Landhelferinnen Waldpferdes ist gelungen! Das wiedererstan Die Reichsanstalt für Arbeitsvermittlung dene altgermanische Waldpferd mit dunkler wandte sich Ende November an die NS - Mähne, dunklem Schwanz und„ Eart" am Volkswohlfahrt mit der Bitte, für mehr als Kinnbacken." 2000 schwanger gewordene Landhelferinnen
Hallelujah! Das Regime ist rehabilitiert! ( der überwiegende Teil von ihnen hat das Was wiegen Hunger, Ersatzstoffe und Colum20. Lebensjahr noch nicht erreicht!) Hilfs- bia- Häuser gegen das Verdienst, dem alten maßnahmen zu ergreifen, da dieses nicht zum germanischen Waldpferd wieder auf die Beine Tätigkeitsbereich der Reichsanstalt gehöre. geholfen zu haben!
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ländlich ausschaut. Ich steige aus. Fern am ich muß aussteigen. Ich fühle, wie der Dicke| Stürmen. Soll ich die Klingel ziehen, hineinHorizont, im ersten Dämmer verschwimmend, mir argwöhnisch nachäugt... gehen zu ihm, ihm noch einmal die Hand die Türme und Dächer der Stadt, die meiner Ich laufe in den Straßen des kleinen, mir drücken?. Ich darf es nicht. Wer weiß, Kindheit, meiner Kämpfe und Leiden Stätte von mancher heiteren Sommerfahrt her ver- ob nicht Nachbarn mit Argusaugen seine trauten Städtchens herum. Sie sind dunkel Schwelle bewachen. Ich darf und ich will nieHeimat... Wann werde ich sie wieder- und einsam. Die paar ärmlichen Kramläden manden in den Unheilsstrudel hineinreißen, machen Feierabend. Hier gibts nicht den dem ich zu entrinnen trachte. letzten Käuferansturm vor Festbeginn, wie
war.
sehen?
Einen Augenblick lang packt mich Abschiedsweh. Ich schüttle es ab. Es ist jetzt nicht Zeit zu träumen. Es gilt wach zu sein.
entkommen.
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Einer fragt, wohin ich fahre.
> Ins Ge
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Leb wohl, alter guter Kamerad! Und... in der Großstadt. Das Leben läuft geruh- auf Wiedersehen! samer und planvoller. Mit dem Eilzug in die Nacht hinein... Ich habe noch anderthalb Stunden Zeit Der Zug rast, aber die Zeit schleicht dahin, Von dem kleinen Vorortbahnhof fahre ich( Qual des Wartens!), dann kommt der Ell- Sekunde um Sekunde, Minute um Minute. Einer der Mitfahrenden sagt:» Ich freue mit der Bimmelbahn zur nächsten Kleinstadt. zug, mit dem ich weiter will. Vom Himmel rieselt ein Gemisch aus Schnee und Regen. mich so auf zu Hause. Zwei Monate war ich Ich fahre mit der Straßenbahn, stehe ein- So hoffe ich der Gestapo zu Mit einemmal leuchten hinter den Fenstern unterwegs, jetzt geht es heim!< Der eine geklemmt zwischen lachenden Menschen, die Wahnsinn wäre es gewesen, auf den Hauptmit Paketen beladen heimzu eilen. bahnhof zu gehen und in einen Fernzug zu der kleinen altmodischen Häuschen die ersten kehrt heim, der andre flieht ins Ungewisse. Lichterbäume auf. Kinderstimmen singen So ist das Leben. So grausam grell kontraDer Schaffner grüßt mich mit» Heil Hit- steigen... ler!«. Ich antworte nicht, der Mann guckt Niemand im Abteil kennt mich. Ich fühle Weihnachtslieder. Dann schmettert feierlich stiert es die Kulissen, zwischen denen unsere mir erstaunt ins Gesicht und erkennt mich. mich plötzlich so sicher und geborgen, als Trompetenklang. Vom Kirchturm blasen die Schicksale sich erfüllen. Es ist ein ehemaliger Genosse, der recht- wäre die Flucht schon gelungen. Die Mit- Stadtmusici einen alten Choral... zeitig zu den Nazis übertrat. Er wird über fahrenden reden vom Fest und vom Urteil Erst ist es Rührung, die mich anfaßt, birge! Eine Ferientour in den Winter... schreit> Ah, da sind Sie zu beneiden, zu sowas und über rot, senkt den Blick, murmelt im Lubbeprozeß. Ein Dicker mit Hakenkreuz dann Zorn, heller Zorn. Lüge, Lüge! > Frohes Fest!<< und wendet sich dem nächsten schimpft auf die Richter, weil sie Dimitroff es auf in mir. Friede auf Erden? Den Men- gehört Geld...< schen ein Wohlgefallen? Seht her, hier steht Wenn der wüßte, daß die paar NotgroFahrgast zu freigesprochen haben. einer, dessen Verbrechen es ist, daß er nicht schen von Genossen für mich zusammenge schweigen konnte zu Mord und Raub und kratzt, sich knapp hinter der Grenze in das Volksbetrug, einer der für seines Landes Frei- Nichts aufgelöst haben werden, dem ich dann heit und Würde gekämpft hat und der dafür gegenüberstehe. von Glück sagen muß, wenn er bei Nacht und die Stadtgrenze nicht überschreiten darf, über> Aber Dimitroffs Schuld ist doch nicht er- Nebel seinem Vaterland entrinnen kann!... ehe ich sie erreiche, die Grenze... die die Straßenbahn gleich hinwegfahren wiesen«, wagt ein anderer vorsichtig einzu- Kindersang und Choralgeschmetter. Und hinter Kerkermauern verhallen ungehört die wird. Ein Wink an einen SA- Mann( ihrer wenden. drei sitzen im Wagen) genügt, und alles ist> Erwiesen?« Der Dicke wird rot vor Wut. Todesschreie meiner Kameraden... verloren... » Erwiesen? Mann, wir leben im dritten Reich! Kerzengefunkel aus allen Fenstern. Ich ein Nazi aus meiner Heimatstadt!... wandere straßauf, straßab. Vor einem der Aber meine Angst ist grundlos. Niemand Sie sind wohl ein Marxist?< Er nimmt mir gegenüber Platz. Ich sitze achtet auf mich. Die Fahrt dauert eine Ich will mich ins Gespräch mischen, aber Häuser bleibe ich stehn. Ich weiß: hier wohnt wie erstarrt, mühe mich um eine unbefangene Ewigkeit. Endlich die Zielstation. Weit die Vorsehung wehrt gütig meinem Leicht- ein Genosse, ein tapferer, aufrechter Kerl, Geste. ganz sinn. Denn im gleichen Nu hält der Zug und felsenfest zuverlässig, erprobt in tausend draußen in einem Vorort, der schon
Mich packt Angst. Der Schaffner kennt
> Der Halunke, der Bandit, der rote! Eine mich! Und im Wagen habe ich noch ein paar Schande, den laufen zu lassen! Na, das letzte bekannte Gesichter entdeckt. Wurde nicht Wort hat Göring . Der wird ihnen schon zeimein Name geflüstert? Man weiß in der gen, was ne Harke ist, unser eiserner HerStadt, daß ich unter Polizeiaufsicht stehe und mann!...<
Und dazu die Angst, gefaßt zu werden,
Station. Ein Mann steigt ins Abteil. Ich fühle, wie ich erbleiche. Das ist ja der X,
Endlich
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der Zug fährt schon wieder
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