Nr. 130 BEILAGE

Neuer Vorwärts

Deutschlands   Kolonialforderung

Afrika

9. Februar 1976

Niederländisch- Indien, Belgisch- und Portugiesisch­> Umsonst wird Europas   Hilfe und na- werden wir uns auf europäischen   Schlacht­An dieser Stelle wurde vor einigen schaft dieses Artikels eines parteioffiziel­der anderen Wochen die Aufmerksamkeit auf Hitler- len Wirtschaftsorgans: des außenpoliti- mentlich europäischen Groß- feldern holen! der Nationalsozialistischen   mächte nicht zu haben sein.<< deutschland   allgemeine Kolonialpropagan- schen Amtes Es sind Kriegsfanfaren, die von der da und auf die besondere Aktivität gegen- Partei. Soweit über die» europäische Interes-> Insel des Friedens« herübertönen, Kriegs­über Niederländisch- Indien gelenkt. Diese Was fordert Hitlerdeutschland   nun? In sengemeinschaft in Ost- Indien<, wie der fanfaren der kriegswilligen, kriegsbereiten Propaganda verliert nichts an Tempo. Im einen Satz zusammengefaßt und der un- Vorschlag bezeichnet wird. Bezüglich Afri- und im Jahre 1936 auch kriegsfertigen Gegenteil. Wir kommen dem akuten Sta- verfrorenen Sprache des Artikels ange- ka sieht die hitlerdeutsche Argumentation stärksten Militärmacht Europas  ! paßt, muß man zu dieser an die englische nicht anders aus.

dium immer näher.

-

L. J. Hochland.

beiden Mehrheitsbesitzer England und Frank- Kennst Du das Land?

der

Vor uns liegt das Januar- Heft der Adresse gerichteten Liste der Ansprüche> Worum es heute in Afrika   geht? Die > Deutschen Kolonialzeitung«. etwa sagen: Dieses Organ der Deutschen   Kolonialge- Hitlerdeutschland ist bereit, Nieder- reich müssen einsehen, daß sie, wenn sie sellschaft erscheint im Jahre 1936 im ver- ländisch- Indien   als Geschenk in Emp- nicht an das übrige Europa   in Afrika   sehr In einer amtlichen Bekanntmachung des der Reichskulturkam- größerten Format und stark erweitertem fang zu nehmen; allerdings nur, wenn weitgehende Konzessionen machen, ihre In- Präsidenten Umfang. Im Geleitwort wird davon ge- es gleichzeitig die belgischen und portu- teressen in anderen Teilen der Welt im Ernst- mer heißt es: sprochen, daß» das neue Deutschland   nach giesischen Besitzungen in Afrika   dazu fall allein werden ausfechten müssen.<< > Da die Reichskulturkammer   die kraft der dem Willen und den Worten des Führers erhält!! » Von den 29.8 Millionen km³ afrikani- Gesetzes bewirkte Zusammenfassung die Verwirklichung unserer kolonialen Begründet wird dieser nicht gerade be- schen Bodens gehören England etwa 40 Pro- Kulturberufsgruppen ist, so bereitet der Zu­Forderungen bringen soll.<< Und weiter: scheiden vorgetragene Wunschzettel fol- zent, Frankreich   30 Prozent, Belgien   8 Pro- satz Mitglied der Reichskultur­>> So gehen wir mit Zuversicht in das gendermaßen: zent und Portugal   7 Prozent. Niemand kammer« oder» Mitglied der Reichs­neue Jahr dem Ziele zu, das sich immer » Das Weltkolonialproblem konzentriert wird sagen können, daß eine der- musikkammer« zu einer Berufsbezeich­näher unseren Blicken zeigt.< sich heute auf Afrika   und die ostindischen artige Verteilung auch nur im nung etwas Selbstverständliches, daher Ueber­Auch das Organ der Deutschen   Kolo- Inseln. Die übrige Welt befindet sich, wie entferntesten Verantwor- flüssiges und unter Umständen Irreführendes. den Augen der nialgesellschaft hatte im Herbst vergan- man so sagt, in ,, festen Händen".<< tung entspricht, die den einzel- Denn dieser Zusatz ist in genen Jahres Anerkennung für Sir Samuel Man sieht den kriegslustigen Artikel- nen europäischen   Ländern dem Oeffentlichkeit, die über die Rechtsnatur der Hoare  , daß er in seiner Rede im Septem- schreiber bei diesem Eröffnungssatz sich Gesichtspunkte Europas   gegen- Kammern nicht genau unterrichtet ist, unter ber in Genf   nicht allein für Italien  , son- amüsieren darüber, wieviel weniger ihm über zukommt.<< dern ganz allgemein das Kolonialprogramm auf die Tagesordnung brachte. Heute aller­dings läßt man längst keinen Zweifel mehr, daß die Plattform der> Neuvertei­lung der kolonialen Rohstoffe« den deut­ schen   Forderungen bei weitem nicht mehr entspricht. Eine neue Form von Völker­bundsmandaten? Kommt gar nicht in Fra­ge, erklärt Hitlerdeutschland  . So weit es sich um die früheren deutschen Kolonien handelt, sagt der Leitartikler der» Kolo­nialzeitung<:

> Deutschland   hat auf die ihm geraubten Kolonien einen Rechtsanspruch, der mit der Idee des Mandats nichts gemein hat.<

Und für die neuen Forderungen ge­nügt ein Mandat, eine Treuhänderschaft im Namen des Völkerbundes keineswegs; denn

> Deutschland   hat keine Kolonien. Gerade deshalb ist die Kolonialschule der stärkste Ausdruck des Glaubens an unsere koloniale Zukunft. Ihre jungen Landwirte sind gewis­sermaßen der Stoßtrupp, der auf den Einsatz zu gegebener Zeit wartet. Die deutsche Kolo­nialschule hält die Beziehungen zur prakti­schen Kolonialwirtschaft aufrecht und blickt voller Hoffnungen auf die Zeit, in der die Kolonialfrage gelöst sein wird und alle Ab­solventen unter deutscher   Flagge in deutsche Kolonien hinausziehen können.<

> Deutschen   Kolonialzeitung< von

Der 30. Januar

PROTEST

POLNISCH KORAID

Seine Bundesgenossen gratulieren

Zeichnung: Henry Dubois.

So heißt es in einem Bericht der Kolo- als der übrigen Welt der» Besitz in festen Und plumpfreundschaftlich sagt sinnge­nialhochschule Witzenhausen   in Nr. 1 der Händen« imponiert. Aber das ist gewisser- mäß der Leitartikler der Kolonialzeitung, 1936. maßen der erste und letzte Seitenblick auf daß es den Engländern doch nicht schwer die inländischen Komplizen. Dem Ausland, fallen dürfte, auf Kosten anderer Leute besonders dem Adressaten England ge- Opfer zu bringen:

Deutlicher noch drückt diese Forderung der letzte Jahresbericht der Industrie- und Handelskammer Hamburg aus, in dem es nach einem Bericht der» Kölnischen Zei­ tung   vom 5. Januar 1936 heißt:

> Auf Grund seiner geographischen Lage, der Dichte seiner Bevölkerung und der star­ken Industrialisierung hat Deutschland   in

weit höherem Maße Anspruch auf ent­sprechenden Großwirtschaftsraum als ir gend ein anderes Land. Alle Projekte,

die darauf hinzielen, Deutschland   in über­seeischen Gebieten nur einen wirtschaftlichen Einfluß zuzubilligen, erfüllen diese Forde­rung nicht und können auch nicht als Wie­dergutmachung eines Unrechts angesehen werden. Deutschland   braucht einen über­seeischen Kolonialbesitz unter eigener Ver­waltung, mit eigener Währung, als einen eigenen Wirtschaftsraum..< ..

Diese Sätze geben einen Vorgeschmack auf den Umfang der hitlerdeutschen Ko­lonialforderungen. Nebenbei: der Hinweis auf den Bevölkerungsüberschuß ist natür­lich unsinnig. Vor dem Kriege lebten in den gesamten deutschen Kolonien zusam­men genommen nicht mehr Deutsche als

allein in London  .

der

genüber, muß man natürlich eine plausible> An England ist es, weitherzig endlich Begründung für seine Forderungen brin- die Initiative zu ergreifen, Opfer zu bringen, gen. Und das sieht dann so aus: Europa   die schließlich keine sind.<

zu vertreiben.<<

und die Vorherrschaft der weißen Rasse Zu welch>> großzügigen« Konzessionen werden heute in Singapur   verteidigt. Ja- dieses Dritte Reich heute schon gegen­pan ist sprungbereit. Nicht nur zum Vor- über denen bereit ist, denen es morgen dringen nach Ostindien, sondern von hier die Kolonien nehmen will, besagt der Satz: aus auch nach Afrika  . Europas   Vorherr­schaft in Afrika   würde unhaltbar, wenn wird sich dabei etwa gegen den Gedanken >> Kein vernünftiger Mensch in Europa  erst Ost- Indien in den Händen der Japa- von Kondominions in Afrika   sträuben, d. h. ner wäre. Darum bietet sich Hitlerdeutsch- niemand wird daran denken, die land als Bundesgenosse einem England an, Belgier oder Portugiesen, die in das die größten Anstrengungen zur Erhal- Afrika leben oder hinein wollen, tung seiner Machtstellung in Indien   ma­chen muß. Es besteht für das übrige Und entsprechend der neudeutschen Europa  » nach der ganzen Sachlage heute Diplomatie fehlt es natürlich nicht an zum Wohle der Weltstellung der weißen Drohungen von so zarten Andeutungen, Rasse ein Interesse, ja mehr noch eine mo-» daß die Dinge generell an den Punkt ge­ralische Verpflichtung zur Erhaltung der langt sind, an dem man vernünftige Ent­englischen Macht in Indien  . Was ist aber schlüsse ins Auge fassen muß, geht dar­zur Sicherung der englischen Position- aus hervor, daß Italien   die Geduld tig? Daß das Empire in Ost- Indien neben verloren hat und in Abessinien Frankreich   in Indochina   einen stärkeren Bundesgenossen erhält, als es heute Hol­ land   ist; denn

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selbständig handelte, bis zu der unmiẞ­verständlichen Kriegsankündigung: >> Wenn das bedeutet( die Haltung Eng­

Umständen der Ausdruck einer besonderen Leistungsbewertung oder der Zugehörigkeit zu einer aus der Berufsgruppe herausgehobe­nen Auslese. Ich verbiete deshalb al­len Mitgliedern der Reichskultur­ kammer  , sich in öffentlichen An­kündungen, auf Firmenschildern und dergleichen sich als Mit­glieder der Reichskulturkammer oder einer ihrer Einzelkammern zu bezeichnen. Zuwiderhandelnde haben den Ausschluß aus der Kammer und damit die Untersagung ihrer Berufstätigkeit zu ge­wärtigen. Entgegenstehende Bestimmungen der Kammern sind hiermit aufgehoben.

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Und dabei hat doch Adolf Hitler   nach eigener kürzlich wieder erfolgter An­gabe die unbedingt größte Revolution aller Völker und Zeiten gemacht und Umwälzungen in Deutschland   nur so auf Jahrtausende be­wirkt. All- Deutschland, wie es liebt und lebt, aber singt im Sinne der alten Burschenherr­lichkeit ungeachtet aller hochfahrenden Ge­danken des Führers über die angebliche Größe seines Umschmisses:

Die alte Schale nur ist fern, Geblieben ist uns doch der Kern! Und den laßt fest uns halten!

Nichts wissen ist Macht

Der Reichsfachschaftsleiter für Mittel­schulen im NS- Lehrerbund  , Nicolaus Maaßen  , schreibt in der Deutschen Allgemeinen Zei­tunge:

> Heute blicken wir auf unser oft so ge­priesenes Schulwesen als auf eine öffentli­che Einrichtung, die unserem Volke einen ungeheuren Verlust an wertvollstem Erb­gut zugefügt hat.<<

Darum rühmen» wir< und bei jeder Gele­genheit und in den überheblichsten Tönen der

deutschen   Wissenschaftler, die aus der schäd­lichen Einrichtung des alten Schulwesens her­vorgegangen sind. Und was werden wir< in nehmen? Pg. Maaßen verrät es im anschlie­

Zukunft gegen

Benden Satz:

die deutsche Schule unter­

>> Die nationalsozialistische Ordnung der. Dinge geht nun daran, den Schaden wieder gutzumachen und unser Bildungswesen nach rassenpolitischen Gesichtspunkten aufzu­

bauen.<<

Wer die meisten unverdächtigen Großväter nachweisen kann, wird von allen Prüfungen befreit und nach vollendeter Hitlerjugend­Dienstzeit zum Professor ernannt.

Der liberalistische Ley Kraft- durch- Freude- Ley kurz und bundig:

Im> Völkischen Beobachter< erklärt der

» Der Grundsatz unserer Sozialpolitik sieht vor, daß die Menschen die Dinge, die sie angehen, selbst regeln sollen. Der Staat ist nicht die Amme für alles.<< Nanu! Wir denken, es gibt kein Privat­leben mehr? Doch! Wer Hilfe braucht, soll

nur ein Kerkermeister.

Der Ewige

er ust

Aber wir brauchen uns nicht mehr mit selbst wenn nur der holländische Stein in lands gegenüber Italien  ), daß England über sich höchst privat selber helfen, denn der to­Vermutungen über die deutschen   Kolonial  -/ Ostindien herausbricht, und Japan   sich dort haupt nicht ernsthaft über afrikanische Ko- tale Staat ist wirklich keine Amme, forderungen aufzuhalten. Jetzt hat erst- festsetzt, selbst für diesen begrenzten An- lonialfragen, bei denen es Konzessionen ma­alles für Europa   in chen müßte, verhandeln will, so muß für malig eine maßgebliche Stelle die Schleier fangsfall wäre damit Asien   verloren. Kann Holland   allein Ost- die Zukunft mit noch schwereren gelüftet. Im dritten Dezemberheft Indien   verteidigen?<< Konflikten der europäischen  > Deutschen   Volkswirtschaft<, nationalsozialis scher Wirtschaftsdienst, Natürlich nicht. Man redet England Großmächte Afrikas  um schon jetzt, nicht erst in rechnet werden.<< wird in einem Leitartikel die neudeutsche gut zu, Diese Sätze sind offenherzig. Sie sind koloniale Speisekarte vorgelegt. Der zyni-» höchster Not Europa   zu Hilfe zu rufen<. sche Ton, der der Unverschämtheit der» Europa  «<, das ist hier Hitlerdeutschland. eine kategorische Erklärung: was ihr uns nicht rasch und> freiwillig gebt, das Forderungen entspricht, verrät die Vater- Freilich, so offenherzig ist man auch:

wegen ge­

Aus einer westdeutschen Nazizeitung: >> Hitler   ist, so wie Gott, Himmel und Erde, die Ewigkeit. Das dürfte allen Besserwissern genügen.<< Eine kleine Ewigkeit, versteht sich!