IVr. 16$ SONNTAG, 30. August 1936 tttecfonHatf Verlag; Karlsbad  , HausGraphia" Preise und Bezugsbedingungen siehe Beiblatt letzte Seite Aus dem Inhalt: Frauen im Konzentrationslager Das Moskauer Terrorurteil Hoffnung auf Sieg in Spanien  Geheimnisse brauner Steuern Die Brandfadcel über Europa  Hilst ungstr eiberei bis zum Weißbluten. Verdoppelung der Militärdienstzeit Hitler   hat auf dem Verordnungswege die militärische Dienstzeit in Deutschland   auf zwei Jahre verlängert. Das bedeutet die Verdopplung des stehenden Heeres von 550.000 auf 1,100.000 Mann, wobei der Arbeitsdienst nicht ein­gerechnet ist. Die Schraube des Wettrüstens wird erbarmungslos weitergedreht. Diese Maßnahme ist von entscheidender Bedeutung für den künftigen inneren Kurs des Systems. Sie steht neue gewaltige finanzielle Ansprüche. Sie bedeutet die Zurückweisung aller jener Pläne, die aus finanzpolitischen und wirt­schaftspolitischen Gründen eine Verlangsamung des Rüstungstempos vorschlugen. Sie zwingt das System zu neuer verschärfter Ausbeutung der Arbeiterschaft und der ganzen Bevölkerung damit zur Verschärfung des Terrors. Sie setzt die Ruinierung der Konsumgüterindustrie und der Exportindustrie zugunsten der Rüstungs­industrie fort. Sie bringt mit einem Ruck den Zeitpunkt näher, an dem das System zum Kriege greifen muß, weil es keine Möglichkeit der weiteren Steigerung der Rüstung mehr sieht. Diese Maßnahme vergiftet aufs neue die internationale Situation. Sie zeigt, daß das System sich nicht mehr an frühere feierliche Erklärungen gebunden hält. Zu diesen Erklärungen gehört die Zusicherung, daß Deutschland   seine Heeresstärke nicht über 550.000 Mann bringen werde, ebenso die zeitlich befristete Zusicherung, daß es das Rhein­land nicht befestigen werde. In dem Zeitraum, der angeblich der Vorbereitung einer europäischen   Friedenskonferenz dienen soll, belastet das braune System die europäische Lage mit einer gigantischen Verstärkung seiner militärischen Macht, die nur zu deutlich den Willen zur militärischen Ueberiegenheit, zur Vorherrschaft in Europa   erkennen läßt. In diesem Geiste will es auf die europäische Konferenz gehen. Nach der Kheinlandbesetznng, nach der demonstrativen Nichtbeantwortung des englischen Fragebogens eine provo­katorische Heeresvermehrung, die namentüch in Frankreich   als Kundgebung für den Willen zum Ueberf allkrieg, zur Diktatur über Europa   angesehen wird. Das ist die Antwort des braunen Systems auf den ausgesprochenen eindeutigen Friedenswillen der westeuropäischen Demokratien. Statt des Friedens eine Rüstungstreiberei bis zum Weißbluten, die verstärkte Kriegsgefahr bedeutet! Statt der Abrüstung eine Aufrüstung, die nahezu schon Mobilmachung ist. Das ist das wahre Gesicht des braunen Systems, das nach der Olympiade die Maske abwirft! Für Spanien  Internationale Arbeitersolidarität Die Streitkräfte der republikanischen spanischen   Regierung setzen ihre erfolg­reiche Verteidigung gegen die konterrevo­lutionäre Militärrebellion fort. Die euro­ päischen   Mächte haben sich untereinander verpflichtet, keine Waffen nach Spanien  zu Uefern. Alle Beobachter stimmen darin Uberein, daß die Regierung siegen werde, wenn den Rebellen keine Waffen mehr ge­liefert werden. Diese günstige Wirkung der Liefersperre hängt von zwei Voraus­setzungen ab: 1. daß die Waffen sperre eingehalten wird; 2. daß die Rebellen nicht inzwischen im großen Stile bewaffnet wor­den sind. Die Einhaltung der Waffensperre ge­gen die Rebellen zu überwachen, ist die Pflicht der Arbeiter aller Län­der. In England, Frankreich   und Belgien  hat die Arbeiterschaft Beispiele der Soli­darität gegeben. Sie hat den Abgang von Waffentransporten für die Rebellen ver­hindert, sie hat, wie in der De Havilland Company   einer englischen Flugzeug- firma, von der Flugzeuge zu den Bebellen gegangen waren durch ernste Vorstel­lungen die Zusicherung der Nichtlieferung erreicht. Diese Kontrolle durch die Arbei­terschaft ist um so notwendiger, als die reaktionären Kreise aller Länder mit den Rebellen sympathisieren. So hat der»Daily Herald« enthüllt, daß Finanziers in der City von London   Sammlungen für die Rebellen eingeleitet haben. Darüber hinaus aber beweisen die Ar­beiterparteien dem spanischen Freiheits­kampf praktische Solidarität. In einer Sitzung der Vertreter der Sozialisti­schen Arbeiterinternationale und des Internationalen Gewer k- schaftsbundes in Paris   wurde fest­gestellt, daß der Aufruf der beiden Inter­nationalen zur Solidarität prachtvolle Auf­nahme gefunden habe. Nach Berichten von J o u h a n x und deBrouckere, die aus Spanien   zurückgekehrt sind, hat diese Sit­zung eine gewisse Anzahl von Maßnahmen getroffen, die dem Interesse der für ihre Republik kämpfenden spanischen Arbeiter entsprechen. Hoffnung ntff Sieg Der spanische Ministerpräsident Girat hat dem»Daily Herald« Erklärungen abgege­ben, in denen es heißt: »Ich bin mit dem Verlauf des Krieges mehr als zufrieden. Ich habe große Hoffnun­gen. Es ist ein Krieg, ein überaus ernster Bürgerkrieg, aber ich habe große Hoffnun­gen, daß er in nicht aliznianger Zeit vor­über sein wird. Wenn wir gesiegt haben wer­den, so wird das unmittelbare Ergebnis ein großer Fortschritt in den sozialen Bedingun­gen des Volkes sein. Ich bin mit der Zu­sammenarbeit von Sozialisten, Kommunisten und Syndikalisten absolut zufrieden. Sie sind in ihren Forderangen nie über das Programm der Volksfront hinausgegangen und ihre Un­terstützung Ist der Regierang gegenüber ab­solut loyal gewesen. Die Regierung ist eine ausschließlich republikanische Regierung, und sie wird es bleiben.« Von Korruption zerfressen! Nach Kube Görlitzer Der Berliner   stellvertretende Gauleiter Görlitzer ist im Znsammenhang mit dem Kubeskandai verhaftet worden. Auch er wird schlimmster Korruption bezichtigt. Der Kassenverwalter Rottenhofer der Gauverwaltung Köln der Arbeitsfront  ist nach Unterschlagung von 80.000 Mark geflohen. Xeue Terpopurteile Die Gestapo   in Hamburg   beginnt bereits jetzt noch bevor das Todesurteil gegen Edgar Andre   bestätigt ist, die im Prozeß aufge­tretenen Entlastungszeugen in Kon­zentrationslager einzuliefern. Bekannt wurden die beiden Fälle der Zeugen Paul Tastesen   und Anton Saefkow   aus Hamburg  . Neben dem Prozeß Andre wurde vor den Hamburger   Gerichten zu gleicher Zeit eine Serie weiterer politischer Prozesse erledigt. So wurden allein am 28. Juli von einem Hamburger   Gericht 12 Angeklagte: JUr- gensen, Kappelmann, Thomsack, Nlethe, Büsen  , Rathenau  , Okon, Sänger, Homan Falkenhagcn, Schmidt, Dyrkopp, Bieber, Fölster, zu hohen Zuchthausstrafen ver­urteilt. Keine Zeitung berichtete auch nur mit einem Worte von dem Urteil. Die Form der Verhandlungsführung ist bedingt durch die Masse der Inhaftierten, die abgeurteilt wer­den sollen. Die Norm Ist: 1. Tag Vernehmun­gen zur Person, 2. Tag Anklage und am 3. Tag wird meistens bereits das Urteil gefällt. Die Verteidiger sind in sämtlichen Prozessen Offizialverteidiger. Der größte Teil der bis­her Abgeurteilten wurde in das Gefängnis nach Rondsburg transportiert, dessen Beleg­schaft in ganz kurzer Zeit von 400 auf 1000 Gefangene gestiegen ist. Es befinden sich sehr viele Frauen unter den Abgeurteilten, So erhielt z. B. eine Frau Huthmann 3 Jahre Zuchthaus  , eine Frau Schmidt 2 Jahre. Willkür lldie Strafverlängerung Aus Deutschland   wird jetzt der zweite Fall offiziell gemeldet, in dem ein politi­scher Gefangener nach Verbüßung seiner Strafzeit in Sicherheitsverwahrung genommen wurde. Der erste Fall im Mai d. J. betraf den Kommunisten Rückert, der im Zusammenhang mit dem Totschlag an Horst Wessel   noch vor Hitlers   Machtergreifung zu sechs Jahren Zuchthaus verurteüt worden war. Der zweite betrifft ebenfalls einen Kom­munisten, der nach der>Fr. Ztg.« im No­vember 1931»wegen Ueberfalls auf Natio­nalsozialisten«(das Nähere wird nicht ange­geben) In Düsseldorf   fünf Jahre Zuchthaus erhielt und jetzt seine Strafzeit verbüßt hat. Er soll mehrfach vorbestraft sein, ob wegen politischer oder krimineller Delikte, geht aus der Meldung nicht hervor. Jedenfalls bean­tragte der Staatsanwalt gegen ihn jetzt nachträglich die Anordnung der Sicherheitsverwahrung und die Große Straf­kammer Düsseldorf   entschied entsprechend. Man sieht aus diesen beiden Fällen: Sy stematisch wandeln die braunen Machthaber, die unter der Weimarer Republik   verhängten zeitlichen Freiheitsstrafen in lebensläng­liche um(denn das bedeutet die Anordnung der Sicherheitsverwahrung praktisch), und zwar geschieht das, wenn das Rachemotiv wegen Verletzung eines der ihren im Vor­dergrund steht Diese nachträgliche willkürliche Straf­erhöhung bildet das würdige Seitenatück zu den Strafgesetzen mit rückwirkender Kraft, die den Täter einer zur Tat noch gar nicht angedrohten Strafe belasten. Ein Szenenwechsel Nach dem Panthersprung das neue BUstungsprogramm Das braune System hat plötzlich die Richtung seiner hysterischen außenpoliti­schen Aktivität gewechselt. Es bekennt sich zum Prinzip der Nichteinmischung in Spanien  , es erläßt ein Ausfuhrverbot für Waffen nach Spanien  , es stimmt seine künstliche Entrüstung über den Fall des Dampfers»Kamerun  « herab. Das Spanien­abenteuer des neudeutschen Imperialismus wird in die zweite Linie gestellt. In die erste Linie kommt statt dessen wieder die provokatorische Rüstungspoli­tik; Verlängerung der Dienstzeit auf zwei Jahre, Versuche zur Bildung militärischer Allianzen in Mitteleuropa  , die Befestigung des Rheinlands. Das spanische Abenteuer des braunen Systems war ein mindestens so gefährli­ches Spiel mit dem Feuer wie seinerzeit der Panthersprung nach Agadir  . Es war geradezu eine Kopie dieser wilhelminischen Glanzleistung. Man muß annehmen, daß der auf den Obersalzberg befohlene Admi- ral Raeder seinem»Führer« einen instruk­tiven Vortrag darüber gehalten hat, welche Wirkungen es haben könne, wenn er es wirklich zu einem offenen Konflikt in der Nähe von Gibraltar   treiben würde, und daß die deutschen   Schiffe wohl geeignete In­strumente gegen die schwachen spanischen  Regierungsschiffe sind, nicht aber gegen englische und französische   Schiffe. Die deutsche Presse hat eben noch auf Befehl laut über den Fall des Dampfers»Kame­ run  « losgeheult. Spanische Regierungs­schiffe haben ihn angehalten und festge­stellt, daß er Benzin für die Rebellen mit sich führte. Deswegen wurde die spani­sche Regierung eine Anarchistenbande, eine Piratenrotte genannt. Deswegen wurde im Stile Wilhelms II. mit Selbsthilfe, mit Eingreifen der deut­ schen   Flotte gedroht. Jetzt ist das alles mehr in den Hintergrund gerückt, und Hitler   hat sich bequemt, den Vorschlag der Nichteinmischung anzunehmen. Die nationalistisch aufgeregte braune Presse muß sich wieder abregen. Aber Mussolini   war noch rascher: Er hat früher noch als Hitler den Nicht­einmischungsvorschlag angenommen, und diese Tatsache ist es gewesen, die die An­nahme durch Hitlerdeutschland nach sich gezogen hat. Warum hat Mussolini  , der wahre Hintermann Francos und dessen be­ster Lieferant, es plötzlich eilig gehabt? Hält er Franco für hinreichend versorgt oder hält er die Sache der Rebellen bereits für verloren? Oder ist er über die wahren Absichten seines Bundesgenossen Hitler  unruhig geworden? Hier verknüpft sich das spanische Aben­teuer der beiden Faschistenführer mit dem mitteleuropäischen Problem. Die Ansprüche Deutschlands   und Italiens  in Mitteleuropa   sind keineswegs schied- lich-friedlich verteilt worden. In Oester­ reich   ist ein erbittertes unterirdisches Ringen zwischen dem deutschen   und dem italienischen   Einfluß im Gange, ebenso in Ungarn  . In Ungarn   sind die Dinge noch offener als in Oesterreich  . Mussolini   will den Ministerpräsidenten Gömbös   durch Bethlen ersetzen, aber Hitler   ist für Göm­bös, den Freund Görings. Die deutsche  Propaganda bearbeitet Jugoslawien   auf das stärkste mit deutlicher Spitze gegen