Die deutsch - italienische Zusammenarbeit wie das deutsch -japanische Militärbündnis haben in England große Unruhe hervorgerufen. Man beginnt zu verstehen, daß die Diktaturländer sich auf einen Krieg vorbereiten, an dessen Ende eine Neuverteilung der Welt zugunsten von Deutschland , Italien und Japan stehen soll. Man erkennt, daß das britische Empire das Objekt der Begehrlichkeit der»have nots« ist. Das Gefühl der Sicherheit und des Unbeteiligtseins an der Erschütterung aller Rechts- und Sicherheitsverhältnisse auf dem Kontinent weicht dem Gefühl einer unmittelbaren Bedrohung. Die englische Politik hat bisher eine sehr starke Uninteressiertheit an der Frage des Status quo in Mittel- und Osteuropa gezeigt. Sie hat kein
würde, sich Italiens und Polens zu versichern, wenn nicht auf dem Vertragswege, so durch Gewalt. Er zieht die Konsequenzen, die ein Fall der Tschechoslo wakei für beide Länder— und auch für Sowjetrußland— nach sich ziehen würde, er skizziert die gewaltigen Vorteüe, die diese Länder aus einer gemeinsamen Politik gegen die deutsche Expansion ziehen würden. Schon seine Darlegungen über Italien zeigen, wie West- und Mitte 1 m e e rf r a g en und die Frage des Status quo im Osten ineinandergreifen. Noch eindrucksvoller ist seine Beweisführung, wenn er auseinandersetzt, wie das englische Interesse mit der Existenz der Tschechoslo wakei verknüpft ist. Die deutsche Expansion längs der eurasischen Transversale
Verständnis dafür gehabt, daß diese Frage zielt nach dem Zentrum der englischen ihre eigenen Lebensinteressen berührt. Herrschaft, die sich um den Indischen Aber jetzt ist der Augenblick gekommen, Ozean herum ausbreitet. Längs dieser in dem die englische Politik sich zu dem Linie trifft sie nicht nur auf die besten Verständnis durchringen muß, daß gefähr- Verkehrswege und Eisenbahnen, sondern Interessen vom vor allem auch auf die wichtigsten Petro-
liche Stöße gegen ihre deutschen Imperialismus Europas geführt werden daß die Umwälzung des Status quo im Osten die Ouvertüre, wie die notwendige Voraussetzung zu einem Angriff des deutschen Imperialismus auf die westeuropäischen Demokratien wie zur Beraubung der westeuropäischen Kolonialmächte ist. Eine Trennung der Westfragen von den Ostfragen, ein Nach-
im Südosten leumvorkommen, Rumänien , Mossul , Südkönnten, und persien, die den Betriebsstoff für die modernen Luftflotten liefern: »Die Entfernung des rumänischen Beckens von den großen deutschen Luftbasen beträgt 1300 km; die rumänische Basis ist von der Basis von Mossul 1800 km entfernt. Die Entfernung von Mossul vom Nordufer des persischen Golfs(wo die Transversale endet) ist kaum größer als 800 km. Und nun wollen wir annehmen, daß heute, wo man Kiiege auf»Wogen von Petroleum« gewinnt, eine
geben gegenüber der deutschen These von Macht sich unserer beiden mächtigsten Luftbasen, Rumäniens und Mossuls, bemächtigen würde. Was würde England tun? Die Situation, die im Jahre 1918 geschaffen worden Kurzsichtigkeit, die glaubt, daß man durch' iSt, würde ganz einfach zerstört sein und der eine Lockerung der Verträge zwischen Krieg um die eurasische Transversale würde Frankreich und Sowjetrußland, zwischen mit gleicher Erbitterung wie ehedem von
der Teilbarkeit des Friedens würde für die westlichen Demokratien, würde vor allem für England Selbstmord bedeuten. Die
Sowjetrußland und der Tschechoslowakei den deutschen Angriffswillen beschwichtigen könnte, ist lebensgefährlich. Der unzertrennbare Zusammenhang zwischen den Westfragen und den Ostfragen in Europa wie zwischen beiden und den großen weltpolitischen Fragen wird jDttit eindringlicher Klarheit und glänzender Dialektik klargelegt in einer Studie, die Oberst E. Moravec, Professor an der Tschechoslowakischen Kriegshochschule, im Orbisverlag in Prag veröffentlicht hat. Diese Studie nennt sich»Die strategische Bedeutung der Tschechoslowakei für West europa « und sie berührt alle die von uns angedeuteten Beziehungen.») Diese Schrift geht von der Voraussetzung aus, daß es ein altes Ziel deutscher imperialistischer Expansionspolitik ist, die sogenannte»eurasische Transversale«, die Linie Hambur g— B asrah(Ber- 1 i n— B a g d a d) zu beherrschen. Der Vormarsch auf dieser Linie ist durch den Weltkrieg aufgehalten worden, er hat jetzt— und das ist der Ausgangspunkt dieser Schrift— wieder begonnen. Vor dem Weltkrieg beherrschte Deutschland von dieser Linie, auf der fast mathematisch genau Prag , Budapest und Konstan tinopel liegen, und deren europäischer Teil 1750 km lang ist, nicht weniger als 1350 km dank dem Bündnis mit Oester reich-Ungarn . Heute sind 670 km in deutschem und ungarischem Besitz, 1080 km im Besitz der Kleinen Entente . Die Schlüsselstellung aber, die Deutschland an der Rückeroberung seines Vorkriegseinflusses hindert, nimmt die Tschechoslowakische Republik ein. »Die Vernichtung der Tschechoslowakei würde Deutschland 480 km der eurasischen Transversale einbringen, was zu den 200 km des ungarischen Stücks hinzugefügt, im ganzen 1150 km ausmachen würde. Die Zerschmetterung und Liquidation der Tschecho slowakei würden es Deutschland erlauben, sich von neuem der Donauregion zu bemächtigen... Damit Deutschland seine alte Hegemonie in Mitteleuropa und an der Donau errichtet. würde ihm heute die Erdrosselung der Tschechoslowakei genügen.«(S. 39, 40.) Ausführliche Darlegungen machen die große strategische Bedeutung des Donaubeckens als des großen Kreuzweges aller Handels- und Kriegsstraßen Europas , und der Tschechoslowakei als der Schlüssele Position klar. Davon ausgehend zeigt der Verfasser, wie ein deutscher Vorstoß nach Südosten die deutsche Strategie zwingen
♦)»La valcur de la Tchäcoslovaquie pour l'Europe occidentale« par Le colonel Emanuel Moravec , Orbis, Prague.
vorne anfangen. Kein europäischer Staat ist an der Situation der rumänischen Petroleumbasis so interessiert wie England. Solange die Tschechoslo wakei existiert, trennen mehr als 1000 km Deutschland vom rumänischen Petroleum. Wäre die Tschechoslowakei erst einmal geschlagen, so würden es nur mehr 300 sein. England kann sich weder an dem desinter- essieren, was auf der eurasischen Transversale längs ihres europäischen Abschnittes vor sich geht, noch am Besitzer der rumänischen Petroleumbasis. Also kann sich England auch nicht an der Tschechoslowakei desinteressde- ren, die 500 km der Transversale bewacht und die die vorgeschobene Schildwache der rumänischen Petroleumbasis ist. Die Lehre dieser Studie über Luftstrategie unter mitteleuropäischem Gesichtspunkt ist die folgende: damit die Sicherheit Englands im Indischen Ozean gewährleistet sei, darf die Donauregion nicht durch die Luftwaffe einer Macht ersten Ranges beherrscht werden... Man könnte sagen, daß England die Verteidigung des Bassins von Mossul und der Verbindungen zwischen Afrika und SUdasien auf den Kämmen der Sudeten und Karpathen organisieren muß.«(S. 55, 56.) Oberst Moravec setzt weiter auseinander, welche Bedeutung die Kleine Entente und die Balkanentente in diesem Zusammenhang habe: »Wenn das kontinentale Vieleck, das vom Schwarzen und Kaspischen Meer, Mittelmeer, Rotem Meer und Indischem Ozean begrenzt wird, die Vorhalle des Indischen Ozeans und von Indien selbst darstellt, so ist die Balkan-Entente die große Treppe, die zur Vorhalle führt, und die Kleine Entente die Gartenmauer, deren Haupttor die Tschechoslowakei darstellt. Wem es gelingen sollte, das Tor einzudrücken, würde auf die Treppe vordringen und von der Treppe ins Vestibül.«(S. 66.) Diese ernste Mahnung an die weltpolitischen Zusammenhänge ist übrigens alles andere, als ein Ausfluß von Furcht, Mit großer Ruhe setzt der Verfasser auseinander, daß die Kleine Entente heute über 60 Friedensdivisionen verfügt, die jedem Angreifer zu denken geben sollten, der es mit ihnen in der Front oder in der Flanke zu tun bekommen würde— wie überhaupt in dieser nur scheinbar so kriegerischen Betrachtung es sich nicht um den Krieg, sondern mit der Erhaltung des Status quo im Osten um die Erhaltung des Friedens handelt Das wird in den Schlußworten dieser Studie ganz klar: »Die Kleine Entente und die Balkan-Entente kontrollieren heute den mittleren Ab
schnitt der eurasischen Transversale auf fast zwei Dritteln seiner Länge. Natürlich ist die Kontrolle der beiden Ententen längs der eurasischen Transversale von strikt defensivem Charakter. Die sieben oder zehn Nationen, die die beiden Ententen umfassen, können ungeachtet ihrer 75 Millionen Einwohner keine Eroberungsabsichten haben; denn sie würden in der Tat die Früchte ihrer Eroberungen nicht verteüen können. Und eben deswegen bilden die beiden Ententen heute in Europa eine mächtige Kraft der Erhaltung und einen wesentlichen Gleichgewichtsfaktor. An dem Tage, an dem die beiden Ententen einem Stoß nachgeben würden, der längs der eurasischen Transversale geführt würde, würde man nicht nur eine Verschiebung der Grenzpfähle in Europa , sondern eine Neuverteilung der Welt erleben. (S. 66, 67.) Soweit die Studie von Oberst Moravec. Diese scharf formulierten Darlegungen werden besonders eindrucksvoll im Lichte der jüngsten Tatsachen stehen. Im Zusammenhang mit ihrer Intervention in Spanien suchen Deutschland und Italien eine panarabische Bewegung aufzureizen, die in Nordafrika und Vorderasien wirksam werden soll. Damit sollen vor allem die Pufferstaaten durchdrungen werden, die in Vorderasien Englands indischen Besitz decken. Der Aufstand in Palästina and die Militärrevolte in Irak , in denen Deutschland seine Hand hat, lehren, daß die Vorbereitungen zum Vorstoß längs der eurasischen Transversale nicht nur an ihrem europäischen, sondern auch an ihrem asiatischen Stück getroffen werden. Die
Versuche,, die strategisch-politische Lage zwischen Böhmen und dem Schwarzen Meer zu verändern, reißen nicht ab. Der deutsche Imperialismus arbeitet an dem Einsturz des Status quo im Osten, weil erst dieser Einsturz ihm den Weg zu der großen weltpolitischen Aktion freimachenwürde. Es war ein verhängnisvoller Fehler der englischen Politik, daß sie bisher ihre Augen vor diesen Zusammenhängen verschlossen, daß sie mitteleuropäische Politik und Weltpolitik nicht als Einheit begriffen hat. Heute aber, wo durch das deutsch -italienische Abkommen gewissermaßen die Rheinlandbefestigung nach Süden verlängert worden ist, wo eine Barriere der Diktaturstaaten die strategischen Linien zwischen Westen und Osten zerschnitten hat, wo Italien Deutschland eine Seebasis und eine Luftbasis im Mittelmeer gibt— noch dazu in nächster Nähe der kürzesten Linie zwischen der Nordsee und dem Persischen Golf — heute drängt sich die Einheit der europäischen Politik auch dem Kurzsichtigen mit Gewalt auf. Der Angriff des deutschen Imperialismus auf den Status quo im Osten und der Angriff auf weltpolitische Objekte sind zwei Etappen des Generalangriffs, der auf eine Neu- verteüung der Welt abzielt Es wäre kurzsichtig, wenn man aus dem Hervortreten des weltpolitischen Zuges des deutschen Expansionswillens schüeßen wollte, daß in Mittel- und Osteuropa Entspannung eintreten würde, es wäre ebenso kurzsichtig wie jene Anschauungen in England, die von der freien Hand für Deutsch land im Osten Ruhe und Entspannung für das britische Empire erhoffen. Jetzt ist keine Zeit mehr für Illusionen jeder Art; denn der Angriff ist im vollen Gange— auf allen Schauplätzen! Max Klinger .
Sdiledile Karriereaussidifen für Ingenieure Wenn einer eine Reise tut. Josef Winschuh , der Wirtsohaftsredakteur der»Deutschen Allgemeinen Zeitung«, hat eine Fahrt durch Sachsen gemacht und kann einiges Interessante darüber erzählen, z. B. was ihm ein Professor der Freiberger Berg' akademie,»wohl die berühmteste Lehr- und Forschungsstätte des Metallbergbaues«, über den Nachwuchs von Bergingenieuren berichtet hat. Die Bergakademie, an der der Professor wirkt,»stellt sich mit all ihren Erfahrungen dem Vierjahrplkn zur Verfügung«. Der Professor aber antwortet auf die Frage, »wie es denn mit unserem Nachwuchs an Bergingenieuren bestellt ist«:»Leider schlecht«. Er ist stark zusammengeschrumpft. Und die Ursachen? »Schuld daran trägt vor allem die kurzsichtige Politik der Industrie, die zwar in ihren Finanzen und Maschinen eine langfristige Reservenpolitik trieb, aber mit ihren wertvollen Fachkräften Raubbau trieb. Die katastrophale Gehaltspolitik, die von der Industrie mit jungen Ingenieuren getrieben wurde, das hastige Abstoßen von Mitarbeltem in Krisenzeiten hat natürlich den Nachwuchs stark abgeschreckt. Es dauert Jahre, bis die entstandene Lücke wieder aufgefüllt ist. Dann hat zunächst der Aufbau der Wehrmacht viele junge Leute absorbiert. Es war und ist noch für viele Abiturienten aussichtsreicher Offizier zu werden, Mitglied eines geachteten Standes, mit einer Karriere vor sich und einer Pension im Alter als einen teuren und stark konjunkturabhängigen akademischen Beruf zu ergreifen, der auf so schlechte Jahre zurückblickt. Das gilt erst recht von den Eltern: ein Sohn in dfr Wehrmacht kostet sie wenig, ein Sohn im Studium viel.« Eine fast noch größere Gefahr für die Fortsetzung der Aufrüstung im bisherigen Tempo als der Mangel an Facharbeitern ist das Fehlen des Nachwuchses von Technikern. In der Tat ist von der Industrie ein Raubbau mit ihren wissenschaftlich geschulten Kräften getrieben worden, in der Krise wurden nicht nur die Gehälter der Ingenieure und Techniker stark abgebaut, sondern massenweise auch diese selbst. Aber die Aufrüstung hat einen großen Bedarf an technischen Kräften mit sich gebracht, dennoch scheint ihre Entlohnung kaum höher zu sein als in der Krisenzeit, die dem Hitlerregime vorausgegangen war. Wäre es anders, dann müßte, sollte man annehmen, jungen Leuten aus dem Bürgertum die Industrielle Karrlere mindestens ebenso verlockend erscheinen wie die militärische, das Generaldirektorspatent in der Brieftasche so reizvoll wie der Marschallstab im Tournister. Nebenbei: es scheint, daß die jungen Leute bürgerlicher Herkunft ihren militärischen Beruf wählen, nicht um heldisch ihr Leben fürs Vaterland einzusetzen, sondern um sich von ihm gut und mit Pensionsberechtigung versorgen zu lassen. Entscheidend ist, daß die
Methoden, wie das Dritte Reich die Wehr- haftmachung besorgt, geeignet ist, diese selbst zu gefährden. Denn der starke Verbrauch von Offizieren im stehenden Heere erzeugt Mangel an Offizieren der Industriellen Armee, die für den Ausgang eines Krieges mindestens ebenso wichtig sind wie jene. Der militärische Drill, der den jungen Leuten aufgezwungen wird und mit dem sie einen Teil ihrer wertvollsten Jahre verbringen müssen, läßt sie alt werden, bis sie ihr Studium beendet haben und imstande sind, sich aus eigener Kraft zu erhalten. Es ist also das wahnsinniga Tempo, mit dem sich das Hitlerregime anstrengt, der Welt zu zeigen, wie stark es ist, das seine militärische Stärke selbst in Frage stellt.
Göbbels gegen das DriKe Reich »Es ist nicht wahr, daß die Völker den Krieg wollen. Sie wollen ihn nur, wenn die öffentliche Meinung sie zum Krieg aufstachelt; sie sind friedliebend, wenn die Regierungen sie zum Frieden erziehen. Läßt man den Blick schweifen über Europa und läßt man jetzt 18 Jahre nach Ende des großen Krieges wieder das verantwortungslose Geschwätz vom »kommenden Krieg« vernehmen, so könnte man an der Zukunft dieses Erdteiles verzweifeln.« (Göbbels auf dem Kontinentalen Reklamekongreß in Berlin am 24. November 1936.)
Der radisudifisre Krüppel Wir lesen in einem Berüner Boulevardblatt: »Ein intellektuelles Vieh von abstoßender Häßlichkeit, dessen morscher Körper von einem teuflischen Geist beseelt Ist. Er hat sich ein Brett über die Badewanne legen lassen und unterschreibt darauf»mit dem ganzen Haß des Kranken auf alle Gesunden«(biologische Dynamik des Dramas!) Todesurteile am laufenden Band, wenn es nicht gerade Hetzartikel für den»Volksfreund« sind.« Um was handelt es sich? Etwa um die dramatische Verarztung eines Propagandi? Ja, so ungefähr, aber er heißt Marat und gefeiert wird seine Mörderin Corday in einer Berliner Uraufführung- Die DAZ schmeißt noch verdächtiger mit Steinen, indem»sie sich in ihrer durchaus abfälligen Rezension den Satz zuschulden kommen läßt: »Der ehemalige Tierarzt Marat sitzt mit Schwären bedeckt in seiner historischen Badewanne, wo er Todesurteile unterzeichnet, getrieben von seiner eigenen Mißgestalt und seiner Krankheit.« Was sagt man im Propagandaministerium dazu? Verbirgt sich in diesen Anspielungen auf den»rachsüchtigen Krüppel« nicht schon ein getarnter Ruf nach einer modernen Char lotte Corday ? Womit wir Marat jedoch nicht etwa mit reaktionären braunen Haßdemagogen auf eine Stufe stellen wollen!