Nr. 195 SONNTAG, 7. März 1937 iSoslaldgmograftfcfrgg tttecfrgnfrta# Verlag; Karlsbad  , HausGraphia"« Preise und Bezugsbedingungen siehe Beiblatt letzte Seite Aus dem Inhalt: Moskauer Prozefigeheimnisse Das Blutbad von Malaga Enteignung des Auslandbesitzes Der Führer als Wirtschafts- fachmann Amerika   seht voran Die Arbeiter sind gliicklidi Well sie nicht mehr streiken dürfen. Für die heutige Lage in Deutschland  ist das kennzeichnend: es genügt den Machthabern nicht mehr, den Arbeitern das Streiken zu verbieten, sie ver­suchen obendrein auch, es ihnen auszu­reden. Haben sie wirklich nicht mehr Vertrauen genug zu ihrer Gewalt, daß sie es jetzt mit gütlichem Zuspruch ver­suchen? Dann steht es wahrlich schlecht mit ihnen! Denn ihre Gewalt wird respek­tiert, solange sie gefürchtet wird, ihre »Beweisführung« aber wird nur einem Hohnlachen begegnen. Mehr als sonstige Streiks, die in den freien Ländern da und dort aufflammen, hat der große Kampf bei General Mo­tor s in USA   aufrüttelnd und ermutigend gewirkt. Denn die Arbeiter haben nicht nur eine Lohnerhöhung von 5 Prozent er­rungen, sondern sie haben auch durchge­setzt, daß die hartgesottenste Scharf­machergilde, die es in Amerika   gibt, die Gewerkschaft hinfort als gleichberechtig­ten Verhandlungspartner anerkennen. Das bedeutet, wie jeder sozialpolitisch Erfah­rene weiß, die Möglichkeit, in Zukunft auch ohne Streik auf dem Wege von Ver­handlungen die Lebenshaltung der Arbei­ter der verbesserten Wirtschaftslage an­zupassen. Es war ein großer Erfolg, den die Arbeiter erreichen konnten, weil die Staatsgewalt, vertreten durch den Präsi­denten Roosevelt   sich weigerte, den Unternehmern in der gewohnten Weise beizuspringen und den Streik gewaltsam zu brechen. Die Machthaber Deutschlands   können ihren Sklaven ein so großes Ereignis nicht ganz verschweigen. Sie können ihnen auch nicht verbieten, darüber nachzudenken. Auf die Gewalt allein wollen oder können sie sich nicht mehr verlassen. Was bleibt ihnen also anderes übrig als zu lügen und zu fälschen? Sie tun es im Vertrauen dar­auf, daß hinter jedem Versuch, sie zu widerlegen, das Konzentrationslager steht In dicken Lettern schrie also ihre Presse, in geschwollenen Worten brüllte ihr Rundfunk, dnR das Ergebnis des Rie­senkampfes bei General Motors   für die Arbeiter»kläglich« gewesen sei. Man denke, nur fünf Prozent mehr Lohn nach sechs Wochen Kampf! 84 Wochen lang müßten die unglücklichen Arbeiter arbei­ten, um den Lohnausfall wieder einzuholen: »Sechs Wochen Unruhe, Sorge, Hunger, Kummer, Hetze, Krawall und schließlich ein Verdienstausfall, der erst in andert­halb Jahren ausgeglichen sein wird!« Wie gut hat es dagegen der deutsche Arbeiter. Er weiß bekanntlich nichts von Sorge, Hunger und Kummer und Un­ruhe und Hetze kennt er nur insoweit, als sie behördlich angeordnet sind. Wie gut es ihm geht, erfährt er folgendermaßen wörtlich; >Im nationalsozialistischen Deutschland   gibt es glücklicher­weise keine Streiks mehr, aber auch keine Aussperrungen. Par­tei und Staat sorgen für sozialen Ausgleich und soziale Gerechtig­keit.« In Wirklichkeit haben die streikenden Arbeiter von General Motors   während des Streiks sicherlich viel besser gelebt als die meisten deutschen   Arbeiter, die voll­beschäftigt sind und Ueberstunden ma­chen. War doch der Streik nur der letzte Ausläufer einer Lohnbewegung, in der sie insgesamt 25 Prozent Lohnsteigerung er­zielten ungefähr in dem gleichen Zeitraum, in dem die deutschen   Arbeiterlöhne um 25 Prozent heruntergingen. Die Behauptung, die Aufbesserung werde durch den voran­gegangenen Lohnausfall für anderthalb Jahre aufgezehrt, ist purer Schwindel. Außerdem war, wie schon gesagt, gar nicht der Lohnzuschlag, sondern die An­erkennung der Gewerkschaft der Haupter­folg des Streikes. Die Göbbelspropaganda setzte natür­lich bei dieser Gelegenheit auch auseinan­der, wie schlimm es in Deutschland   m den »Jahren der Schmach« gewesen, und wie über alle Maßen herrlich es heute ist. Von 1919 bis 1931 hätte es 33.800 Streiks gegeben, von denen nur elf Prozent er­folgreich gewesen seien. Heute jedoch wären Streiks nicht mehr nötig, weil das Dritte Reich wieder wörtlich»alle verfügbare Kraft und alle Mittel einsetzt, um jedem schaffenden Volksgenossen Wege zum sozialen Aufstieg zu öffnen«. Ehe Göbbelspropaganda fälscht nicht nur die Statistik, sie verschiebt auch völ­lig den Gegenstand des Streiks. Kein Sozialdemokrat und kein Gewerkschafter hält den Streik für das beste, jederzeit an­wendbare Kampfmittel Es ist aber ein anderes, zur Vorsicht in der Anwendung dieses Kampfmittels zu raten, ein anderes, es dem Arbeiter aus der Hand zu schlagen und ihn wehrlos dem Lohndiktat des Un­ternehmertums auszuliefern. Das ist aber in Deutschland   unter dem schwindleri­schen Vorwand, man werde schon auf an­dere Weise für»soziale Gerechtigkeit« sorgen, geschehen. Und die Wirkung? Während der deutsche Arbeiter in den »Jahren der Schmach« zu den best be­zahltesten Europas   gehörte, gehört er jetzt zu den schlechtest bezahlten. Während die Gewerkschaften noch in der Zeit der großen Weltwirtschaftskrise die Löhne mit Erfolg verteidigten, sind sie jetzt in einer Zeit inflationistischer Staatskonjunktur, in der die Unternehmer und die Spekulanten Gewinne scheffeln, allen Gesetzen der kapitalistischen   Wirt­schaft zuwider durch den Eingriff der Staatsgewalt gesenkt worden. Ehe Arbeiter von General Motors   sind Sieger. Sie sind im Vergleich zu den ge­schundenen Untertanen des Dritten Reichs wahre Herren. Sie leben besser als sich ein armer Kuli des Hitlerstaates auch nur träumen läßt, und sie sind dabei freie Staatsbürger, die reden dürfen, wie sie wollen. Wenn die braune Kapitalsdik­tatur ihren Knechten einreden will, sie hätten es besser, sie lebten in einem Lande der»sozialen Gerechtigkeit« und brauch­ten keine Gewerkschaften und kein Koali­tionsrecht, so wird sie tauben Ohren pre­digen. Alles Schreien hilft ihr nichts, sie verrät damit nur die Angst, die sie heim­lich quält, ihre Knechte könnten ihr eines Tages amerikanisch kommen. Das Feld der Ehre Verlustlisten dürfen nidit veröffentlicht werden Das Schwarze Korps, das Organ der Hit- Icrgarde, erscheint seit einigen Nummern ohne Todesanzeigen. Schon vor dem spani­schen Abenteuer gab die Häufung von Todes­anzeigen von SS  -Offizieren im Schwarzen Korps Zeugnis von den Todesopfern, die die dentsche Kriegsvorbereitung erfordert. Seit dem Beginn der deutschen   Intervention in Spanien   wuchs die Zahl dieser Todesanzeigen riesig eine Widerspiegelung der Verluste der deutschen   Flieger und Soldaten in Spa­ nien  . Es war nicht allein im Schwarzen Korps so, sondern in der ganzen deutschen   Presse. Diese inoffiziellen Verlustlisten zerrissen täg­lich die Lüge von der Nichtinterventlon in Spanien  , sie erzählten der Bevölkerung, was das System mit allen Mitteln verbergen wollte: daß systematisch deutsche Soldaten zur Unterstützung der Rebellen nach Spa­ nien   geschickt werden. Das System hat plötzlich diese Todes­anzeigen verboten. Man sagt, den letzten An­laß dazu habe eine Anzeige in Gleiwitz   ge­geben, in der angezeigt wurde, daß ein Flie­gerleutnant»auf dem Felde der Ehre« ge­fallen sei. Dies Verbot fällt zusammen mit der neuesten Phase der Nichtinterventions- politik, dem Verbot der Entsendung von »Freiwilligen« nach Spanien  . Es enthüllt, in welchem Geiste der Verlogenheit das System dieses Verbot durchzuführen gedenkt. Wenn es ernst machen wollte mit der Nichtinter­ventlon, so würden die Verlustlisten über jene, die»auf dem Felde der Ehre« fallen, allmählich ein natürliches Ende nehmen. Das Verbot aber setzt den Schein an die Stelle der Wirklichkeit. Es ist das Bekenntnis, daß die Intervention weitergehen, aber nicht mehr sichtbar werden soll Nur die Kontrolimög- Uchkeit soll eingeschränkt werden. Es wird künftig»auf dem Felde der Ehre« nur noch anonym gestorben. Aber nun ein Wort über dieses»Feld der Ehre«. Die deutschen   Soldaten, die auf die spanischen   Schlachtfelder geschickt werden, werden für die schändlichste Sache der Welt geopfert. Sie dienen Verbrechern wie jenem Queipo de Llano  , dem Kebellengeneral, der die Bevölkerung von Malaga   viehisch ab­schlachten ließ, sie dienen der schamlosesten faschistischen Reaktion. Die Taten des internationalen Faschismus von beute werden einst von der Geschichte den größten Verbrechen der Weltgeschichte zugerechnet werden. Was in Spanien   ge­schieht, liegt auf einer Ebene mit dem, was die Italiener in Abesslnien verüben. Die Un­terwerfung der abessinischen Stämme, die Massenabschiachtnng von Eingeborenen in Addis Abeba   dnreh die italienische Solda­teska nach dem Attentat auf Graziani, die »Strafexpeditionen«, die in Abesslnien unter­nommen werden, fordern zum Vergleich mit den abscheulichen Taten der Cortez und Pi- zarro in Mexiko   und Peru  , mit den Verbre­chen des Warren Hastings   in Indien   heraus. Diese Heroenzeit der Bestlalitä wieder zu er­neuem, ist der Sinn des Faschismus. In Abesslnien gegen die Eingeborenen, in Spa­ nien   gegen das arme, die Freiheit liebende Volk hier wie da mit dem Mittel des Mas­senmords an Wehrlosen, der brutalen Aus­rottung nach der Parole: schlagt das Volk tot, denn es könnte gefährlich werden. Das ist ihr»Feld der Ehre«! Ihre soge­nannte Ehre ist eine Schande für die Völker der faschistischen Länder, sie wird die Ge­schichte dieser Länder auf ewig beflecken. TerteSlung der Beute Mussolini   und General Franco   haben durch ihre diplomatischen Vertreter Freundschaft»- beteuerungen ausgetauscht. Mussolini   hat Franco   mitteilen las­sen, daß Franco   sich streng an die Italieni­ schen   Direktiven zu halten habe. Sein Bot­schafter hat von den»polltischen, kul­turollen und wirtschaftlichen Bindungen« gesprochen, die»zur Grund­lage einer engen Zusammenarbeit zwischen den beiden faschisti­schen Staaten, die Uber die Aufrecht­erhaltung der Ordnung der Welt wachen würden«, zu machen wären. Franco   hat sich bedankt für»die hilf­reiche Freundeshand«. Da haben jene konservativen Engländer ihre Quittung, die nicht an eine Abhängig­keit des spanischen   Faschismus von dem ttalienischen glauben wollten und die ihren Landsleuten erzählten, ein Sieg Francos würde den Status quo im Mittelmeer   nicht ändern. Diese»Bindungen«, diese»enge Zu­sammenarbeit« gilt unter»Gentlemen  « wohl auch als Aufrechterhaltung des Status quo im Mittelmeer  ? Das ist die offene Handauflegung Musso­linis auf Spanien  . Diese Deklaration trifft zeitlich zusammen mit der anderen, daß Ita­ lien   den nationaldeutschen Charakter Oester­ reichs   anerkenne. Die großen Westmächte haben seinerzeit Mussolini   die selbstständige Regelung der österreichischen Frage Uber­tragen, damit er dort für die»Aufrechterhal­tung der Ordnung der Welt« gegen Hitler  sorge. Heute sorgen Hitler und Mussolini   ge­meinsam für die»Ordnung der Welt«, indem sie die Beute aufteilen. Mussolini   anerkennt die Vormachtstellung Deutschlands   in Oester­ reich  , und Hitler   überläßt Mussolini   die Vor­hand in Spanien  . Es wird immer sichtbarer, daß ein der­artiger Akkord vorliegt. Dieser Akkord, diese Handauflegung Mussolinis auf Spanien   aber nennt sich in der Sprache der europäischen  Politik von heute Nichtinterventlon! Christlidies Heldentum In einem Aufsatz über christliche« Helden­tum schreibt die»Kölnische Volkazeitung«: »Auch ins Gefängnis folgten die Chri­sten dem Heiland nach, und auch heute wieder schmachten in Spanien   viele Gläubige in den Gefängnissen ob ihre« Glaubens.« In den braunen Konzentration»- lagern leiden Tauaende katholische Men­sehen für ihren Glauben entsetzliche Mar­tern die klerikale»Kölnische Volkszeitung« wagt nur von Spanien   zu reden. Die Fastenhlrtenbriefc der deutschen   Bischöfe klagen Uber Christenverfolgung in Deutsch­ land  , die Bischöfe von Köln  , Berlin  , Erm- land, Passau  , Regensburg  , Trier   haben in diesen Briefen das Martyrium der Christen in Deutschland   eine Kulturschande genannt, in den Kerkern sitzen hunderte Priester-- das katholische Organ von Köln   behilft sich mit einem zweideutigen Satz über Spanien  . Christliches Heldentum für die anderen. Ein entsetzliches Zeichen des moralischen Verfalls, den die Despotie braucht, um oben zu bleiben.