Nr, 204 SONNTAG, 9. Mai 1937 (So$!altemolraKfcl)gg SEocfoiMoff Verlag: Karlsbad  , Haus..Graphia" Preise und Bezugsbedingungen siehe Beiblatt letzte Seite Aus dem Inhalt; Der Kampf der Katholiken Hilfe für Hitler? Rumänien   wehrt sich Warum Bomben auf Bilbao  ? Die Min« jesen HMerdeutscMoml Das Dritte Reich und der spanische Krieg Deutsche   Flieger haben die baskische Stadt Guernica   zerstört und haben flüch­tende Männer, Frauen und Kinder ermor­det Nichtkämpfer, die vor ihnen flüch­teten. Die Tat kennzeichnet die ganze Schande des deutsch  -italienischen Krieges in Spa­ nien  . Zwei Großmächte lassen durch ihre Mörderbanden kaltblütig spanische Ein­wohner abschlachten, um ihrer Gesin­nung, um ihres Bekenntnisses zum Recht und ihrer Liebe zur Freiheit willen. Diese Tat gleicht in ihrer Abscheulichkeit den Greueltaten der Italiener in Addis Abeba  . 1 Es sind die gleichen Methoden. Augen­zeugenberichte aus Guernica   berichten kaum erträgliche Einzelheiten. So wie die eingeborene Bevölkerung von Addis Abeba  hingemordet wurde, so ist die Bevölkerung von Guernica   geschlachtet worden. Es häufen sich die Beweise über die deutsche Schuld. Berichte von französi­ schen   und englischen Augenzeugen liegen vor, die an Ort und Stelle die Metzelei S miterlebten. Die Verwendung deutschen  Materials steht einwandfrei fest. Ueber die systematische Vorbereitung, über den Transport der Flugzeuge und der Grana  -: ten hat der spanische Gesandte in Prag  bestimmte und ins Einzelne gehende An­gaben veröffentlicht. Die furchtbarste An­klage wird von der baskischen   Regierung erhoben: daß die deutsche Regierung Ka­pitulation und Auslieferung der baskischen  Erzgruben, verlangt habe, widrigenfalls hundert Bombenflugzeuge die ganze Pro­vinz zerstören würden. Auf diese Anklage, die offenste, autoritativste, direkteste An­klage hat die deutsche Regierung nicht einmal mit einer Lüge zu antworten ge­wagt. Diese Tatsachen zeigen die völlige Nichtigkeit des Interventionsabkommens und der sogenannten Kontrolle, sie ent­hüllen die Schmach, die in der Kapitulation Vor internationalen Verbrechern liegt. Dies alles aber betrifft in erster Linie die Re­gierungen der demokratischen Länder, es betrifft die Sozialisten in den Ländern, in denen sie in der Regierung die Heuchelei der Nichtinterventionspolitk decken müs­sen. Es betrifft den Völkerbund, der sich ausführlich mit dem Geschick der faschi­stischen Putschisten beschäftigt hat, die sich in Madrid   in fremde Gesandtschaften geflüchtet haben, der diese Bundesgenos­sen der Mörder geschützt, aber zum Schutze der unglücklichen Abessinier, der Einwohner von Malaga  , von Guernica  , der Frauen und Kinder von Bilbao   nichts, nichts getan hat und auch nichts tun will. Aber das ungeheure Verbrechen der deutschen   Flieger, des deutschen   General­stabs in Spanien  , der die Befehle gegeben, und der Regierung, die sie gesandt hat, das ist unsere Sache. Gegen sie erheben wir Anklage vor der ganzen Welt. Mit die­sem Verbrechen und den Verbrechern ha­ben wir, haben unsere Freunde, Mitkämp­fer und Gesinnungsgenossen in Deutsch­ land   nichts gemein. Wir sind die Tod­feinde des Systems, von dessen Bestialität die Welt und das deutsche   Volk befreit werden müssen. Die deutsche Regierung läßt täglich die unumstößlichen Tatsachen leugnen, nachdem selbst Franco die Verantwortung für die abscheuliche Tat von sich abzu­wälzen versucht hat. In einem Augen­blick, wo ein Schrei des Entsetzens, ein zorniges Aufbäumen des moralischen Ge­fühls durch die ganze Welt ging, hat das deutsche Propagandaministerium mit trau­rigen Witzen vom Niveau der Kaschemme das Blut der Opfer von Guernica   hinweg- ziAlken versucht. Dieser Zynismus der Sprache über den rauchenden Trümmern, über dem Blut der Opfer hat die völlige Amoralität der Männer des Systems ent­hüllt. Seitdem leugnen sie mit eiserner Stirn. Es hat keine Flieger über Guer­ nica   gegeben, keine Fliegerbomben, keine Jagd mit Maschinengewehren auf flüch­tende Einwohner. Es waren die Roten, die ihre Häuser aus Bosheit selbst verbrannt, sich, ihre Frauen und Kinder selbst ge­mordet haben. Diese abscheulichen, bewußten, zyni­schen Lügen, die hundertfältig durch Berge von Beweisen zu Boden geschmet­tert werden, können nach außen hin nur einen Sinn haben den Freunden Francos und den Diplomaten die Möglichkeit zu geben, das Gesicht zu wahren. Traurig die Staatsmänner und die Regierungen, die sich hinter diese Lüge verkriechen soll­ten sie würden zu moralisch Mitschul­digen werden. Nach innen entspringen diese Lügen der Furcht! Sie wissen, daß ein Geständ­nis ihnen nicht nur die einstimmige mora­lische Hinrichtung durch die ganze Welt, sondern auch den Abscheu vieler Deut­ schen   zuziehen würde. Diese Lüge soll die Verblendeten und Getäuschten, die in Deutschland   noch an die Friedfertigkeit des Systems glauben, vor dem moralischen Erdbeben bewahren, das die Erkenntnis der Wahrheit nach sich ziehen würde. Sie haben nicht einmal mehr den Mut, auf dies Verbrechen ihre Maxime anzuwenden: recht ist, was dem deutschen   Volke nützt; denn sie wissen, daß ein jeder fühlen würde, daß der Besitz aller Erzgruben des Baskenlandes niemals den moralischen Ab­scheu der ganzen Welt aufwiegen kann. Sie fürchten, daß ein Geständnis die Kluft zwischen System und Volk im Mo­ralischen weit aufreißen könnte. Sie fürch­ten die Isolierung: hier das Aufbäumen elementarster moralischer Begriffe dort die Verbrecher. Sie fürchten, daß man im Volke sagt:»Das also sind eure Friedens­reden wert! Dazu dient euer System! Dazu erzieht ihr eure Flieger zu Mör­dern erzieht ihr sie! Unauslöschliche Schande bringt ihr über uns, ihr werdet uns wieder zu moralisch Aussätzigen ma­chen!« Sie wissen, daß das Volk den deut­ schen   Krieg in Spanien   ablehnt. Sie fürch­ten, daß die Ablehnung in Empörung übergeht. Die deutsche   Regierung hat den Namen Deutschlands   vor der ganzen Welt mit unauslöschlicher Schande bedeckt. Lügen waschen die Schande nicht ab. Sie schüt­zen nicht vor der Vergeltung. Die Namen der Mörder, und die Namen derer, die die Befehle gegeben haben, werden eines Ta­ges bekannt werden. Auch die Namen der Armenierschlächter sind einst bekannt geworden, und die Vergeltung der Ge­schichte hat sie ereilt. Auch kollektive Verbrechen schützen die Verantwortlichen nicht vor Schmach und Schande, und die Gesamtschuld des braunen Systems ent­lastet nicht die einzelnen Schuldigen. Sie können sich nicht einmal davor schützen, daß ihr Verbrechen heute in Deutschland  bekannt wird! Noch werden angesehene fremde Zeitungen in Deutschland   gelesen, an deren Wahrheitsliebe im Vergleich zur braunen Presse niemand zweifelt, noch dringen Rundfunknachrichten nach Deutschland  , noch gibt es eine deutsche illegale Opposition, die für die Wahrheit kämpft und wir werden tun was_ wir können, um die Anklage gegen die deut­sche Regierung, die Anklage, die heute von allen in der Welt erhoben wird, die noch rechtlich denken, ins deutsche   Volk zu tragen. Die Wahrheit über das abscheuliche Verbrechen zu sagen, die Lügen der Mör­der zu zerstören das ist die Pflicht eines jeden, der nicht mitschuldig werden will! Dies System zu erdulden, ist eine Schande und wir werden alles tun, damit das deutsche   Volk diese Schande abwäscht. HUler und Guernica  Anklage der englischen Arbeiterpartei Der Generalrat der Trades Unions und das Exkutivkomitee der Labour Party   haben gegen die Greuel im Baskenland   eine ge­meinsame Protesterklärung erlassen. Sie brandmarken darin die Zerstörung Guernicas und den Angriff auf seine wehrlose Bevölke­rung als gemeinen Mord und die Urheber als gemeine Mörder. Dann fahren sie fort: Die beiden Nationalkomitees fordern be­sondere Aufmerksamkeit für die Erklärung von Augenzeugen, daß diese mörderische Attacke ausgeführt wurde von deutschen  Fliegern und deutschen   Flugzeugen und deutschen   Bomben, die den Stempel deutscher   Herkunft tragen in zyni­schem Gegensatz zu der Erklä­rung Hitlers   in der Reichstagsrede vom Mai 1935, daß die deutsche Regierung den Gebrauch der Luftwaffe zur Zerstörung offe­ner Städte und zur Beschießung von Nlcht- kämpfern, von Frauen und Kindern ab­lehne.« Die Welt sollte endlich begreifen, daß der zyniche Gegensatz zwischen Wort und Tat, Versprechen und Wirklichkeit, der in diesem Einzelfall festgestellt wird, zum We­sen des gegenwärtigen deutschen   Regie­rungssystems gehört. Die heute in Deutsch­ land   regierenden Männer haben zum Beispiel auch die Verfassung von Weimar Deschwo­ren, die Erhaltung der Pressefreiheit ver­sprochen, den Locarnovertrag garantiert, den Berliner   Vertrag mit Sowjetrußland verlän­gert, ein Konkordat mit der katholischen Kirche   geschlossen usw. Stets stand das, was nach kurzer Zeit geschah, zu dem, was beschworen, gelobt, versprochen, unterzeich­net und feierlich erklärt worden war, in zynischem Gegensatz. Recht ist, was dem Hitlervolk nützt, und wenn es immer noch Leute gibt, die sich mit feierlichen Erklä­rungen hineinlegen lassen, so ist es patrio­tische Pflicht, ihre Gutgläubigkeit bis zum letzten auszunützen. Hoffentlich ist die Annahme nicht allzu optimistisch, daß es nach der schneidend richtigen Darstellung der Labour Party  keine neuen Lansburyaden mehr geben wird! Warum Bomben auf Bilbao  ? Deutsdier Erzkrieg gegen England! Am 20. April begann das unmenschliche Bombardement auf das Land der Basken, ausgeführt mit deutschen   Bombern. Aber auch der 23. April ist ein bedeutungsvolles Datum, denn an diesem Tage erschien die Nummer 30 von Schachts Organ»Der deutsche Volkswirt«, worin mit einer an Offenheit grenzenden Deutlichkeit die Motive dieses Krieges gegen Wehrlose enthüllt werden. Bilbao   ist den Zentrum der baskischen  Provinzen, die neben Katalonien   den Kern des industrieüen Spaniens   bilden. Die Bedeu­tung Bilbaos   stammt nicht zuletzt von den reichen Eisenerzlagern, die sich in seiner nahen Umgebung befinden und die überwiegend im Besitz englischer Gesell­schaften sind. Diese Erzlager sind, weil küstennah, besonders frachtgünstig gelagert, aber gerade diese küstennahen Erzvorkom­men befinden sich im Zustande allmählicher Erschöpfung. Das Bilbaoerz ist eines der auf dem Weltmarkt begehrtesten. Es ist nicht sehr eisenreich, aber rein und leicht zu ge­wrinnen. Es ist phosphorarm und ge­rade darum in England zur Herstellung des Hämatit-Roheisens bevorzugt, während in Deutschand mit Vorliebe die eisen- und phos­phorreicheren schwedischen Erze und lothrin­gischen Minetterze verarbeitet werden.»In­folgedessen sind«, schreibt»Der deutsche Volkswirt«»die englischen Erzkäufer auf dem Weltmarkt bisher kaum in den Wettbewerb mit den deutschen   getreten.« Seit das Dritte Reich ein allgemeines Wettrüsten provoziert hat, ist dieses friedliche Verhältnis der englischen  und deutschen   Erzbezieher gründlich ge­wandelt. Auf das Bilbaorevier ent­fallen nicht weniger als 70 Pro­zent der spanischen   Erzförde­rung und Erzausfuhr. Mit dem fort­schreitenden Abbau der küstennahen Eisen­erze von Bilbao   ist die Bedeutung des spani­ schen   Erzes für die englische Elsenerzein­fuhr, die fast die Hälfte seines Bedarfes deckt, zugunsten des nordafrikani­schen Erzes zurückgedrängt worden. Bis zum Ende des Weltkrieges bezog England sein ausländisches Erz zu drei Vierteln aus Spanien  , 1936 war der Anteil Spaniens   an der englischen Eisenerzeinfuhr auf ein Fünftel gesunken. Aus Afrika   stammte fast die Hälfte, aus Spanisch-Marokko allein ein Zehntel.»Schon jetzt sind aber«, meint»Der deutsche Volkswirt«,»erhebliche Ausfälle in den Bezügen aus Spanisch-Marokko zu ver­zeichnen.« Und warum? »Die nationalistischen Militärbehörden haben die Förderung der einzigen bedeu­tenden Grube im Rif   bei Melilla   zwecks Begleichung anderweitiger Verblndiic h k e i t e n beschlagnahmt.« Was das für Verbindlichkeiten sind, ist leicht zu erraten, wenn es auch von Schachts Organ nicht ausdrücklich gesagt wird. Franco hat»die Förderung der einzigen be­deutenden Grube im Rif« geraubt, um sich für die deutsche   Militärhilfe dank­bar erweisen zu können. Das ist der erste Akt eines deutschen  Erzkrieges gegen England, der nicht nur den Zweck hat, dem eigenen Eisenmangel abzuhelfen, sondern mehr noch, England Erz zu entziehen und die englische Auf­rüstung zu hemmen. Mit dem Ausfall des spanisch-afrikani­schen Erzes ist die englische Aufrüstung um- somehr auf die Zufuhr spanischen Erzes an­gewiesen. Deshalb wird,»da es in der gegen­wärtigen kritischen Versorgungslage den englischen Hochöfen auf jede Schiffsladung ankommen muß«,»das Schicksal von Bilbao  naturgemäß mit besonderer Spannung ver-