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tum die heuchlerische Maske vom Gesicht reißen und ihm seine Staub- danu schredte er auch nicht davor zurüd, offen zu erklären, daß Ehrlichkeit und Gerechtigkeit waren die hervor gier vor Augen führen, mochte er den Antisemiten den Text der Reichstag   in der Achtung der Nation nicht viel zu verlieren habe ragendsten Eigenfchaften des Politikers Liebknecht  . Niemals machte Lesen, mochte er sich über die sogenannte Socialreform Deutschlands   und daß hier bloß Komödie gespielt werde. er aus seinem Herzen eine Mördergrube, stets sprach er offen das verbreiten, mochte er Wahlbeeinflussungen zur Sprache bringen- nie- Was ihm vorschwebte, war eine wirkliche Volts- aus, was er fühlte und dachte. Es ist bekannt, daß er einmal bei mals unterließ er es, in seine Reden einen Gesamtüberblick über vertretung, fein Scheinparlament. In der Begründung einem Kaiserhoch fizzen blieb und dadurch die Gefühle der Mon die politische Lage einfließen zu lassen und für die Verwirklichung des Antrags auf strafrechtliche Verfolgung der Polizeibeamten, welche archisten" angeblich so schiver verlegte, daß sie einen Rachezug des socialistischen Endziels einzutreten. die widerrechtliche Verhaftung der Abgg. Frohme und v. Bollmar planten, um den Siebzigjährigen ins Gefängnis zu bringen. Als in Dabei hütete er sich vor einer Ueberschäzung der parlamentarischen bewirkt hatten, am 17. Dezember 1884, sprach er sich dahin aus: einer späteren Sigung die Rede auf diesen Vorfall kam, da gab er Thätigkeit, er wußte sehr wohl die Grenzen des Parlamentarismus Wenn die Voltsvertretung sich nicht die ihr gebührende offen zu, daß er von dem hoch überrascht worden sei; aber, wenn ein Mitglied meiner Partei von zu stecken und ließ keinen Zweifel darüber, daß der Parlamentarismus Achtung erkämpft- wie das in andern Ländern geschehen fo fuhr er fort, nicht Selbstzweck, sondern nur Mittel zum Zweck jei. Man hört bis­wird sie nie und nimmermehr Achtung von oben herab einem derartigen Hoch überrascht wird, dann würde er ein elender weilen die Ansicht vertreten, Liebknecht   sei im Grunde seines Herzens finden. Die Rechte des deutschen   Reichstags, von Anfang Feigling sein, ehrlos feine Gesinnung vers Gegner des Parlamentarismus gewesen. Er selbst hat einmal es vielfach spärlich bemessen, sind beschränkt worden, leugnen, wenn er sich erheben würde, es wäre die war am 2. April 1886 sein Glaubensbekenntnis über diesen Puntt und sie sollen immer mehr beschränkt werden. Das schmachvollste Heuchelei." abgelegt, indem er ausführte: schlinimste aber, was dem Reichstag geschehen kann, ist, daß der Die Ehrlichkeit seiner Gesinnung kommt besonders da zum Aus Schild der Immunität, der seine Angehörigen schirmt, druck, wo er sich über den Antisemitismus oder über den zerbrochen wird." Anarchismus ausläßt. Aus seinen vielen Bemerkungen gegen die Antisemiten heben wir die folgende, vom 30. November 1893, hervor:

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Wenn man mich fragt, ob ich an den Barlamentarismus glaube, so kann ich sagen ja, und kann ich sagen nein. Wenn Sie unter Parlamentarismus verstehen, daß in gleicher Weise auf Grund des ehrlich gehandhabten er allgemeinen direkten Wahlrechts eine Voltertretung stattfindet, welche den Volkswillen voll und ganz zum Ausdruck und zur Geltung bringt, bin ich allerdings ein Anhänger des Par­lamentarismus. Aber wenn ich an den gefälschten Parla­mentarismus dente, einen Parlamentarismus, der entweder nicht auf dem direkten, allgemeinen Wahlrecht beruht, oder wo der Ausdruck des Voltswillens von oben her durch Beeinflussungen focialer, politischer oder wirtschaftlicher Natur gefälscht ist und der Wille der Majorität nichts gilt: ja, meine Herren, von einem solchen Parlamentarismus tann ich mir allerdings eine friedliche Lösung der socialen Frage nicht versprechen."

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Niemals machte er ein Hehl aus seiner und der Socialdemo= fraten revolutionärer Gesinnung, er achtete es unter seiner Würde, um fleiner Augenblickserfolge willen den revolutionären Gedanken abzuschwören. So äußerte er sich in der bekannten Zukunftsstaats­Debatte vom Februar 1893:

Wir haben die Revolution nicht abgeschworen, wir werden sie nicht abschwören. Wir haben unter dem Socialistengeset, als jedem von uns das Damoklesschwert der Ausweisung und der schlimmsten Maßregeln, der Expatriierung über dem Kopfe hing wir haben hier hohen Hauptes bekannt: wir sind eine revolutionäre Partei, freilich nicht im revolutionären Polizeisinn, in dem Sinne der willkürlich gemachten Revolution, des gewaltsamen Umsturzes. Wir sagen das­felbe heute und werden es alle Zeit sagen. Wir haben uns nicht geändert und ändern uns nicht."

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Es war für Liebknecht namentlich in der ersten Beit als Ver­treter einer fleinen Partei nicht leicht, sich Gehör im Parlament zu verschaffen, zumal da er mit den Bestimmungen der Geschäfts­ordnung auf schlechtem Fuße stand. Wiederholt zog er sich Rügen  und Ordnungsrufe zu und mehr als einmal wurde er gezwungen, von der Reduertribüne abzutreten. Das war ganz besonders unter Leitung der Präsidenten Dr. Simson und von Fordkenbeck der Fall, die beide die Geschäftsordnung in durchaus parteiischer Weise hand­habten. Verstieg sich doch Dr. Simson am 17. Oftober 1867, als Liebknecht den Norddeutschen Reichstag als Feigenblatt des Absolutismus  " bezeichnete, zu der Bemerkung:

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" Ich rufe den Redner zur Ordnung für seine letzte Aeußerung, nachdem ich einer Reihe andrer Aeußerungen ein Maß von Geduld ent­gegengesezt habe, das ich der Versammlung gegenübernur dadurch recht­fertigen kann, daß es sich um den Sprecher einer verschwindenden Minorität handelte."

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Und bei einer andern Gelegenheit, am 15. Januar 1886, äußerte sich:

" Für den Papiertorb zu arbeiten, das darf nicht die Auf­gabe des Reichstags sein. Wenn der Reichstag   einen Beschluß faßt, muß er auch darauf gefaßt sein, wegen dieses Beschlusses mit der Reichsregierung in einen Konflikt zu tommen; er muß darauf gefaßt sein, daß er Zoll um 8oll um feinen Einfluß, seine Machtvollkommenheit, seine Befugnisse zu ringen haben wird. Das ist ja gerade das Unglück unsrer deutschen parlamentarischen Ent­wicklung, daß, während in andren Ländern der Parlamen tarismus mit Siegen des Volkes über die Krone begonnen hat, in Deutschland   der Parlamentarismus nicht aus einem Boltssiege hervorgegangen ist, und daß insbesondere der deutsche Reichstag   die unmittelbare Folge von Ereignissen ist, die wesentlich dazu beigetragen haben, gerade diejenigen Faktoren zu stärken, welche die natürlichen Gegner des Parla­mentarismus find."

Man soll in der Politik niemals versprechen, was man nicht halten kann oder nicht halten will. Die Partei, die das meiste verspricht und die meisten Wechsel für die Zukunft ausstellt, hat für den Augenblick die meisten Leute für sich, d. h. die meisten der Nichtdenkenden und in Deutschland   waren Sie( zu den Anti­semiten) diese Partei. Aber die Wechsel wollen ausgelöst werden, und dann kommt der unvermeidliche Krach. Tausende, die bei der Reichstagswahl noch für Sie stimmten, haben jetzt, nachdem Sie in der Militärfrage gezeigt haben, daß Sie Ihr Versprechen nicht halten, Ihnen einfach den Rücken gekehrt. Sie, meine Herren Antisemiten, gehen an Ihren Versprechungen zu Grunde, wie jede Partei und jede Regierung zu Grunde geht, welche dem Wolfe falsche Vorspiegelungen macht und Wechsel aus­stellt, die sie nicht einlöst."

In seinem Bestreben, die Würde des Reichstags zu wahren, nahm Liebknecht natürlich auch Ministern gegenüber, die sich eine Mißachtung des Parlaments zu Schulden kommen ließen, kein Blatt das vor den Mund. Dem Fürsten Bismard rief er am 4. März 1885 zu: " Ich bin der Meinung, daß der Reichstag   in Deutschland   weit notwendiger ist, als der Reichskanzler. Den Reichskanzler können wir entbehren, Deutschland   wird bald ohne diesen Reichskanzler sein müssen; ohne einen Reichstag, d. h. ohne eine Volksvertretung in der einen oder andren Form fann Deutschland   niemals sein." Und den preußischen Kriegsminister wies er am 30. November 1893 mit folgenden Worten in die gebührenden Schränken zurück:

Wie Liebknecht   über anarchistische Attentate dachte, erhellt u. a. aus folgendem Ausspruch:

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Wir sind eine Partei, und zwar die einzige, die auf dem Boden einer Weltanschauung steht, welche jede solche That als Wahnsinn oder wenn ich mich der Sprache der alten Gesellschaft bedienen will als ein ganz gemeines Ver brechen betrachtet. Die Socialdemokratie hat niemals mit den Anarchisten etwas gemein gehabt, wohl aber hat die bürgerliche Gesellschaft diefelben gezüchtet und sich ihrer bedient, um der fortschreitenden socialistischen Bewegung " Ich kann dem Herrn Kriegsminister bloß fagen: Das einen Stnippel zwischen die Beine zu werfen. Aber sie hat sich wie soll militärische" sic volo, sic jubeo" muß alt auch zu den Anarchisten hingezogen gefühlt aus einer machen an der Schwelle des Reichstags. Wir sind ich sagen? inneren geistigen Verwandtschaft." Vertreter des deutschen   Volts; wollen Sie gegen die Vertretung des deutschen   Volks vorgehen? Der deutsche Reichstag hat über Sein Gerechtigkeitsgefühl veranlaßte ihn, sich der Sache Sie zu entscheiden, nicht Sie über den deutschen   aller Unterdrückten anzunehmen, welcher Nation und welcher Partei Mit beredten Worten Reichstag  . Nicht wir find dem Herrn auch immer fie angehören mochten. er die Köllersche Gewaltpolitik Rechen tadelte gegen Kriegsminister das möge er sich merken ist er stets für die Polen   ein ichaft schuldig, sondern der Herr Kriegsminister ist uns die Dänen, warm er als Rechenschaft schuldig! Er ist von uns abhängig, nicht getreten. Die Wiederherstellung Polens   bezeichnete wir von ihm." eine Forderung der Gerechtigkeit und der politischen Notwendigkeit. Der Wille des Volts war für Siebknecht das Den Polen   ist ein Unrecht geschehen, sie sind unterdrückt, und Unter­höchste Gefeß. drückte werden stets auf unsre Sympathie und soweit es in unsren Und wie für die Sträften liegt, auf unsre Hilfe rechnen können." Polen  , so trat er für die Jesuiten   ein und forderte, daß das Jesuitengesetz dieses lezte Gesez der traurigen Kulturkampfzeit" über Bord geworfen werde. Auch der Diktaturparagraph für die eich slande, forderte er, solle nachgeworfen werden in die Versenkungsgrube.

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Wer sich gegen diefen Willen auflehnt", so wandte er sich einmal an die Stonservativen, als diese ihren Staatsstreichgelüften Ausdruck verliehen, der ist ein Rebell, ein Berräter an der Majestät des Bolts! Dieser Wille des Volts muß durch gesetzt werden, und es wird geschehen, wenn Sie( zur Rechten) es wollen, auf friedlidem, auf geseglichem Wege der Reformi und des gleichmäßigen Uebergangs. Und dazu muß von oben herab die Möglichkeit gegeben werden. Wo nicht, dann tommts auf audrem Weg so, wie es vor mehr als hundert Jahren in Frankreich   gelommen ist. Regierungen und Parteien, die nicht lernen, müssen fühlen."

Kein Wunder, daß diese Parteinahme des Präsidenten Liebknecht  schiver reizte und wiederholt Konflikte herbeiführte, zumal da Liebknecht auf seinem Recht bestand. Als ihm der Präsident b. Fordenbeck einmal das Wort entziehen wollte, sprach er von einem Standrecht der Geschäftsordnung", und das Ver­fahren des Präsidenten Dr. Simson, der ihn fortwährend unter­brach, nannte er eine Schulmeisterei, welche mich absolut Daß faiserliche Kundgebungen im Reichstag feiner nicht berührt, wohl aber diesen Reichstag, wenn er es himimmt, fich zu Stritit unterzogen werden durften, hielt Liebknecht   für durchaus un einer Versammlung von Kindern herabdrücken zu lassen". gerechtfertigt. Mit trefflichen Worten, die in weiten Streisen des Bisweilen wußte sich der Redner nicht anders zu helfen, als daß er Wolfs Wiederhall finden, charakterisierte er dies Verbot gelegentlich an das Haus appellierte." Ich bestehe darauf, daß ich das Wort der Beratung des socialdemokratischen Antrags auf Abschaffung der weiter behalte und appelliere an das Haus; ich will formell ton- Majestätsbeleidigungs- Paragraphen: statiert wissen, ob ich das Wort habe oder nicht," entgegnete er ein­mal dem Präsidenten Dr. Simson, als dieser ihm wieder mit Wort entziehung drohte. Der Präsident gab dem Appell statt, das Haus stellte sich natürlich auf seine Seite und machte den socialdemokra tischen Redner mundtot. Ich danke dem Reichstag  ". Mit diesen Worten verläßt Liebknecht die Tribüne.

Noch charakteristischer ist der Konflikt, den Liebknecht am 9. Dezember 1870 mit demselben Präsidenten hatte. Um die Wirkung dieses Zwiegesprächs nicht abzuschwächen, geben wir dasselbe nach dem stenographischen Bericht wieder:

Liebknecht: Wenn Robespierre   bei jeder Nachricht von den Siegen, welche die republikanischen Truppen Frankreichs  davon getragen hatten, erzitterte, weil er aus dem Kriegs­ruhm für die Freiheit des Volkes fürchtete, wie viel mehr muß es dem deutschen   Patrioten vor Siegen bangen, erfochten von Truppen, welche von Gegnern der Freiheit angeführt sind. ( Große Unruhe.)

Präsident Dr. Simson: Ich rufe den Redner zur Ordnung und werde, wenn ich noch einmal in diefelbe Lage fonime, wiederun den Reichstag auffordern, ihm das Wort zu entziehen, nachdem das Haus, denke ich, mit mir die legten Grenzen von Nachsicht in feiner Anhörung an den Tag gelegt hat.( Lebhafte Bu stimming.)

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Bersönliches Majestäts­Regiment und beleidigungsgefeß fann in einem freien und in einem Berfaffungsstaat nicht neben einander bestehen. In welcher to mischen Stellung befinden wir uns jetzt? In welcher unwürdigen Stellung befindet sich der Reichstag? Wir stehen hier wie Papageno, der ein Schloß vor dem Munde hat; im eigenen Hause der Volksvertretung dürfen wir über dasjenige nicht reden, wovon das Herz und das Hirn eines jeden denkenden Deutschen   jetzt voll ist!. Jit es in diefer ereignisschweren geit denkbar, daß die Krisis, in der wir uns befinden, zu einem gesunden Austrag gebracht wird, wenn der Reichstag  , wenn die Vertretung des deutschen   Volkes stumm bleibt und wenn das deutsche Volt zur Stummheit ver dammt bleibt durch die Majestätsbeleidigungs- Paragraphen? Nimmermehr! Und ich hoffe, daß der Reichstag  , dem der Kampf angeboten worden ist, Manns genug sein wird, um den Handschuh aufzunehmen und den Strauß durch­Bufechten."

In den Nachrufen der bürgerlichen Presse wird Liebknecht   mit Vorliebe als un patriotisch, antinational bezeichnet. In Liebknecht  : Meine Herren, eine unparlamentarische Form der That jedoch war Liebknecht   bei all' seiner Bethätigung des inter­hat mein Ausdruck jedenfalls nicht getragen. Ich wende mich an nationalen Solidaritätsgefühls ein Patriot im besten Sinne des das Haus. Diefenlegteren Ordnungsruf acceptiere Wortes. Er selbst hat mehr als einmal auseinandergejezt, wie er ich nicht.( Große Unruhe und Unterbrechung.) Ich kenne die den Patriotismus auffaßt; so am 12. Dezember 1895, als er sich in Regeln der Geschäftsordnung in dieser Hinsicht nicht genau, ich einer gelegentlichen Bemerkung gegen die sogenannten Patrioten glaube aber, daß mein letzter Ausdruck( Unterbrechung). wandte, welche Es ist für mich feine Schande, in den parlamentarischen Formen nicht bewandert zu sein. In diesem Ausdruck glaube ich aber entschieden die parlamentarische Form nicht verlegt zu haben. Wenn ich erkläre, es ist jemand ein Gegner der Freiheit, so ist das leine Beleidigung, und ich glaube, die Herren auf der Rechten werden diesen Ausdruck für sich gern in Anspruch nehmen. Es handelt sich um einen Kampf zwischen Demokratie und Absolutismus  , das wissen die Herren so gut wie wir es wissen. Im Jahre 1849 haben wir uns auf dem Schlacht­felde gegenüber gestanden,( Oh! oh!) nicht in diesem Reichstage wird die deutsche Frage gelöst, sie wird zwischen uns auf dem Schlachtfelde gelöst werden!( Lärm.)

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Präfident: Jch bleibe bei meinem Ordmmgsruf, obwohl die Geschäftsordnung eine Bestätigung desselben durch den Redner nicht fennt.( Lebhaftes Bravo!)

Liebknecht: Ich bescheide mich dabei. Bei der geringen Bedeutung, die ich diesen Dingen beilege, stehe ich von jedem weiteren Wort ab.( Redner verläßt die Tribüne.) Präsident: Diese geringe Bedeutung der Geschäftsordnung für den Herrn Redner hat für mich gar nichts Auffallendes. Die Geschäftsordnung ist für Männer geschrieben, die es für eine Ehre halten, dieser Versammlung anzugehören( lebhaftes Bravo!) und ihr nach ihren Kräften Ehre zu machen. Wer diese Intention nicht hat, für den ist die Geschäftsordnung allerdings ein bloßes leeres Wort.

An den Beratungen über das Socialistengeset beztv. über die verschiedenen Vorlagen betreffend die Verlängerung dieses Gesetzes hat Liebknecht eifrigsten Anteil genommen. Aber nicht als Bittender trat er auf, sondern als öffentlicher Ankläger gegen die Feinde der Arbeiterklaffe. Zwei Stellen aus seiner Rede vom 18. Ot­tober 1878 mögen zur Stennzeichnung des Geistes, von dem er be­feelt wurde, hier angeführt werden:

" Ich weiß, das Urteil hier ist gesprochen; wenn ich von einem Urteil spreche, so meine ich damit nicht, daß ich den Reichstag als Richter über uns anerkenne; die Socialdemokratie steht hoch über dem Forum dieser wie jeder andern Körperschaft, also ich weiß, das Urteil ist gesprochen, der Schlag gegen uns wird ge­führt werden. Eins möchte ich Ihnen aber doch sagen, bevor Sie den Schlag führen: Schlagen Sie verleumden aber Sie nicht, verleumden Sie nicht fünfhunderttausende deutscher socialdemokratischer Wähler, verleumden Sie nicht eine Million deutscher Reichsbürger, die durch Motive dieses Gesetzes zu Meuchelmördern oder zu Mit­schuldigen von Meuchelmördern gestempelt werden."

Und am Schluß seiner Rede bricht er, die kommende Zeit im Geiste vorabnend, in die Worte aus:

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Mit uns, mit der Socialdemokratie, ist überhaupt die Frei heit geächtet die Preßfreiheit, die Bereinsfreiheit, alle Vers fafiungsrechte find durchbrochen, geopfert durch dieses Gesez. Nun, das Opfer tam nicht mehr gehindert werden, wir haben ja den Vertrag ratifiziert vor uns liegen, das Opfer der Freiheit wird gebracht werden. Die Verantwortlichkeit dafür falle auf dies Der Tag wird kommen, wo jenigen, welche es bringen! das deutsche Volt Rechenschaft fordern wird für dieses Attentat an seiner Wohlfahrt, an seiner Freiheit, an seiner Ehre."

stets dann von Patriotismus reden, wenn sie irgend ein Attentat gegen die Freiheit des Boltes und die Es giebt faum einen Parlamentarier, der von den Gegnern so Interessen des Vaterlandes im Sinne haben. Der gehaßt wurde, wie Liebknecht. Jn Bismard erblickte er feinen Diesen Patriotismus bekämpfen wir, er ist reaktionär. Patriotismus, der dafür sorgt, daß das Baterland auch ein freies unversöhnlichen Feind, und mehr als einen harten Strauß hat er Land sei, würdig, von Menschen bewohnt zu werden; den mit diesem Gewaltpolitiker ausgefochten, der die Moral in der Patriotismus haben wir und als folche Patrioten bekämpfen Politik verachtete. Auch mit Herrn v. Stephan hat er Jahre hindurch schwere Kämpfe geführt und wuchtige Antlagen wir jenen falschen, gefälschten Patriotismus der Herren dort drüben." Bei einer andern Gelegenheit definierte er den Begriff der gegen diesen Mann erhoben, der sich herausnahm, die Post in den Dienst der Polizei zu stellen. Steinen Gegner, und mochte er noch Vaterlandsliebe folgendermaßen: Was heißt Vaterlandsliebe? Nach meiner Auffassung: dafür so hoch stehen und noch so mächtig sein, fürchtete der wadere Stämpfer. Biel Feind', viel Ehr'. Wir haben einen gewaltigen Vorteil: Sie forgen, daß das Baterland, das uns allen gehört, wohnlich werde, haben Angst vor uns, wir haben keine vor Ihnen. Wir Social­dafür sorgen, daß unser deutsches Vaterland Einrichtungen er langt, die es jedem zur Ehre und Annehmlichkeit machen, darin demokraten fürchten nichts und niemand auf Erden." Ja, er tannte feine Furcht, der alte Soldat. Mut und zugleich zu wohnen. Das nenne ich Förderung der deutschen   Natio- die Hoffnungsfreudige Zuversicht auf den endlichen Sieg der guten nalität; darin aber, daß man in Deutschland   Zustände schafft, Sache spiegelt sich in allen seinen Reden wieder. welche Massen des deutschen   Volkes aus dem Lande treiben und Mit Liebknecht   ist eine Bierde des Parlaments dahingegangen, welche zu Maßregelungen, wie diese Bolenausweisungen führen, ein unerschrockener Held, der die Pfeile der Feinde nicht achtete, mochten darin fehe ich wahrhaftig teinen Triumph des Nationalitäts- fie noch so hageldicht auf ihn niederfausen. Es giebt kaum ein Ge­princips. biet des politischen Lebens, auf dem Liebknecht nicht bewandert war. Gewiß, Liebknecht war international, aber er war nicht Reben seinen Etatsreden, die wahre Meisterstücke sind, verdient ganz anti national: Wir sind international", bekannte er am 21. März 1884 ,,, wer besonders seine Rede über die Koalitionsfreiheit vom 21. April 1891 und jedoch glauben sollte, daß man, um international zu sein, anti- feine Rede zur Notstandsdebatte vom 12. Januar 1893 Beachtung. national sein muß, versteht nicht, was national und was inter  - Aber auch seine gelegentlichen kleineren Bemerkungen im Barlament dürfen nicht achtlos übergangen werden. Fast jede seiner Neden national ist; national find wir alle fraft unsrer Geburt. In bildet ein wichtiges Dokument für die Geschichte der modernen Ar­Deutschland sind wir geboren, also der Nationalität nach find wir beiterbewegung, ein wichtiges Altenstück für die Stämpfe um die Be­Deutsche; aber als Kulturmenschen müssen wir wissen und an erkennen, daß die Kultur, welche wir in Deutschland   haben, eine freiung der Arbeiterklasse. fosmopolitische, eine internationale ift... und wer das internationale Princip verleugnet, stellt sich außerhalb der modernen Kultur.

Es wäre aber durchaus verfehlt, aus diesen Zwischenfällen den Schluß zu ziehen, als habe Liebknecht   jemals die Würde des Reichs­tags verlegt. Im Gegenteil, er strebte danach, daß der Reichstag feine Würde hochhalten solle, er wollte, daß der Reichstag   des deutschen Volkes Reichstag", nicht aber die" Jasages maschine des Fürsten Bismard" werde, und wenn er bemerkte, daß der Reichstag durch eigne Schuld an Ansehen im Volte verlor, Verantwortlicher Redacteur  : Wilhelm Schröder in Wilmersdorf  . Für den Inseratenteil verantwortlich: Th. Glocke in Berlin  . Drud und Verlag von May Bading in Berlin  .

In seinen Reden giebt sich Liebknecht als das, was er war: ein todesmutiger, unerfchrodener, tampfesfreudiger, fiegeszuversichtlicher Held, reich an Kenntnissen, unverföhnbar gegen den Feind, begeistert und zu jedem Opfer bereit für die Sache des Volkes. Fürwahr, wir haben viel in ihm verloren. P. H.  Hierzu 4 Beilngen u. Unterhaltungsblatt.