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Nr. 28.

Erscheint täglich außer Montag& Abonnements Prets   für Berlin  : Bierteljährlich 3,30 Mt., monatlich 1,10 mt, wöchentlich 28 Pfg. fret in's Haus. Einzelne Nummer 5 Pfg. Sonntags- Nummer mit illuftr. Sonntags- Beilage Neue Belt" 10 Pfg. Post- Abonnement: 30 Mr.pro Quartal. Unter Kreuzs end: Deutschland   u. Desterreich­garn 2 Mt., für das übrige Ausland 3 Mt.pr.Monat. Eingetr. ader Post- Zeitungs- Preislifte für 1892 unter Nr. 6652,

Vorwärts

9. Jahrg.

Snfertions- Gebühr beträgt für die fünfgespaltene Petitzeile oder deren Baum 40 Pfg., für Vereins unb Bersammlungs- Anzeigen 20 Pfg Inserate für die nächste Nummer müffen bis 4 Uhr Nachmittags in der Expedition abgegeben werden. Die Expedition ist an Wochen­tagen bis 7 Uhr Abends, an Sonn­und Festtagen bis 9 Uhr Vor­mittags geöffnet.

Sern( pred- Anschluß: 3mt VI, Nr. 4106.

Berliner   Bolksblatt.

Bentralorgan der sozialdemokratischen Partei Deutschlands  .

Redaktion: Beuth- Straße 2.

Windmühlenkampf.

Donnerstag, den 28. Januar 1892.

Expedition: Beuth- Straße 3.

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das sich liebelos für eine Million hingiebt, nicht um gegen Unflätherei. Hier lag eine bestimmte, greifbare, Ieben, sondern um vornehm"," standesgemäß" leben zu konkrete Handlung vor die gepackt werden konnte. Der Sinn für's Lächerliche ist weiten Kreisen der Be- können, steht moralisch weit tiefer, als das Weib, das sich Und sie wurde gepackt. Doch völkerung leider abhanden gekommen. Das wird in diesem um ein paar Groschen hingiebt, um I e ben zu können, d. h. Wie wo ist die Unsittlichteit?" Augenblick recht lebhaft bewiesen durch den internationalen um nicht zu verhungern. ist dieses Abstraktum zu faffen? Wer will es faffen? Feldzug gegen die" Unfittlichkeit"( Prostitution, Zuhälter- Also die Prostitution, welche getödtet werden soll, be- Wer kann es faffen? Bismarck  , der in seinen hohen thum u. f. w.) Wenn vor 150 Jahren irgend ein Minister steht darin, daß ein Weib seine Liebe, oder richtiger seinen Rürassierstiefeln hinter den sozialistischen   Ideen herlief, um das Pech gehabt hätte, auf einen so windigen Windmühlen- Körper, verkauft. Und das soll heute bestraft werden, wo die sie einzufangen und dabei zu Fall fam, hat keine lächer­fampf zu verfallen, er wäre von Voltaire   moralisch Geld- und Konvenienzheirathen in der guten" Gesellschaft die lichere Rolle gespielt, als Diejenigen spielen werden, die geschunden und der dritten Abtheilung des Pantheons der Regel sind, und wo Jemand, der dieser Form der jetzt in den Krieg gegen die Unfittlichkeit ziehen wollen. Unsterblichkeit einverleibt worden. Es giebt nämlich drei Prostitution sich widersett, aus seiner Klasse Was sie auf dieser Wildgans Jagd) fangen werden, das Sorten der Unsterblichkeit und drei Abtheilungen des verstoßen wird? Und diese Gesellschaft, die wissen wir nicht. Gewiß nicht die Unfittlichkeit. Und ebenso Bantheons: die Unsterblichkeit des Schönen und Guten, ihren Mitgliedern erlaubt, sich Maitressen nach Herzenslust gewiß nicht die Sittlichkeit. die Unsterblichkeit der Infamie und die Unsterblichkeit des zu halten, sie aber verstößt, sobald sie das Verbrechen einer Lächerlichen und jede hat ihre eigene Abtheilung, und in Liebesheirath" begehend. h. einer Heirath, die keine der dritten sind die, welche sich unsterblich lächerlich gemacht. Konvenienzheirath ist, diese Gesellschaft der Pro­Heute haben wir keinen Voltaire, aber desto mehr Kan stitution soll Gesetze erlassen gegen die Prostitution?

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bibaten für die dritte Abtheilung des Pantheons. Das Man greift fich unwillkürlich an den Kopf. Und dabei Politische Uebersicht.

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Berlin  , den 27. Januar.

Lächerliche scheint auf gewisse Leute eine anziehende, statt wollen wir gar nicht von den anderen Seiten, Formen eine abstoßende Kraft auszuüben. Vor dreißig und vierzig und Eigenschaften der Prostitution reden, durch welche Jahren schon war in England das social evil das soziale fie fich flipp und klar als organischen Theil der respektablen, Der zweite Berathungstag des Volksschul­Uebel", d. h. die Prostitution und die Prostituirten das hochachtbaren, bürgerlich adlig kapitalistischen   Gesellschaft Gesetzes gehörte Herrn Eugen Richter  . So spannend Lieblings- Steckenpferd aller Muthigen, die vor der Lächer- bekundet und kennzeichnet. und geschickt auch die Rede war und so weit sie auch die lichkeit keine Furcht hatten. Welch' gewaltigen Lärm voll- Mit dem zu hälterthum ist's eine kaum minder übrigen Reden überragte, ihr fehlte die Kraft und Ent führten sie, und wie mächtig hoben fie aus zu zermalmenden bedenkliche Sache als mit der Prostitution. Ist das Buhälter- schiedenheit, mit der man den Ansturm auf den letzten Rest Schlägen- der Lärm ist vorüber, die Schläge sind in die thum etwa auf die Kreise der niedersten Dirnenkreise bes der Gewissensfreiheit und der geistigen Entwickelung ab Luft gegangen und das social evil lebt, wächst, blüht und schränkt? Das zu behaupten wäre ein großer Frrthum zuweisen hat. Bei solchen Kämpfen giebt es keine andere gedeiht. Vor einigen Jahren, als Stead seine Auf- oder eine arge Heuchelei. Was ist ein Buhälter? Ein und würdigere Vertheidigung als den Angriff. Es handelt fäße über den Jungferntribut" schrieb, entstand Individuum, das von der Prostitution eines Mädchens sich denn doch um etwas mehr als eine kleine gleichgiltige wieder ein gewaltiger Lärm und wieder ward ausgeholt oder einer Frau Vortheile zieht. Was will aber der ge- Plänkelei. Was hilft es, der Reaktion Widersprüche nach: zu zermalmenden Schlägen, und ganz mäuschenstill strenge Richter antworten, wenn ein" Buhälter", dem er in zuweisen. Sie weiß, was sie will, und läßt den Gegnern gingen die Unfittlichkeitstödter nach Haus, denn sie hatten fittlicher Entrüstung ein paar Jahre Gefängniß auf- gerne den logischen Sieg, wenn sie ihren Willen nur durch­sich überzeugt, daß die von Stead enthüllten Greuel zubrennen im Begriff steht, ihn anredet: setzt. Die Berufung der Regierung auf die oktroyirte Verfassung überall obwalten und, freilich mit dem Feigenblatt Gleiches Recht für Alle! Ich gebe zu, daß ich nicht von 1848, die 1849 von einem auf Grund eines oftroyirten konventioneller Heuchelei zugedeckte parties honteuses*) der fittlich" gehandelt habe. Allein, wenn ich strafbar bin, Wahlgefezes gewählten Landtag noch weiter ins Reaktionäre Der groteste Mißerfolg hat nicht abgeschreckt. Das bann muß auch Herr von X. und Herr von Y., und dieser revidirt und in welcher ein Unterrichtsgesetz verheißen Lächerliche muß für viele Leute einen unwiderstehlichen und jener vornehme Herr, die Ihnen sämmtlich bekannt war, erscheint nach 42 jähriger Unterlassung wenig ernst zu Bauber haben. In England, Frankreich  , Deutschland   ist sind, bestraft werden, denn diese Herren haben ihre blühen- nehmen. Herr Richter hat ganz Recht, wenn er darauf man jetzt daran, die Unfittlichkeit" gesetzgeberisch zu den Töchter um blankes Gold an reiche Wüstlinge verkauft hinweist, daß die Verfassung ein Gesetz verheiße, welches tödten das heißt, man sagt fo ob's Giner glaubt, und sich dadurch ihre Stellung in der Gesellschaft" erhalten. ben gesammten Unterricht regele, während das vorliegende daß sie zu tödten" sei, das möchten wir wirklich bezweifeln Es ist wahr, die blühenden Töchter wurden verheirathet, Gesez nur die Volksschule behandle. Aber was hilft ihm trotz alledem. indeß daß die Ehe zur Beschönigung und dieses Recht haben? Die Regierung wählt sich den ihr Die Unsittlichkeit" tödten! Ja, aber was ist Unfittlich- Sanktionirung der Prostitution miß- passenden Zeitpunkt, um gefeßlich die Voltsschule zu teit? Unfittlichkeit ist die Prostitution. Gut. Und was braucht wird, das dünkt mir eher ein erschwerender, feffeln, wie sie es in der Praxis auch ohne Gesetz bisher ist Prostitution? Daß ein Weib seine Liebe verkauft. als ein mildernder Umstand." gethan hat, und sie wird bei passender Gelegenheit auch hat auch Recht in dem Meisten, was er über die Ueber­er über wie der Prostitution. Und es giebt eben so viele Formen des Zuhälterthums, lieferung der Schule an die Kirche, was das Verderbliche des konfessionellen Charakters der Schule spricht, aber es führt zur Beschönigung des wie der Prostitution. Herr von Chirac mit seinem weiblichen Mitschwein in man das jetzige Schulgesetz gewissermaßen als etwas un­Als dieser Tage das antisemitische Schwein bisherigen thatsächlichen reaktionären Schulregiments, wenn respektablen bürgerlichen Gesellschaft sind, die sich ihrer flatschte ganz Frankreich   in die Hände. Das Urtheil war*) Englisch   Wildgoose- Chase Jagd auf wilde Gänse, schämt, aber ohne sie nicht sein fann. vielleicht nicht logisch, aber es war ein gesunder Protest die bekanntlich hoffnungslos ist.

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Wohlgemerkt: verkauft. Das heißt, sich ohne Liebe- Was könnte der Richter antworten? Nichts. Oder das Ihrige thun betreffs der höheren Schule. Herr Richter

preisgiebt um Geld, Rang, sonstige Vortheile. Und wenn es um wenig Geld und geringe materielle Vortheile ge­schi eht, ist die Unmoralität doch sicherlich drum nicht größer. Im Gegentheil die Aermlichkeit und Armuth sind schuld­mindernde Momente. Das Weib der guten Gesellschaft,

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Theile, Dinge, deren man sich schämt.

Feuilleton.

Nachbruck verboten.]

Am Webstuhl der Zeit.

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Sophismen.

Baris zu 15 Monaten Gefängniß verurtheilt wurde,

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Geschwätz unbehelligt fortsetzen lassen; so aber fühlt man sich einmal Ihren Berufskreis ins Auge faffen. Wenn der schwach und will durch künstliche Mittel die Achtung erzwingen. Staat von jedem geschlachteten Rind einen gewissen Steuer­Dazu hält man eine Armee von Schullehrern und Geist betrag erhebt, so bezahlt den nicht der Schlächter, sondern lichen, die Alle nach der Schablone auf die Geister von das Publikum, welches dem Schlächter ablauft; denn der Kindern und Erwachsenen einwirken müssen, wenn sie nicht Erstere schlägt die Steuer auf den Preis der Waare: das von Amt und Brot gejagt sein wollen. Und weil das Pfund Fleisch, welches Sie kaufen, toftet infolge dessen so Alles jetzt nicht mehr ausreichen würde, hält man große und so viel mehr, und da die Zahl der Unbemittelten die stehende Heere und unterstützt Alles mit dem Bajonett. So weitaus größte ist, so müssen auch die Unbemittelten den ist es schließlich immer wieder der Beweis der Gewalt, weitaus größten Theil der Steuer bezahlen. Der Schlächter welcher Recht behält. Und da zuweilen die unterdrückten schlägt auch einen Theil der Steuer auf die Haut des Thieres, Diesem System entsprechend werden die Gesetze nach Klassen denselben Beweis durch Tumult und Aufruhr 5. h. er zieht ihn von dem Gerber ein. Der Gerber belastet den Bedürfnissen der Bevorrechtigten eingerichtet und anzutreten versuchen, so muß man von Zeit zu Zeit die den Schuhmacher, der Schuhmacher seine Kunden. Wer be­zurechtgedrechselt, und damit ja die große Masse stehenden Heere vermehren. Wir haben jetzt in Europa   zahlt also die Schlachtsteuer? Der arme Bigarrenmacher damit nicht einverstanden sein sollte, es vermeidet, an beinahe vier Millionen Soldaten zur Aufrechterhaltung ebenso gut, wie der reiche Bankier. diesem Werke zu rütteln, werden wieder besondere Gesetze der Ordnung". Und woher nimmt man die Soldaten?

Zeitgenössischer Roman in 3 Büchern

von A. Otto Walster.

zum Schutze dieser Gesetze gemacht, und das geht so weit, Selbstverständlich auch aus den Reihen Derer, die mit dem womit jedoch nicht behauptet werden soll, daß nicht viele Das ist, Herr Draht, das Wesen der indirekten Steuer, daß man selbst mißliebige Aeußerungen über dieselben bestraft. herrschenden System nicht einverstanden sind. So wird ein womit jedoch nicht behauptet werden soll, daß nicht viele Wenn Herr Draht einen Schuh gemacht hat, welcher drückt, Theil der Armen bezahlt, um den anderen Theil zu über unter dem Titel" direkte" laufende Steuern diefelbe Wir­dann ist dem Besteller oder Eigenthümer unbenommen, wachen mit dem Gewehr in der Hand. Und wer bezahlt tung haben. Bei der Grundsteuer z. B. wird der Betrag weiblich über die schlechte Arbeit zu schimpfen und zu diese Heere? Der Arbeiter und immer wieder der Ar- auf den Preis der Bodenprodukte und auf die Miethen ge räfonniren, ja er tann sogar die Zahlung dafür beiter." beanstanden. Wenn aber die Juristen ein faules Gesetz er­Wenn es nicht in der That und Wirklichkeit so wäre, funden haben und es findet die Genehmigung Derer, die barüber zu befinden haben, so muß man es nicht nur be- würde man es für unmöglich halten, so widerfinnig, so folgen, sondern sogar mit Achtung besprechen, selbst wenn fabelhaft kommt es Einem vor, wenn man es sich recht ver­es Biele schädigt und nach einigen Jahren wieder aufge- gegenwärtigt," meinte Barth. Nun, ganz so, wie Herr Frank es hinstellt, ist es doch hoben werden muß. Und doch, wie in aller Welt kann sich Jemand herausnehmen, dem Andern zu verbieten, nach wohl nicht," warf Meister Draht bescheiden ein. seiner ihm eigenthümlichen Weise etwas zu besprechen? Vermögenden müssen doch viel mehr Steuern bezahlen, Würden die Gesetze durch den Willen der Mehrheit von als wir."

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schlagen. Nun stellen Sie sich einmal vor, der Staat muß wegen vermehrter Militär- Bedürfnisse Anleihen machen. Millionen werden gebraucht. Der Staat bekommt sie geliehen, weil er die meisten Garantieen bietet. Was ist die Folge solcher An­leihen für unproduktive Zwecke? Das Gelb wird schwerer erreichbar für produktive Anlagen. Um die benöthigten Darlehen zu erhalten, muß man höhere Zinsen und Ber­  " Die mittelungsgebühren anbieten, und da ist es wieder der Kapitalist, welcher gewinnt. Kurz, Sie können die Sache ansehen, wie Sie wollen, von oben oder unten, fie anfassen an jedem beliebigen Punkte, es ist eine Schraube ohne Ende, es kommt immer wieder auf dasselbe heraus."

allen Staatsangehörigen festgestellt, so würde man nicht so" Nicht so viel, wie Sie sich vorstellen, Herr Draht," iel Ursache haben, über ihre Mangelhaftigkeit zu klagen, entgegnete der Schriftsteller. Es fehlt Ihnen die Kenntniß und die wenigen Räsonneure würde man ihr unschädliches von dem Wesen und Wirken der Steuer. Lassen Sie uns

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" Ja, und das Ende," rief Frank. Was wird das