die Handelsverträge auf SVa M. herabgesetzt sei. daß also das Ver-sprechen des Reichskanzlers einen über S M. hinaus zu erhöhendenZoll bedingt.Aber damit geben sich die Verfechter der agrarischen Interessennoch nicht zufrieden; sie schmieden das Eisen, so lange es warni istund fordern deshalb bereits volle Aufklärung über die Ab-sichten der Regierung, ja der fromme„R e i ch s b o t e" verlangtsogar, daß der Zolltarif noch vor der Kanalvorlage im Abgeordneten-hause dem Reichstag vorgelegt wird, indem er offen vom Kanal als„Pressionsmittel" spricht:„Von großer Wichtigkeit wäre eS, wenn der Reichskanzler dieVorlage des Zolltarifs bei dem Reichstage so beschleunigte, daßsie noch während der Beratung der Kanalvorlage im Reichstageeinträfe, und so die Werterklärung des Reichskanzlers sich in bestimmte Zahlen umsetzte. Man sei dochganz offen: Jedermann weiß, daß die Vertreter der Landwirt�schaft den Kanal als ein PressionSmittel für die Zollcrhöhung ausnutzen köimen— der Antrag deutet ja daranhin— und bei der Wichtigkeit der Zollerhöhrmg für die notleidendeLandwirtschaft kann man ihnen das auch gar nicht verdenken undmuß eS deshalb begreiflich finden, daß sie dieses Pressionsmittelnicht eher aus derHand geven wollen, bis sider Zollerhöhung ganz sicher sind— und die volleSicherheit geben ihr erst bestimmte Zahlen; aber immerhin istdie Erklärung des Reichskanzlers eine so bestimmte, daß sie ohneeine wirksame Zollcrhöhung finnlos und trügerisch tviirdcund daß die Regierung die Landwirtschaft betrügen könnte, das istdoch ausgeschlossen."Was gedenkt demgegenüber der HandelsvertragsVerein zu thun? Will er wieder, wie nach der Abstiimnung audem„Deutschen Handelstag" verkünden lassen, daß, da es nun ein-mal im Landtag Agrarier gebe, man nichts dagegen thun könne.wenn diese Agrarzölle wollten?Ein Telegramm des Kaisers.Aus München wird uns gemeldet:Die„Münchner Post" bringt in ihrer heutigen Nummerfolgende neue Lesart über die Äffaire des Prinzen AlfonS„Von einer Stelle, die unzweifelhaft sicher informiert seinmuß, erhalten wir folgende Mitteilungen:In Weimar haben thatsächlich Meinungsverschiedenheitendarüber obgewaltet, ob Prinz Albrecht von Braunschweigoder der kommandierende General, der den Kaiser zu vertretenhatte, den Ehrenplatz neben dem neuen Großherzog einnehmensollte. Prinz Alfons habe jedoch kurzweg den ihm nach seinerMeinung gebührenden Platz eingenommen. Ueber diesen Vorgangerfolgte Beschwerde des Generals nach Berlin, woraus um-gehend ein kaiserliches Telegramm nach München gesandtworden sei, dem auch em erklärender Bericht gefolgtsein soll. Hierin soll sehr energisch gegen das Vorkommnisprotestiert und unter Hiiiwcisung auf die M o s k a u e r A n-gelegenheit gefragt ivorden sein, ob etwa e i nSystem in dem Verhalten bayrischer Prinzen liege....Die Abfassung des Telegramms und des Begleitschreibens habein Münchner Regierungskreisen eine derartige Bestürzung er«regt, daß ihr die sonst unerklärliche, durch Gnadenbezeugungen, ge-milderte Absägung des Prinzen Alfons zur Versöhnung Berlinsgefolgt sei. Auch die Entsendung des Prinzen Arnulf nach Londonberuht darauf, daß nian annahm, dieser Prinz sei als die demKaiser sympathischte Persönlichkeit am ehesten im stände, denobwaltenden Unmut zu beheben."Der Vorgang erinnert an den Fall Lippe vom Jahre 1838.Damals hatte der gegen den Wunsch des Kaisers Regent von Lippegewordene Graf Ernst angeordnet, daß die im Fürstentum Lippegarnisonierenden Truppen den Mitgliedern seines Hauses militärischeEhren zu erweisen haben. Plötzlich ließ der kommandierende Generaldes VII. Armeecorps Gegenbefehl ergehen. Graf Ernst wandte sichin einem sehr unterthänigen Schreiben an den Kaiser und erhieltdarauf nachfolgende telegraphische Erwiderung:Ihren Brief erhalten, Anordnungen des kommandierendenGenerals geschehen mit meinem Einverständnisse nach vorherigerAnfrage. Dem Regenten, was dem Regenten gebührt, weiternichts. Im übrigen will ich mir den Tön, in welchem Sie anmich zu schreiben für gut befunden haben, ein für alle mal ver-beten haben. �V. R.Gegen Form und Inhalt dieses Telegramms legte Graf ErnstRechtsverwahrung bei den deutschen Fürsten ein, worin er besondersbetonte, daß er als Regent eines deutschen Bundesstaats nicht imVerhältnis eines Unterthans zum König von Preußen stehe. EineMeinungsäußerung der deutschen Fürsten ist nicht bekannt geworden.Außer den Offiziösen stellte sich damals der größte Teil derdeutschen Presse auf die Seite des Grafen Ernst. Die„Köln. Volkszeitung" beispielsweise sagte:„Der Kaiser war sehr schlecht oderwohl gar nicht beraten, als er das Telegramm an den Regentenschickte."Im jetzigen Fall des bayrische» Prinzen Alfons hat das kaiserlicheTelegramm, wenn die„Münchner Post" recht unterrichtet ist, andreWirkungen erzielt als im Fall Lippe. Während Graf Ernst zuLippe zu einer Rechtsverioahrung schreitet, opfert man im zweitgrößtenBundesstaat voll Bestürzung den beliebtesten Prinzen des königlichenHauses. Man bringt solches Opfer ungeachtet der Erinnerung desKaisers an die Moskauer Angelegenheit, in der Prinz Ludwig vonBayern den Beifall seines engeren Vaterlands erntete, da er sichgegen die Zumutung des Festredners der deutschen Kolonie ver<wahrte, zum„fürstlichen Gefolge" des Prinzen Heinrich zu zählen.Vielleicht wird das neue Kaisertclegrainm im Wortlaut zurVeröffentlichung gelangen, damit die Münchner„Bestürzung" ihreAufklärung findet.man statt vonr erhöhten Zollschutz von Brotwucher spreche und entnimmt aus der Abstimmung des Abgeordnetenhauses, daß auch imReichstag eine erhebliche Mehrheit für den verstärkten gollfchntz ein-treten werde.Man merkt der„Berliner Korrespondenz' ordentlich die Er-lösung an, daß sie endlich mal für etwas werben kann, was ihr amHerzen liegt und daß sie darum der Qual enthoben ist, für dengräßlichen Kanal eintreten zu müssen. Der Brotwucher ist ihrlieber.—Deutsches Weich.Tie Englaudreise des Kaisers.Die Reise des Kaisers nach England ist, wie erklärlich, auS reinverwandtschaftlichen Gefühl tiefer Teilnahmelerfolgt, daß sich aber derKaiser so p l ö tz l i ch zur Abreise entschloß, das ist. wie man unsberichtet, auf den dringenden Wunsch des Prinzen von Wales, nun-mehrigen König Edward VII., zurückzuführen. Der Prinz vonWales hatte nämlich den begreiflichen Wunsch, vor seiner Thron-besteignng eine private Angelegenheit mit seinem kaiserlichen Neffenin Ordnung zu bringen.Als Kaiser Wilhelm I. am S. März 1888 starb, hinterließ erKS Millionen Mark, die sich bis zum Ib. Juni 1888, dem TodestageFriedrichs III. auf 32 Millionen vermindert hatten. Die 2t Millionendie fehlten, waren dem Prinzen von Wales, der sich damals inschwierigen finanziellen Verhältnissen befand, geliehen worden. Wieerzählt wird, protestierte zu jener Zeit der Minister deS königlichenHauses, Graf S t o l b e r g, gegen dieses Darlehn, und, da er damitkeinen Erfolg hatte, nahm er seinen Abschied.Es ist natürlich, daß der Prinz von Wales in dem Augenblicke,wo er zur Herrschaft gelangen sollte, das Bedürfnis fühlte, diesebisher unerledigte Angelegenheit zu ordnen, und deshalb bat er dendeutschen Kaiser, zur persönlichen Regulierung so bald wie möglichnach England zu kommen.—__Die Regierung macht für den Brotwucher mobil. Nach-dem ihr Graf Bülow durch seine Erklärung vom Sonnabend dieZunge gelöst, beginnt nun die amtliche„Berliner Korrespondenz" fürden„erhöhten Zollschutz" zu agitieren. Das Organ ist empört, daßAktioniirrifches Schweigenherrschte in der Versammlung der Aktionäre derGrundschuldbank, die am Montagabend im Geschäftshaus derHypothekenbank abgehalten wurde. Der Beschluß auf Liquidationwurde gefaßt, die vorgeschlagenen Liquidatoren wurden gewählt, derDirektor Krasinsky und der Aufsichtsrat Spielhagen wurden ihrerAcmter enthoben— alles ohne Widerspruch. Kein Aktionärwar neugierig genug, etwas Genaues über die vielenungelösten Fragen und Beziehungen erfahren zu wollen.Herr Direktor Kohuitz, derselbe, der in den früheren Versammlungenden an der Grundschnldbank verübten Betrug wegen entwendeterguter und eingeschobener schlechter Hypotheken als eine Thatsachebehandelt hatte, verlas und erläuterte am Montag eine Er-kläruug, nach der sich dis Herren bei ihrer früherenAnsicht geirrt hätten. Der Aufsicktsrats-Präsideut. Dr. Witten-berg, der sein aufgetragenes Pensum vorschriftsmäßig er-ledigte, hatte den„Irrtum" der öffentlichen Meinung in die Schuhegeschoben. Im übrigen ist die Sache so wenig geklärt und auchden Aktionären in der Versammlung von gestern so dunkelgeblieben, daß niemand sagen kann, was nun eigentlich los ist.Die Sache soll durch ein Schiedsgericht zwischen der Hypothekenbankund Grmidschuldbank durch„erste Juristen" entschieden werden, undHerr Kohnitz meinte ganz treuherzig, solch ein Schiedsgericht werdedoch für die kleinen Leute im Lande, die mit Grundschuld- Papierengesegnet sind, mehr Sympathie haben, als für die„potente"Hypothekenbank! Allgemeine Rührung!Wie das„Arrangement" immer mehr auf eine Vergewaltigungder beteiligten kleinen Sparer zu Gunsten großer Geldmächtehinausläuft, das zeigte am besten der ganz nebenher, wieetwas Geringfügiges eingebrachte Antrag deS Justizrats Kcmpner,(der für seine bewiesenen Talente mit einem Posten in der D i r e k-tion der Deutschen Bank belohnt werden soll),— ein Antrag, der die Liquidatoren ennächtigt, Grundstücke freihändig zu ver-kaufen, ohne daß der Aufsichtsrat und die Vertretung der Gläubiger-gefragt werden. Der Antrag wurde so geduldig angenommen, wiedie übrigen.Herr Kohnitz lenkte die Aufmerksamkeit wieder auf diefalschen Taxen. Einer dieser Taxatoren sei ein„Königlicher Banrat", der allein vom 5. Mai bis Ende 1300SZ OVO M. Taxationsgebühren von der Gesellschaft bezogenhabe.Bon 1127000 M. Zinsen der Grundschuldbank, diehätten eingehen sollen, sind nur 280 000 Mark eingegangen616 000 M. schulden von dem Rest die Tochtergesellschaften, diezahlungsunfähig sind, die übrigen 223 000 M. sind zum Teil faul.Mittwoch findet eine Versammlung der Hypothekenbanl-Aktionäre statt._Stolz lieb ich den— Kohlenhändler. Dem Minister Brefeldgeht es wie seinem ReichSkollegcn Posadowsky. Seitdem die Socinl-demokratie ihre kompromittierende Intimität init den Vertretern desGroßkapitals urkundlich enthüllt, bemühen sie sich, durch schneidigklingende Aeußerungen von ihren Freunden und Gönnern abzurücken.So verdarb es Posadowsky mit Herrn Bueck und dem Centralvcrband,weil er im Reichstag erklärt hatte, es sei für ihn kein Vergnügen,dessen Versammlungen beizuwohnen.Noch übler ist es dem Hern: Brefeld ergangen. Auch er warbemüht, die Personen schroff zu verleugnen, mit denen er sich soebennoch in zärtlichster Vertrautheit befunden. In diesem Bestrebenäußerte er neulich in, Abgeordnetenhause:„Der Handel sei ein notwendiges Uebel. Und als er das anstößige Wort bereute, schränkteer es entschuldigend dahin ein, er habe nur den Kohlenhandelgemeint. Damit verschüttete er es aber völlig. Der Inhaber derFirma Cäsar Wollheim, Kommerzienrat Arnhold— mit demübrigens Herr Brefeld vordem gleichfalls regen Verkehr gepflogenhaben soll— hat ihre seit 1361 bestehenden rcsp. prolongiertenVerträge mit den fiskalischen Gruben zu demnächst zulässigen Termin gekündigt. I» ihremSchreiben an den Minister verweist die Firma auf dessen obigeAeußerung über den Handel resp. den Kohlenhandel; derartigegeschäftliche Beziehungen müßten auf gegenseitiger Achtung beiderParteien beruhen.Die Firma Cäsar Wollheim hat den gesamten Vertrieb schlesischerKohlen in ihren Händen. Die Kündigung bedeutet also für dieStaatsgruben den Verlust deS bisherigen Generalabnehmers. Aller-dingS will man in Börsenkreisen nicht recht an das angegebeneMotiv der Kündigung glauben. Man neigt vielmehr zu der An-nähme, daß Herr Arnhold der Kündigung seitens des Ministers nurzuvorgekommen sei; Herr Arnhold habe nämlich vorausgesehen, daßHerr Brefeld den Agrariern doch nachgeben müsse und das viel an-gegriffene Verhältnis lösen würde.Jedenfalls hat die Firma Cäsar Wollheim eines voraus vor denMiuistern Posadowsky und Brefeld: sie hat es verstanden, nicht ohneWürde sich zurückzuziehen— im rechten Augenblick.—Graf Posadowsky hat heute im Reichstag einen Artikel deS„Vorwärts" vom 3. August 1838 cmert, in dem ein Urteil über dieocialpolitische Gesetzgebung gefällt worden sein soll, das mit derallgemein in unsrcr Partei verbreiteten Auffassung in Widerspruchstehe. Diesen Widerspruch konnte Graf Posadowsky nur durchvölliges Zerreißen des Inhalts und Sinns jenes Artikelskonstruieren. Der Artikel ist so voll scharfer Kritik der Bismarckscheu„Socialrcform", daß Graf Posadowsky sicherlich nicht daran denkt,'einen ganzen und w i r k l i ch e n S i n n für sich in Anspruchzu nehmen.—DaS Opferlamm. Herr v. Woedtke wird demnächstRegierungspräsident, aber nicht in Marienwerder, welcheStelle laut Versicherung der„Bcrl. Börsen-Ztg." dem KanalgcgnerJagow vorbehalten bleiben soll, sondern anderswo.Eine großartige deutsche Flottcnparade soll zur Trauerfeierder Königin Victoria auf der Reede von Spithead stattfinden. Nachdem kaiserlichen Befehl sollen alle in heimische» Gcwäffern be-südlichen disponiblen Kriegsschiffe sich an der Parade be-teiligen.In der Nordsee sollen sich beide aus Wilhelmshaven und Kielauslaufenden Flotten vereinigen, um gemeinsam nach ihrem Be-itimmungsort weiter zu dampfen. Bei dem enormen Kohlen-verbrauch der Schiffe wird diese Paradefahrt bedeutende Kosten ver-Ursachen. Frankreich wird bei der Parade nur mit einem Schiffvertreten sein.—Zur HnldignngSfeler in London ist die ReminiScenz nichtuninteressant, daß an der Huldigung Viktorias auch ein deutscherKönig, der von Hannover, sich beteiligte, und sich somit rechtlich indie Stellung eines der Herrscherin von England unterworfenenPrmzen begab, um die dainit verbundene Apanage von 420 000 M.auch künftig beziehen zu können. Dieser Ehrenmann und Patrioterfreute sich, als er die Verfassung brach, ebenso der UnterstützungPreußens wie der Meltcrnichs.—Ter Goubcrucur von Kiantschou gestorben. Nach einerMeldung ans Kiantschou ist der Gouverneur nusres Platzes an derSonne, der Kapitän zur See Jäschke, ein Opfer desparadiesischen Klimas geworden, indem er an den Fokgecrscheiuimgendes D a r ni t y p h u s verstorben ist. Jäschke war der zweiteGouverneur von Kiautschou.—Wider den Brotwucher. Kürzlich fand in Gerresheimbei Düsseldorf, dem Reiche des Glaskönigs Heye, eine überausgut besuchte Volksversammlung statt, in der erfreulicherweise auchdas weibliche Element stark vertreten war. Genosse Dr. Erdmannaus Köln referierte über die wirtschaftliche Lage und die Verteuerungder Lebensmittel durch die agrarische Reaktion. Der Redner gingbesonders scharf mit dem Centrum ins Gericht, dem wir die unseligeZoll- und Steuerpolitik dcS Reichs verdanken und das auch jetztiviedcr bereit ist, den Agrariern zu Liebe und den Arbeitern zumSchaden durch höhere Zölle die Lebensmittel zu verteuern. FolgendeResolution fand einstimmige Annahme:Die heute am 20. Januar 1301 in Gerresheim tagende, von800 Personen besuchte Volksversammlung protestiert entschiedengegen die fchutzzöllnerischen Bestrebungen, durch höhere Zölle dieLebens- und Bedarfsmittel noch mehr zu verteuern. Die Versamm-lung erklärt sich für Abschaffung des indirekten Stenersyftems, dasnichts ist, als eine Begüusiigniig der Reichen zum Schaden der be-dürftigen Masse. Weiter hält es die Versamnilnng für nottvendig,daß die Arbeiter sich zur Besserung ihrer Lage gewerkschaftlichorganisieren und zur Durchführung einer wirksamen Arbeiterpolitikausschlaggebenden Einfluß auf die Gesetzgebung und Venvaltung inReich, Staat und Gemeinde gewinnen. Die Versammlung gelobt,in diesem Sinne thätig zu sein.Ultramontano Verlegenheiten. München, 26. Januar. Dievon ultramontanen Agitatoren seiner Zeit gegründeten Baugenossen«schaften des christlichen Eisenbahnverbands sind neuerdings schoniviedcr in schwere Verlegenheit gekommen. Die ungünstigen Ver-Hältnisse auf dem Geldmarkt veranlassen die Banken, mit der Hergabevon Hypotheken sehr zurückzuhalten. Infolgedessen können verschiedeneGenossenschaften(Rosenheim und RegenSburg), die sich mitGrundankäufen stark engagiert haben, ohne selbst ein nennenswertesVermögen zu besttzen, nicht weiterbauen, und man ist deshalbgezwungen, um Staatszuschüsse zu betteln. Da aber einige Genossen-schaften, die bereits Staatsdarlehen erhielten, dank der Unfäbigkeitihrer Organisatoren bedenklich wacklig stehen, scheint man im Eisen-bahii-Miinsterium die Hand auf dem Geldbeutel zu halten. Tienächste Folge davon dürfte sein, daß wiederum einige Genossen-schaften verkrachen, wie es in Nürnberg, trotz aller Ableugnungs-versuche, schon der Fall war.—Aus Straßburg i. E. wird uns geschrieben: Die Verhand-lungen des Reichstags über die Interpellation wegen der Nicht-b eförderung polnisch adressierter Postsendungensind in Elsaß-Lothringen mit besonderem Interesse verfolgt worden.Es kommt wohl auch bei uns sehr häufig vor, daß die Absender vonin französischer Sprache adressierten Packeten, Wert-sendungen, Einschreibdriefen ec. nach dem Jnlande seitensder Postbeamten aufgefordert werden, in Zukunft sichdabei der deutschen Sprache zu bedienen; Fälle aber, in denenaufgelieferte Sendungen zurückgewiesen oder als unbestellbar be-handelt worden wären, weil sie in französischen Ausdrücken adressiertIvaren, sind meines Wissens bisher nicht bekannt geworden. Unddoch werden bei den Postanstalten des Reichslands täglich sicherTaufende von Briefen nach elsatz-lothringischen Orten aufgeliefert, dienicht nur die Angabe des Bestimmungsorts, sondern auch die nähereBezeichnung des Adressaten i» französischer Sprache enthalten. Wolltedie Post alle Briefe zurückweisen, die ans dem eignen Lande nachStrasbourg, Mulhouse, Sdlestadt, Saveme, Wissenbourg sc. lauten.so würde davon wohl der vierte Teil aller derartigen Sendungenbetroffen. Aber auch in solchen Fällen, wo die früheren französischenOrtsbczeichnungen dem Klange nach von dem deutschen völligverschieden find, wo also bei den Postbeamten eine Kenntnis deralten französischen Ortsnamen erforderlich ist. erfolgt die Bestellungder Postsachenwohl ausnahmlos ohne Verzug. Klagen sind mirin dieser Hinsicht wenigstens noch keine zu Ohren gekommen, obwohlauf Briefadressen die Stadtbezeichnungen St. Maris- aux- Minesfür Markirch, Eibauville für Rappoltsweiler, Montreux-le-Vieuxfür Altmünsterol, La Poutroye für Schnierlach sc. täglich wohl vieleDutzendemale vorkommen.Speciell in der Landeshauptstadt S t r a ß b u r g ist die Ver-Wendung der alten französischen Straßennamen sc. aufBriefadressen auch noch so häufig, daß die prompte Bestellung derPostsachen nur mit einem auch in dieser Hinsicht durchaus orts-kundigen Personal durchgeführt werden kann. Dabei ist, wie wohlkaum' besonders betont zu werden braucht, auch die nähere Bezeichnungdes Adressaten. Anrede, Berufsangabe sc., sehr häufig in französischenAusdrücken gehalten, kurz: die ganze Briefaufschrift präsentiert sichvon Anfang bis zu Ende als eine französische.Wenn die Oberpostdirektionen zu Straßburg und Metz bishertrotzdem von chikanösen Weiterungen bei der Bestellung solcher Post-fachen abgesehen haben, so ist ihnen dies nicht als besonderes Ver-dienst anzurechnen, sondern entspricht lediglich den Aufgaben derPostverwaltung, die die ihr gegen Entgelt zur Beförderungüvergebenen Sachen zu bestellen hat, ohne nach den Motiven zufragen, die den Absender zur Wahl einer deutschen oder fremdsprachigenAdresse bestimmt haben.Erst vor wenigen Tagen las ich in der« S t r a tz b u r g e rPost" die folgende, über die„Findigkeit" unsrer Reichsposttriumphierende Notiz:Am 16. d. M. wurde in London ein Brief aufgeliefert.dessen Adresse, nach Angabe des— nebenher bemerkt falsch ge-schriebenen— Namens des Empfängers lautete:Stsysdury ElsaysJbmden Galse 10.Am Nachmittag des 16. wurde der Brief in Straßburg imElsaß, Thomaimsgasse 13, richtig bestellt. Alle Achtimg!Schwieriger als der obige werden die vom StaatssekretärPodbielski erwähnten polnischen Adreffaten wohl kaum zu er»mittein gewesen sein!—Ausland.England.Eine Erhöhung der Civilliste auf 800 000 Pfd. Sterlingsoll Eduard VII. als Gegengefälligkeit für die Liebenswürdigkeitverlangen, die schwere Last der britischen Krone auf sich genommenzu haben. Seme königliche Mutter wird ihm zwar von ihrem auf1200—1600 Millionen Mark geschätzten Vermögen einen entsprechendenAnteil hinterlassen haben, aber eine Erhöhung der Civilliste um6�/, Millionen Mark wird ja wohl England der Ehre wert seinvon dem ersten Gentleman der Welt regiert zu werden.—Frankreich.Die Polizei nahm bei dem socialistischen Blatte„Petit Ton'eine große Anzahl Gewehre mit Beschlag, welche den Lesern dergenannten Zeitung als Prämien angeboten wurden, um das republi-kauische Vaterland zu verteidige».—Italien.Die päpstliche Enchklika über die christliche Demokratie um-faßt zwar zwanzig Druckseiten, enthält aber nach den von ihr ge-aebenen Inhaltsangaben keine irgendwie neuen oder wesentlichenGesichtspunkte. Der Papst erinnert zunächst an seine früheren,der socialen Frage gewidmeten Enchkliken lZuod apostolimuneris und Eerum novarum und hebt hervor, wieans Grund jener Enchkliken die Katholiken ihre ganzeThätigkeit dem socialen Werke gewidmet hätten, umdem Ärbeiterstande auszuhelfen. Sodann beschäftigte sich die Euch-llika, nachdem sie die Bezeichnung„christlicher SocialismuS" als nicht