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( Ausweislich des vorstehenden Protokolls war diese Verfügun g

noch irgendwie nachzugeben, anstatt einfach irgend einen p chinesischen   Hafen zu besezen, auf alle als Sühne- Missionare bereits getroffen!) denkbaren 6000 Prinzen des himmlischen Reiches zu verzichten und statt dessen dem chinesischen   Hof und Staat eine Kontribution von hundert Millionen Taels aufzuerlegen. Wenn es aber anders liegt, wenn die deutsche Diplomatie in letter Stunde neue Forderungen erhoben haben sollte, die fie, wie der Ausgang lehrt, nicht hat aufrecht erhalten können, so hätte die Baseler Tragie komödie im höchsten Grade blamabel für uns geendet." Ein Trost bleibt den tiefempörten Alteutschen immerhin. Ueber das Verhalten des Kaisers während der Sühne- Ceremonie meldet

ein Lokalblatt:

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Telegramm. Kommandier ender General  . Königsberg. Insterberg, 1901, den 4. Juni um 9 Uhr 40 Min.( abends). Haftfache. Rechtsbeschwerde. Sergeant Hidel, Gumbinnen   vom Kriegsgericht zweiter Division gestern von Anklage Mordes frei gesprochen. Gerichtsherr heute fünf Uhr morgens drahtlich ersucht, gemäߧ 179 Strafgerichts- Ordnung Untersuchungshaft aufzuheben, antwortet abends 8 Uhr aus Rastenburg  , könne erst von Justerburg aus verfügen. Bitte soforttge Freilassung veranlassen. Verteidiger Rechtsanwalt Horn.

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Der Kaiser war ernst, fast streng. Als der Sühneprinz Telegramm. S. S. den Gaal betrat, winfte ihm ber Raiser, der sich nicht Königsberg. 1901. Den 5ten 6. um 12 Uhr 55 Min.( Mittags.) Rechtsanwalt Horn. Insterburg. erhob, kurz mit der hand. Der Prinz näherte sich nun­mehr unter tiefer, nach der" Post" unter dreimaliger, nach dem Rechtsbeschwerde in Sachen Hickel aus§ 179 nach§ 373 gesetzlich Generaltommando. Lot.- Anz." unter neunmaliger Verbeugung dem Thron und verlas unzulässig. darauf in chinesischer Sprache nicht ohne Anzeichen innerer Er­Telegramm. Kommandierender General. Königsberg. regung" den Brief seines Bruders. Kaiser Wilhelm   verlas die Antwort, wie es heißt, mit energischer Stimme. Besonderen Insterburg  . 1901. Den 5ten 6. um 2 Uhr 30 Min.( Nach­Nachdruck legte er auf das Wort civilisiert", als er von den un- mittags.) Rechtsbeschwerde in Sachen Hickel in§ 175 ausdrücklich erhörten Verbrechen unter civilisierten Völkern sprach. Während zugelassen. Beschwerde nach Freisprechung eingelegt und begründet, des ganzen Empfanges blieb der Kaiser   figen. weil nunmehr nach§ 179 Untersuchungshaft gesezwidrig. Erhalte Rüdwärts schreitend unter dreimaliger Berbeugung ver- ich bis heute abend 8 Uhr keine Nachricht von der Freilassung Hickels, so werde ich Verfahren aus§ 239 Reichs- Strafgesetzbuch wegen ließ der Sühneprinz den Saal. Rechtsanwalt Horn. Von nun an wurde er als Prinz behandelt." Freiheitsberaubung einleiten lassen. Nachmittags 3 Uhr stattete dagegen der Kaiser dem Prinzen in der Orangerie einen Besuch ab. Der Lokal- Anzeiger" behauptet sogar, daß der Kaiser im Laufe des Tages mit dem Prinzen eine Dampferpartie von der Matrosenstation aus unternehmen wollte. Am Donnerstag fei der Prinz vom Kaiser zur Frühstückstafel geladen und werde vorher der Kaiserin vorgestellt werden.

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Während am deutschen Hofe dergestalt zwar nicht mit dem Kotau, aber dennoch steif ceremoniös die Entsühnung" stattgefunden hat, geht in Ostasien   der internationale Hader um das Friedensprotokoll weiter. Die Einigkeit der civilisierten" Mächte feiert weitere Triumphe. Und das entfühnte China   rüstet sich allem Anschein nach, um neue Civilisations- und Christianisierungsversuche der europäischen  Kanonen- und Panzerplattenkultur fünftig mit größerer Entschiedenheit zurückweisen zu können. Die zerstampften Felder durchzieht wieder der Pflug, die verbrannten Dörfer werden wieder aufgebaut. Im Innern des Riesenreiches aber frißt der Haß gegen die Fremden immer weiter. Die Sühne komödie ist vorüber, die Tragödie der Sühne steht noch bevor. Mögen die Mächte sich hüten, von neuem die Brandfackel in das furchtbar gereizte Riesenreich zu schleudern!

Dokumente der Militärjustiz.

Telegramm. Rechtsanwalt Horn, Insterburg  . Königsberg, 1901, den 5. Juni um 7 Uhr( abends). In Rechtsbeschwerde Hickel trifft§ 175 nicht zu. Buständig ist allein Gerichtsherr 2. Division, dessen Entscheidung noch gar nicht vorliegt. Rechtsbeschwerde auch deshalb unzulässig.

Chiuntus mer General Kommando. ( Die Entscheidung des Gerichtsherren lag aber bereits nach dem obigen Protokoll vor!)

Am Morgen des 6. Juni bat Rechtsanwalt Horn den Generallieutenant v. Alten schriftlich um eine Unterredung in der die schriftliche Nachricht, daß Herr v. Alten ihn nachmittags um Sache Marten und Genossen und erhielt im Laufe des Vormittags 3 Uhr erwarte. Die Unterredung fand um 3 Uhr nachmittags statt. Eine Stunde früher sandte Generallieutenant v. Alten folgende Depesche ab:

Telegram m. General Kommando. Königsberg. Telegramm aus Justerburg 1901, den 6ten 6. um 2 Uhr.

In Untersuchungsfache wider Marten und Hickel vom Dragoner­Regiment Nr. 11 habe ich Berufung gegen das Urteil des Kriegs­gerichts eingelegt. Unteroffizier Marten, zu einem Jahr Ge fängnis verurteilt, bleibt in Haft. Sergeant Hidel, der freis gesprochen wurde, ist vorläufig festgenommen. Erbitte Anordnung der Untersuchungshaft gegen Hickel wegen Fort dauer des Fluchtverdachts und Kollusionsgefahr.

v. Alten.

Auf der Rüdseite dieses Telegramms befindet sich ein Aktenvermerk des Ober- Kriegsgerichtsrats Meyer, Neben der Verurteilung des Unteroffiziers Marten auf Grund der insofern von Bedeutung ist, weil er den juristischen Standpunkt gänzlich unzureichender Indicien und bloßer Mutmaßungen bildet des Gerichtsherrn und des Ober- Kriegsgerichts enthüllt. Darin heißt die Juhafthaltung Hickels trotz Freisprechung durch das Kriegs- es u. a.: gericht den charakteristischten Abschnitt des die gesamte Militär­justiz charakterisierenden und kompromittierenden Gumbinner Prozesses, In der Nat.-8tg." werden jetzt durch den Verteidiger Hickels diejenigen Aktenstücke veröffentlicht, welche diese Inhaft haltung betreffen.

Diese Veröffentlichung beiveist nicht nur endgültig, daß die Inhafthaltung Hickels rechtswidrig war denn hierüber bestand keinerlei gweifel mehr, fie beweist auch, daß für die Militärbehörde die Gründe, die eine Wiederverhaftung eines Freigesprochenen aller­dings gesetzlich zulässig erscheinen lassen und die von der Militär­behörde später angegeben worden sind, in dem Moment, als General­lieutenant v. Alten die Wiederverhaftung verfügte, nicht bestanden haben.

Nur bei dem Auftauchen neuer Thatsachen darf ein Freigesprochener wieder verhaftet werden. Die Dokumente zeigen aber ebenso wie die Verhandlung in zweiter Instanz, daß neue Thatsachen seit der ersten Freisprechung nicht bekannt ge= worden waren. Sie zeigen weiter, daß auch die Behauptung, solche neuen Thatsachen seien vorhanden, erst nachträglich auf­gestellt worden ist, während die Verhaftung unter einer Begründung erfolgte, die gesegwidrig war.

Aber nicht nur dieses Moment, jede Einzelheit, die Rechtsanwalt Horn aus den Akten mitteilt, liefert den urkundlichen Beweis, daß es höchste Notwendigkeit im Interesse der Rechtssicherheit unsrer Soldaten ist, die militärischen Kommandeure von der Last des Gerichtsherrentums zu erlösen. erlösen. Hier sind ihnen Aufgaben gestellt, denen sie nicht gewachsen sind und nicht gewachsen sein können.

Bon besonderem Interesse ist derjenige Teil der nachfolgenden Attenstücke, der die Anzeige des Rechtsanwalts Sort gegen die beiden Gerichtsherren wegen Freiheitsberaubung betrifft. Die Abweisung dieser Auflage durch den kommandierenden General v. Lenze ist das klassischste Dokument dafür, wie Militärbefehlshaber Rechtspflege betreiben.

Bei der Wichtigkeit des Falles, der nicht ein Fall Sidel mehr ist, sondern ein Fall der Militärjustiz, geben wir die Aftenstüce vollinhaltlich nach der Nat.- 3tg." wieder.

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Den Urkunden ist, wie die National Zeitung" einleitend sagt, die Bemerkung vorauszuschicken, daß in den Akten ein Befehl des Generallieutenants v. Alten, i del nach der Freisprechung freizulassen und demnächst vorläufig wieder festzunehmen, nicht vorhanden ist. Eben so wenig ist ein Befehl des Regimentskemmandeurs, des Obersten v. Winterfeldt, über die vorläufige Festnahme Hickels bei den Akten. Entweder find diese Befehle nicht vorhanden, oder die Akten sind unvollständig; Letzteres scheint jedoch nicht sehr wahrscheinlich.

Arys.

Telegramm.

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Generallieutenant von Alten.

Insterburg  . 1901, ben 4. 6. um 4 Uhr 20 Min.( Morgens). Excellenz bitte friegsgerichtlich freigesprochenen Sergeanten Hickel Gumbinnen mittels drahtlichen Befehls auf freien Fuß zu sehen. Ablehnendenfalls Drahtbescheid. Rechtsanwalt Horn.

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Protokoll. Verhandelt Gumbinnen  , 4. Juni 1901 ( etwa 3 Uhr nachmittags). Gegenwärtig: 1. Oberlt. Noether als Gerichtsoffizier,

2. Sergeant Conrad als Militärgerichtsschreiber.

8. P. Wie früher.

8. S.: Wir ist heute bekannt gegeben, daß der Gerichtsherr, Se. Excellenz Generallieutenant v. Alten, gegen das gestern gegen mich ergangene freisprechende Urteil Berufung eingelegt hat, und daß ich deshalb wegen der Gefahr der Verdunkelung des That bestandes vorläufig festgenommen bin.

Sidel

Noether, Oberlieutenant und Gerichtsoffizier. Conrad, Sergeant und Militärgerichtsschreiber. ( Diese Verhandlung soll eine Bernehmung des Angeklagten gemäß $ 181 M.-St.-G.-O. fein!)

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Telegramm. Rechtsanwalt Horn, Insterburg  . Rastenburg  , 1901, den 4. Juni um 8 Uhr 13 Minuten

( abends).

Kann erst von Justerburg aus verfügen.

von Alten.

Der Gerichtsherr 1. Instanz hat nach vorseitiger Depesche Berufung eingelegt. Damit wird das Gericht II. Instanz zu­ständig. Eine Wiederverhaftung des p. Sidel rechtfertigt sich der Sachlage nach zunächst:

1) aus§ 176 1. 2. 4.( Verbrechen, Fortdauer der Fluchtgefahr, Kollusion) M.-St.-G. O. und ist hierauf die Verhaftung erfolgt.

2. a) aus§ 179 Abs. 2( neue Beweismittel) M.- St.­G.-O. Es werden sämtliche Unteroffiziere und Mannschaften des Regiments über ihre Wissenschaft zur Sache( etwaige Kenntnis des Thäters p. p.), soweit sie dieserhalb noch nicht vernommen sind, eidlich als Zeugen gehört werden. Ein etwaiges negatives Resultat erhöht auch die Verdachts­gründe gegen Hickel und Marten.

b) Aus 179 Abs. 2( neue Verdachtsgründe) M. St. G. O. Der Gerichtsherr I. Justanz, Herr General­Lieutenant und Divisions- Kommandeur v. Alten, wird folche zur Sprache bringen und darüber eidlich als Zeuge vernommen werden. Seiner Vernehmung steht jest nichts mehr entgegen. Hier ist zu II 2b ausdrücklich gesagt:" Der General v. Alten wird diese zu kennen, erließ der Gerichts herr II. Instanz bereits neue Verdachtsgründe zur Sprache bringen." Also ohne am 6. Juni folgenden Haftbefehl:

Königsberg, 6. Juni 1901. Der Sergeant Sidel der 4. Eskadron Dragoner  - Regiments v. Wedel  ( Ponim.) Nr. 11 ist in Untersuchungshaft zu nehmen, weil er dringend verdächtig ist, sich der Teilnahme an dem am 21. 1. 01 zu Gumbinnen   erfolgten Morde des Rittmeisters und Eskadronchefs v. Krosigk   genannten Regiments,§ 2 11, 47 ff. 73 R.-St.-G.-B.(§ 97 Militär- Strafgesetzbuchs) schuldig gemacht zu haben und weil 1. er der Flucht verdächtig ist, und 2. Kollufionsgefahr vorliegt, sowie weil 3. ein Verbrechen den Gegenstand der Untersuchung bildet.-

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Seitens des Gerichtsherrn der 2. Division ist bereits Berufung gegen das freisprechende Urteil 1. Instanz gegen Hickel eingelegt. Der Kommandierende General Graf v. Findenstein. Rechtsanwalt Horn richtete nun an den kommandierenden General folgendes Gefu um aftentlaffung Sidels: Euer Excellenz bitte ich als Verteidiger des Angeklagten Hickel ganz ergebenst, nunmehr den Haftbefehl vom 6. Juni 1901 aufzuheben und den Angeklagten hidel aus der Untersuchungshaft zu entlassen.

Da mir kein andres Mittel mehr zu Gebote steht, dem gesek. widrig in Untersuchungshaft gehaltenen Sergeanten Hickel in Gum binnen die Freiheit zu verschaffen, beantrage ich gemäߧ 156 der Strafprozeß- Ordnung vom 1. Februar 1877,§ 151 Absatz 2, § 158 der Militärstrafgerichts- Ordnung vom 1. Dezember 1898 und§ 4 des Einführungsgesetzes zur Militärstrafgerichts- Ordnung vom 1. Dezember 1898 bei der königlichen Staatsanwaltschaft zu Insterburg  :

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Die Bestrafung der beiden Beschuldigten wegen Frei­heits- Beraubung gemäߧ 239, 341, 357 des Reichs­Strafgesetzbuchs und wegen der in§§ 115, 116, 118, 119 des Militär- Strafgesetzbuchs mit Strafe bedrohten Handlungen. ( Folgt Sachdarstellung, aus der nur folgende Säze hier Platz Auch diese durch den Divisions­finden mögen): tommandeur, also den Gerichtsherrn und Beschuldigten v. Alten, erfolgte vorläufige Festnahme ist streng genommen eine infonfequente Handlung, denn Hickel war ja gar nicht aus der Untersuchungshaft entlassen, also war die Festnahme überflüssig. Sie( die Augeschuldigten) suchten den Anschein zu erwecken, als dauerte die ursprüngliche Untersuchungshaft nicht fort, sondern es lägen neue Maßregeln gegen Hickel vor. Aber die Festnahme und der neue Haftbefehl hätten nur dann einen Sinn, wie bereits angeführt, wenn der Gerichtsherr v. Alten die Haftentlassung Hickels nach dessen Freisprechung befohlen hätte, denn ohne diesen Befehl dauerte die frühere Untersuchungshaft fort. Nach§ 180 der Militärstrafgerichtsordnung darf nur dann jemand vorläufig festgenommen werden, wenn die Voraussetzungen der Untersuchungshaft vor= liegen. Daß diese Voraussetzungen bei einem Freigesprochenen nicht vorliegen, ist oben ausgeführt. Wie§§ 181 und 177 unzweifelhaft ergeben, ist der Vorgesetzte nicht befugt, einen Mann, der gar nichts Strafbares begangen hat, ohne festzunehmen, denn ein Unschuldiger fann

weiteres

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über

die Beschuldigung"(§ 177) doch wohl kaum vernommen werden. Hickel hat nach seiner Aburteilung nicht das geringste Strafbare begangen.. Die Beschuldigten scheinen ihr Verhalten dadurch rechtfertigen zu wollen, daß sie behaupten, sich in einem Konflikt ihrer Pflichten befunden zu haben. Die Disciplin habe die Fort­dauer der Untersuchungshaft des Freigesprochenen gebieterisch ver­langt. Der Freigesprochene wohne mit seiner Frau in der Kaserne und er dürfe, bevor eine rechtsträftige Entscheidung gegen ihn nicht vorliege, nicht in freien Verkehr mit den übrigen Soldaten treten. Dieser Uebelstand hätte sich durch eine Versetzung des Hickel in eine andere Garnison und ein anderes Regiment sofort heben lassen.( Als Rechtsanwalt Horn dieses schrieb, wußte er von der Versetzung Stoppecks noch nichts, er erhielt erst am 1. Juli Kenntnis von Stoppecks Versetzung nach Allenstein  .) Auch ist Hickel, nachdem er zu Unrecht als Mörder angeklagt ist, jederzeit bereit gewesen, den Militärdienst sofort zu quittieren und mit feiner jungen Frau die Kaserne zu verlassen. Hickel ist von Hause aus Kaufmann und befigt einiges Vermögen, sodaß er wegen seines Fortkommens sich keine Sorge zu machen braucht. Mit der Versetzung oder Dienstentlassung Hickels war auch die Gefahr der Verdunkelung des Sachverhalts mit einem Schlage beseitigt. Wie nun jemand, der Kenntnis von der Art der gegen Marten, Hickel und Domning geführten Unter­suchung hat, von der Gefahr der Verdunkelung des Thatbestandes sprechen kann, ist nicht recht verständ lich. Hickel ist vom 21. Jannar   bis zum 2. Februar anf freiem Fuß gewesen, er hatte während dieser Beit die beste Ge legenheit gehabt, den Thatbestand zu verdunkeln, wenn er dies nötig gehabt hätte. Es ist auch nicht der geringste Verdacht vorhanden, daß Hickel in dieser Beit gleich nach dem Morde etwas zur Verdunkelung des Thatbestandes gethan hätte. Jetzt ist durch die Voruntersuchung und die Ver­handlung der ersten Instanz alles festgelegt. Was soll Hickel jezt noch verdunkeln? Wie will man von Gefahr der Verdunkelung jetzt reden, da man nicht einmal behaupten kann, daß Hickel früher, als er die beste Gelegenheit dazu hatte, etwas verdunkelt hätte? Wenn also die Beschuldigten die Sache so dar­stellen, als hätten sie fich in einem Konflikt befunden, so ist ihre die der Ver Gefahr Behauptung, die Disciplin und dunkelung hätten die Fortdauer der Untersuchungshaft ge= boten, nicht Der Pflicht zutreffend. des Gerichts­Herrn und des Kommandeurs stand aber auf der andren Seite das Gesetz gegenüber, das die Freilassung unbedingt forderte.... Der Schaden, den ein schlechter Soldat anrichten tanu, ist gering gegenüber dem Schaden, den ein ungerechter Richter anrichtet, denn dieser erschüttert die Grundlagen des Staates.

Hierauf erging folgende Erwiderung des Ersten Staatsanwalts: Insterburg, 26. Juni 1901.

Ihre Strafanzeige gegen den Herrn Kommandeur der 2. Division und den Herrn kommandierenden General des 1. Armee­corps vom 23. Juni cr. nebst zwei Anlagen, welche hier am 24. Juni cr. offen eingereicht und auf diese Weise erst heute bor­mittag zur vorgerückten Stunde auf dem geschäftlichen Umwege des Sekretariats und der Dekretur zu meiner Kenntnis gekommen ist, sende ich Ihnen mit dem Eröffnen zurück, daß ich ungeachtet der Vorschrift des§ 153 Abs. 1 der M.-St.-G.-O. mich bei dem Mangel eines Immediatgesuches im Hinblick auf die für Begnadigungs­gesuche bestehenden und hier der Bedeutung nach zutreffenden Vor­fchriften aus formalen Gründen nicht für befugt erachten kann, dieselbe der Allerhöchsten Entscheidung Sr. Majefteftät des Kaisers und Königs, die meines Erachtens hier allein in Frage kommen kann, zu unterbreiten, Ihnen vielmehr überlassen muß, falls Sie es bei einer wiederholten Prüfung für angezeigt erachten sollten, von der Ihnen in§ 151 Abjag 2 Saz 2 a. a. D. gegebenen Berechtigung zur direkten Vorlegung bei der vorgesetzten Dienstbehörde Gebrauch zu machen. Hecht, Geheimer Justizrat. Rechtsanwalt Horn richtete darauf folgende Beschwerde an

Am 18. und 19. Juli b. J. haben in Gumbinnen   kommissarische Zeugenvernehmungen stattgefunden, bei denen auch der Dragoner den Oberstaatsanwalt in Rönigsberg: Stopped uneidlich als Zeuge vernommen ist. Wie Euer Excellenz der Herr Ober- Striegsgerichtsrat Meyer, welcher den Verhandlungen beiwohnte, bestätigen wird, hat Stopped bei diefer Vernehmung be fundet, es sei von niemand der Versuch gemacht, ihn in seiner Aussage zu Gunsten der Angeklagten Marten und Hickel zu beein fluffen. Der Herr Ober- Kriegsgerichtsrat hat Stopped noch besonders danach gefragt, ob solche Versuche nicht von dem Gendarmerie­Wachtmeister Meltzer oder dem Vice- Wachtmeister Schneider gemacht feien, Stopped hat dieses ausdrücklich verneint. Die eidliche Ver­nehmung sämtlicher Unteroffiziere des Dragoner   Regiments hat feinen Anhalt dafür gegeben, daß die Vermutung, die Unter­offiziere hielten zusammen, um die Angeklagten vor Bestrafung zu schüßen, begründet ist. Es hat sich damit herausgestellt, daß nene Verdachtsgründe oder Beweismittel, die allein den Erlaß des Haftbefehls gemäߧ 179 Absag 2 rechtfertigen könnten, nicht vorhanden sind. Die Bestimmungen des§ 176 M.-St.-G.-O. tommmen für diesen Haftbefehl gar nicht in Frage. § 176 M.-St.-G.-O. zählt die Voraussetzungen der Haft vor dem Urteil erster Instanz auf.§ 179 handelt von den Gründen der Haft nach Erlaß des Urteils erster Instanz."

Justerburg, 27. Juni 1901. Euer Hochwohlgeboren bitte ich ganz ergebenft, die fönigl. Staatsanwaltschaft zu Insterburg   anzuweisen, mit der anliegenden Strafanzeige so zu verfahren, wie dieses in§ 153 der Militär­Strafgerichtsordnung vorgeschrieben ist. Ich kann die Gründe, aus denen der Erste Herr Staatsanwalt die Ueberreichung der Anzeige ablehnt, nicht als stichhaltig anerkennen.

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Dieses Gesuch wurde ohne Angaben von Gründen abgelehnt. Darauf stellte Rechtsanwalt horn folgenden

Strafantrag:

Insterburg, den 23. Juni 1901. An die königliche Staatsanwaltschaft, hier. Strafanzeige des Rechtsanwalts Horn in Justerburg gegen 1. den Kommandeur der zweiten Division   Generallieutenant von Alten in Justerburg,

2. den kommandierenden General des ersten Armeekorps General lieutenant   Fink von Finkenstein  ( muß heißen: General der Infanterie Graf Find v. Findenstein) in Königsberg wegen Verbrechen und Vergehen gegen§§ 239, 341, 357 des Reichs Strafgesetzbuches,§§ 115, 116, 118, 119, 120 bes Militär­Strafgesetzbuches.

Der Oberstaatsanwalt erwiderte am nächsten Tage, daß er die Beschwerde nebst deren Anlagen gemäߧ 153 der Militär- Straf­das geheime Kabinett Seiner gerichtsordnung an Majestät des saifers und Königs für die Militär­angelegenheiten abgegeben habe. Das letzte Schriftstück in der Angelegenheit ist das folgende: General Kommando. XVII. Armee= Corps.

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Danzig  , den 14. August 1901. An den Herrn Rechtsanwalt Horn in Justerburg. Auf Ihre am 23. Juni ds. Js. gegen den kommandierenden General, General   der Infanterie Grafen Find v. Findenstein und den Divisions: Commandeur Generalieutenant v. Alten an die Staatsanwaltschaft zu Insterburg   gerichtete, durch den Ober Staatsanwalt in Königsberg   i. Pr. an das Militärkabinett über­ein Gre reichte Anzeige hat auf Allerhöchsten Befehl mittelungsverfahren stattgefunden. Da keinerlei Beweise vorliegen, daß die genannten Offiziere eine Ver­Haftung oder widerrechtlich vorläufige Festnahme genommen haben, habe ich das gerichtliche Ver= fahren eingestellt. In dem am 6. Juni 1901 von dem fonimandierenden General Grafen Find v. Findenstein erlassenen Haftbefehle ist zwar von neuen Verdachtsgründen oder neuen Beweismitteln nicht die Rede, es sind aber that: fächlich neue, d. h. dem Kriegsgerichte unbekannt gebliebene Beweismittel vorhanden, so daß auch die Voraussetzungen des $ 179 Abs. 2 der Militär- Strafgerichtsordnung gegeben find. Der fommandierende General. v. Lenge.