Ar. 288. 21. Jahrgang.2. KtilM des Jotroärts" Knlim WMÄZannerstag, 8. Dezember IM.Verlmer partei-�ngelegenkeiten.Zur Lokalliste.Berlin. Auf die dielen Anfragen hin teilen wir mit, daß dieUnions-Feftfäle<Verbandshaus der deutschen Gewerkvercine), Greifs-walderstr. 221—223, der Arbeiterschaft nicht zur V e r-f u g u n a stehen, da der Oekonom, Herr Carl Berndt, dasForii'.uV.c der Lokalkommission nicht unterschreiben kann, wieuns nachstehendes Schreiben, nach Rücksprache mit der Kommission,beweist.„Ihren Revers kann ich laut Beschlutz des Vorstandes nichtunterschreiben, jedoch stehen meine Säle, falls dieselben nicht be-setzt sind, jedermann nach Vereinbarung zur Verfügung/'Wir ersuchen daher obiges Lokal unter allen Umständen nichtzu besuchen.Nieder-Schönhausen. Der Gastwirt Ulitz, Blankenburgerstr. 4,stellt sein Lokal der dortigen Arbeiterschaft jetzt nicht mehr zur Ver-fügung; wir ersuchen hiervon Notiz zu nehmen. Als frei geltendaielbst nur die Lokale von Wenzel und Settekorn in der Linden-stratze und Sanssouci am Rosenthaler Weg._ Die Lokalkommission.Charlotteniurg. Wir machen die Genossen und Genossinnen aufden Unterbaltungs-Abend aufmerksam, der am Donnerstag,abends 8 Uhr, im großen Saale des Volkshauses veranstaltet wird.(Siehe Anzeige in der gestrigen Nummer.) Die als Rezitatorinrühmlichst bekannte Genossin S t e i n b a ch aus Hamburg wirdGerhart Hauptmanns soziales Jugenddrama.Vor Sonnen-aufgang" verlesen. Der Eintrittspreis beträgt nur 10 Pf. DerBeginn ist auf Punkt Vzö Uhr festgesetzt.Der Vorstand des Wahlvereins.Spandau. In der morgen(Freitag), abends 8 Uhr, im Kumke-schen Saale. Schönwalderstratze 80, stattfindenden Volks»Versammlung spricht Genosse Adolf Hosfmann- Berlinüber das Thema„Glaube uud Bernuuft".Des weiteren erfolgt die Proklamierung unseres Kandidaten fürdie Stadtverordneten-Ersatzwahl sowie die Wahl der Delegierten fürdie Kreisversammlung. Parteigenossen I Sorgt für einen angemessenenBesuch dieser Versammlung.lokales.Die Beisetzunguuseres Genofleu Dr. med. Curt Freudenberg findet amDonnerstag, den 8. Dezember, 1'/« Uhr, von der Leichenhalledes Berliner Gemeinde-Friedhofes zu Friedrichsfelde aus statt.Die Parteigenosse« werden ersucht, sich zahlreich zu beteiligen.Groß-Berlins Zerrissenheit.Die Verwaltungsorganisationen Groß-Berlins werden vonAssessor Dr. Oskar Pönsgenim letzten Heft der„P r e u ß i s ch e nJahrbücher" auf ihre Brauchbarkeit oder vielmehr Unbrauchbar-keit hin behandelt. Dem Verfasser stehen u. a. die Erfahrungen zurSeite, die er sich als Kommunalbeamter einer Vorortgemeinde imWesten Berlins erworben hat; man kann ihm daher wohl die er-forderliche Sachkenntnis zutrauen. Das von Herrn Pönsgen ent-worsene Bild der 34 Jahre nach Deutschlands Einigung in Grotz.Berlin herrschenden Zustände erinnert lebhaft an die KläglichkeitDeutschlands zu der Zeit, da es am zerrissensten war.Ein gemeinsames Verwaltungsorgan fehlt. Die Grenzen derP o st sind andere wie die der Gerichte, beide wieder andere wiedie der Polizei, diese wieder andere wie die der Gemeinden.Zwei Provinzen, Brandenburg und die Provinz Berlin, teilen sichin das Gebiet Groß-Berlins. An einer Straßenecke können neben-einander zuständig sein Schutzleute des Berliner Polizeipräsidiums,Schutzleute, die unter einer Polizeidirektion stehen, welche wieder demBerliner Polizeipräsidium untersteht, und Amtsdiener, die einemländlichen Amtsvorsteher untergeben sind. Mit Recht sagt der Ver.fasser, daß der Mangel eines jeden gemeinsamen Selbstverwaltungs-körpers für die gemeinsamen Interessen Groß- Berlins eine be-deutende Summe von Kräften in der Bevölkerung brach liegenläßt. Er spottet, daß wegen deS Mangels einer Verwaltungseinheitbei den unbedeutendsten Sachen reine Staatsvcrträge zwischenden verschiedenen Gemeinden notwendig sind, daß eine Grenz-regulierung wegen der Steuerpflicht meist mehr Verhandlungen undArbeit erfordert, als eine Grenzberichtigung in Afrika, wo es sichum ganze Provinzen handelt, die allerdings auch nicht so vielwert sein mögen, wie in Berlin und dessen Umgebung die eine Seiteeiner einzigen Straße. Weiter wird in dem Artikel an die Verrückt.heit erinnert, die darin liegt, daß der Bürger, der von der linkenSeite einer Straße auf die rechte zieht, nur gegen ein beträchtlicherhöhtes Schulgeld seine Kcnder in der bisherigen Schulelassen darf; desgleichen ergeht ein Hinweis auf die ungeheurenSummen, die verhältnismäßig kleine Gemeinden für ihre selbständigeKanalisation ausgeben müssen. So haben gerade jetztSchöneberg, Wilmersdorf, Friedenau usw., die frühervon der Charlottenburger Kanalisation mit aufgenommen waren,eigene Kanalisationen«inzurichten, die viele Millionen kosten werden.Von diesen könnte der größte Teil gespart werden, wenn unter Auf-rechterhaltung der früheren Gemeinsamkeit die bestehenden gemein»samen Anlagen dem bisherigen und noch zu erwartenden Wachstumder Bevölkerung entsprechend vergrößert worden wären. Weitererinnert der Verfasser an die in bezug auf Gas- und Wasser-Versorgung, Straßenbahnwesen usw. heute bestehende Konfusion undan die Schwierigkeiten, diese Einrichtungen bei der herrschenden Zer-splitterung in den Besitz der Gemeinde zu überführen.Herr Dr. Pönsgen will die trostlosen Zustände nun dadurch be-fettigen, daß er eine Verwaltung nach dem Muster Londonsempfiehlt. Dort übt der Graffchastsrat, der nicht nur von Männern,sondern auch von unverheirateten Frauen und Witwen in gleichen,direkten und ziemlich allgemeinen Wahlen gewählt wird, nicht alleinwie die Berliner Stadtverordneten- Versammlung beschließende,sondern gleich dem Magistrat auch verwaltende Funktion aus.Neben dem GrafschastSrat bestehen für die einzelnen historischenStadtteile Londons von alterSher noch Lokalbchörden. Das PariserBeispiel, wonach die Stadtverordneten-Versammlung nur beschließendarf und die Verwaltung in der Hand von Staatsbeamten liegt, ver-wirst der Verfasser mit Recht, wenn auch unter Anführung vonGründen, die zum Teil nicht zutreffen. So glaubt er, daß beivölliger Zentralisation die Umwälzung in den Steuerverhältnisieneine zu radikale wäre, weil Bewohner von Gemeinden, die heute nur50 Proz. Kommunalsteuerzuschlag erheben, fortan vielleicht 150 Proz.zahlen müßten. Das ist ausgeschlossen; es träte bei ciinem wirklichenGrvß-Berlin ein Ausgleich ein, der den jetzigen Berliner Steuersatzvon 100 Proz. gewiß dauernd verbürgte. Hörte aber der heutigeungesunde Zustand auf, daß ein reicher Mann sich in Grunewaldsozusagen kostenlos eine Villa errichten kann, weil er die dafür auf-gewendeten Summen alljährlich an Steuern spart, so wäre daswirklich kein Schade.Der Verfasser empfiehlt nun als zweckmäßig folgende Reformher Vcrwaltungsorganisation: 1. Einrichtung einer gemeinsamenstaatlichen allgemeinen Verwaltungsbehörde für den ganzen Bezirkvon Groß-Berlin, welche zugleich staatliche Aufsichtsbehörde füralle in diesem Bezirke wohnenden Sclbstverwaltungskörper ist.L. Schaffung einer einheitlichen Zentral-Polizeiverwaltung für ganzGroß-Berlin.� 3. Schaffung einer selbständigen Provinz Berlin,welche sich über das ganze Gebiet von Groß- Berlin erstreckt.4. Schaffung eines gemeinsamen kommunalen Vcrwaltungskörpcrsfür Groß- Berlin, welcher eine Reihe von Kompetenzen der Einzel-gemeinden übernimmt. 5. Aufrcchtcrhaltung der Selbständigkeit dereinzelnen Gemeinden.Dem gemeinsamen Verwaltungskörper soll selbstverständlich dieLeitung aller wesentlichen Gemeindeangelegenheiten unterstehen, sodie Festsetzung der Fluchtlinienpläne, die Anlage von Parks, dieKanalisation, Gas-, Wasser-, Elektrizitätswerke, das Verkehrs-Wesen usw. Herr Dr. Pönsgen will ausdrücklich Magistrat undStadtverordneten-Versammlung in einer Körperschaft vereinigtwissen, die aus direkter Wahl der Bürgerschaft hervorgehen soll. Sowäre das Eintreten für die Uebcrtragung der Zustände des freienEngland auf die Hauptstadt des preußischen Junkerstaates geradezuverblüffend, wenn der hinkende Bote nicht auf dem Fuße folgt«. DerVerfasser hält eine Erwägung über die A e n d e r u n g der Grund-lagen des heutigen koinmunalen Wahlrechts für aussichts-los und mißt ihr nur einen theoretischen Wert bei. Aber er willdas Dreiklassenwahlsystem für Berlin zu einem Fünfklassen-s y st e m ausbilden dergestalt, daß auf die erste Klasse sechsZwanzigstel der Gesamtsteuersumme käme, auf die zweite fünfZwanzigstel, auf die dritte vier Zwanzigstel, auf die vierte dreiZwanzigstel und auf die fünfte zwei Zwanzigstel. Diese Reverenzvor der herrschenden Ungerechtigkeit genügt für uns, um den Wertder Schwärmerei des Verfassers für englische Zustände nicht zu über-schätzen. Abgesehen davon, daß heute nicht nur einer Diskussion überdie Beseitigung des Klassenprivilegs(das Hausbesitzer-Privileg er-wähnt der Verfasser seltsamerweise nicht), sondern der Erörterungder ganzen vom Verfasser aufgerollten Frage kein anderer alstheoretischer Wert zukommt. Das Verdienst des Verfassers bestehtaber darin, daß er die grenzenlose U n s i n n i g k e i t derheutigen Groß-Berliner Kommunalzustände einmal systematisch dar-gelegt hat. Wir unterbreiten seine Arbeit einem größeren Publikumals dem der„Preuß. Jahrbücher" in der Erwartung, daß die bisjetzt viel zu wenig beachteten Schäden der Zerrissenheit Groß-BerlinSder gesamten Bevölkerung mehr und mehr offenbar werden.In der gestrigen Sitzung der städtischen Baudeputation Abt. IIwurde der Entwurf für die städtische Tiesbau-Verwaltung festgesetztund die Vorschläge für die Neu- und Umpflasterungen im Jahre1905/06 genehmigt. Außerdem wurde zu dem Plane der Verbreite-rung der R o ß st r a ß e Stellung genommen. Die Deputation lehnteden Plan ab. Angenommen wurden die neuen Fluchtlinien für dieVerlängerung der Elisabethstraße nach dem Alexander- Platz. DasTheater am Alexander-Platz fällt in die neuen Flucht-linien. Die Elisabcthstraße, die jetzt nur von der Kurzestraße auseinen Zugang nach dem Innern der Stadt besitzt, würde durch dengeplanten Durchbruch, der schon jahrelang die städtischen Behördenund die Anwohner beschäftigt, ganz erheblich gewinnen und dieLandsbergerstraße Ivesentlich entlastet werden, auch wäre eS dannmöglich, die Straßenbahn nach Hohen- Schönhausen nicht nur biszum Alexander-Platz und dann durch die Gruner- und Dircksenstraßebis zum Bahnhof Alexander-Platz zc. zu verlängern.Zwischen der Straßenbahn und einigen Bororten schweben Ber-Handlungen wegen Ausdehnung des Betriebes.Eine WeihnachtSbcscherung für die Kinder der ausgesperrtenMetall- und Holzarbeiter soll, wie schon erwähnt wurde, in Berlinveranstaltet werden. Die Berliner Gewerkschaftskommission hat dreider größten Lokalitäten zu diesem Zweck gemietet. In den Räumender Neuen Welt werden die Kinder der Metallarbeiter beschert.bei Keller in der Koppenstraße die der Holzarbeiter; im G e-werkschaftshause die Kinder der ausgesperrten Klavier-arbeiter. der an Holzbearbeitungsmaschinen beschäftigten Arbeiter,sowie die der Graveure, GlaSarberter und Müllkutscher. Die AuS-stellung und Bescherung wird am 24. Dezember den ganzen Tag inAnspruch nehmen. In den großen Sälen wird Konzert und Theaterusw. stattfinden, in den Ncbensälen werden die Geschenke für dieKinder nach Altersklassen ausgestellt und verteilt werden.Unter den Geschenken wird sich vom Bilderbuch und Holzpferdfür die Vierjähriaeu bis zu den Dichterwerken für Vierzehnjährigeuatürlich alles Mögliche befinden. Aber auch an nützliche Be-kleidungsstücke ist gedacht worden; u. a. kommen zur VerteilungPelz- und Wollenwaren, Schürzen, Handschuhe, Mützen und Wäsche-gegenstände, kurz alles, was Kinder gebrauchen können.Zur Lewing der Geschäfte wird neben dem Ausschuß derGewerkschaftskommission ein Komitee gebildet werden, in welchemauch Parteigenossinnen mitwirken. Man darf wohl erwarten, daß daspopuläre Unternehmen von der gesamten Arbeiterschaft Berlinsunterstützt wird und somit einen guten Erfolg hat.Das allgemeine Verbot von Gerichtsnrtellen, durch welche dieMilchzentrale geschädigt werden könnte, scheint die Leitungdieser agrarischen Genossenschaft zu verlangen. Die seit längererZeit in schweren finanziellen Nöten befindliche Milchzentrale hat be-kanntlich gegen ihre Genossenschafter eine Reihe von Zivilprozessenauf Zahlung von einmaligen Beiträgen zur Deckung ihrer Unter-bilanzen und von fortlaufenden Abgaben angestrengt. Sie hat dieseProzesse in erster Instanz verloren, und auch das Kammergericht hatbereits in zwei Fällen auf kostenpflichtige Abweisung der Milchzentraleerkannt. Nun hat der Leiter der Zentrale. Oekonomierat Ring,eine Eingabe an den Justizminister gerichtet, aus welcher die„Voss. Ztg." folgende Stellen wiedergiebt:„Euer Exzellenz sehen wir uns zu unserem lebhasten Bedauernfolgendes zu unterbreiten genötigt: Wir waren gezwungen, dieMilchverwertungs-Genossenschaft zu Klosterfelde, eingetrageneGenossenschaft mit beschränkter Haftpflicht, auf Zahlung vonProvisionen zu verklagen, welche auf Grund von seitens unsererzuständigen Verwaltungsorgane gefaßten Beschlüssen zu erhebenwaren. In dem Rechtsstreit hat das königl. KammergeriKt,II. Zivilsenat, vom 28. Oktober das in wortgetreuer Abschriftanliegende Urteil erlassen. Da dasselbe mangels der Revisions-summe— das Objekt beträgt 913,80 M.— leider nichtdem Reichsgericht zur Abhülfe unserer Beschwerden zu-gänglich gemacht werden kann, müssen wir bei der Bedeutung,welche der ergangene Richterspruch für die Allgemeinheit(1). ins-besondere jedoch sur uns hat. die Sache Eurer Exzellenz vortragenund bemerken demgemäß folgendes..." Nachdem nun Herr Rmgdie juristischen Ausführungen der Richter und des Senatspräsidentendeö Kammergerichts„widerlegt" und ausgesprochen hat. daß ohneZweifel„das königl. Kammergericbt mit diesem Urteile fehlgegriffenhat", schließt er die Eingabe an Herrn Schönstedt:„Aus diesemGrunde bitten wir Euer Exzellenz, i in D i e n st a u f s i ch t§ w e g edurch Einforderung eines Berichts über dieses Urteil das NötigeHochgeneigtest veranlassen und uns eine entsprechende Nachrichtzukominen lassen zu wollen."In dieser Eingabe tritt eine verblüffend zeitgemäße Anschauungvom Wesen der heutigen deutschen Justiz zutage.Abenteuer eines Brautpaares.Nicht allein heim Souper, sondern auch auf dem Standesamtkann man„dolle Sachen" erleben. Ein gar peinliches Verhör hattenämlich am Montag dieser Woche ein Brautpaar auf dem Standes-amt Köpenickerstraße 2 zu bestehen. Nachdem die Papiere vorgelegtund in Ordnung befunden waren, ersuchte der Standesbeamte zu-nächst die Braut, sich aus kurze Zeit aus dem Amtszimmer zu entfernen. Als dieser Wunsch erfüllt war, fragte der Beamte denBräutigam, ob er auch außer seiner Braut noch Anhang oder garKinder habe. Etwas verblüfft verneinte der Bräutigam dieseFrage. Dann mußte der Bräutigam sich entfernen und die Brautwurde vom Standesbeamten allein examiniert. Zunächst richtete erdie Frage an sie. ob sie auch früher schon einmal verlobt gewesensei. Sodann machte der Beamte die Braut darauf aufmerksam.daß sie evangelisch, ihr Bräutigam aber Katholiksei. Wie sie ihre künftigen Kinder denn erziehen wolle, imevangelischen oder im katholischen Glaubens? Die Braut war, wie sichdenken läßt, sehr betreten über eine solche Frage: sie antwortetein ihrer Verlegenheit aber dem Standesbeamten, daß ihre Kinder,wenn sie welche bekomme, wohl auf den Glauben des VaterSgetauft würden. Das war dem Standesbeamten nun gar nicht recht.Sie sollte darauf drängen, daß die Kinder evangelisch getauftwürden; andernfalls könne sie erleben, daß der Pfarrer im Beicht-stuhl sie ihrer andersgläubigen Mutter abwendig mache. Ueber-haupt solle sie sich einmal ernstlich die Frage vorlegen, ob sie inihrem Bräutigam den Rechten erkoren habe. Sie sei eine Fuhr-Herrn-Tochter, ihr Bräutigam aber nur Stellmacher. So einen be-käme sie noch alle Tage. Noch sei es Zeit für sie, das Verlöbniszu lösen.Leider fand die Braut in ihrer Verwirrung nicht die gebührendeAntwort auf die Ungehörigkeit des Standesbeamten. Sie gab demHerrn auf sein Verlangen sogar das Versprechen, dem Bräutigamvon der Unterredung nichts zu sagen. Als dieser dann aberauf dem Rückwege von dem seltsamen Benehmen des Beamtensprach, hielt die Verlobte nicht länger an sich und beichtete ihremkünstigen Mann nach Gebühr. Hoffentlich holt die dem Standes-beamten vorgesetzte Behörde das Versäumte nach und macht demHerrn klar, daß es eine Ungehörigkeit ohnegleichen ist, wenn erunter ein Brautpaar Zwietracht sät und sich in Dinge hineinmischt,die ihn gar nichts angehen.Mit dem Neubau der Berliner Sezession ist jetzt am Kurfürsten-dämm 203/209 nach den Plänen des RegierungSbauineisters Jautschusbegonnen worden. Es ist ein Grundstück von etwa 70 Meter Tiefe.Die Anlage wird im wesentlichen zwei Teile umfassen: das eigent«liche AusstellungSgebäude und eine nach der Straße zu gelegene,von Arkaden eingefaßte Restauration. Zwischen beiden Teilen breitetsich eine größere Gartenfläche aus. Vom Kurfürstendamm hat maudurch die Arkaden einen Durchblick über den Park auf die Front deSAusstellungsaebäudes. Die Eröffnung ist für Anfang Mai 1905 ge-plant; sie bringt die zweite Ausstellung deS Deutschen Künstler-bundeS._In der Angelegenheit deS Massrurs Martin Köhler,der seinerzeit den Leichnam der Frau Radatus in so schauderhafterWeise zerstückelt und die Leichenteile verbrannt bezw. verstreut hat,ist nunmehr die Voruntersuchung geschlossen und die Anklage erhobenworden. Köhler wird sich wegen wiederholten Verbrechens gegenkeimendes Leben, fahrlässiger Tötung und Beiseiteschaffung einesLeichnams ohne Vorwissen der Behörde zu verantworten haben.Neben ihm werden noch drei weibliche Personen wegen Bergehengegen keimendes Leben und zwei Männer wegen Beihülfe vor demSchwurgericht zu erscheinen haben. Die Zerstückelung desLeichnams, die seinerzeit das größte Aufsehen in Berlinerregte, ist nur unter den strafrechtlichen Begriff der„Uebertretung" zu bringen gewesen. Der Hauptangeklagte Köhlerernährte sich als Masseur und Krankenwärter, inoffiziell beschäfttgteer sich aber auch in seiner Wohnung Stephanstr. 22 mit der Hülfe-leistung an weiblichen Personen, die sich aus einer ihnen unbequemenLage befreien wollen. Zu seinem Klientel gehörten außer den an-geklagten drei Frauen auch die verstorbene Frau Radatus, die aufEmpfehlung anderer Frauen am 2. Juni zu ihm gegangen undalsdann verschlvunden war. Am nächsten Tage wurde der Rumpfihre? Leichnams im Verbindungskanal in Charlottenburg an-geschwemmt, einige Tage später fand man die dazu gehörigen Arme inder Jungfernheide vor. Der Kopf ist nicht zum Vorschein ge»kommen, ebenso hat sich durch die medizinischen Sachverständigendie Todesursache mit Bestimmtheit nicht feststellen lassen.Die Verstorbene lebte von ihrem Ehemann getrennt und hatte miteinem anderen Manne ein Liebesverhältnis unterhalten, das nichtohne Folgen blieb. Als ihr Ehemann eine Wiedervereinigung mitihr betrieb, suchte sie jene Folgen zu beseitigen und bediente sich zudiesem Zwecke der Hülfe des Köhler. Dieser ist, als die ersteerfolgloie Haussuchung bei ihm stattgefunden hatte, am 12. Juninach Basel entflohen, aber bald wieder zurückgekehrt und alsdannin Hast genommen worden. Köhler hat ein mnfassendens Geständnis abgelehnt, insofern er ohne weiteres zugab, die im§Z 218und 219 deS Strafgesetzbuches mit Strafe bedrohten Handlungenvorgenommen zu haben, er hat aber bisher bestritten, daß derTod der Frau durch seine Manipulationen veranlaßt worden sei.?ftau RadatuS sei vielmehr plötzlich sehr schwach geworden und zueinem Entsetzen verstorben. Aus Angst habe er dann die Leichemit einem scharfen Messer zerstückelt und die Leichenteile weggeschafft,noch ehe seine ihm erst seit einem Jahre angetraute Frau, die ab-wescnd war, nach Hause zurückkehrte. Ueber den Verbleib desKopses der Leiche hat Köhler bisher angegeben, daß er den Kopfim Ofen völlig verbrannt habe und er ist bei dieser Behauptungverblieben, obwohl sie den Sachverständigen nicht sehr wahrscheinlicherscheint.— Die Verteidigung des Hauptangeklagten hat Rechts-anwalt Dr. Karl L ö w e n t h a l. die der Mitangeklagten Rechts-anwalt Horn übernommen. Die Verhandlung wird nunmehr imJanuar stattfinden._Keine zwei Kinderdikletts für einen Platz. DaS Berliner Polizei-Präsidium teilt mit: Die Absicht einiger Theaterleitungen, bei derVeranstaltung von Kindervorstellungen zwei KinderbillettSfür je einen Platz auszugeben, ist von dem Polizeipräsidium wegender für die ordnungsmäßige Entleerung der Theater damit verbundenen Bedenken und der im Falle einer Panik dadurch drohendenGefahren nicht gebilligt worden.Eiscnbahner-Tod. Gestern vormittag 8 Uhr 30 Min. wurde derVorarbeiter Schäferle von der Maschine des Nordringzuges Nr. 1750auf dem Schlesischen Bahnhofe, bei Kilometer 1,7, erfaßt und amKopf und linken Arm erheblich verletzt. Kurz nach der Ein-lieferung in das Krankenhaus Rummelsburg ist er gestorben. DieUntersuchung wurde sofort eingeleitet. Was wird sie zu Tagefördern?Das Gerücht von einem Morde verursachte gestern ein Leichen-ftmd am Görlitzer Ufer. Ob ein Verbrechen vorliegt, steht noch nichtfest, wahrscheinlich ist es jedoch nicht. Schiffer sahen eine fast ganznackte Frauenleiche im Landwehrkanal treiben und landeten sie vordem Hause Görlitzer Ufer 21 an der Ladetreppe. Die erste Be-sichtigung ergab, daß der Schädel zertrümmert war. Ferner zeigtdie Leiche verschiedene Verletzungen. Der linke Unterarm ist ab-gerissen. Allem Anschein nach rühren die Verstümmelungen vonDampferschrauben und Bootshaken her. Bestimmtes läßt sich jedochdarüber noch nicht sagen. Die Person der Toten ist noch nichtbekannt. Sie ist etwa 1,50 bis 1,55 Meter groß und hat blondesHaar. Um den Hals trägt sie noch ein rotes Seidenband, an einemFuß einen braunen Halbschuh mit hohem Absatz, außerdem schwarzeStrümpfe, die in grober Sttchform rot C. S. gezeichnet sind. DieLeiche zeigt eine Operationsnarbe, die vom Kehlkopf bis auf dasBrustbein herabreicht.Durch einen Knaben verscheucht wurden Einbrecher, die in dervorletzten Nacht den Gastwirt Schmidt vom„ProSkauer Zelt" an derEcke der Proskauerstraße und Frankfurter Allee heimsuchten. Währendunten in den Schankräumen Gänse ausgespielt wurden, brachen zweiSpitzbuben oben in die Wohnung ein. Der siebenjährige Sohn deSWirtes, der mit seinem fünfjährigen Bruder im Schlafzimmer imBette lag, hörte sie im Nebenzimmer„arbeiten", stand leise auf,schlich sich unbemerkt hinaus und ging hinab, um seinen Vater unddie Gäste zu rufen. Die Einbrecher mußten aber trotz seiner Vorsichtetwas geniertt haben und ihm auf dem Fuße gefolgt sein. Dennals man hinauskam, um sie festzunehmen, waren sie bereits ver-schwunden. Man sah sie dann noch über die Straße laufen, konntesie aber nicht mehr einholen. Mitgenommen hatten sie mit einJackett des Dienstmädchens.Tod im Examen. Am Montagnachmittag wurde der 27 Jahrealte Kandidat der Theologie Hans Stellmacher, der Sohn einesFeldwebels der Schloßgarde-Kompagnie, während des Examens vom