Nr. 100. 23. Iahrgailg.3. Keilize des Lsmiirts" Kerlim MMRZonuadelld, 29. April 1905.berliner JSadmcbten.Das Greignis.Wenn man in Berlin ein Asyl vollkommener Ruhe undandächtigen Friedens sucht, so gibt es keine Stätten, die in sohohem Maße selbst dem ausschweifendsten Ruhebedürfnis genügen, als die Museen der Prinz Albrechtstraße. Daß mannebstbei in solcher Zurückgezogenheit noch einen reichen Anschauungsunterricht von der EntWickelung des Menschengeschlechts, seit den Dämmerzuständen erster ftutturregungenbis zu den reifsten Zeiten edler Kunstfertigkeit beqilem undkostenlos gewinnen kann, ist für den einsamen Pilger, der sichin diese Gebäude verirrt, gewiß keine unerwünschte Beigabe.An diesem Freitag aber, so schreibt uns unser SpezialBerichterstatter für die Prinz Albrechtstraße, hatte sich dasBild dieser stillen Gegend vollständig geändert. In ununteobrochenem Strome flutete in Doppelreihen auf und ab einedicht gedrängte Menschenmenge, deren gespannte Züge aufdem Hinweg flammende Sehnsucht, bei der Rückkehr gesättigteBegeisterung durchglühte und vergeistigte: Männer undFrauen, von der humpelnden Greisin bis zu dem noch mühselig wankenden Baby, Zivil und Militär, alles gut gekleidetund ohne grammatikalische Fehler beim Austausch ihrer ErWartungen und Erinnerungen— so stürmte die gewaltigeMenschenwoge dahin.Auch ich war entzückt. Herrlich Endlich erwacht BerlinsInteresse für Kunst und Wissenschaft. Welch eine Höhe derKultur, wenn man sich um den Zulaß der Museen drängtwie bei einem Banksturm oder bei Prcisringkämpfen.Der Strom führt mich mit. Ohne eigene Willenstätigkeit,halb getragen, passiere ich die Pforte des Kunstgewerbemuseums.Die Garderobe ist umlagert von Personen, die die Zeit nichtabwarten können, bis sie ihre Schirme und Stöcke los goworden sind.Jetzt stehe ich im weiten Lichthof.„Rechts gehen!" mahntein Plakat. Hier drängt sich die Wißbegier. Der ganze Raumwimmelt von Menschen. Und alles starrt nach irgend einemin der Mitte aufgebauten Gegenstande. Mütter und Väterheben ihre Kinder empor, damit sie besser schauen können undsich den Anblick als bleibende Erinnerung fürs Leben scharfeinprägen. Offiziere opfern die Falten ihrer Beinkleider unddas Kunstwerk Habys, um möglichst nahe heran zu kommen.Auch ich fühle die Weihe des großen Augenblicks. Welch unsterbliche Schöpfung der Kunst bietet sich da unseren Augen?Zunächst seh ich nur einen großen Glaskasten, der sich hochüber den Häuptern der Menschheit erhebt. Ich recke mich aufden Fußspitzen empor. Und nun gewahre ich ein unförmliches, einpaar Meter langes rosaschimmerndes Stück Zeug, das an denRändern silbern berankt ist.... Sonst nichts.... Und allesstarrt auf diesen Stofffetzen, tief ergriffen, und kann sich nichtsatt sehen. Und erst nach längerem Verweilen entschließt mansich, unter dem Ansturm der Nachdrängenden, zu weichen.Und linksumkehrt geht es hinaus. Niemand entweiht seineAugen, nach so göttlichem Anblick, mit der Betrachtung irgendeines anderen in dem Museum aufgestellten Schatzes.Ratlos verfolge ich das Spektakel. Wie? Ist da amEnde ein neuer heiliger Rock ausgestellt, der die Krüppelgerade und die Kranken gesund machen soll? Aber dieWallfahrer sehen ganz gesund aus, besitzend und— gebildet.Ich vermag nicht zu ergründen, welch magische Gewalt diesesStück Zeug in dem großen Glaskasten auf die Menschheitausübt. Bescheiden wende ich mich an einen Museumsdiener:„Sagen Sie, was ist denn das?" Der Mann gerät außersich vor Staunen, und erst als er an meinem— intelligentenGesicht merkt, daß ich ihn nicht foppen will, verkündet erfeierlich:„Das ist doch unserer zukünftigen Kronprinzessin—Brautschlepp e"._Die Maizeitung 1905ist heute im Verlag der Buchhandlung„Vorwärts" erschienen. Sieschließt sich in Text und Illustrationen ihren Vorgängerinnen würdigan. Besser als das von Fidus gezeichnete Titelbild gefällt uns dasdoppelseitige Bild von Brandenburg„Der Mai-Triumph". Von denschriftstellerischen Beiträgen nennen wir den Einleitungsartikel vonGeorg Ledebour„Zum Maifest ISOS", worin ans die Bedeutungder russischen Jauuar-Revolution dieses Jahres und auf den russisch-japanischen Krieg hingewiesen wird. Ledebour ruft das Proletariatauf, feine Stimme zu erheben gegen den Rassenhaß und die Politikdes Massenmordes. Auf die russische Bewegung weist ferner einArtikel von Klara Zetkin hin, der„Die russischen Revolu-tionärinnen" betitelt ist und in packender Sprache Beispieledes selbstlosen Heroismus der russischen Freiheitskänrpferinnengibt. Es versteht sich, daß ein so bedeutsames Er-eignis. wie die russische Erhebung, auch in dem vonKarl Kautsky verfaßten Beitrag„1789— 1889— 1905" gewürdigt wird. Die Revolution des Bürgertums in Frankreich, dasErwachen des Proletariats in den europäischen Kulturländern, dasim internationalen Kongreß von 1889 zu Paris sich bedeutsamdokumentiert, und die diesjährigen Ereignisse im Osten Europasziehen an uns vorüber. Kautsky spricht die Erwartung aus, daßder Zusammenbruch auf Rußland nicht beschränkt bleiben,sondern zu einer europäischen Erschütterung führen werde,deren Folgen sich heute noch nicht faffen lassen. VonKarl Legten wird das für Deutschland bedeutsamste Er-eigniS der jüngftverfloffenen Zeit behandelt: der Bergarbeiter»streik.„Wir können," so schreibt Legten,„auf diesen Streikmit Genugtuung zurückblicken, weil er uns zeigt, daß der Bergmanndes Ruhrreviers erwacht ist, beginnt, sich seiner Menschenwürdebewußt zu werden und in der Organisation seinen Halt zu erkennen.Der Kampf ist abgebrochen und die Rüstung beginnt zu neuem,hoffentlich loirkungSvollerem Schlagen. Ein liebliches Gedicht vonKlara Müller:„Maienfest" füllt die letzte Seite des Festblattes aus.Der billige Preis von 10 Pf. ist auch diesmal beibehaltenworden. Wir erwarten, daß die Maizeittmg 1905 in der deutschenArbeiterschaft dieselbe Anerkennung findet wie ihre Vorgängerinnen.Eine verhängnisvolle Zelluloidexplosionfand gestern vormittag gegen 9 Uhr in dem Hause Greisswalder-straße 217 statt, woselbst sich seit dem 1. April die Zelluloidwaren-fabrik von Bacharak befindet. Im Erdgeschoß hat die Firma einenLaden inne, während sich in der ersten Etage über demselben eineaus drei Zimmern bestehende Wohnung befindet. Das eine großeZimmer dient als Wertstatt und Lagerraum, die beiden anderenZimmer werden von Bacharak und seiner Schwester bewohnt.Gestern morgen gegen 9 Uhr ertönte plötzlich eine gewaltige Deto-nation, und im nächsten Augenblick bildete das ganze Lager ein ge»waltiges Feuermeer. Die Flammen loderten aus den Fensternbis zum Dachfirst empor und setzten die oberen Etagen in Brand.Durch die Gewalt des Luftdrucks wurde der Laden zerstört und diedort befindliche Verkäuferin durch das Fenster auf den Straßen-dämm geschleudert. Die in den Fabrik- und oberen Wohnräumenbefindlichen Personen gerieten in ernste Gefahr, weil die Flammenmit ungeheuerer Schnelligkeit um sich griffen. Das Fabrikpersonalerlitt durchweg Brandwunden. Eine Frau lief mit brennendenKleidern auf die Straße, wo die Flammen von Passanten gelöschtwurden. Die mit einem Zuge anrückende Feuerwehr mußte sichdarauf beschränken, gefährdete Personen zu retten. Sie holte nachund nach die Mitglieder der Familie Bacharak sowie drei Arbeiterinnen, die sämtlich schwere Brandwunden erlitten hatten, ausden Flammen. Die Verunglückten erhielten an Ort und StelleNotverbände und wurden mittels Krankenwagen und Droschken nachdem Krankenhause am Friedrichshain gebracht. Die inzwischen ingroßer Stärke eingetroffenen Feuerwehrzüge retteten zunächstmittels einer mechanischen Leiter die in der dritten und viertenEtage bedrohten Personen und gaben so energisch Wasser, daß derBrand in einer halben Stunde gelöscht wurde. Die Aufräumungs-arbeiten zogen sich bis 12 Uhr mittags hin. Durch den Druck derExplosion wurden zahlreiche Schaufenster in der GreifSwalder- undJmmanuelkirchstraße zertrümmert.Von anderer Seite wird hierzu noch berichtet: Unter den ge-retteten Personen fand sich eine Frau Cohn mit ihrem Kinde, dieaus 4 Personen bestehende Familie Papke, ferner Ernst, Fritz undErna Hartwig, Frau Lehmann und Frau Pohle, Frau Gebhardt,Helene und Luise Zetsche, die Portierftau Buchs und die HauswirtinEhrmann. Eine Anzahl dieser Personen hatte durch den Qualm,die Aufregung und vor Schrecken die Besinnung verloren. Dochscheint niemand ernstlich verletzt worden zu sein, nur einige hattenVerwundungen durch Glassplitter im Gesicht erhalten. Andereklagten über Brustschmerzen. Im Erdgeschoß waren die Schau-fenstec in dem Modemagazin von Max Kohle in tausend Trümmergegangen. Auch im Nebenhause, GrcifSwalderstr. 17, waren dieSchaufenster des Blumengeschäfts von Karl Abraham und des Milch-gcschäfts von Zajak vollständig zertrümmert, während merkwürdiger-weise das dazwischenliegende Geschäft, eine Annahmestelle vonSpindler, gänzlich verschont geblieben war. Am auffallendsten istaber, daß um die Ecke, niehrere Häuser weiter, das Restaurations-lokal von Adolf Scholz schwer beschädigt worden ist.Die Unglücksstätte in der Greifswalderstraße war gestern denganzen Tag über von vielen Hunderten von Menschen um-lagert. Das vierstöckige neue Haus, das noch nicht ganz fertig war,ist stark verwüstet. Tie Mauern sind an mehreren Stellen geborstenund der Putz ist von Wänden und Decken wie weggefegt. In ein-zelnen Räumen sind die Decken von Stichflammen bis zum Dach-geschoß durchgebrannt. Bis gestern Abend waren von den Glasern,die zur Ausbesserung kamen, 132 zertrümmerte Fensterscheiben ge-zählt. Der einzige Seitenflügel, den das Grundstück hat, könnte nachder Ausbesserung bewohnt bleiben, das Vorderhaus aber ist ganzunbewohnbar geworden. Die nicht hinausgeflogenen Fensterrahmensind verhrannt, die Treppengeländer verkohlt. Bier Mietern hat derHauswirt bei ihm bekannten Hauseigentümern andere Wohnungen verschafft. Die Leute aus dem Seitenflügel, die wohnenbleiben könnten, wollen es nicht; sie haben sich vom Mietsvertragentbinden lassen. Versichert ist nur die Hälfte der Mieter. DerQualm bei der Explosion und dem Brande war so stark, daß imganzen Hause alles, was nicht verwüstet wurde, tief geschwärzt ist.Gestern nachmittag erschien auf der Unglücksstätte ein Vertreter derBaukommission des Polizeipräsidiums, um den Befund so weit alsmöglich festzustellen. Sieben Schutzmänner vom 80. Revier haltendas Haus abgesperrt. Das Publikum, das zu Tausenden zu-sammenströmte, wollte gern helfen. Beherzte Männer zeigten Mutund Entschlossenheit genug, aber gegen die Macht der Elementekonnten sie doch nicht ankämpfen. Auch an unzweckmäßigen Ver-suchen fehlte es nicht. Einige Männer spannten ein Tuch aus, dasaber für ein Sprungtuch viel zu klein war. Es fehlte nichtviel, daß einige der Hausbewohner, die, um Hülfe flehend, an denFenstern standen, den Sprung gewagt hätten. Es wäre ihnen ohneZweifel verhängnisvoll geworden. Zum Glück ließen sie sich durchdie energischen Mahnungen der Polizei im letzten Augenblick nochzurückhalten. Die Feuerwehr, die bei der Anfahrt von der Mengemit Hurra begrüßt wurde, ging mit gewohnter Tapferkeit vor, zuerstmit Hakenleitern und dann mit der mechanischen Leiter, die etwasspäter eintraf. Was die Verletzten betrifft, so liegt die 72 Jahrealte Mutter des Hauseigentümers Ehr mann in ihrer Wohnung,die Pförtnerfrau Fuchs, die bei der Treppenreinigung von derExplosion überrascht wurde, im Krankenhause schwer darnieder.Frau Ehrmann wurde besonders durch Glassplitter verwundet. VonGlück sagen können vier Steinsetzer, die den Hof pflasterten. Siewaren gerade in ein benachbartes Lokal zum Frühstück gegangen,als die Katastrophe hereinbrach. Erwähnt sei noch, daß die Polizeierst vor einiger Zeit, nach deni großen Brande in der Ritterstratze,verschärfte Vorschriften über die Aufbewahrung und Verarbeitungvon Celluloid erlassen hat. Ob Bacharak, der die Räume erst imApril bezog, dagegen verstoßen hat, wird noch untersucht.Auf die Gefährlichkeit der Cclluloidfabrikation habenwir schon mehrfach hingewiesen. So machten wir am 2l. Dezembervorigen Jahres darauf aufmerksam, daß vor allen Dingen in derHausindustrie mit einer Leichtfertigkeit gearbeitet wird, diecS als ein Wunder erscheinen läßt, daß hier noch nicht ein größeresUnglück geschehen ist. Die enge Räumlichkeit der Heimarbeiter machtVorsichtsmaßregeln geradezu unmöglich, und dringend notwendig istes, daß die polizeiliche Kontrolle in den eigentlichen Fabriken auchauf die Hausindustrie hinübergreift.Ueber das Verfahren bei Todesfällen,in denen die schleunige Fortschaffung der Leichen erfor-derlich ist, sprach Herr Magistratsassessor Dr. Licht in einer Ver-sammlung der Armen- Kommissionsvorsteher. Er hob hervor, daßdieser Gegenstand der Tagesordnung durch eine Notiz in denZeitungen veranlaßt worden sei. Diese Notiz besagte, daß eineLeiche tagelang in einem ungeeigneten Räume habe liegen müssen,ehe sie abgeholt worden sei. Die Zeitungsberichte seien übertriebengewesen und der betreffende Armen-Kommissionsvorsteher habe seinePflicht getan. Er habe, wie das bereits 1899 in einer Ber-sammlung der Armen-Kommissionsvorsteher empfohlen worden sei,nicht die Eintragung deS Todesfalles beim Standesamt abgewartet,sondern schon vorher die Abholnng der Leiche nach derLeichensannnelstelle veranlaßt. Die Leiche habe von Sonntag bisDienstag in der Wohnung gelegen.Die Eintragung des Sterbefalles beim Standesamt bewirkeallerdings oft einen Aufschub der Beerdigung. Die beschränkteDienstzeit der Standesämter und die Unkenntnis der Meldendenüber die genauen Personalien des Verstorbenen seien daran schuld.Andererseits verlangen die Gründe der Gesundheitspflege einemöglichst schleunige Entfernung der Leiche aus den beschränktenWohnräumen der Armen. Die Annendirektion erwäge daher, ob siedie alsbaldige Abholnng der Leiche zur Leichensammelstelle nach Ausstellung des Totenscheines zur Regel machen solle.— In dringendenFällen, wo die Ansteckungsgefahr und die Wohnungsverhältniffe dieschleunige Entfernung der Leiche erheischen, sei jedenfalls schon jetztsofort nach Ausstellung des Totenscheines der Auftrag zur Abholungder Leiche zu geben.Aus der Versammlung wurde der Wunsch laut, dieses Verfahrenzur Regel zu machen.Zu der Aeußerung des Herrn Dr. Licht,„die beschränkte Dienst-zeit der Standesämter" betreffend, bemerken wir. daß dem Reichstageeine Petition der Standesbeamten zugegangen ist, welche die völligeSonntagsruhe für das Personal der Standesämter, das heißt dleSchließung der StandeSamtSbureaus fordert.Auf ein Merkblatt über die epidemische,(übertragbare) Genick«starre und ihre Bekämpfung weist der Dezernent für das Gesund.heitswesen beim königl. Polizeipräsidium. RegierungS» und Medr»zinalrat Dr. Nesenxann, hin, das unter Mitwirkung des GeheimenOber-Medizinalrats Prof. Dr. Kirchner für den RegierungsbezirkOppeln soeben ausgestellt worden ist und zur allgemeinen Verbreitungsehr empfohlen werden kann.1. Die epidemische Genickstarre ist eine ansteckende Krankheit,welche durch das Eindringen eines belebten, unsichtbaren KraiikheitS-keimes, des sogenannten dleninxocciccus intracellularis entsteht.2. Die Krankheit beginnt iii der Regel plötzlich mit Fieber(meist Schüttelfrost), wütenden Kopfschmerzen, Unbesinnlichkelt undhäufig mit Erbrechen. Hierzu tritt in der Regel eine eigentümlicheStarre in der Muskulatur des Nackens, des Rückens, der Beine undder Arme. In einer nicht geringen Zahl von Fällen tritt schon nachwenigen Tagen der Tod ein.3. Die Ansteckung wird in der Regel durch den Nasen- oderRachenschleim der an Genickstarre erkrankten Personen bewirkt.Auch gesunde Personen aus der nächsten Umgebung der Krankenund solche, welche mit diesen Personen in Berührung kommen, könnendie Erreger der Krankheit im Nasen- oder Rachcnschleim mit sichführen und hierdurch zur Weitcrverbreitung der Krankheit beitragen.4. Enge, überfüllte und schlecht gelüftete Wohnungen begüiistigendie Verbreitung der Krankheit.5. Die Schutzmaßregeln zu ihrer Verhütung sind:s) Schleunige Anzeige jedes Falles von Genick-starre und jeder verdächtigen Erkrankung bei der Polizeibehörde.b) Strenge Absonderung der Erkrankten undder der Genickstarre verdächtigen Personen bezw. ihre Ucberführungin ein geeignetes Krankenhaus, falls eine genügende Absonderungin ihrer Wohnung nicht möglich oder für ausreichende Pflege daselbstnicht gesorgt ist.— Der Transport der Kranken zum Krankenhausdarf in Drosckffen oder anderen, öffentlichen Fuhrwerk nicht erfolgen.Läßt sich dies in Notfällen nicht vermeiden, so find die benutztenFuhrwerke nach dem Gebrauch nach Anlveisung des Kreisarztes zudesinfizieren.— Die Entlassung der Kranken aus dem Krankenhausesoll nur nach Ablauf der Ansteckungsgesahr erfolgen.— Vor derEntlassung sind ihre Kleider zu desinfizieren und die Kranken durchBäder zu reinigen.c) Die Desinfektion der Wohnung sofort nachUeberführung der Kranken in ein Krankenhaus bezw. nach Ablaufder Krankheit.6) Gesunde Schulkinder, welche mit den Erkranktenin demselben Hause wohnen, sind von der Schule fernzuhalten, bisder Kreisarzt den Schulbesuch wieder für zulässig erklärt.e) Die Angehörigen der Erkrankten verringerndie Gefahr der Erkrankung für sich und die mit ihnen in Berührungkommenden Personen durch peinlichste Sauberkeit, namentlich derHände, und durch desinfizierende Ausspülungen des Halses und derNase. Hierzu eignen sich zum Beispiel schwache Lösungen vonMenthol, Wasserstofffu peroxyd und dergl.Für die Pflege Genickstarrekranker sind folgendeVorschriften zu beachten:1. Die mit der Pflege der Kranken betrauten Personen habensich der Pflege anderer Kranker tunlichst zu enthalten.2. Das Pflegepersonal soll waschbare Uebcrkleider bezw. möglichstgroße Schürzen tragen.— Das Pflegepersonal soll behufs Ver-meidung der Ansteckung sich bei der Krankenpflege so stellen, daß esvon den Schleimbläschen, die die Kranken beim Sprechen, Hustenund Niesen von sich verbreiten, nicht getroffen werde.3. Im Krankenzimmer soll das zum Reinigen der HändeErforderliche(Waschschüssel, Lysollösung, Handtücher) stets bereitstehen.4. Die Abgänge der Kranken(Speichel, Auswurf, Gurgelwasser)sind sofort zu desinfizieren.5. Es ist für regelmäßige Desinfektion der von den Krankenbenutzten Taschentücher, sowie Leib- und Bettwäsche zu sorgen.6. Dasselbe gilt von den Etz- und Trinkgeräten, bevor sie ausdem Krankenzimmer entfernt werden.7. Nahrungs- und Genußmittel, welche für andere bestimmtsind, dürfen im Krankenzimmer nicht aufbewahrt werden.8. Vor dem jedesmaligen Verlassen der Krankenzimmer sollendie Pfleger sich Gesicht und Hände sorgfältig desinfizieren und Halsund Nase mit einem desinfizierenden Mundwasser ausspülen.Im stäbtischen Arbeitshause zu Rummelsburg befanden sich am31. März d. I. 1906 Korrigenden(1767 männliche, 139 weibliche),gegen 1899 am 31. Dezember 1904.— Im Hospital des Arbeits-Hauses waren Ende März 448 männliche und 138 weibliche Hospi-taliten untergebracht.— Im Filialhospital zu Reinickendorf wurden195 männliche Hospitaliten verpflegt.— Die Gesamtzahl der vonder Verwaltung des Arbeitshauses verpflegten Personen betrugmithin am 31. März er. 2687 Personen(gegen 2586 am 31. De-zember 1904).— Als Kranke befanden sich am 31. März in demLazarett der Anstalt und in den Lazarettstationen des Hospitals64 männliche und 23 weibliche Korrigenden und 271 männliche und92 weibliche Hospitaliten, zusammen 450 Personen.— In demVierteljahr vom 1. Januar bis 31. März befanden sich im Arbeits-hause durchschnittlich täglich 1879 Korrigenden, im Hospital unddessen Filiale 753 Hospitaliten. Im Durchschnitt waren demnachtäglich 2632 Personen von der Arbeitshaus-Verivaltuna»u ver-pflegen.Die Schröpfung der auswärtigen Kranken, denen der freisinnig-hausagrarische Stadtverordnete Wallach die Verpflegung in denstädtischen Krankenhäusern Berlins zum„Selbstkostenpreis"berechnet sehen möchte, hat bisher, wie wir hören, nicht den Beifallder Krankenhaus-Deputation gefunden. Dieser Vorschlag des HerrnWallach ist ja kein neuer; sein diesbezüglicher Antrag wurde schonbei der vorjährigen Etatsbcratung gestellt, und bei der Vorlegungdes diesjährigen Etats hat der Magistrat zu der damals beschlossenenResolution die Mitteilung gemacht, daß die Angelegenheit an dieKrankenhaus-Deputation„zur anderweiten Berichterstattung zurück-gegeben" worden sei. Aber da die Erinnerung an den Wallachschcn,.Selbstkosten"-Antrag aus nicht ganz klaren Gründen kürzlich inder bürgerlichen Presse wieder aufgefrischt wurde, so hatten auchw i r erneut dazu Stellung zu nehmen. Man kann nur wünschen,daß die Krankenhaus-Deputation an ihrem ablehnenden Standpunktsesthält, so daß dem Magistrat kein Anlaß gegeben wird, die in jenerResolution aufgestellte Forderung zu erfüllen.In der 54. Mädchen-Gemeindeschule, Schlesischestraße 4, ist amFreitag früh der Unterricht zunächst voll wieder aufgenommenworden. Die Kinder derjenigen Klassen, in denen am Donnerstagdie Vergiftungserscheinungen aufgetteten waren, wurden währendder ersten Stunde anfangs noch auf dem Hofe zurückbehalten. Erstnachdem ein Heizingenieur noch einmal alle Räume untersucht hatte,wurden um§18 Uhr die Klassen betreten. Manche Eltern hattenihre Kinder nicht zur Schule geschickt, teils aus Besorgnis, teilsdeshalb, tvcil das Unwohlsein sich noch nicht völlig gelegt hatte.Auch drei Lehrerinnen waren ausgeblieben. Vor und in dem Schul-Hause waren zahlreiche besorgte Mütter erschienen, die die weitereEntWickelung der Sache abwarteten. Als in der 9 Uhr-Paufe dieNachricht verbreitet wurde, daß man wiederum eine Klaffe nachHaufe geschickt habe, weil einige Kinder über Unwohlsein geklagthätten, entstand neue Beunruhigung. Hartnäckig wurde auch dasGerücht aufrecht erhalten, daß ein Kind seit Donnerstag ganz ver-schwunden sei. Es handelt sich offenbar um das Mädchen einerFrau Schmidt, die die Kleine am Donnerstag aus dem Schulhauseabholen wollte, sie aber nicht vorfand und dann in ihrer Aufregungsofort zur Polizei lief. Das Kind war aus der Schule am GörlitzerUfer ausgeschult und derjenige» in der Köpnickerstraße zugewiesen