Nr. 150.
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tolo!!
22. Jahrg.
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geile ober deren Raum 40 Pfg., für politische und gewerkschaftliche Vereins. und Bersammlungs- Anzeigen 25 fg. ,, Kleine Anzeigen", das erste( fettgebrudte) Wort 10 Pfg., jedes weitere Bort 5 Pfg. Worte über 15 Buchstaben zählen für zwei Worte. Inserate für die nächste Nummer müssen bis 5 Uhr nachmittags in der Expedition abgegeben werden. Die Expedition ist an Wochentagen bis 7 Uhr abends, an Sonn- und Festtagen bis 8 Uhr bormittags geöffnet.
Redaktion: S. 68, Lindenstrasse 69.
Fernsprecher: Amt IV, Nr. 1983.
Freitag, den 30. Juni 1905.
Izwang, die Arbeit einzustellen. Die Kohlenzieher lieferten der Mannschaft des Panzerschiffes, welche Omeltschuk ein feierTiches Begräbnis bereiten will, Nahrungsmittel.
Expedition: S. 68, Lindenstrasse 69. Fernsprecher: Amt IV, Nr. 1984.
vertretung. Die Ausarbeitung eines Entwurfes ohne Beteiligung der Vertreter des Boltes ist unmöglich, und die Verzögerung der versprochenen Reformen macht die Lage mit jedem Lage schwieriger. Die Resolution foll zur Kenntnis des Ministerrates gebracht werden.
Meuterei in den Ostseeprovinzen.
Die Revolution zur See. Ungeheuere, unerhörte Eruptionen drängen sich in der russischen Revolution. Die Ereignisse erscheinen wie die wüsten Fieberphantaften Man erwartet heute abend das Schwarzmeergeschwader. des im Todestampf ringenden Absolutismus . Ein Bürgerkrieg, wie Die Erregung der Menge ist ungeheuer. Ein verkleideter er entseglicher niemals erlebt, in dem Ströme von Blut fließen, Grenzwächter wurde an der Leiche Omeltschuks getötet. Der dessen Besonderheiten vielfach fremdartig, geheimnisvoll, unbegreiflich Bürgermeister der Stadt ist nach Moskau abgereist. Er richtete bleiben, der zugleich einen hochgesinnten, gewaltigen Heroismus der an die Bürger Odessas ein Telegramm, in welchem er fie bat, Freiheitskämpfer und eine grauenhafte Bestialität der Schutzgarde sich zu beruhigen und die Ruhestörungen einzustellen.lekten Nacht meuterten hier die Matrofen des örtlichen KomLibau, 29. Juni. ( Offizielle Meldung.) In der des Barismus entfesselt, so herrscht das Chaos der Auflösung, des Zusammenbruchs, der Werzweiflung und des stürmischen Lebens- Punkten der Stadt Schüsse gehört. Die Zahl der und schoffen auf die Wohnungen der Marine- Offiziere. Noch Gestern wurden den ganzen Tag über an vielen mandos, fie erbrachen das Zeughaus, eigneten sich Gewehre an Lage und Wochen scheinbarer Ruhe unterbrechen wohl diese Verwundeten ist noch nicht ermittelt. Auf dem Kathedralplatz in der Nacht erhielt die Artillerie der Garnison Befehl, nach wilden Schreden des Kampfes zwischen einer ruchlos vor nichts fand hente abend eine Bombenexplosion statt, wodurch ein dem Hafen abzurücken. Heute früh wurden Kosaken und ein zurückschreckenden Gewalt und der nichts mehr fürchtenden Empörung. Schuhmann und der Bombenwerfer getötet Jufanterieregiment dorthin berufen. Ein Ungefähr genügt, um hier und dort, in allen Teilen des Riesen wurden. Heute wurden einzelne Läden geöffnet. Patrouillen reiches bultanische Strater zu eröffnen und eine Flut der Verheerung halten die Ordnung aufrecht. Lokalbahnzüge verkehren in über das Land zu entfesseln. Begleitung von Patrouillen. Der Ausstand in den Fabriken dauert fort. Hier geht das Gerücht, daß das Backhaus der russischen Schiffahrtsgesellschaft geplündert worden ist.
dranges.
Noch brandet das Blutmeer, das über das große Industriezentrum Russisch- Polens geströmt, noch zuden diese tausendfältigen
Dualen ungelindert, und schon stürmt die Revolution von der westlichen Grenze nach dem Süden, nach der größten See- und Handelsstadt des südlichen Rußland , nach Odessa , dieser märchenhaft rasch empor gewucherten reichen Stadt, in der der moderne Welthandel, die große Industrie den wenigen den üppigen Glanz westeuropäischer Geldkultur verschafft, während die Hunderttausende in tiefster Not der östlichen Barbarei begetieren.
Odessa ist seit Jahren ein fruchtbares Feld der revolutionären Agitation und der modernen Arbeiterbewegung. Die Wirbelstürme des Aufruhrs gegen den Barismus bildeten hier wiederholt ihre Zentren. Besonders gärt es feit langem unter den Seeleuten. Meutereien unter der Besatzung der Kriegsflotte wurden bereits am Anfang des Jahres wiederholt aus dem Kriegshafen Sebastopol berichtet.
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Spätere offizielle Telegramme aus Ddeffa melden: Odeffa, 29. Juni, mittag. Seit gestern abend 10 Uhr brennen die Packhäuser am Hafen, man schleppt die Waren fort und die Berlufte betragen viele Millionen. Dichter Rauch hüllt die Stadt ein.
Gestern abend ist am Rathrinenplay in der Nähe des Richelieudenkmals eine Bombe zur Explosion gebracht worden, wodurch zwei Bersonen getötet worden sind. Während der Nacht tamen im Hafen einige Explosionen vor, welche die erbittertsten Zusammenstöße zwischen den Truppen und der Volksmenge hervorriefen. Die
Toten werden nach Hunderten
gezählt, die Krankenhäuser find mit Berwundeten überfüllt, die ärzt. liche Hülfe ift ungenügend.
Die Läden find geschloffen, der Verkehr flockt, die Hauptstraßen find durch Truppen abgesperrt.
Politifche Ueberficht.
Marokko.
Zwischen dem Fürsten Bülow und dem französischen Botschafter in Berlin hat am Donnerstag eine weitere Unterredung stattgefunden. Die französische Antwort auf die deutsche Note ist jedoch bisher noch nicht erteilt.
In Pariser parlamentarischen Streifen verlautet, daß der Ministerpräsident die Antwort auf die deutsche Note am Freitag dem Ministerrat vorlegen und vielleicht noch an demselben Tage dem deutschen Botschafter mitteilen werde. Die Antwort werde zweifellos in der endgültigen Annahme des Prinzips der Konferenz bestehen. Nach dem Figaro" dürfte die Antwort der französischen Regierung nicht in Form einer regel. rechten Note erfolgen, sondern lediglich in einer mündlichen Mitteilung.
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Gegen Wiederkehr bedrohlicher Krisen.
Jezt hat die Brutalität eines ruffischen Seeoffiziers genügt, um nicht nur einen beispiellosen Att der Meuterei hervorzurufen, sondern Jaurès erflärt. in der Humanité", wie das„ W. B." auch ganz Odessa in Aufruhr zu versezen. Die Revolution ist zur See gegangen, freilich eine wilde, dunkle, elementare Revolution, Biele Leute verlassen die Stadt. An den Zusammenstößen aus Paris telegraphisch übermittelt, das französische Volk mit den Truppen beteiligten sich die Matrosen des ,, Knjäs Botemtin". müsse gegen die Wiederkehr von bedrohlichen Krisen, wie die die gegen unerträglichen Druck fich zerstörend aufbäumt, ohne nach Die Leiche des Matrosen Omeltschut liegt noch immer am durch die marokkanische Angelegenheit hervorgerufene, VorsichtsZiel und Weg zu fragen. Es ist charakteristisch, daß die Tat der Mannschaft des Potemkin" der Name ist ein Symbol für Nußder Name ist ein Symbol für Nuß- Hafen; die Matrosen fordern, daß dem Getöteten militärische Ehren maßregeln treffen. Diese könnten aber nicht darin bestehen, erwiefen werden. daß man vor Nationalisten und Chauvinisten zurückweiche und Land sofort in der ganzen Bevölkerung den Funken der Revolution Odessa , 28. Juni. Gestern wurden den ganzen Tag über an durch übermäßige militärische Rüstungen das Budget noch mehr entfeffelt hat. Freilich hat man auch hier den Eindruck, als ob die vielen Bunkten der Stadt Schüffe gehört. Die Zahl der Berbelaste. Noch weniger dürfe man die von Delcaffé geübte Maffen, bon terroristischem Drang blind getrieben, sich nur als wundeten ist noch nicht ermittelt. Auf dem Rathedralplaz fand unheilvolle Bolitit feindseligen Mißtrauens gegen Deutschland wehrlofe Beute den Rosalen hinwerfen, während das überall beim heute abend eine Bombenexplosion statt, wodurch ein Schußmann wiederaufnehmen. Die wirksamste Vorsichtsmaßregel fei eine ersten Signal auftauchende Gefindel des Zaren die Gelegenheit und der Bombenwerfer getötet wurden. Heute wurden einzelne genaue beständige Neberwachung der Diplomatie durch Volk wahrnimmt, zu morden und zu plündern. äben geöffnet. Patrouillen halten die Ordnung aufrecht. Lokal und Barlament, und es sei zu hoffen, daß dant Rouvier, der bahnzüge verkehren in Begleitung von Patrouillen. Der Ausstand bereits einen Teil der Mißverständnisse zerstreut habe, die in ben Fabriken dauert fort. out is a internationale Regelung der marokkanischen Angelegenheit den London , 29. Juni. Dem Reuterschen Bureau" wird aus Beginn einer offeneren aufrichtigeren Diplomatie bedeuten Odessa , 1 Uhr nachmittags, gemeldet: Die Boltsmenge richtete werde. im Hafen große Verwüstungen an und zerstörte alle Lagerhäuser. Was Jaurès für Frankreich als erforderlich erklärt, das Bier oder fünf russische Dampfer gingen in Flammen auf. Gegen gilt in demselben Maße für Deutschland . Nur ver300 Personen wurden getötet, darunter auch mehrere Kosaten. Das Militär stellte die„ Ordnung" schnell wieder her.
Die oftafiatische und die baltische Kriegsflotte ruhen auf dem Die oftafiatische und die baltische Striegsflotte ruhen auf dem Grunde des Stillen Dzeans oder in der Dhhut der Japaner. Den letzten Rest der ruffischen Kriegsflotte aber, die Schwarze MeerFlotte, sprengen nun die Seeminen der befreienden Meuterei", die gegen den grausamsten Feind des russischen Voltes ankämpft den Zarismus. 04
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Ueber die Borgänge in Odessa liegen nur offizielle Telegramme vor, die im einzelnen teine volle Klarheit über Wefen und Umfang der Ereignisse gewähren. Wir lassen fie folgen: Ein ausführlicher offizieller Bericht
Die Flotte gegen den inneren Feind. Sebaftopol, 29. Juni. ( Meldung der Petersburger Telegraphen Agentur.) Heute abend werden ein Panzerschiff und ein Kreuz er, um beren Entsendung nach Odessa bringend ersucht worden ist, dorthin abgehen.
Mittwoch abend traf der Dampfer„ Potemkin" hier ein. Alsbald verbreitete sich in der Stadt das Gerücht, daß die Besatzung ihre Vorgesetten niedergemegelt Eine Jnterpellation im Unterhause. hätte, um einen Matrosen zu rächen, der, weil er Klage über London , 29. Juni. Unterhaus. Unterstaatssekretär des schlechte Nahrung im Namen der ganzen Besakung geführt Aeußern Earl of Perch verliest in Beantwortung einer an ihn hätte, getötet worden sei. Ferner wurde gesagt, der Leichnam gerichteten Anfrage ein Telegramm des britischen Konsuls in sei auf der neuen Mole ausgestellt und die Matrofen ließen Odessa , das über die jüngsten Ereignisse Mitteilung macht, die Behörden nicht herankommen und drohten, ihnen Wider- und fügt hinzu, der Konsul melde nicht, daß er eine besondere stand zu leisten. Tausende von Menschen strömten alsdann Gefahr für die britischen Untertanen besorge. nach dem Teil des Hafens, wo der Leichnam des Matrosen Rollit( t.) fragt an, ob die Regierung beabsichtige, irgend Omeltschuk vom obengenannten Panzer, der aus Sewastopol welche Vorsichtsmaßregeln zum Schuge des Lebens und des mit zwei Torpedobooten angekommen war, lag. Auf der Eigentums der britischen Untertanen zu ergreifen. Premierminister Balfour antwortet hierauf, es sei sehr Brust des Verstorbenen war ein Zettel angebracht mit der schwierig, einzusehen, welche Maßnahmen von der englischen von der gesamten Besayung abgegebenen Erklärung, daß Regierung getroffen werden könnten wegen luruhen, die sich Omeltschuk für die Wahrheit gestorben sei, indem er dem in einer nicht unter englischer Rechtshoheit stehenden Stadt Offizier sagte, daß man den Leuten schlechte Nahrung gebe. ereignen. Das Publikum warf fortwährend Geldspenden in die am Kopfende des Toten aufgestellte Büchse, um das nötige Geld für seine Beerdigung zu sammeln.
Die Verfaffungs- Bewegung.
mögen wir die vertrauensvolle Zuversicht des letzten Sakes
der Jaurèschen Ausführungen nicht zu teilen. So sehr unoffenheit und Unaufrichtigkeit der Diplomatie den marokkanischen Streit verschärft haben, so steckt der eigentliche Grund des Streites doch weit tiefer. Der ostasiatische Strieg und der Zusammbruch Rußlands haben alle bisherigen internationalen Beziehungen ins Schwanken gebracht, und noch ist nicht ab. zusehen, welche neuen Verhältnisse sich aus der jetzigen chaotischen Situation entwickeln werden. Gerade weil aber die internationale Lage auf längere Zeit hinaus überaus schwierig bleiben wird, weil darum sind jene Vorsichtsmaßregeln der Völker gegendie Möglichkeit zu Konflikten in hohem Maße vorhanden ist, über der Diplomatie noch weit dringlicher als jemals.
Tanger , 29. Juni. ( Meldung der„ Agence Havas".) Auf die Einladung zur Maroffofonferenz hat Danemar! dem Sultan geantwortet, daß es an der Konferenz teilnehme, vorausgesetzt, daß alle beteiligten Großmächte auf derselben vertreten seien.
Aus Baris wird noch gemeldet:
Bon zuverlässiger franzöfifcher Seite berlautet, daß der Ministerpräfident touvier, der durch neuerliche Unterredungen mit dem deutschen Botschafter Fürsten Radolin die formelle Ueberzeugung gewann, daß Deutschland die berechtigten Intereffen Frankreichs in Marotto in feiner Weise beeinträchtigen wolle, den lebhafteften Wunsch hege, die Marottofrage sobald als möglich erledigt zu sehen. Die Verfassungsrevision in Württemberg . Stuttgart , 28. Juni. ( Eig. Ber.) Der heutige britte Tag der Verfassungsrevisionsdebatte brachte zunächst eine Erklärung des Ministerpräsidenten, in der er Stärkung und Festigung der Ersten Kammer den fonfervativen gegenüber Freiherrn b. Dw betonte, daß die Regierung durch Brinzipien am besten zu dienen glaube. Gegenüber Keils Angriffen rühmte der Minister, daß nach Durchführung der Reform, die die reine Boltstammer bringe, Württemberg bas freifinnigste abrecht im ganzen Deutschen Reiche haben werde. Freilich veranschaulichte er den 23 ert biefes Wahlrechts gleich selbst burch den Hinweis auf den zuverlässigen Schuß, den die verstärkte und gefeftigte Erste Kammer gegen die Zufallmehrheiten Es wurde folgende Resolution gefaßt: Eine Boltsvertretung auf tonftitutionellen Grundlagen ist eine Söflichkeit. Das Ereignis ber Sigung war die durch Gröber willens durch die ungleichen Wahlkreise schwieg des Sängers bringende Notwendigkeit. Der Entwurf Bulygins, fotveit er be- mit unerwarteter Offenheit vollzogene Preisgebung der kannt ist, befriedigt nicht die elementarften Forderungen der Bolts- programmatischen Forderung des Bentrums nach Beseitigung der
Mostan, 28. Juni. Heute wurde hier durch das Stadthaupt Unter vielen Lesarten über das Vorgefallene herrscht die von Mostau ein von 117 Bertretern großer russischer Städte von vor, daß ein Offizier, welchem Omeltschuk meldete, daß die über 50 000 Einwohnern befuchter Kongreß eröffnet. Ein Redner Mannschaft schlechte Suppe erhalten habe, ihn durch einen erklärte, gegenwärtig genügten die Beschlüsse eines Semstwo Revolverschuß getötet habe. Die gesamte Mannschaft Rongreffes nicht mehr, jest müsse eine Verfassung gefordert werden. überfiel erst ihn, dann den Kapitän und er- Das Stadthaupt von Kronstadt wies darauf hin, daß das Projekt tränkte ihn mit seinen Offizieren, ausgenommen 8, welche Bulygins ben Agrariern ein lebergewicht gebe und die Schaffung fich mit den Matrosen verbündet hatten. In Odeffa an- einer beratenben Institution bezvede, welche Rußland nicht begekommen, brachten die Matrosen die Leiche Omeltschuks in friedigen könne. Die Versammlung beauftragte das Bureau des einem Boot an Land und teilten den Behörden mit, daß sie, Rongresses, Borschläge zur Verstärkung des städtischen Elements in
falls man sie zu verhaften versuche, auf die Urheber des Ver- der fünftigen Voltsvertretung auszuarbeiten. Oder Boltstammer" bieten werde. Von der Fälschung des Bolts
fuchs schießen würden. Eine rote Flagge wurde wiederholt an Bord des Panzerschiffs gehißt, dessen Besatzung sich nach und nach auf alle Boote und Dampfer begab und die Arbeiter