bührend zurück und hod die Bedeutung der von konservativenBurcaukraten. antisemitischen Zünftlern und freisinnigenKrämern angefeindeten Konsumvereine hervor.Am Dienstag wird die sozialpolitische General-debatte fortgesetzt._Spannungen in Algeciras.Während sich bisher die Verhandlungen der Marokkokonferenzschläfrig hinschleppten und die zioeieinhalb Schock Journalisten, diesich in dem spanischen Küsteustädtchen ein Stelldichein gegeben haben,sich im Schweiße ihres Angesichts belangloses Feuilletongeschwätzabquälten, beginnt jetzt die Situation eine gespanntere zu werden.Was bis jetzt verhandelt wurde, betraf allerlei Nebensächlichkeiten,die der Erwähnung nicht lohnten; mit dem Auftauchen derP o l i z e i f r a g e hat sich das Bild mit einem Schlage verändert.Hier handelt es sich um die Frage des Protektorates, denKernpunkt des ganzen Marokkokonfliktcs. Und hier muß eS sichentscheiden, ob Deutschlands Einspruch gegen die französischenWünsche die Unterstützung wenigstens einiger Mächte findet.Die Absichten der französischen Diplomatie gehen dahin, dasinternationale Mandat für eine französische Polizeikontrolle zuerhalten. Diese Polizeikontrolle bedeutet bei den marokkanischenVerhältnissen nichts anderes als die Kontrolle über die ganze be-waffnete Macht. Noch hat Frankreich auf der Konferenz eine solcheForderung nicht offiziell erhoben, und doch hat bereits das deutscheoffiziöse Depeschenbureau erklärt, daß ein reines französisches Polizei-regime der Ausübung einer französischen Schutzherrschaftgleichkomme und daher nicht akzeptiert werden könnte. Deutsch-land sei nicht nach AlgeciraS gegangen, um sich„in der EntWickelungder deutschen Interessen in Marokko in Zukunft französische Fesselnanlegen zu lassen". Auch die oft offiziös inspirierte„Münch. Allg.Ztg." erklärt, daß die Forderung. Frankreich in der Polizeifrage eineuropäisches Generalmandat zu erteilen, undiskutabel sei. Dieebenfalls halboffiziöse„Köln. Ztg." fügt hinzu, daß auch der Vor-schlag, Frankreich und Spanien mit der Polizeikontrolle zubetrauen, von Deutschland nicht akzeptiert werden könne, da mannicht wisse, inwieweit Spanien auf Grund eines Geheimvertragesmit Frankreich unter einer Decke stecke.Es fragt sich nun, welche Stellung die übrigen Mächte zu derStreitfrage einnehmen. Daß England und Spanien sich aufFrankreichs Seite stellen, scheint sicher zu sein. ES kommt also vorallen Dingen die Stellungnahme der Vereinigten Staatenund Italiens in Frage. Sollten auch diese Mächte derfranzösischen Auffassung zuneigen, so würde sich Deutschland, wennes die Konferenz nicht völlig resultatlos verlaufen lassen will,mit dem Versprechen Frankreichs begnügen müssen, daS Prinzipder offenen Tür, um die eS sich nach den Versicherungen derdeutschen Diplomatie ja überhaupt nur handeln soll, niemals an-zutasten.Wie sich die Dinge aber auch in AlgeciraS entwickeln mögen—die Geister diesseits und jenseits des Rheins scheinen sich in derZwischenzeit immerhin derart abgekühlt zu haben, daß man an dieMöglichkeit einer kriegerischen Auseinandersetzung nicht mehrdenkt. Die Haltung der Masse des Volkes in Frankreich wie inDeutschland scheint denn doch ein wenig abkühlend gewirkt zu haben!Trotzdem ist eS durchaus am Platze, die Marokko-Affäre in ihrergegenwärtigen kritischen Phase mit aller Aufmerksamkeit zu ver-folgen, um zu verhüten, daß dieser ftir die wirklichen Interessen derNation so absolut gleichgültige Diplomatenhandel mitgrößerer Erhitzung traktiert wird, als eS den Umständen ent-spricht!-*.'Veutkckes Rdcb.Die Erwerbung KiautschouS.einen interessanten Beitrag zur Geschichte der„Pachtung"KiautschouS veröffentlicht der„Petersburger Herold." Von einemGewährsmann, der, wie des Blatt behauptet, dem verstorbenenReichskanzler Fürsten Hohenlohe früher sehr nahe gestanden hat,..ird ihm folgende Aeußerung mitgeteilt:„AlS ich mit dem fertig ausgearbeiteten Projekt der Besetzungvon Kiantschou zu Kaiser Wilhelm kam, um darüber Vortrag zuhalten, griff Kaiser Wilhelm schmunzelnd in ein Schubfach und sagte,indem er demselben einen Brief des Kaisers von Ruß-land entnahm:„Hier! da haben Sie Ihr Projekt schon verwirklicht,ich habe die«sache schon im persönlichen Brief-Wechsel mit dem Kaiser von Rußland geregelt."Der Berliner Korrespondent der„Münch. Neuest. Nachr. ergänztdiese Mitteilung durch nachstehende Schilderung:Nicht ganz so. aber ähnlich ist der Hergang in der Tat gewesen.AIS Deutschland die Besetzung eines Hafengebiets in China plante.wobei für Kiantschou gegenüber einem weiter südlich gelegenenHafen besonders bas Votum des großen, jüngst verstorbenenGeographen Frhrn. v. NichtHofen ebenso wie der Wunsch der MarineinZ Gewicht fielen, war man in Petersburg nicht weniger als inLondon überrascht, daß Deutschland in Ostasien einen„Platz ander Sonne" haben wolle. Zwischen dem Marquis of Salisburyund dem Grafen Murawiew, die damals die auswärtigevolitik ihrer Staaten leiteten, entstand ein lebhafter Brief-». cchsel, und Salisbury schlug damals direkt eine englisch-russischeKooperation vor, um den deutschen Plänen Einhalt zu tun. DasMißtrauen Murawiews. der übrigens bald darauf eines plötzlichenTodcS— Ivohl durch Selbstmord— starb, witterte jedoch in demenglischen Vorschlag eine Falle: die britische Politik wolle Deutsch-land und Nußland entzweien, um selbst freie Hand in Ostasien füreinen Fischzug im Trüben zu bekommen. Deshalb zögerte er,während er gleichzeitig Deutschland Schwierigkeiten machte. Indieser kritischen Zeit wandte sich Li aiser Wilhelmbrieflich an den Zaren, und dieser gabrückhaltlos die Zusage, daß Rußland gegen die PachtungKiautschouS nichts einwenden werde. Dieser Brief deS Zaren, derüber den Kopf des Ministers Murawiew ging, mag der Kaiser demFürsten Hohenlohe gezeigt und dabei ähnliche Worte, lvie oben mit-geteilt, geäußert haben. DieS geschah im Sommer 1897.Die VerantwSrtung für diese Enthüllung mutz den„Münch.N. Nachr." überlassen bleiben. So ganz unwahrscheinlich klingt dieNachricht nicht. Besser Iväre allerdings gewesen, der Zar hätte sichweniger zustimmend verhalten— dann hätten die Chinesen densandigen Platz„an der Sonne" behalten, und wir unsere vielenMillionen. Oder sollte vielleicht der Zar durch seine Räte vorhergenau über den Wert des sonnigen„Pachtlandes" unterrichtetworden sein?_Zentrum und Fleischwucher.Wie die agrarisch-ultramontane„Rheinische Volksstimme' be-richtet, hat dieser Tage der Zentrumsabgeordnete Dr. Markour(Koblenz) vor seinen Wählern geredet und dabei gesagt:„ES war ein harter Kampf, und selbst innerhalb unserer Fraktionwar es nicht leicht, alle unter einen Hut zu bringen. Den FraktionS-Mitgliedern, die z. B. die Städte Düsseldorf. Köln, Aachenvertreten, fiel eS schwer, sich unseren Ansichten anzubequemen, undwir standen uns oft scharf gegeneinander. Abersie haben es schließlich getan im allgeineinen Interesseund haben um dessentwillen die s ch w e r st e n Vorwürfe vonfeiten der Arbeiterschaft und ihrer Wähler aufsich genommen. Sie haben anerkannt, daß die Landwirtschaft auchschon oft zu ihrem Nachteil hat nachgeben müssen, und aus dieserErwägung sind ihre Wünsche hier zu gunsten der Land-Wirtschaft und der allgemeinen Interessen zurückgetreten, unddie Grenze blieb geschlosse n."In der ZeutrumSfrc.'tion hat also das Land überdie Städte, haben die Agrarier über das Volksinteressegesiegt. Wie immer, wo nicht der Selbsterhaltungs-zwang der Partei das Zentrum zu kleinen Zngeständniffenan die Arbeiterschaft genötigt hat. Die Herren Trimborn, Sittart,Kirsch, Giesberts und Konsorten jammern daheim in Versammlungenund ii» Rathause über die Fleischnot; im Parlament aber, wenn eSAbhülfe zu schaffen gilt, halten sie den großen Mund und verratendie Interessen des Volkes und ihrer Wähler. Daß ihnen dafür vonihren Wählern„die schwersten Vorwürfe" gemacht wordenseien, wie Herr Dr. Markour behauptet, ist uns nicht be-kannt geworden. Mag sein, daß dies hinter den Parteikulissenin den einzelnen Städten geschehen ist: in der Oeffentlichkeitwar davon nichts wahrzunehmen. DaS Zentrum hat die Leute, dieihm bei der großen Getreidezollbcwegung im eigenen Lager dieHölle geheizt hatten, zum größten Teile sich gekauft. Man hat siein Aemter gesetzt, wo sie das Maul halten müssen, um nicht vonder mächtigen Partei gemaßrcgelt zu lverden. So kam esauch, daß vor einiger Zeit in einer Volksversammlungin Viersen ein katholischer Arbeiter auftrat und sagte:Auch wir hätten gern eine Versanimlung gegen dieFleischnotabgehalten, aber wir konnten keinen Rednerbekommen!— Viersen liegt einen Katzensprung von der Jesuiten-residenz M.-Gladbach entfernt, von wo aus die Redner stets dutzend-weise ins Land gesandt werden.Hier aber, Ivo es Volks- und Arbeiterintercffen zu wahren galt,waren die Herren nicht zu haben.Verwandte Seelen finden sich.Die„Staatsbürger-Zeitung" wird in den Verlag der Kronsbein-scheu„Post" übergehen. Den Redakteuren der„Staatsbürger-Zeitung" ist bereits zum 1. April gekündigt; doch soll dieses Blattzunächst noch neben der„Post" äl§ billigeres Scharfmacher-Organweiterbestehen und von den„Post"-Redakteuren im Nebenamtredigiert werden. Fast tut es uns leid um die„Staatsbürger-Reitling". So tief dieses Organ auch gesunken ist, höher wie dieKronsveinsche Gedanken-Ablagerungsstätte stand es immer noch.—Sich', das Gute liegt so nah'.Wie im„Vorwärts" schon mitgeteilt, wollen die deutschenFlottentreiber die Bestimmung, daß die Ueberschllsse, die der neueZolltarif bringen wird, für die Witwen- und Waisenversorgung ver-wendet werden sollen, zugunsten der Flottenvermehrnng umstoßen.Wenn die Herrschaften so sehr nach Witwengeldern dürstet, so mögensie sich gütigst an die Pensionen der G e n e r a I s w i t w e n halten.Eine Generalswitwe bezieht die Kleinigkeit von 3000 MarkPension im Jahr. Ferner bestimmt das neue PensionSgesetz,daß den Relikten von Offizieren unmittelbar nach demTodesfall die PensionSgcbührnisse des Verstorbenen nochfür weitere drei Monate und zwar auf einnial auS-zuzahlen sind. Auf diese Weise erhalten die Gcncralswitwen beimAbleben ihrer Männer beträchtliche Summen auf einen Schlag. DieWitwe eines kommandierenden Generals bekommt 4871 Mark, dieWitwe eines Generalleutnants 3205 M.. eines Generalmajors 2253 M.Mögen also die Flottenenthusiasten— Dr. Sigl nannte sie Wasser-köpfe— hier zugreifen, statt den Proletarierwitwen und ihrenKindern die paar Mark, die sie erhalten sollen, zu rauben.—Gegen PosadowSky._ Die agrarische Presse läuft erbittert Sturm gegen den GrafenPasadowSky, weil dieser sich mit den plumpen Scharfmachereiendes Herrn von Oldenburg nicht identifizieren zu dürfenglaubte. Die»Deutsche Tageszeitung", die schon amSonnabend in einem langen Artikel über die„Selbst-täuschungen und Irrwege' der bisherigen Sozialpolitik geklagt und eineUmgestaltung der sozialen Reformgesetzgebunggefordert hatte, die— dem Mittel stände zngute komme, wirftdem Grafen PosadowSky vor, daß er durch seine Reden der Sozial-demokratie Beifall entlockt habe, statt gleich dem Reichskanzler inSozialistentöterei zu machen. Auch die„Konservative Korrespondenz"konstruiert geflissentlich diesen Gegensatz zwischen dem Reichskanzler unddem Staatssekretär des Innern. Graf Posadowsky möge sich des starkenWiderspruchs, in dem sich seine Handlungen zu dem Verhalten desReichskanzlers befänden, nicht bewußt sein, er sei aber gleichwohlvorhanden. Selbst die„Leipziger Volkszeitung" versichere zu-weilen den Grafen Posadowsky ihres Vertrauens, während dieganze rote Presse von wüstem Geschrei widerhalle, wenn sich FürstBülow mit der revolutionären Partei beschäftige.ES ist natürlich eine Lächerlichkeit, daß sozialdemokratische Blätterdem Grafen Posadowsky ihr„Vertrauen" ausgesprochen hätten. Diesozialdemokratische Presse hat allerdings erklärt, daß Graf Posadowskyder einzige giegierungsvertreter sei, der vermöge seiner Fähigkeiten undKennlnisse ein gewisses sozialpolitisches Verständnis besitze. Umsoschärfer hat sie freilich die t r o st l o s e Z w e i s e e l e n t h e o ri e diesesManneSverurteilt, der nicht die Konsequenzen aus seiner sozialpolitischenEinsicht zu ziehen wage. Es kennzeichnet die reaktionäre Un-versrorenhcit, daß unsere Regierungsparteien einen Mann nur deshalb nicht in der Regierung dulden wollen, weil er die reaktionärePolitik zwar geschmeidig mitmacht, dabei aber noch soviel Geschmackbesitzt, nicht ganz so viel Einsichtslosigkeit zu markieren wie ein Herrv. Oldenburg oder ein Fürst Bülow!—Dir„geheiligte und unverletzliche Person" deS Militärpostens.Ein drakonisches Urteil fällte das Oberkriegsgericht in Würzbnrg.Am 10. Dezember v. I. hatte der Soldat Haas vom 17. bayerischenInfanterieregiment als Postenkontrollcur auf Wache zu ziehen.Abends stand er mit eincin Kameraden unter dem Kasernentor, mitdem er sich neckte. Der als Posten dort stehende Soldat Ahl batdie beiden wegzugehen, damit er nicht in Ungelegenheitenkomme. Haas erwiderte dem Ahl, mit dem er auf den,Duzfuße stand, er habe hier nichts zu sagen, sondernnur zu patrouillieren. Im weiteren Verlaufe der Auseinander-sctznng fuchtelte er mit den Händen in der Luft herum.wobei er den Ahl leicht auf die Brust traf. Daraus wurde ein„tätliche» Vergreifen an einem Vorgesetzten" konstruiert. Das Kriegs-gericht hatte den Angeklagten Haas freigesprochen; der Gerichtshcrrlegte hiergegen Berufung ein, und das Oberkriegsgcricht sprach eineGefängnis st rase von zwei Jahren aus! Die„ge-heiligte und unverletzliche Person deS Postens" müsse geschütztwerden.—Der Freisinn und die Freizügigkeit.Die Jämmerlichkeit des Freisinns beruht bekanntlich in letzterInstanz auf dem klafienden Widerspruch zwischen seiner revolutionär-ideologischen Tradition und seiner reaktionären Klassenwirklichkeit. Erführt immer noch die freihenlichen Schlagworte seiner Vergangenheit im Mund und im Programm, wenn er sich auchlängst in die kompakte Schutztruppe der bestehenden Gesellschasts-orduung eingereiht hat, und bloß die quantitativ wie qualitativ be-langlose Rolle, die die hinler ihm stehenden Bevölkerungsbruchteilein der wirtschaftlichen lind politischen Machtkoujunktur spielen, rettetden Freisinn davor, noch häufiger auf den Widerspruch zwischenPrinzipien und„Taten" festgenagelt zu werden, als es ge-schiebt und als er es verdient. Wo immer nämlich derFreisinn in die Lage kommt, auf seine„Grundsätze" durchpraktische Politik zu mauisestieren, trägt er keinen Augenblick Be-denken, die Erstgeburt seiner freiheitlichen Vergangenheit für einenLöffel Linsensuppe aus dem Trog deS Bestehenden hinzugeben. Sogibt es in seinem ganzen Repertoire von Grundsätzen sind Ueber-zeugungen keine einzige Nummer, die er nicht, wo er dazu Gelegenheithatte, dreimal verleugnet hätte.Wie es zumal mit seiner Zuverlässigkeit in bezug aufs Wahlrecht bestellt ist. ist zur Genüge auS seiner Haltung in denKommunalvcrtretungen bekannt. Nun wird uns aus derselbenProvinz, SchleSlvig-Holstein, wo in einer Reihe von Stadtgemeindenin den letzte» Jahren auf freisinnige Initiative hin oder doch mitfreisinniger Hülfe daS kommunale Wahlrecht verschlechtert worden,ein Vorkommnis gemeldet, das zeigt, wie der Freifinn auch noch einanderes prunkvolles Jnventarstück seines prinzipiellen Programm? inden Winkel zu stellen geneigt ist, wenn es ihm in seiner„praktischenPolitik" unbequem wird.In Elmshorn liegt die freisinnige Stadtvertretung mtt derbenachbarten Gemeinde Hainholz in Differenzen wegen � der Schullasten. Viele in Elmshorn beschäftigte Arbeiter haben in Hainholzihre Wohnung und die Landgemeinde verlangt deshalb aus Grunddes§ 53 deS Kommunalabgabengesetzes von der Stadt einen Zuschußzu den Kosten der Schule. Prinzipiell hat die Stadt den Anspruchanerkannt, sie feilscht aber mit Hainholz noch um die Höhe derSumme und will von den Forderungen der Landgemeinde um jedenPreis noch ein paar hundert Mark abhandeln. Nun ist eine geistigeKapazität im Elmshorner Stadtkollcgium. der Stadtrat Ca rst ens.Herr Carstens ist auch eine Leuchte des schleswig-holsteinischen Frei-sinns und freisinniger Parlament Skandi dat. DieserHerr stellte sich nun in der letzten Kollegiensitzung hin und schlugfolgenden Ausweg aus dem Dilemma vor: Man solle der GemeindeHainholz die Pistole aus die Brust setzen. Wenn sie das Angebotvon ElinShorn nicht annehme, müsse man die ElmshörnerUnternehmer veranlassen, daß sie keinen Arbeitermehr beschäftigten, der nicht in Elmshorn wohne.Mit einigen Unternehmern sei bereits Rücksprache in diesemSinne genommen worden und sie hätten sich zu solchem Vor-gehen bereit erklärt. Auf die Frage eines Vertreters derdritten Klasse, was denn diejenigen Arbeiter beginnen sollten,die in Hainholz Hausbesitzer seien, meinte Herr Carstens, siesollten sich in Hamburg Arbeit suchen! Der Bürgermeister stimmteder„Idee" des Herrn Carstens mit Begeisterung zu. Nun liegt esalso allein an dem„Lokalpatriotismus" der Unternehmer, an den inder Sitzung beweglich appelliert wurde, ob die Freizügigkeit fürzahlreiche Arbeiter vernichtet wird. Aber mag der saubere PlanWirklichkeit werden, oder nicht, daß er in öffentlicher Kollegien-fitzung ohne Widerspruch zu finden, erörtert lverden konnte, zeigt,wohin bei den Freisinnigen die Scham entflohen ist!—Bayerischer LandtagMünchen, 12. Februar.In der Abgeordnetenkammer wurde heute der Antrag des Ab-geordneten Speck(Zentrum) beraten, die Regierung dringend zuersuchen, darauf hinzuwirken, daß bei Neufestsetzung der Ueber-gangSabgabe für das in die norddeutsche Brausteuergemeinschaft ein-gehende Bier die Bestimmung des Artikels 33 Abs. 2 der Verfassungde? Deutschen Reiches eingehalten werde. Abg. Speck begründetdiesen Antrag und betont dabei, der betreffende Absatz der Reichs-Verfassung bestimme, daß alle Gegenstände, die im freien Verkehreines Bundesstaates befindlich sind, in jeden anderen Bundesstaateingeführt werden können und dort einer Abgabe nur insoweitunterworfen werden dürfen, als daselbst gleichartige inländische Er-Zeugnisse einer inneren Steuer unterliegen.� Das bayerische Bierwerde aber beim Uebergang in die norddeutsche Brausteuergemcin-schaft einer besonderen Steuer von 2 Mark für den Hektoliter unter-warfen, während nach der Verfassung nur 80 Pfennig zulässigwären. Bayern habe in den letzten 20 Jahren 23 Millionen zuvielbezahlt.Abg. Meutzdörfer(liberal) erklärt: Wir stimmen demAntrag zu, wir haben auf die Unzulässigkeit der hohen Uebergangs-abgaben schon 1904 hingewiesen. In Norddeutschland ist das Biermit 86 Pf. belastet, von uns werden 2 Mark erhoben. Wir müssenauf Gerechtigkeit dringen, unsere Brauerciindustrie muß alles aufwenden, um ihre Stellung in Norddcutschland zu oehaupten.Osel(Zentrum) führte aus: Seit Jahrzehnten haben wireine viel zu hohe Uebergangssteuer bezahlt. Der Bundesrat mußdafür sorgen, daß die Reichsverfassung beachtet wird. Man darfdie Uebergangsabgabe nicht nach einem besonders stark eingebrautenBier berechnen, sondern nach einem gewissen Durchschnittssatze.Finanzminister Ritter von Pfaff erklärte: Schon vorzwei Jabren hat mein Amtsvorgänger erklärt, daß der gegen-wärtige Ucbergangssatz zu hoch sei und daß eine Aenderung ein-treten müsse, wenn die norddeutsche Steuer reformiert werde. Dasist jetzt der Fall. Wenn die Satze der Kommission vom Reichstatrangenommen werden, wird die Uebergangsabgahe zwei Mark kaumübersteigen, selbst wenn nicht ein Durchschnittssatz, sondern der Sdtzfür das am stärksten cingebräute Bier der Berechnung zugrundegelegt wird. In der Reichstagskommission erklärte der Rcichsschatz-sekretär, daß die Verfassung eingehalten werde. Die bayerische Rc-gierung stimmt dem Antrag Speck zu. �Die Abgeordneten Memminger(Freie Vereinigung) und Low!(Zentrum) befürworteten gleichfalls den Antrag Speck, der sodanneinstimmig angenommen wurde.Vom System Puttkamcr.DaS„Berliner Tageblatt" gibt eine Darstellung des Verhält-nisscS, in dem sich die Aqua-Leute zu dem Gouverneur Puttkamcrbefunden hätten. Dieser habe entgegen dem U eberein-kommen, daS im Jahre 1884 von den Duallahäuptlingen mitHerrn Dr. Nachtigall abgeschlossen worden sei. die Duallassystematisch benachteiligt und namentlich die Rechte des King Aquavertragswidrig angetastet. King Aqua selbst beziffere den ihm imLaufe von 16 Jahren durch die Entziehung seiner Rechte erwachsenenSchaden auf 10 Millionen Mark.•Als die im Jahre 1902 nach Deutschland entsendete Aqua-Deputation vom Kolonialamt zwar allerlei Versprechungen erhaltenhabe, aber im Verlaufe vollständig ergebnislos geblieben fei, seidie Stimmung in Kamerun immer erbitterter geworden. Man seizum A u f st a n d e e n t s ch l o s s e n g e w e s e n. wenn nicht geradeKing Aqua besänftigend auf das Volk eingewirkt habe. Der Sohn KingAqnas, der sich in Deutschland befand, habe auf einen Brief seinesVaterS erklärt, daß die deutsche Regierung durchaus friedliebend seiund daß daS System Puttkamer nur geduldet werde, weil manvon ihm in amtlichen Kreisen keine Kenntnis habe. Die Einreichungeiner schriftlichen Beschwerde werde sicherlich zur Ab-ftellung der Mißstände führen. Diese Beschwerde wurde denn auchabgesandt, jedoch mit dem Erfolge, daß Puttkamer die beschwerde-führenden Häuptlinge einkerkern ließ. Doch hoffe gerade derSohn King Aqnas, der sich noch in Deutschland aufhalte, daß dieserletzte Gewaltakt dem Fasse den Boden ausschlage und zu einergründlichen Untersuchung der Kameruner Verhältnisseführen werde.Wir wollen hoffen, daß wenigstens der R e i ch s t a g den gutenGlauben des jungen Kameruner tzäuptlingssohnes nicht zu schändenwerden läßt!—Hualand.DaS Kabinett Sonnino.Rom, 10. Februar.(Eig. Ber.)Wie die beiden Ministerien Fortis ihren Schiverpnnkt auf derLinken hatten mit dem berühmten„Stützpunkt nach rechts", so hatdas neue Kabinett sein Hauptgewicht auf der Rechten mit zweiFixierungspunkten in der äußersten Linken. Die ganze konstitutionelleLinke, die seit dem Frühjahr 1901 das Gros der ministeriellenMehrheit gebildet hatte, ist im Kabinett Sonnino ohne Vertretung;nur ein„Outsider". Alfreds B a c c e l l i. hat das Portefeuille derPost angenommen. Was Zanardelli und Giolitti nicht ge-langen ist, daS hat Sonnino zustande gebracht: angesehene Mit-glieder der radikalen und republikanischen Partei zur Teilnahme ander Regierung bewogen. So liegt in dem neuen konservativenKabinett das Ministerium der Justiz in Händen des RadikalenS a c ch i, das Ackerbauministcrium in Händen des RepublikanersP a n t a n o.DaS erklärt sich wohl daraus, daß diese Herren im Laufe derJahre anspruchsloser geworden sind. Als Giolitti mit Sacchiüber seinen Eintritt ins Kabinett verhandelte, machten die Radikalenihre Zusage von der Verminderung der Hecresausgaben abhängig,und die Sache zerschlug sich. Diesmal forderte Sacchi nichts alseine Betonung des freien Gedankens gegenüber der klerikalen Vor-