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FArperüchen Mißhandlungen der Soldaten zu führen. An die Ve- fritigung des furchtbaren, rohen und gemeinen Schiinpfeüs. das ja in der Kaserne seine Hauptstelle hat, kann heute noch niemand denken. Ich habe den Herrn Kricgsminister ferner zu fragen, ob neben den neuen Felduniformen, die ja schon vor einigen Jahren probe- roeise der Budgetkommission vorgelegt und mit denen jetzt nrehrere Regimenter ausgestattet worden sind, die gegenwärtigen Uniforme» beibehalten oder ob sie völlig abgeschafft worden sollen. Sonst käme das deutsche   Volk in die sarale Lage, die kolossale Mehr- aufwendung für zwei verschiedene Arten von Uniformen machen zu müssen. Wenn aber die gegenwärtige, probeweise eingefiibrte Feld- uniform sich als praktisch und zweckmäßig erweist, so sollte man ohne jede Rücksicht auf die Tradiiion die gegenwärtigen unpraktischen Uniformen gönzlich beseitigen. Eine andere Frage, die ich hier stellen möchte, auf die ich die Antwort allerdings schon weiß, ist die, ob in dem neuen, für den Monat März angekündigten vereinfachten Exerzierreglement der gegenwärtige Parademarsch beibehalten werden"soll. Ich erinnere daran, daß er nach Ansicht aller Physiologen und Aerzte so Vernunft- widrig wie nur denkbar ist. Ich selbst bin ja nie Soldat gewesen. fHeiterkeit rechts) aber wenn man zufällig einmal zusieht, wie plötzlich, wenn ein Offizier an einein kleinen Trupp vorübergeht, der vielleicht die Wache ablösen soll, die Soldaten mit aller denkbaren Wucht auf das Pflaster hauen, daß es dröhnt, so machen diese Menschen, die an allen Fasern ihres Körpers beben, doch eineil recht lächerlichen Eindruck. (Große Unruhe recht?. Sehr wahr! links.) Wenn der Marsch natür- lich ausgeführt würde, entsprechend der ganzen Körperkonstitntion des Menschen, so würde man den Soldaten ein großes Maß von Zeit, Kraft, Mühe und Mißhandlungen aller Art ersparen. Jw habe mich Ivirklich sehr gefreut, als der oberste Kriegsherr im Mai vorigen Jahres in Straßburg   eine Rede hielt, die gelautet haben soll:Meine Herren, der Parademarsch meines Regiments war nicht gerade berühmt, aber ich habe beide Augen zugedrückt, weil man mit dem Parademarsch den Feind nicht schlägt.(Sehr wahr! bei den Sozialdemokraten.) Das haben die Japaner gezeigt, die zwar keinen Parademarsch machen, aber tüchtig marschieren und kämpfen können".(Heilerkeit.) Das ist ja mal eine ganz außerordentlich vernünftige Ansicht(Stürniische Heiterkeit), die genau mit dem über- einstimmt, was ich schon seit Jahrzehnten gesagt habe.(Anhaltende Heiterkeit.) Nach einem Monat freilich las man es in einem Erlaß an das 2. und 3. Garderegiment schon wieder ganz anders. Ich bedaure lebhaft, daß an der maßgebendsten militärischen Stelle in so kurzer Zeit ein so starker Wechsel der Anschauungen eintritt. (Heiterkeit.) Die Duellfrage hätte ich heute kaum in meine Erörterungen einbezogen, wenn nicht die voraufgegangene Debatte mir dazu Än- laß gegeben hätte. Herr Spahn hatte von seiner Anfrage die Ne- giening wohl vorher informiert,(Sehr wahr! bei den Sozial demokraten) sonst wäre wohl die Antwort nicht so rasch und prompt erfolgt. Ich gestehe ganz offen: wenn LtwaS im höchsten Maße unbefriedigend war und unbefriedigend sein mußte, so war es die heutige Erklärung des Kriegsministers.(Sehr wahr! bei den Sozialdemokraten.) Die Erklärung des Reichskanzlers voin 20. Januar konnte in keinerWeisc durch eine weitere Erklärung irgendwie abgeändert oder abgeschwächt werden.(Lebhafte Zustimmung bei den Sozialdemokraten.) Ich verstehe ja, daß gerade der Abg. Spahn ein lebhaftes Bedürfnis nach einer solchen Abschivächiuig hatte. Er weiß ja am besten, welch außerordentlich unangenehmen Eindruck die Er klärung des Reichskanzlers im ganzen Lande erweckt hat. Ihm, als einem der höchsten Richter der preußischen Monarchie, mußte der außerordentlich peinliche Eindruck klar werden, den es machte, als der erste Beamte des' Reiches klipp und klar erklärte, da? Duell fei zwar verboten und verstoße gegen göttliches und menschliches Gesetz, aber solange weite Kreise es für ein Mittel zur Wiederherstellung ihrer Ehre ansehen, könne das Offizierkorps kein Mitglied dulden, das nicht bereit sei, mit der Waffe für seine Ehre einzutreten. (Sehr wahr! rechts, Unruhe und Hört I hört I bei den Sozial- demokraten.) Ihre(nach rechts) Zustimmnngsrufe sind wenigstens offen und ehrlich. Aber das Duell steht im Wider- sprach mit unseren Gesetzen, die der erste Beamte Deutsch- lands zu wahren hat.(Vielfaches Bravo! bei den Sozial- demokraten.) Statt dessen hat sich der Reichskanzler vor Deutschland  und der ganzen Welt in den offenbarsten Widerspruch mit dem deutschen Strafgesetz gestellt.(Unruhe rechts.) Ja, Gesetz ist Gesetz, und auch Ihrhöherer Ehrbegriff" gibt Ihnen nicht das Recht, es zu brechen.(Lebhafter Beifall bei den Sozialdemokraten.) An dieser Tatsache, daß der Reichskanzler eine gesetzwidrige Handlung empfohlen hat, können auch die heutigen Schlußivorte des KriegS- ministerS nichts ändern. Der Offizier muß sich dem Duell- zwang unterwerfen oder er erhält glatt seinen Abschied. Gelten in unseremchristlichen Staat" christliche Gesetze, so darf unter keinen Umständen jemand auf eigene Faust die Grundsätze des Christentums verletzen. Trotzdem verkündigt der Vertreter der Staatsgeivalt hier die Lehre, daß höher als alle Staatsgesetze und dS alle religiösen Ueberzengungen der falsche Ehrbegriff stehe. Das bleibt an dem Reichskanzler haften, er mag machen, was er will. (Lebhafte Zustimmung bei den Sozialdemokraten.) Er hat in einer Erklärung in feierlichster Weise sich mit allen bestehenden Gesetzen des Staates, der Moral und der Sittlichkeit in Widerspruch ge- setzt und zum Ungehorsam gegen das Strafgesetz aufgefordert, ohne daß er bisher dafür zur Verantwortung gezogen worden ist. Die Wirkung eines derartigen Vorkommnisses können Sie daraus sehen, daß wenige Tage später in Dresden   bei einem Prozeß zwischen Schwiegervater und Schwiegersohn, einem Studenten, der Vorsitzende Landgerichtsdirektor erklärte, er begreife es nicht, toie angesichts einer so schweren Beleidigung er als Student seinen Schwiegervater nicht zum Duell gefordert hätte!!(Vielfaches Hört! hört! und Große Heiterkeit links.) Wenn ein Richter, der zur Anwendung des Gesetzes berufen ist, in dieser Weise seine Verwunderung äußert, so ist dos eine Demoralisation unserer öffentlichen Zustände, wie ich sie mir schlimmer gar nicht vorstellen kann.(Lebhaftes Sehr wahr! links.) Aber freilich, ein großer Teil unserer Richter sind Reserveoffiziere. Nun wird ja keiner nach seiner Stellung zum Duell gefragt, man läßt es auf die Probe ankommen, aber wer diese Probe nicht be- steht, fliegt als Reserveoffizier und wahrscheinlich auch sehr bald als Richter. Es steht im schroffsten Widerspruch mit einer vernünftigen Staatsordnung, wenn Männer, die eidlich verpflichtet sind, das Recht zu wahren, es auf der anderen Seite bei dieser Gelegenheit über- treten müssen.(Lebhafte Zustimmung bei den Sozialdemokraten.) Seit geraumer Zeit gehen durch die Presse, namentlich auch der rechtsstehenden Parteien, Nachrichten darüber, daß zu einem wichtigen Familienereignis des preußischen Königshauses 10 Millionen Mark gesammelt und dem obersten Kriegsherren übergeben worden sind, damit man hülfsbedürftigen Offizieren unter die Arme greifen könne. Wenn der Staat oder das Reich an seine Beamte, an seine Offiziere, an alle diejenigen Männer, die im Reichs- und Staats- dienst stehen, Gehälter zahlt, so ist eine selbstverständliche Annahme. daß diese Gehälter auch den Leistungen der betreffenden Personen entsprechen und ausreichend sind, ihnen eine ihrer sozialen Stellung entsprechende Lebenshaltung zu ermöglichen. Nun ist es für uns tatsächlich wichtig, zu erfahren, ob eine Anzahl reicher Börsenherren in der Mehrzahl jüdischen Stammes(Heiterkeit) zehn Millionen Mark für notleidende Offiziere zmammengebracht haben und dafür geadelt worden find.(Unruhe rechts.) Aus uns hat ja die Lehre, wie man bei uns den Adel bekommt, sehr erheiternd gewirkt.(Heiterkeit.) Weite Kreise hatten noch immer geglaubt, der Adel sei die Krönung besonderer Verdienste, und sehen jetzt, daß dieBarone  ",Grafen  ", undFürsten  " jetzt dutzendweise getauft werden.(Große Heiterkeit und Sehr gut! links.) Der Nimbus, der dem Adel angehaftet hat, wird dadurch in höchst erfreulicher Weise zerstört. Nun treiben aber schon weite Kreise der Armee schon jetzt eine große Verschwendung. Gerade durch das neue kapitalistische Element, das jetzt in die Offizierswclt eingeführt worden ist, wird ein Ausivand getrieben, der vielen Offizieren, die keinen großen Zuschuß haben, das standes  - gemäße Mitmachen unmöglich macht. Das verdient unsere jorgfältioste Beachtung. Gerade der oberste Kriegsherr hat allerdings stet? bor   Verschwendung gewamst Vomehmlich hat mir da eine Rede gefallen, die ER wiederum in Straßbnrg gehalten haben soll:Die japanischen Offiziere haben sich äußerst tüchtig gezeigt, auch der japanische Adel hat sich voll bewährt. Das russische Offizierskorps dagegen hat völlig versagt. Mein Sohn hat mir erzählt, daß sie während des Feldzuges allen Champagner auf- gekaust hätten. An solche Dinge sollte der Soldat nicht denken." Da möchte ich wohl wissen, wieviel Sekt alle Tage in der preußisch- deutschen Armee verzehrt wird.(Große Heiterkeit links.) Jedenfalls sollte mit der äußeisten Schärfe gegen die vielen kostspieligen Geschenke in der Armee eingeschritlen werden, die alljährlich gemacht werden, und es sollten die teuren Liebesmahle nicht nur eingeschränkt, sondern gänzlich beseitigt werden. Ein ausländisches großes Blatt veröffentlichte jüngst ein Interview mit einem hochgestelllcn Japaner, der als ersten Grund für den Sieg der Japaner die Tüchtigkeit des Offizierkorps angab, das fast durchweg aus ärmlichen Verhältnissen, aus sehr einfachen Land- familien stamme.(Hört! hört! links.) Auch in dieser Richtung. gegen die Einfachheit der Lebensführung, wird in der deutschen Armee vielfach gesündigt. lieber die Verwendung des nun ge- sammelten Zehnmillionensonds fehlt dem Parlament jede Möglich- keit der Kontrolle. In der Kolonialverwaltung sind Gelder. die auf ähnliche Weise gesammelt waren, so verwendet worden, daß wohl kein Reichstags- Abgeordneter damit einverstanden ist. Wer gibt uns die Garantie, daß eS mit diesem gewaltigen Fonds nicht ebenso geht, daß dieser Fonds nicht allmählich eine Art Korruptionsfonds wird.(Sehr gut! bei den Sozialdemokraten.) Es widerspricht allen parlamentarischen Grund- säyen. daß man der Verwaltung für als notwendig anerkannte Zwecke Mittel zur Verfügung stellt, über die sie nach eigenem Er- messen und Gutdünken, ohne jede Kontrolle verfügen kann. Das muß zu sehr bedenklichen Konsequenzen führen.(Sehr wahr! bei den Sozialdemokraten.) Man munkelt in Berlin  schon jetzt allerlei über verschiedene Zwecke, zu denen jene Börscnherren herausgeholt werden sollen, daß sie für diese und jene Orden und Titel diese und jene Summe zahle» sollte».(Hört! hört! links.) Von den Militärmißhandlungen will ich heute keine größere Anzahl von Fällen zur Erörterung stellen. Das Versprechen, das der jetzige Kricgsminister bei seinem ersten Auftreten hier im Hause abgab: die Mißhandlungen aus der Armee herauszubringen, hat sich leider erst in sehrgeringem Maßeerfüllt. (Sehr richtig! bei den Sozialdemokraten.) Ich erkemie sehr gern an, daß der gegenwärtige Kriegsminister mit ganzer Seele bestrebt ist, die Mißhandlungen aus der Armee herauszuschaffen. Aber gerade die Tatsache, daß die ersten Autoritäten in der Armee wit Jahrzehnten bemüht sind, die Mißhandlungen zu be- seitigr» und daß es trotzallcdem nicht möglich gewesen ist, beweist denn doch, wie außerordentlich tief eingewurzelt dieie Mißhandlungen sind und daß doch andere Gründe vorliegen müssen, als die, welche der Herr Kriegsminister anführte. Der Herr Kricgsminister hat den Schäfer als ein ganz verlumptes Subjekt hingestellt. Zugegeben, daß er es war, aber eS ist auch festgestellt, daß er eng gebaut, zum Reiten schlecht veranlagt war und an Lungenblutungen litt.(Hört! hört! bei den Sozialdemo- kraten.) Die können doch nicht künstlich herbeigeführt oder auf seine rohe Natur zurückzuführen sein! Der Herr Kriegsminister hat als Zeugen für sich den Offizier angeführt, der in diesem Falle die Verteidigung geführt hat. Da muß ich doch nach den vorliegenden Zeitungsberichten die Art der Verteidigung dieses Herrn es ist ein Graf v. Gersdorff etwas näher charakteri­sieren. Er führte auS, daß Schäfer ein schlapper Soldat mit mangelndem Ehrgefühl sei und beantragte, ihn nicht zu vereidigen. Das Gericht beschloß trotzdem die Vereidigung. Dann sagte der Verteidiger: Schäfer ist der einzig Schuldige, er habe die Waffe auf sich gerichtet, um sich selbst zu verstümmeln. In seinem Regiment sei es schon viermal passiert, daß Leute angeblich Selbstmordversuche gemacht hätten. Hätte man den ersten Mamr gleich wegen Selbst­verstümmelung vor ein Kriegsgericht gestellt, so wäre dieser Fall vermieden worden!(Hört! hört!) Daß Schäfer eng gebaut sei, sei Unsinn, er hätte nur gut Kommißbrot essen sollen, dann wäre er schon dick geworden.(Hört! hört! bei den Sozialdemokraten.) Die beantragte Strafe sei unerhört und darauf zurückzuführen, daß im Kriegsgericht der 3. Division eine furchtbare Antipathie gegen die Unteroffiziere und Gefreiten bestehe. Diese Ausführungen veranlaßten den Gerichtsvorsitzenden, den Offizier zur Ordnung zu rufen. Dann sagte er. das Militär sei keine höhere Töchterschule genau wie heute der Kriegsminister die Kürassiere seien alle stramme BengelS, denen es nicht schade, wenn ihnen einmal um die Ohren geschlagen werde.(Hört! hört!) Eine solche Verteidigung ist denn doch etwas Unerhörtes! Wie sollen die Offiziere die Reden gegen die Mißhandlungen ernst nehmen, wenn ein Oberleutnant vor dem Militärgericht solche Ausführungen machen darf. All' daS, was der Herr Kriegsminister zur Erklärung der Fälle angeführt hat, trifft doch z. B. aus den einen besonders rohen Fall, den Herr Müller anführte und auf den ich mit Rücksicht auf die Tribünenbesucher nicht ausführlich eingehen will, nicht zu. Ich habe hier einen ähnlichen Fall: Der Unter- offizier ließ die Soldaten in einer kalte» Nacht eine halbe Stunde auf der Treppe stehen, er ließ ihnen keine Zeit zum Mittagessen usw. Solche Roheiten kommen bei den Uuterofffzieren sehr häufig vor. Meines Erachtens sollte ein solcher Unteroffizier auf jeden Zall ohne weiteres aus der Armee ausgestoßen werden. Wenn wir einmal zu einer Aenderung der Milirär-Strafprozeßordiumg kommen und wenn eS nicht möglich sein sollte, die Strafen, die auf Widersetzlichkeit gegen Vorgesetzte stehen, herabzusetzen, dann ist es notwendig, daß die Strafen für Mißhandlungen um so mehr in die Höhe gesetzt werden. Im vorigen Jahre wurde gegen zwei Soldaten, Pauer und Brockmann, die am letzten Tage als sie glaubten, sie wären schon frei von der Militäriustiz, sich einen Rausch antranken und im Zustande totaler Betrunkenheit Widersetzlichkeiten begingen, ein ungeheuerliches Urteil ausgesprochen: Trotzdem daS Gerichtmildernde Umstände" annahm, erkannte es gegen Pauer auf 7 Jahre 3 Monate, gegen Brockmann auf 6 Jahre 3 Monate.  (Hört I hört! links.) DaS ist doch ungeheuerlich! Der Leutnant Haupt wurde für univürdig erklärt, der württem­bergischen Annee anzugehören. Aber dann wurde er wieder ein- gestellt, und zwar in einem preußischen Regiment l Warum tut man daS? Warum, wenn er unschuldig war, kam er nicht wieder in sein Regiment zurück? Vor einigen Jahren passierte schon einmal ein ähnlicher Fall mit einem bayerischen Offizier. In Preußen nimmt man solche disqualifizierten Offiziere ruhig wieder auf. Welchen Eindruck muß das auf die ganze Armee machen? So groß kann der Mangel an Offizieren doch noch nicht sein, daß man Leure, die unwürdig sind, wieder aufnimmt! Ich muß anff einen Fall zurückkommen, der in der General- debatte zum Etat schon eine Rolle gespielt hatte. Es wurde da von einem nationalliberalen Redner gesagt, man könne aus einem Artikel derMünchener Post" sehen, wie die Sozialdemokratie zur Armee stände: denn in diesem Artikel würden die Mann- schaffen der Armee mit Schweinen verglichen. Ich will dem Abgeordneten die Meinung nicht übel nehmen, die durch falsche Preßberichte, die absichtlich entstellt sein mögen, zu- stände gekommen sein mag. Ich halte eS aber für dringend notwendig, diesen Fall hier richtig zu stellen, damit er uns später nicht etwa wieder vorgehalten wird. Der Artikel besprach die deutsche Marokkopolitik und die daraus entstehende Kriegsgefahr lind erläuterte, daß, wenn diesseits und jenseits der Vogefen die Mobil- machungsorder erlassen würde, der deutsche Reichstag   überhaupt gar nicht gefragt würde. ES wurde die Tatsache kritisiert, daß der Reichstag   zwar die Mittel für den Krieg bewilligen muß. aber wegen der Kriegserklärung mit keinem Worte(je- fragt würde. ES sei ein Skandal, daß auf diese Manier der lvehrhafte Teil des deutschen Volkes zur Schlachtbank geschleppt würde. Und es hieß dann weiter: In gewisser Hinsicht hat es der Soldat noch schlechter als das Schlachtvieh. Das Schwein hat auch kein eigenes Recht, aber es hat wenigstens den Vorteil, daß es fem Schicksal nicht bormiS weiß. Die Männer, die in den Krieg geschleppt werden, willen aber, was ihnen bevorsteht. Ein solcher Krieg wegen seiner Majestät deS Sultans von Marokko   wäre aber unmöglich, wenn der deutsche Reichstag dabei gefragt würde. Weiterhin hieß es in dem Artikel: Auch der roheste Mensch würde einem Schwein nicht eine schwere Verletzung beibringen und eS dann langsam verschmachten lassen. Im Kriege aber verschmachten Tansende von Menschen in Wassergräben, in Abort- gruben und im Sonnenbrande. Könnte ein Schwein denken, so würde es immer noch tröstlicher über sein Schicksal denken als die deutschen Soldaten, die wegen Marokkos   in den Krieg geschleppt würden. DaS ist der Artikel.(Zuruf rechts: Schlümn genug! Geschmacklos!) Ob er geschmackvoll ist, darüber will ich mit Ihnen nicht streiten. Aber daß die deutschen Soldaten durch diesen Artikel hätten beleidigt sein ninssen, das ist nicht wahr? denn in diesem Artikel werden doch die Zustände, ans welche ein solcher Vergleich aiizuwenden ist. bedauert und bekämpft.(Sehr richtig! bei den Sozialdemokraten.) Als Beweis für die Scheußlichkeit und Verrohung durch den Krieg kann ich auch auf ein Urteil hinweisen, welches auf das Ver- halten der deutschen Soldaten während des internationalen Feld- zuges in China   ein grelles Licht wirft. Ich habe schon einmal hier im Hause auf die Plünderungen, auf die Schändungen, Mordtaten aller Art hingewiesen, die von Deutschen   dort begangen wurden. Diese Ausführungen haben damals im Hause die lebhaftesten Kontroversen hervorgerufen. Der Kriegsminister hat damals alles bestritten. Gegen denVorwärts", der einen Artikel darüber gebracht hatte, wurde Klage erhoben. Als aber der Redakteur Schmidt- Berlin den Wahrheils- beweis anbot, lehnte das Gericht diesen ab und verurteilte den Redakteur wegen formaler Beleidigung der Armee zu sechs Monaten Gefängnis.(Hört! hört! bei den Sozialdemokraten.) Als unser Genosse Kunert am 16. Mai 1S03 in seinem Wahlkreise ebenfalls Aeußernngen über jene Vorgänge gemacht hatte und auch gegen ihn geklagt wurde, erklärte er sich gleichfalls bereit, den Wahrheits« beweis anzutreten, insofern er zwar nicht die ganzen Truppen, wohl aber einen Bruchteil beschuldigt harte. Auch hier wollte das Gericht den Wahrheitsbeweis ab- schneiden, aber es gelang der Verteidigung, fünfzehn Zeugen aus ganz Deutschland  , und zwar Leute, die nicht unserer Parrei an- gehören, aufzubriugen. und aus deren Aussagen ging die Wahrheit der Kunertschen Behauptungen hervor. Zwar wurde Kunert auf Grund des ß 185 wegen formaler Beleidigung zu drei Monaten Gefängnis verurteilt. Wären aber die Tatsachen, die Kunert behauptet hatte, nicht wahr gewesen, so wäre die Bestrafung viel härter ausgefallen. Der Wahrheitsbeweis dafür, daß ein Teil der deutschen Truppen in China   Mordtaten und Schändungen begangen hat, ist also erbracht. Ich begnüge mich damit, daS an dieser Stelle festzustellen.(Bravo  ! bei den Sozialdemokraten.) Ich habe schon häufiger darauf hingewiesen, daß Leute, die keiner religiösen Gemeinschaft angehören, in der Armee durch den Einfluß ihrer Vorgesetzten dazu gebracht werden, in eine Kirche ein- zutreten. DaS ist' aber unerlaubt. Die Armee ist eine paritätische Anstalt.(Sehr richtig! links.) Als am 23. Januar hier die Jnter- pellation Slfichel eingebracht worden war, erklärte der Kriegs- minister, ein Eingriff in das religiöse Leben sei in keiner Weise be- absichtigt. Wenn nun aber ein Dissident, sagen wir Atheist, zum Militär kommt, so dringen Militäraeistliche und vorgesetzte Offiziere ans ihn ein und bedenlen ihm. es tei nötig, einer bestimmten Kon- feffion beizutreten. Sie werden zugeben, daß ein großer moralischer Mut dazu gehört, wenn jemand in solchen Fälle» fest bei seiner Ueberzeugung bleibt. In Hamburg  , beim 56. Jnfanterie-Regiment, sind in den Jahren 1001 1903 eine ganze Reihe von Fällen vor« gekommen, in denen Soldaten, die entweder nicht getauft oder die verheiratet, aber nicht kirchlich getraut waren, veranlaßt wurden, nach- träglich sich taufen oder trauen zu lassen. Nur 3 Mann widerstanden. Dem einen davon erklärte der Pfarrer bei der Eiitlassung: Ihre Seele ist ja doch dem Teufel verfallen!(Große Heiterkeit links.) In dem Bericht einer evangelischen Kirchenbehörde wird mit Genug­tuung darauf hingewiesen, welche großen Erfolge die evangelische Kirche bei den Soldaten habe. Beispielsweise hätten 136 verheiratete Mannschaften sich nachträglich kirchlich trauen lassen.(Hört! hört! bei den Sozialdemokraten.) Es heißt dann in dem Bericht, diese Erfolge wären zum großen Teil dem Entgegenkommen der Herren Offiziere zu danken,(Hört! hört! links.) Nun frage ich den Herrn Kriegsminisler: Wie will er diese Beeinflnsiung mit seiner Erklärung am Tage der Interpellation Stychel in Einklang bringen? Nicht nur katholische. nicht nur polnische Mannschaften sind dagegen zu schützen, daß man sie zwingt, zu einem Gottesdienste zu gehe», den sie nicht wollen! Die Soldaten dürfen nicht durch moralischen Zwang veranlaßt werden, Schritte zu tun, die sie nach ihrer Entlassung wieder be- reuen müssen. Ich weiß es ja, daß man keinen Offizier duldet, der nicht kirchlich getraut ist, keinen Offizier, der seine Kinder nicht taufen läßt. Aber das mögen die Offiziere mit sich selber ausmachen, ich kann eS ja begreifen, daß sie in ihrer Lebensstellung sich manches gefallen lassen, was ein freier Mann sich nicht gefallen ließe. Für den einfachen Soldaten aber bedeutet der Dienst nur einen vorübergehenden Zustand. Eine Armee, die ihren paritätischen Charakter leugnet, muß sich noch mißliebiger bei denen mache», die schon an und für sich ihren Institutionen nicht günstig gesinnt sind.(Sehr richtig! bei den«Sozialdemokraten.) Ich muß dann noch aus einen anderen Punkt eingehen. Wir haben eine Statistik bekommen, aus der zu ersehen ist, wo die Soldaten geboren sind und welchem Berufe sie angehört haben, als sie in die Armee eintraten. Der Zweck der Statistik war, fest- zustellen, in welchem Verhältnis Land- und Jndustriebevölkerung gegenwärtig in der Armee vertreten sind. Nach der Statistik sind im Jahre 1003 endgültig abgefertigt 403 403 Mann, davon find auf dem Lande gebore», aber nicht landwirtschaftlich beschäftigt 166 840, da- von wurden eingestellt und waren überzäblig 05 800" 71,41 Proz. In der Stadt geboren und nicht landwirtschaftlich beschäftigt waren 177 728, davon eingestellt und überzählig 02 029 51,78 Proz. Das macht eine Differenz von nahezu 10 Proz. zugunsten der auf dem Lande Geborenen. Von den 493 403 endgültig Abgefertigten sind auf dem Lande geboren und landwirtschaftlich beschäftigt 131034 gewesen, davon eingestellt und überzählig 75 075 57,59 Proz. In der Stadt geboren und landwirtschaftlich beschäftigt find 16 982. davon eingestellt und überzählig 9547 56,22 Proz. Daraus geht die Tatsache hervor, daß die Leute, die in der Stadt geboren werden. wenn sie auch nachher in landwirtschaftliche Bezirke übergehen, doch bereits gegenüber den anderen minderwertig sind. Diese Zahlen beweisen, daß das Geboren- und Erzogenwerden auf dem Laude erheblick gesünder ist als das Aufwachsen in der Stadt. Dabei. hat die soziale Revolution, die sich im Laufe der Jahrzehnte vollzog, dahin geführt, daß das Verhältnis der von der Land- Wirtschaft lebenden Bevölkerung im Vergleich zu der Ge- famtheit der übrigen Erwerbszweige sich bedeutend ver- mindert hat. Ferner werden die Verhältnisse in den großen Städten immer ungesunder, die physische Leistungsfähigkeit der Arbeiterbevölkerung in ihnen geht immer mehr zurück. Unter diesen Umständen ist eS die erste Pflicht gerade des deutschen und preußi- schen Kriegsministers, alles aufzubieten, um da ein energisches Fort  - schreiten der sozialen Reform herbeizuführen. ES gibt keinen, der so sehr dabei interessiert ist, daß eine ernsthafte Sozialreform in Deutsch  - land durchgefiihrt wird, wie gerade der Kriegsminisler.(Sehr richtig! rechts und links.) Wenn die Verhältnisse in dieser Weise fortschreiten, dann mutz eine ganz gewaltige Schwächung der physischen Kraft der Nation und auch der militärischen Macht die Folge sein.(Sehr richtig!) Der KriegSimnister ist sich dieser seiner Aufgabe vielleicht bis zu diesem Augenblick noch nicht bewußt.(Heiterkeit.) Vor allem sollte er darauf hinwirken, daß wir bald den zehnstündigen Maximalarbeitstag, in drei Jahren den neunstündigen und in fünf bis sechs Jahren den achtstündigen bekommen, dann ist er unser Mann.(Große Heiterkeit.) Es war mir ganz intereffant, daß neulich im bayerischen Landrage ein ZeiitrumSmitglied, Herr Heim, darauf aufmerksam machte, daß er der physischen Entioickelung der Landbevölkerung in Bayern   mit großer Unruhe entgegensehe, weil durch die Entwickelung der länd- Uchen Molkereigenossenschaften den Kindern die Milch, das