Beltmlitett, als das dänische Vieh auszusperren.»Denn wirkönnen den Fleischverbrauch ja doch nicht decken.und die hohen Fleischpreise, mit denen wir natürlich sehr zufriedensind, würden nicht sinken, selbst wenn die dänische Grenze geöffnetwerden würde. Dazu kommt, daß auf der Südseite derGrenze manche Agrarier direkt interessiert sind aneinem erleichterten Zugang mageren dänischenViehes. Und schließlich wäre es ja willkommen, eine Gelegenheit zu er-halten, den Städten zu zeigen, daß die Agrarier nicht so despotischund unumgänglich sind, wie man sagt. Es geht uns Agrariern wieso vielen, wir find in Wirklichkeit viel besser als unser Ruf. Ja,wenn die Verhältnisse sich ändern und Deutsch-land einmal wirklich in die Lage kommen sollte,sich selber mit Fleisch zu versorgen, so würdendie Agrarier natürlich einen anderen Stand-Punkt einnehmen; aber wie die Dinge vorläufig stehen, wirdman in uns keine prinzipiellen Gegner finden, wenn Dänemark indiesem Punkte mit Deutschland reden will/Die Ansicht, die in diesem Gespräch Graf Könitz äußerte, wider-spricht direkt den bisherigen Versicherungen der Agrarier im Reichs-tage und in der Presse, und doch ist Graf Kanitz kein Schwätzer vonder Qualität der Liebermann, Hahn und Konsorten, sondern einMensch, der wirklich volkswirtschaftliche Kenntnisse besitzt. Solltensich die gelehrigen Schüler Pods auch in diesem Punkt dessen Taktikund Moral angeeignet haben? Bekanntlich behauptete im vorigenJahre Herr v. Podbielski auf dem denkwürdigen Kaiserhof-Diner, invier bis fünf Wochen würden die Schweinepreise unfehlbar sinken,obgleich er nach seiner eigenen späteren Aussage vom Gegenteil überzeugt war.—Zollschrmive.Die Erhöhung de? deutschen Zolltarifes hat zur Folge, daß eineuropäisches Land nach dem anderen dem hehren Beispiel deroffiziellen deutschen Wirtschaftspolitik folgt und ebenfalls feine Zoll-fätze hinaufschraubt. Nachdem die meisten Länder sich bereits alsgelehrige Schüler der deutschen Zollpolitik gezeigt haben, hat nunauch Spanien sich ein neues verbessertes„Rüstzeug" zugelegt. Wieder Handelsvertragsverein schreibt, trägt der Entwurf des neuenspanischen Zolltarifs einen extrem schutzzöllnerischen Charakter, derfür manche deutsche Erportbranchen die schlimmsten Erwartungenübertrifft. Spanien hat eben nach berühmtem Muster für die bevor-stehenden Vertragsverhandlungen einen sogenannten Verhandlungs-tarif aufgestellt, obwohl doch schon der bisherige Tarif gerade genugdes Schutzes bot. Auf keinen Fall wird Spanien ohne ganz erheb-liche Zollermäßigungen daran denken können, zum Abschluß vongünstigen Handelsverträgen zu kommen. Der neue Tarif soll be-reits am 1. Juli in Kraft treten und bis zu diesem Termine müßteauch mit Deutschland ein Handelsvertrag abgcschlofien sein, daunser Meistbegünstigungsabkommen vom Jahre 1899 mit dem 1. Juliabläuft. Die Frist ist also sehr kurz bemessen und es wird, meintder HandelSvertragsverein, die Aufgabe der deutschen Regierung sein,möglichst bald in Unterhandlungen einzutreten, mit denen man jaabsichtlich bis zur Fertigstellung deS spanischen Tarifs gewartethat.... Ucberall tritt in dem neuen Tarifentwurf das Bestrebenzutage, mit Gewalt neue Industrien, besonders Verfeinerung«- undVerarbeitungsindustrien zu entwickeln. Deshalb sind die Zölle aufRohstoffe, zum Teil auch auf Halbfabrikate durchweg herabgesetzt,jedenfalls nicht erhöht, dagegen die Zölle auf Fcrtigfabrilate vielfachauf eine prohibitive Höhe gebracht.Die Mahnung deS Handelsvertragsvereins zur Eile ist rechtgut gemeint: doch glauben wir kaum, daß bis zum 1. Jnli ein neuerdeutsch-spanischer Handelsvertrag zu stände kommt. Die deutscheRegierung findet es in ihrer Weisheit vorteilhafter mit Handels-Provisorien zu wirtschaften. Wir haben schon ein Provisorium mitEngland und den Vereinigten Staaten von Amerika; weshalb solltenwir nicht auch mit Spanien ein solches abschließen?—Der Flottenverci» teilt renommierend mit, daß seine Gesamt-mltgliederzahl am 31. März d. I. 951 822 betragen habe. Seit dem1. Januar bis zum 31. März dieses Jahres seien allein 83 000 neueMitglieder aufgenommen worden. Die Mitteilungen des Flotten-Vereins fügen hinzu, daß die Tatsache höchst bemerkenswert sei, daßdie außerordentlich große Zunahme der Mitglieder hauptsächlichinnerhalb d e S Zeitraumes stattgefunden habe, in welchem derFlottenverein für einen rascheren Ausbau der Flotteals bis jetzt gesetzlich festgelegt sei, eingetteten sei. Das Organ deSFlottenvereins will damit also sagen, daß in breiten Massen desVolkes die Auffassung verbreitet sei, daß die Flottenbauten in weitrascherem Tempo erfolgen müßten.Wenn es auch bekannt ist, daß sich unter den Mitglieder� deSFlottenvereins eine ganze Anzahl von Beamten usw. befindet, diemehr oder minder unfreiwillig beigetreten sind, so hieße es doch denKopf in den Sand stecken, wollte man die Werbetätigkeit des Flotten-Vereins und seinen Einfluß auf unsere Marinepolitik unterschätzen.Daß in weiten Kreisen des Bürgertums gegenwärtig eine ivahrewerden. sAnhaltende stürmische Heiterkeit.) Meine Herren I DieSache fängt nämlich deshalb an langweilig zu werden, weil dieAntragsteller und die Beschließer sich die Behandlung ihrer Beschlüsse,wie sie seitens des Bundesrats bisher beliebt worden, ganz ruhiggefallen ließen sHeiterkeit) und sich beständig damit begnügen, neueAnträge gleicher Art zu stellen. Jedes andere Parlament und auchjede andere Regierung würde es für selbstverständlich halten, daßden Abgeordneten des Volkes Diäten zu gewähren sind.Die Diätenlosigkeit, wie sie jetzt aber zur deutschen Reichs-eigentümlichkeit gehört, richtet sich vornehmlich gegen die Armen.Indessen haben diese, hat die Partei des Proletariats, hat diesozialdemokratische Partei bewiesen, daß sie sich durch die Diäten-losigkeit nicht irre inachen läßt; sie hat Abgeordnete inS Parlamentgeschickt und sie wird trotz der Diätenlosigkeit auch fernerhin solchedahin senden.Aber, meine Herren, es herrscht andererseits ein großer Uebel-stand, der eine Folge der Diätenlosigkeit ist, und das ist der, daßm der Regel Beamte ins Parlament geschickt werden. MeineHerren, ich will hier niemand beleidigen, ich will mich auch nichtgegen die Beamten, die hier im Hause sitzen,kehren, aber, meine Herren, ich spreche die Ansicht aus, ich sage,eS ist meine Ueberzeugung, daß in einen« Parlament, wo die Mehrheitder Mitglieder aus Beamten besteht, daß in einem Parlament, wo fastlauter Juristen sitzen, immer Gesetze gemacht werden, die mehr fürJuristen als für das Volk passen, und ich bin überzeugt, daß ineinem Parlamente, wo Diäten eingeführt sind, weniger Beamte undweniger Juristen Platz greifen können.(Heiterkeit, Unruhe und Wider-spruch.) Nun, meine Herren, im übrigen, wenn Sie so fortmachenund beständig diesen Antrag auf Diätenbewilligung wiederholen,dann werden Sie eS ja noch erleben, daß der Bundesrat Ihnen eineAbschlagszahlung macht. Er hat ja bereits die Eisenbahnkarten be-willigt(Hört! Hort I links) und da hat der B u n d c s r a t eine ganzsozialistische Anwandlung gehabt. Er hat nicht dieReisekosten bewilligt für den einzelnen Mann, sondern er hat dieKosten zum beliebigen Benutzen jedem gegeben, je nach den indivi-duellen Bedürfnissen. Vielleicht erleben Sie, daß zwar der Bundes-rat nach wie vor keine Diäten bewilligt, daß er aber am Ende eineParlnmentarierkaserne bauen läßt. Das wäre auch so eine An-Wandlung, wie man sie dem Bundesrat zutrauen darf, da er dochmit den, Kasernenwesen sehr befreundet ist. Im übrigen, meineHerren, werden die Sozialdemokraten diesmal gegen diesenAntrag stimmen, weil sie wissen, daß der Reichstag bisher nieFlottenschwärmerei grassiert, ist sicherlich in erster Linie der maßlosenAgitatton des Flottenvereins zuzuschreiben. Auch die neueste Nummerder Mitteilungen des Flottcnvereins macht wiederum lebhaftesteStimmung für einen rascheren Ausbau der deutschen Kriegs-flotte. Angesichts des bisherigen Erfolges dieser Agitation und derdurch die Marokkoaffäre zutage getretenen völligen IsolierungDeutschlands ist es denn auch nur zu wahrscheinlich, daß der Flotten-Novelle, die ja schon heute vom Flottenverein als gänzlich unzuläng-lich bezeichnet wird, spätestens in einigen Jahren eine neueFlottenvorlage folgen wird lDiese gewalttge agitatorische Tätigkeit der Flottenapostel, eineTätigkeit von wahrhaft gemeingefährlichem Charakter, sollte auch dieArbeiterklasse zu immer energischerem Widerstand anfeuern I—Das Heer als Stätte christlicher Gesinnung.Einen Kommentar zu vorstehender Ueberschrift ergibt eine Be-schwerde der evangelischen Kirchenbehörde in Durlach. Sie ist anden Kommandeur des dortigen Trainbataillons gerichtet und vom23. Februar 1903 datiert. Sie lautet:Während des gestrigen Vormittagsgottcsdicnstes in der evangelischen Stadtkirche benahmen sich einige jüngere Offiziere desdiesigen Bataillons derartig, daß verschiedene GemeindemitgliedcrAnstoß daran nahmen und in ihrer Andacht vollständig gestörtwaren. Nicht allein, daß sie sich während der Predigt miteinanderunterhielten, sondern auch während des Eingangs- und Schluß-gebetes konnten sie nicht ruhig sein.Ganz toll trieb es der Offizier vom Kirchendienst,welcher nicht nur fortwährend sprach, sondern auch noch in d erKirche sein Frühstück verzehrte und dem Kanzelrednerden Rücken zukehrte, während ein anderer einenThealerzettel vom Hoftheater herum zeigte.Was müssen die Soldaten ftir eine Ansicht über ihre Vor-gesetzten bekommen, wenn sie solchem Benehmen zusehen?Es wäre vom Herrn Bataillonskommandeur angebracht, solcheHerren, die in der Kirche nichts anderes zu tun wissen, alsAergerniS zu erregen, vom Besuche derselben zu befreien oderdafür zu sorgen, daß sich derartige Fälle nicht wiederholen.Wenn das Wort Wilhelms II., daß nur ein guter Christ einguter Soldat sein kann, Gültigkeit hätte, ließen sich aus dem ge-schilderten Vorkommnis wenig günsttge Schlüsse für das deutscheHeer ziehen.—_Wcltpostkongreß. In Rom wird morgen der sechste Weltpost-kongreß eröffnet. Als Vertreter Deutschlands werden an dem Post-kongreß teilnehmen der Staatssekretär deS Reichspostamts Kraetke,der Ministerialdirektor Gieseke und der Geheime Oberposttat Knof.Als„functionairs attacM" wird sie der Postinspektor im Reichs-Postamt Schenk begleiten. Die wichttgsten Verhandlungspunkte bildenein Antrag Japans, der dahin geht, das Briefporto im Weltpost-berkehr auf 10 Centimes herabzusetzen, während Australien das Portovon 25 auf 20 Centimes ermäßigt wissen will. Ein anderer Antragvon allgemeinem Interesse fordert: die Gebühren für internationalePostanweisungen einheitlich auf'/z V. H. zu ermäßigen, währendjetzt bei Beträgen bis 100 Fr. 1 v. H. erhoben wird. Das Meist-gewicht der Postpakete im internattonalen Berkehr soll ferner von5 auf 10 Kilogramm erhöht und für Wertbriefe die Bersicherungs-gebühr nach Sätzen von 500 statt 300 Fr. festgesetzt werden.DaS bayerische gegen das preußische Zentrum.Eine lebhafte Preßfehde ist zwischen dem„BayerischenCourier" und der„Kölnischen Volkszeitung" aus-gebrochen. Das rheinische Zentrumsblatt hatte sich die Freiheit ge-nommcn, dem bayerischen Zentrum den Rat zu erteilen, sich imVerkehr mit der Regierung eines liebenswürdigeren Tones zubefleißigen. Der„Bayerische Courier", das Blatt des AbgeordnetenDr. Heim, weist diesen Rat brüsk zurück. Das bayerischeZentrum gehöre nicht zu jenen Leuten, die für einige verbindlicheWorte oder kleine Sondergeschenke gleich in„gouvernemen-tale Verzückungen" fielen. Es sei auch keineswegs derMeinung, daß man einem Minister unbedingt angenehmes sagenmüsse. Die„Kölnische Volkszeitung" werde am besten tun, sich inbayerische Verhältnisse, von denen sie doch nichts verstehe, nichteinzumischen.„Spahn iaden" zögen in Bayern nicht ISo derb diese Abfertigung immer sein mag, so sehr überschätztdie liberale Presse die Bedeutung dieser Preßfehde, wenn siemeint, daß es nach Ostern in der R e i ch S t a g s f r a k t i o n desZentrums zu recht unangenehmen Auseinandersetzungen kommenwerde, da dann nach Einführung der Diäten das bayerischeZentrum in größerer Zahl im Reichstage erscheinen werde. Dieguten Bayern werden gar nicht daran denken, durch bajuvarischeParlamentssitten die bekannten Beziehungen zu gefährden, die dasZentrum zur preußischen und Reichsregierung unterhält. Nament-lich da das Zentrum in dem eifrigen Herrn Erzberger bereits einenRenommieropponenten besitzt, der die demagogischen Bedürfnisse derKaplanspresse bereits mehr als ausreichend befriedigt.—Landtagscrsatzwahl in Hägen-Schwelm. Bei der Landtags-ersatzwahl für Arnsberg 4(Hagen-Schwelm) wurden nach amtlicherErmittelung von den 353 abgegebenen Stimmen für den Kandidatender freisinnigen Volkspartei, Genosseuschaftsanwalt Dr. HanSCrüger-Charlottenburg, 430, und für den nationalliberalcn Kan-didaten. Professor Moldenhauer-Köln, 192 Stimmen abgegeben.Ersterer ist somit gewählt.—_Zurechnungsfähig?Der Musketier Paul Tepper vom 75. Infanterieregiment inStade wurde am 29. Januar dieses Jahres vom Kriegsgericht der17. Division tvegen einer langen Reihe militärischer Vergehen undwegen Falschmünzerei, die er nach eigenen Angaben betriebenhaben will, zu zwei Jahren und neun Monaten Zuchthaus, fünfTagen Haft, Entfernung aus dem Heere und Stellung unter Polizei-aufsicht verurteilt. Während der Angeklagte sich bei dem Urteilbruhigte, legte der Gerichtsherr zugunsten des Tepper Berufungein, mit der sich am Donnerstag das Oberkriegsgericht des 9. Armee-korpS zu befassen hatte.Der Angeklagte will von den älteren Soldaten fortgesetztschlecht behandelt worden sein, weshalb er im September 1905, als alleBeschwerden, so behauptet er, nichts fruchteten, seinen Säbel zogund damit einen seiner Widersacher, der ihn stets— Tepper istSpreeathener— mit„Berliner Großschnauze" titulierte, schwer ver-letzte. Er flüchtete nun nach Berlin, wo er Mitglied einer Falsch-münzerbande geworden sein will. Am 24. November wurde er beiVerausgabung von Falsifikaten abgefaßt und darauf seinem Truppen-teile zugeführt. Unterwegs warf er eine goldene Uhr nebst Kettesowie Schmuckgegenstände aus dem Eisenbahnzuge. Im StaderArresthause angelangt, brach er nach wenigen Tagen aus, indem ereine Wand durchstemmte. Er reiste nach Hamburg, wo er am3. Dezember infolge Denunziatton eines„Freundes" festgenommenwurde. Ein abermaliger Fluchtversuch mißglückte.Wie in der vorigen Verhandlung behauptet der Angeklagte auchvor diesem Gericht, Silbergeld in großen Mengen angefertigt undverausgabt zu haben; seine Komplizen wolle er nicht nennen, dochsei er bereit, das Gericht in die Geheimnisse der Falschmünzerei ein-zuweihen, falls die Oeffentlichkeit ausgeschlossen würde. Das Gerichtlehnt dies ab. Der Angeklagte bleibt bei feiner Behauptung, durchschlechte Behandlung vonseiten seiner Kameraden und zurückgewieseneBeschwerden zur Desertion gezwungen und auf die Verbrecherlauf-bahn geraten zu sein. Er verlangt keine Ermäßigung der Strafe, diezu erhöhen er aber in das Ermessen des Gerichts stellt. Der Ver-treter der Anklage, OberkriegSgerichtSrat Dr. Mödler, beantragt dieVerwerfung der Berufung des Gerichtshcrrn, da nach seinem Dafür-halten der Angeklagte außer den militärischen Verbrechen und Ver-gehen auch Falschmünzerei getrieben habe. Das Gericht schließtsich dieser Ansicht an und bestättgt daS Urteil der Vorinstanz.Mit lautem Lachen nimmt der von zwei Schwerbewaffneten be-gleitete Angeklagte das Urteil entgegen.—imstande war. die Diäten durchzusetzen, und weil sie imvorhinein schon überzeugt sind, daß der Bundesrat den Antragund den Beschluß, den Sie fassen werden, zu den übrigen derarttgcnBeschlüssen in den Papierkorb wirft; und ähnliches lassen wir Sozial-demokraten uns nicht gefallen.(Gelächter.) Ob Sie nun darüberlachen mögen oder nicht, darauf kommt eS nicht an. Die sozial-demokratischen Abgeordneten, die in der nächsten Legislaturperiodewieder das Hans betreten, werden, wenn der Diätenanttag in derersten Session wiederkehrt, zwar dafür stimmen—(Heiterkeit) umzu sehen, nicht wie der Bundesrat sich demgegenüber verhält,—denn der wird sich dazu genau so verhalten wie bisher— sondernum zu sehen, was der Reichstag dazu sagt. Meine Herren, ein Reichs-tag, der sich nicht so behandeln lassen will, wie dieser Reichstag bishervom Bundesrat sich hat behandeln lassen, ein solcher Reichstag—Präsident: Ich rufe den Redner wegen dieser letzten Aeußerunghiermit zur Ordnung!Abg. Most: Nun, daS kann ich nicht ändern. Ich bin aberüberzeugt, meine Herren, daß sich Reichstage denken lassen.die ganz einfach mit dem Bundesrat in ähnlicher Weise sprechen,wie derselbe mit dem Reichstage zu sprechen beliebt.— daß sievielleicht sagen, wenn der Bundesrat unsere Beschlüsse nicht akzep-ttert, nun gut: so weisen wir seine Vorlagen auch zurück undbewilligen ihm vor allen Dingen keine Gelder für die Ausgaben, dieer zu machen gedenkt. Meine Herren, wir stimmen also diesmalgegen den Diätenantrag und wir machen es wie Schmerling: wirkönnen warten, so sehr auch die Diätenlosigkeit sich gerade gegenuns kehrt. Wir sind nämlich überzeugt, daß früher oder später denndoch einmal ein gesetzgebender Körper zustande kommen dürfte, derjene Leute, die sich das Sprechen von Volkörechten verbitten,beseitigt.»»»Damit war Mösts Rede beendet. Weder Beifalls- noch Ord-nungSruf„brachten sie zur Strecke", auch folgte kein Redner mehr,der Antrag wurde in erster und dann debattelos in zweiter Lesungangenommen. Aber die Art, wie er diese Rede später in der Zeitdes Sozialistengesetzes, da es in Deutschland keine Parteipresse gab,die solche Darstellung widerlegen konnte, gegen„die parlamentarische"Sozialdemokratie ausspielte, ist geradezu ein Stück Momentaufnahmeans jenen Kämpfen, wie er sie führte.Heute wirkt sie wie eine heitere Episode— damals war's einvergifteter Pfeil gegen Liebknecht und die ParteilNeuer Gouverneur in Dcutschostafrika. Der bisherige Gouver-neuer von Deutschostafrika, Graf Goetzen, wird nicht wieder insein Amt zurückkehren. Als sein Nachfolger wurde der jetzigeGeneralkonsul in Genua, Dr. Jrmer, genannt. Diese Annahmesoll jedoch nach der„Münchener Allgemeinen Zeitung" eine halt-lose Kombination sein. Nach einer Meldung der„Täglichen Rund»schau" soll der Generalkonsul in Moskau. Freiherr von Rechen-berg, für den Posten in Aussicht genommen sein.Hueland.Ungarn.Zu Kreuze gekrochen.Wie eine Depesche des Wiener K. K. Telegr.-Korrcsp.-BurcauSvon gestern(Freitag) meldet, ist in den Verhandlungen zwischenFejervary und den Führern der Koalition in allen Punkten volleEinigung erzielt worden I Dr. Weierle wird bereits am Sonnabendin Audienz erscheinen, um seine Ernennung zum Ministerpräsidentenentgegenzunehmen und dann das schwierige Werk der Kabinetts-bildung zu beginnen.Also die Koalition ist— wie vorauszusehen war— kläglich zuKreuze gekrochen. Sie läßt sich in plötzlich erwachter Genügsamkeitmit dem Zugeständnis eines einzigen Ministerportefeuilles abspeisen.Auch die Ausschaltung der heiklen Armeefragen aus der Debatteläßt sich die tapfer zurückweichende Großniaul-Koalition ohne weiteresgefallen.Die alte Erfahrung mit den schrecklich bellenden Kötern, dienicht beißen, hat sich wieder einmal bestätigt. UebrigenS ist eshöchste Zeit, daß Ungarn wieder in ruhige Bahnen gelangt; dennunter den bisherigen Zuständen stieg die anmaßende Frechheit unddreiste Begehrlichkeit gewisser Interessengruppen ins ungeheuerliche.So hatte z. B. der„Landesverband ungarischer Landwirte" dieUnverschämtheit, der von ihm selber doch für illegal erklärtenRegierung mit folgenden Forderungen zu koinmen:1. Die Staatsanwälte sind anzuweisen, daß die hetzerischeArbeiterpresse streng kontrolliert werde.2. Arbeitervcrsammlungen sind im Sommer Überhaupt zu ver-bieten.3. Die Regierung hat für eine„Arbeiterreserve"(Streikbrecher I) zu sorgen.4. Im Falle eines Streiks soll daS Militär zu Erntearbeiteuherangezogen werden.5. Die Aufwiegler und Agitatoren sind im Berwaltungswegestteng zu kontrollieren.3. Diejenigen Arbeitervereine, welche zum Stteik aufreizen.müssen aufgelöst werden.Dieser Mischmasch-Jnternattonale genügt eS offenbar nochnicht, daß fast jede Woche zirka 5000 Menschen auswandernmüssen, weil sie sonst zu Hause verhungern ivürden.Wie die Dinge in Ungarn sich unter der regen Aufmerksamkeitdes erwachenden Proletariats zuletzt entwickelt haben, darf man esals selbstverständlich erachten, daß daS neue Kabinett— seineZusammensetzung möge nun mehr oder minder nach dem Geschmackder besiegten Koalition ausfallen— sich hüten wird, durch Konzessionenan das' dreiste agrarische Scharfmachertum sich die Gunst desarbeitenden Volkes zu verscherzen. Der ungarischen Regierungbleibt, wenn sie nicht blind ins Verderben stürzen will, nur einMittel übrig: dem Volke endlich das allgemeine Wahlrecht zugeben.—Frankreich.Die Ausgestaltung der„Hnmanitö".Zu der unter der Rubrik„Ans der Partei" mitgeteilten Er-Weiterung des Redaktionsstabes unseres französischen BruderblatteSteilt unser Pariser Berichterstatter folgendes mit:Das derzeit einzige sozialistische Tageblatt von Paris, die„Humanitü", hatte in den ersten Jahren des Bestehens schwereHindernisse zu überwinden. Der Pariser aller Klassen liebt dieschivere Kost in der Zeitung nicht, und die mit außerordentlichem Geschickund mit noch außerordentlicherer Reklame in die Welt gesetztenBoulevardblätter machen einem Blatt, das seine Finanzen nicht auSunlauteren Quellen speisen will, die Existenz sehr schwer. Boreinigen Monaten war die„Humanits" sogar genöttgt, einen großenTeil ihrer Redakteure zu entlassen und mit einem RedaktionS-personal zu arbeiten, das die ihm zugeteilten Aufgabennur mit der rücksichtslosesten Selbstaufopferung� zu be-wältigen vermochte. Mit um so größerer Befriedigung liestman heute in einem Artikel James, daß die schwerstenHindernisse deS Fortbestandes des Blattes behoben sind. Die„Humanitä" hat sogar einen stattlichen Stab von neuen regel-mäßigen Mitarbeitern gewonnen, darunter Alle mane, Bracke.Dubreuilh, Lasargue, Sembat, Vaillant.Diese Ergänzung der Redaktion ist zugleich eine Kundgebungder nunmehr vollständigen Einigkeit der Partei. Fast alle neuenMitarbeiter gehörten ehemals der„Parti Socialifte de France", denNevolutionär-Sozialisten an. Hosscntlich wird die Wahlbewegung,in der daS Blatt der Partei große Dienste zu leisten berufen ist.auch seine materielle Situation soweit bessern helfen, daß die Parteidem Plan nähertreten darf es in ihr Eigentum zu übernehmen.—