it. 83. 23. Ishtsttg. t SnlM Ks Fsmärls" Snlim ZlalkÄM Zovntag. 8. April lW6. Wirtschaftlicher Wochenbericht. Berlin , 7. April 1906. Gefahren fflt die Volkswirtschaft! Die Arbeiter lesen auch Zeitungen, sie wissen, was die Unternehmer verdienen. Das dürfen Tie nicht der- gessen; halten Sie Frieden mit Ihren Arbeitern und lassen Sie sie Anteil nehmen an den steigenden Ertrag- nisten l In diesem Sinne sprach Wilhelm II. vor IS Jahren zu den stolzen rheinisch-westfälischen Grubenherren Er appellierte gewister- maßen an ihre Klugheit. Mit wenig Erfolg l In den letzten Jahren brachten_ die industriellen Unternehmen stelgende, meist glänzende Erträgniste. Abgesehen von wenig schwer ins Gewicht fallenden Ausnahmen, ist aber das Lohnniveau in den letzten Fahren relativ gesunken. Die Kauslrast des Geldes ist zurückgegangen, besonders durch die exzeptionelle Verteuerung vieler Lebensmittel. Für den Berliner Markt ergeben sich für den Jahresdurchschnitt 1904. lSOS und Januar 1906, setzt man die DurchschniNspretse von 1869—1893 gleich 100, folgende Verhältniszahlen: o SS a <& 85 a >& w e •a es B S a S =1 © 1904 91,8 100,8 91,9 114,9 94,0 127,1 122,7 108,1 1905 102,7 101,1 98,1 120,1 122,9 134,6 184,1 111,8 Jan. 1906 114,9 105,5 110,6 120,7 138,0 144,7 144,7 111,1 Mit den Steigerungen, die in diesen Ziffern zum Ausdruck kommen, haben die Löhne nicht Schritt gehalten. In welcher Weise die Verteuerung der Lebensmittel die HaushaltnngsbudgetS belastet, veranschaulichen die Berechnungen deS.ArdeitSmarkt" über den Kostenaufwand für Ernährung, gemessen an den Berpflegungsrationen deS deutschen Marinesoldaten. Bei Zugrundelegung dieser Rationen ergaben sich nach den Marktpreisen in Berlin , Chemnitz , Danzig , Dresden . Leipzig , München und Stuttgart bei einer Familie von vier Köpfen folgende Kosten für Ernährung: pro Woche pro Jahr 1900... 20.44 M. 1062,88 M. 1901... 20.56. 1069.12, 1902... 20.72, 1077,44. 1903... 21.15. 1099,80. 1904... 21.29, 1106.93, 1905... 21.98. 1142.96. I» 1906 gegen 1900 80,08 M. st) -s-l,ö4 Als» um 80 M. ist die Belastung des Haushaltes allein durch Verteuerung der Lebensmittel im Jahre 1905 gegen 1900 gestiegen. Die Steigerung der Preise hat im Jahre 1906 noch weiter ange» halten und ist für viele Artikel jetzt noch nicht zum Stillstand ge« kommen. Run sind aber die Löhne seit 1900 nicht nur nicht in der- selben Weife gesttegen, in manchen Berufen ist in 1905 nicht einmal der Statu« von 1900 wieder erreicht, wie z. B. teilweise im Bergbau. Allerding« ist für 1905 die JahreSlohnsumme der Ruhrgriibenleute durch den vorjährigen Ausstand beeinttächtigt, eS darf aber auch nicht vergeflen werden, dah die Bergarbeiter den Schichtenausfall später durch zahlreiches Ueberzeitarbeiten fast wieder ausgeglichen 5 oben. Die Bewegung der JahreSlöhne veranschaulicht diese Zu- ammenstellung: Stitnkohlenbergbaa: in 1905 Revier« Niederschlesien . Oberschlesien .. Saarbrücken .. Aachen .... Dortmund ... Branuk»hl«a Man«feld.,, Stegen-Nastau. Aehnliche verhältniste ergeben sich in anderen Industrien. Greisen wir auS der Textilindustrie die verhältnismäßig in dieser Berufsgruppe am höchsten entlohnten Arbeiter im Barmer Bezirk heraus. Hter ist der JahreSdurchschnittSlohn in 1905 auf 961 M. gestiegen gegen 920 M. im Jahre 1900 und 984 M. im Jahre 1902. Nach den Zusammenstellungen der Rh.-W. Hütten- und Walzwerk- berufSgenossenschast war für die Versicherten der JahreSlohn in 1904 gegen 1900 um rund 12 M. gesttegen. Da die BerufSgenostcn- fchaften bis 1901 die wirtlich verdienten Löhne nicht nachwiesen, die Lohnnachwetse für 1905 noch nicht vorliegen, lasten fich allgemeine Vergleiche leider noch nicht aufstellen. Kein Zweifel, im allgemeinen ist die Kauskrast der Arbeiter in den letzten Iahren zurückgegangen. Darin liegt eine graste volkS- wirtschaftliche Gefahr. Je mehr die Preise anziehen, ein um so gröberer Bettag mutz vom Einkommen für die Ernährung auf« gebraucht werden! die für sonstige Zwecke, speziell für Wohnungsmiete und Gebrauchsgegenstände zur Verfügung stehende Summe ichmilzt zusammen. Das ist schon unter normalen Verhältnissen gefährlich. Die Konsumverschlechierung wirkt beschleunigend auf den Zustand hin, den die bürgerliche Nationalökonomie als lleberproduktion be- zeichnet. Solcher Krisis treibt man mit noch forcierterer Eile unter der Wirkung der neuen Handelsverträge zu, wenn die Kaufkraft der Arbeiter nicht erheblich verbessert wird. Neben dem Faktor der NahrungSmiitelverteuerung fördert unter den obwaltenden Umständen noch ein anderer die Balanceverschiebung zwischen Produktion und Konsum; eS ist die erhöhte Absatznotwendigkeit aus dem Jnnenmarkt. In den letzten Monaten ist die'Einfuhr stark gestiegen. In der Hauptsache kommt neben Getreide Rohmaterial für verschiedene Industrien in Betracht. Je schneller diese Produtte verarbeitet und in den Konsum überführt werden, in desto grösterem'Matze wird der Zweck erreicht, die niedrigen vor dem 1. März 1906 in Kraft befindlichen Zölle auszunutzen. Die starke Exporttätigkeit hat auf längere Zeit die Ansprüche deS Auslands« martteS befriedigt, hinzu tritt infolge Erhöhung der ausländischen Einfuhrzölle die Erschwerung deS Exportes m vielen Artikeln. So konimen viele Faktoren zusanimen, die auf eine Beschleunigung der Krise hinwirken. Das Hereinbrechen derselben kann hinausgeschoben, die Schwächung ihrer Intensität kann erzielt werden durch Kräftigung der Konsunikraft, durch Lohnsteigerung I Und Miniatursteigeruugen können da nicht viel nutzen; die Löhne müssen allgemein ziemlich erheblich anziehen. Es gibt ja immer noch Optimisten. Idie unerschütterlich sind in dem Glauben, die gesteigerte Konsumkraft der .Landwirtschaft' werde die industrielle Produktion und den Konsum in Balance halten. Als ob die paar hunderttausend Grundbesitzer, die von den höheren Zöllen Borteil haben, die geschwächte Konsum- kraft des überwiegend grotzen Teiles der Bevölkerung ausgleichen könnten I Die neuen Handelsverträge schädigen unsere Bolls- Wirtschaft ohne Zweifel, sie haben unbestritten eine Steigerung der Selbstkosten in der industriellen Produktion zur Folge. Ganz richttg sagt die Handelskammer in Barmen:.Der Lebensnttttelver- brauch im Jnlande ist verteuert, die Kosten der Jndusttieprodultion sind deshalb erhöht, dem Absatz sind keine neuen Wege geöffnet, im Gegenteil, alte Absatzgebiete sind für immer verschlossen worden.' Diesem Schaden steht ein volkswirtschaftlicher Nutzen nicht gegenüber. irgendwelche Werte werden durch Zölle und die neuen Verträge nicht geschaffen. Vorteile erlangt lediglich der Bruchteil einer Berufs- gruvpe; eS sind da« die Grotzgruudbesiyer. Diesen Vorteilen stehen aber größere Nachteile gegenüber. Diese Nachteile können wie bemerkt in | ihrer wetteren Folge für unsere Volkswirtschaft nur durch entsprechende 1 Lohnsteigerungen gemildert werden. In verschiedenen Kommunal» 'Verwaltungen, gegenüber Staatsbeamten usw., ist die Notwendigkeit der Einkommensverbesterung ja auch längst anerkannt oder den Anträgen auf Gewährung von Teuerungszulagen wird zugestimmt. Was aber für den durchgängig viel höher besoldeten Beamten als gerecht erscheint, ist auch für die große Masse der Konsumenten unbedingt notwendig. Bei den schlechtgelohntesten Arbeitern ist der wirtichastliche Druck der Lebensmittelverteuerung am stärkst-n. Den Bestrebungen der Arbeiter setzt nun aber das Untenrehmertum, fast immer ermuntert und aufgepeitscht von der Scharfinocherclique, Widerstand entgegen. Trotzdem werden ja die gut organisierten Arbeiter, wenn vielleicht auch erst nach harten Kämpfen, Lohnverbesierungen durchsetzen. Recht bettübend sind aber die Verhältnisse für die große Schar der ungelernten, noch weniger organisierten und kampffähigen Arbeiter. Die Lohnaufbesserungen, die die Facharbeiter seit den Rückschlägen nach 1900 durchsetzen konnten, sind an den Hülfsarbcitern fast spur- los vorübergegangen. Den Nichtsacharbeiter trifft die volle Wucht der allgemeinen Preissteigerungen. Die Unternehmer, die sich den Lohnforderungen entgegenstemmen. vertreten in kurzsichtiger Weise nur die handgretflichen GegenwariS- inleresien, sie sehen nicht in die Zukunft, sonst müßten sie erkennen. daß jede Lohnerhöhung die Präziston deS MarkttegulatorS steigert, den Konjunkturrückschlag zurückhält. DaS kommt tu letzter Linie den Unternehmern selbst wieder zugute. Sie können für einige Zeit wohl ihre Profitrate erhöhen, aber das beschleunigt die Krise, die ihnen eine Periode reduzietter Gewinne bringt. Und der rosenrote Vorhang der intensiven, industriellen Tätigkeit, der bisher den Ausblick auf den Hinlergrund verhinderte, gehl nun langsam in die Höhe. Es sind keine allzu erfreulichen Bilder, die das«uge wahrnimmt. Abflauen der Beschäftigung, Klage über Erschwerung des Exporte«, das Ausbleiben von Spezifikationen, Ab- schlietzungen des Auslandes gegen deutsche Jndustriearttkel, da« kündigt sich alles schon mehr oder minder scharf an. Weitere Konsum- scbivächung fördert die Konjunkturabflauung. Dem Stteben der Arbeiter höhere Löhne zu erzielen, mutz man deshalb schon darum Erfolg wünschen, weil durch solche Erfolge die Krisenwirkuugen ab- geschwächt werden. Feindlich stellt fich da aber neben Kurzsichtigkeit scharfmacherische Autokratie in den Weg. Ohne das Eingreifen der Scharfmacherclique würde die Regelung der Arbeitsverhältnisse zum Segen der deutschen Volkswittschaft viel ruhiger und unter weniger Erschütterungen sich vollziehen, als es jetzt leider der Fall ist. In den Stteit zwischen Braunkohlen- arbeiter und Grubenherren greifen die Scharfmacher hetzerisch ein. sie hintertreiben friedliche Vereinbarungen in der Metall- und in der Texttlindustrte, überall dienen sie dem Unfrieden. Da zeigt sich die ganze Gemeingefährlichkeit der scharfmacherischen Clique. Mit ihrer Hülfe konnten die Agrarier der weiterverarbeitenden Industrie und der Gesamtheit als Konsumenten den neuen schwere Opfer erheischenden Zolltarif aufpacken, nun hetzt und schürt dieselbe Clique gegen den sozialen Frieden, sie bietet alle Macht aus, um Veränderungen auf dem WirttchastSinarkt zu hinter- treiben, die geeignet sind, die Schäden, die sie der deutschen Volks« Wirtschaft durch ihre Schntzzollpolittk geschlagen haben, etwa» zu mildern. WaS kümmert die grotzindiistrtellcn Dividendengeier und Hcrrschgewaltigen die VolkSwohlfahtt I Ihre Divivise ist: Nach uns die Sündflut l_ D. Huö der partei. Zum Tode Heinrich Meisters teilt ein engerer BerufSgenoffe in der Parteipreffe noch mit: Seinen näheren Freunden kam der Tod de« allen Kameraden nicht überraschend, denn eine Herzverfettung hatte sein Leben schon mehrfach in Gefahr gebracht. Gelang eS in früheren Fällen der ärztlichen Kunst, unseren Genoffen am Leben zu erhalten, so versagte sie doch diesmal. Ein Zufall machte in diesen Tagen den ärztlichen Rat, sich vor allen Auftegungen zu hüten, zu- nichte: wie seine Freunde im Reichstag erfahren haben, wurde er in einer der letzten Nächte in Berlin plötzlich um 3 Uhr durch ein dringendes Telegramm aus dem Schlafe geweckt; er vermutete, von seiner Familie eine schlimme Nachricht zu erhalten; als er die Depesche entfaltete, enthielt sie eine auf die Zigarettensteuer Bezug nehmende ganz gleichgültige Nachricht auS Interessentenkreisen. Diese plötzliche Störung in der Nacht hat das Leiden unseres Genossen derart verschliinmert. daß er nach Hause reisen und ärztliche Hülfe in Anspruch nehmen mutzte, leider umsonst. Die junge Garde. Die erste Nummer de?„Organ» de» Ver- bandcs junger Arbeiter Deutschlands ' ist erschienen. Der Ein- führungSartikel sagt: Die sozialistische Jugendbewegung ist im Marsch, und keiner wird sie mehr aufhalten können. Auch bei unS schließen sich die Reihen. Die Gründung deS„Verbandes junger Arbeiter Deutsch- landS' ist ein großer Schritt dem Ziel entgegen, das wir uns gesteckt haben: Erziehung furchtloser Mitstreiter für daS Arbeitsheer der Zukunft. Unsere Organisation hat kommen müssen,— sie ist ein not- wendiges Produkt der politischen EntWickelung. Mit den bürger- lichen Jugendvereinen darf man uns nicht vergleichen. Wir haben ganz ander? gerichtete Zwecke und Entstehungsursachen. Die Jungliberalen wollten und wollen dem altersschwachen national- liberalen Parteikörper neucS Blut zuführen, Mitglieder gewinnen, wir aber wollen die dichten Scharen, die in jugendlicher Be- geisterung der roten Fahne folgen, au» instinktiven zu bewußten Anhängern deS KlaffenkampfeS machen. Die Erfahrung hat be- wiesen, daß die alten Vereine diese Aufgabe nicht mehr erfüllen können. DaS ist kein Vorwurf, sondern eine Konstaticrung von Tat- fachen, die jeder sehen muß. der will. Die praktischen Aufgaben sind in ungeahnter Weise gewachsen. Die Agitation für die Preffe und für die zahlreichen Wahlen nimmt die besten Kräfte in Anspruch. So ist es gekommen, daß der„alten Garde' an vielen Orten nicht mehr gelungen ist. den Nachwuchs sich zu assimilieren und mit dem Geist zu erfüllen, der unsere Bewegung stark gemacht hat. Diese Lücke wäre leicht auszufüllen, wenn die Gewißheit vorhanden wäre. daß die proletarische Familie auf den Arbeiter politisch erzieherisch einwirke. Aber wie gering ist noch die Zahl der Mütter, die sozialistisch empfinden! Und wte groß ist die Reihe der Frauen, die unter dem Einfluß des Pfarrers stehen und ihre Söhne nach geistlicher Weisung lenken wollen! Deshalb mutzten wir eingreifen, und der Erfolg, den unsere Bestrebungen bis heute schon gefunden haben, gibt un? die Gewißheit, daß wir auf dem rechten Wege sind. Die Jugend der Partei wird zur Erreichung ihrer Ziele die gleichen Mittel anwenden, wie die Partei in ihrer Jugend. Wir werden Vorträge aus den Gebieten der Geschichte, der Volkswirt- schaft und Naturwiffenschaft hören. Wir werden die Ereignisse de« TageS zu betrachten suchen im Spiegel der Geschichtsanschauung, d'ie unS von Marx und Engels überkommen ist. Wir werden Dis- kussionSabende veranstalten, in denen wir selbständig zu reden und zu denken lernen wollen, und für einen Verband der Jugend versteht eS sich von selbst, daß wir Kameradschaft und Geselligkeit unter unS pflegen müssen. Dabei werden wir versuchen, ein verkanntes Geschöpf wieder zu Ehren zu bringen: DaS freie Arbeiterlied. Nicht den wohlgeschulten VereinSchor. der bei den Parteifesten gehört wird, sondern den undisziplinierten Massengesang, dessen revolu- tionierende Kraft unsere ausländischen Genossen besser als wir zu würdigen wissen. Um dieses Streben zu vereinheitlichen, planmäßig zu gestalten und die an einzelnen Orten gemachten Erfahrungen zu sammeln. haben wir die„Junge Garde' geschaffen. Für die„Arbeitende Jugend', das Organ unserer im wesent- lichen gewerkschaftliche Ziele verfolgenden Berliner Freussde, bleibt Arbeit genug, und wir werden allezeit gute Nachbarschaft zu halten wissen. Auch mit unseren Kampfgenossen in Belgien und Oester- reich werden wir in ständiger Fühlung bleiben und durch regel- mäßige Berichte über den Stand der Jugendbewegung in diesen Ländern unterrichten. Wir hoffen, daß nicht bloß die Jungen, sondern auch manche „Alten' zu unserem Blatte greifen werden. Wie oft kommen be- währte Parteigenossen in Verlegenheit, wenn ein Anfänger sie um Anleitung zu geeigneter Lektüre oder um Material für einen Vor- trag bittet! Wie mancher erprobte Kämpe weih sich nicht zu helfen, wenn er gefragt wird, wie die Bibliothek beschaffen sein soll, die sich für junge Genossen eignet. Auf alle diese Fragen werden wir die Antwort suchen müssen. Und so lassen wir denn unser Schifflein frohen Mute? vom Stapel. Die Segel sind geschwellt von frischer Hoffnung. ES wird die Ufer, die in blauer Ferne Ivinken, erreichen. Glück auf den Weg! 4* « Wir begrüßen selbstverständlich die Gründung deS Verbandes junger Arbeiter und feine? Organs mit großer Freude. Doch ist zu bemerken, daß der Verband sein Arbeitsgebiet nicht über ganz Deutschland wird ausdehnen können, da in den meisten nord- deutschen Vaterländern den jugendlichen Personen die Beteiligung an politischen Vereinen verboten ist. Ob eS nun angebracht war, in jenem vor einiger Zeit von uns veröffentlichen Aufruf aufzu- fordern, dort, wo keine Vereine gegründet werden dürfen, Einzel- Mitglieder zu werben, erscheint uns angesichts deS Bestehens un- politischer Jugendorganisalionen, die in dem Blatte«Arbeitende Jugend' auch ein Organ geschaffen haben, fraglich. Zu einem Sieg auf der ganzen Linie hat der S a a lb o yk o tt der BreSlauer Genossen geführt. Am Freitag hoben die letzten boykottietten Saalbesitzer kapituliert. Elf Wochen hat der Boykott gedauett. die Polizei hat seinen Erfolg vergeblich zu verhindern gesucht, soviel komischen Eifer sie auch aufgewendet bat. Die Bres- lauer Arbeiterschaft hat allen Anlaß, auf den glänzeno durchgeführten Feldzug stolz zu sein. Zum 1. Mai. Die Leipziger Polizei hat die Genehmigung zu einem für die Maifeier geplanten Frsizuge au« dem Stadtinnern nach dem Festplatze Stötteritz versagt, weil ein solcher Festzug eine sozial- demokratische Demonstration darstelle. Die Dachdecker zu Kassel beschlossen einstimmig Arbeitsruhe. Genaffe Wilh. Schröder geht nicht nach Chemnitz . Unsere gestrige Mtteilung, daß er dort zum Redakteur gewählt sei. ist richtigzu- stellen. Jbm ist zwar die Stellung angeboten worden, doch hat er sie in Rücksicht auf ein krankes Famitieninitglied ablehnen müssen. Eine neue sozialdemokratische Ministerkandidatur in der Schweiz . AuS Bern schreibt unS unser Korrespondent: Im Kanton Bern finden im nächsten ivkonat nach der kürzlich in der Volksabstimmung beschlossenen VolkSwahl die Neuwahlen der Regierungsräte statt. Die sozialdemokratische Partei deS KantonS Bern hat mm beschlossen, einen von den 7 RegierungSratS- fesseln für sich zu beanspruchen und als Kattdidattn den G e n osse n Müller, Gemeinderat silitogistratSrat) in Bern , früher Sekretär deS eidgenössischen Eisenbahndepartement», aufzustellen. Nach ihrer Stimmenzatt ist unsere Partei vollauf berechtigt, einen Regierui'gS- ratssitz in Anspruch zu nehmen. Müller ist ei" tiger Genosse. ein bewährter, tüch- Wichtige« und Unwichtiges. Der vom fchwcizersschen Bunde?- rat.gemaßregelte Postangcstellte Genosse Gobbi in Lugano ist von der organisietten Arbeiterschaft deS KantonS Tefsin zum kantonalen Arbeitersekretär gewählt worden. Leider ließen dt« beiden Ver- treter der Arbeiterschaft im Nationalrat die Gelegenheit unbenutzt vorübergehen, den Bundesrat wegen feiner brutalen Gewalttat zur Rede zu stellen. Dagegen beteiligte sich der eine davon an der Interpellation wegen der bundesrätlichen Anordnung, an der auf allgemeine Unkosten in Lausanne anläßlich der Eröffnung der Simplonbahn veranstalteten großen Schmauserei in Frack und mit weißer Krawatte zu erscheinen. Die Vertretung der schweizerischen Arbeiterschaft im Nationalrat ist eben nicht nur quantitativ, sondern auch qualitativ vermindett worden. Die Budapester„BolkSstinune" hört von jetzt ab auf, eine Beilage der ungarisch geschriebenem„NepSsava" zu sein, sie er- scheint als ein vollkommen selbständiges, auf eigenen Füßen stehendes Blatt. Nahezu drei Jahrzehnte lang waren beide Blätter vereinigt. Di« jetzige Trennung ist keine freiwillige, sondern es hat die königliche Kurie die Entscheidung gefällt, daß für die „Volksstimme', als wöchentliche Beilage des Tageblattes„NepS- fava', ein« be>ondere Kaution von 11 000.Kronen zu erlegen fei. In Ungarn muß für jede Zeitung tint Kaution von 21 000 Kronen hinterlegt werden. Die französische Sozialdemokratie vor bru Wahlen. Unsere Bruderpartei tn Frankreich hat für die Kammerwahlen bis jetzt 860 Kandidaten aufgestellt. Auch in den schwarzen Bezirken der Bretagne nimmt sie den Kantpf auf. polirelllche». OcHchtHchc» uN*. Die Hallesch« Polizei liefert feine Arbeit. AuS Halle a. S. wird uns vom Freitag berichtet: In zwei Gerichtssälen quälten sich gestern Richter mit dem„Material' herum, das von der pflichteifrigen Polizei am 14. und 21. Januar gegen die Sozialdemokratie zusammengetragen war. In dem einen Saale wurde verhandelt gegen 48 Flugb.lattverteUer, die am 14. Ja- nuar durch die Verbreitung de» WahlrechtSflugblattS den Sonntag entheiligt, bczw. eine öffentlich bemerkbare Arbeit verrichtet haben sollten. ES waren nicht weniger denn 40 Polizisten als Zeugen geladen. DaS Resultat war die Freisprechung aller 48 Angeklagten mit der Begründung, die Verbreitung von Flugblättern sei, besonder» für junge, kräftige Leute, keine Arbeit. In einem noch viel schönerem Lichte erschien die Polizei in der Verhandlung wider den Steinträger Küstcnbrück. Der Mann wollte am LI. Januar, als die Polizei in ihrer nervösen Gereiztheit den Markt abgesperrt hatte, von der Löwenapotheke Arznei für seine kranke Tochter holen. Küsienbrück hatte es sehr eilig und zeigte einem Polizisten» um durch die Postenkette schnell durchzukommen, sein ärztliches Attest. In demselben Augenblick sprengte ein Kommissar heran und rief dem Polizisten zu:„Nehmen Sie den Mann festl"„Machen wir!' dachte der Polizist und Küsienbrück kam anstatt nach der Löwenapotheke auf die Polizeiwach«. Natürlich wurde auch dieser Mann frei- gesprochen. �_ Immer noch Nachklänge vom Roten Sonntag. Die Magdeb. .volkosttmme' meldet: Wegen de« Flugblattes, das am 14. Januar verbreitet wurde, ist nun den Angeklagten die Anklageschrift zugestellt worden. Aus ursprünglich zwölf Angeklagten sind sieben geworden, die Genossen Holzapfel. Ernst Königstedt, Lackemnacher. GorgaS, Bater. Haupt und Bethge. Drei Verteiler deS WahlrechtSflugblatteS, die auf der Sttaße Flugblätter verteilt haben sollten, standen am Freitag in Wilhelmshaven vor Gericht. Sie hatten Berufung gegen Strafmandate über je 20 M. erhoben. Da» eine Strasinandat wurde auf l0 M. herabgesetzt, während die anderen beiden Be- rufungen verworfen wurden, da die mit Sttafmandaten Beglückten zum Termin nicht erschienen waren. Noch eine verpuffte Staatsaktion. Eingestellt worden ist da? Verfahren gegen mehrere Genossen in Calbe -SfcherSleben wegen eines dort verbreiteten Flugblattes.