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Der gute Herr Zepelin   weih offenbar noch gar nicht, daß gerade die Sozialdemokratie eine militärische Jugenderziehung fordert! Wir wollen ihm deshalb verraten, daß sich in den von K a n t s k t> «nd Schoenlank verfaßtenErläuterungen zum Erfurter Pro- gramm", die bereits vor anderthalb Jahrzehnten erschienen, folgende Sätze finden: Eine Jugenderziehung, welche einseitig die geistige oder die leibliche Kraft zu entwickeln und auszubilden sucht, an- statt in schönem Einklang die Zucht des Verstandes und die Leibesübungen zu verbinden, ist von vornherein ver- fehlt. Wie wir die reichste Entfaltung der Fähigkeiten auf dem Gebiete des Geistes fordern, so verlangen wir auch eine von Kindesbeinen an planvoll geleitete Schulung der körperlichen Stärke und Geschicklichkeit.... Der leitende Gedanke, welcher Umfang und Weise der Turn- und Kampffpiele bestimmt, ist die Erziehung der Bürger zur Wehrfähigkeit. Ein freies Volk mutz verstehen, die Waffen zu führen, seine kriegerische Tüchtigkeit ist ein Schutz und Schirm für den Frieden des Gemeinwesens. Schon dem Kinde ist die Auffassung einzuimpfen, daß niemand es der- dient, ein Freier zu heißen, der nicht die Waffen zuführen und mit seinem Blute für die Freiheit einzustehen und für sie zu st erben weiß. Gilt es einen kecken Feind von der Heimat fern zu halten, der Bürger, von Jugend auf in körperlichen Künsten geübt und im Waffen- dienste geschult, wird den eigenen Herd und den gemeinen Nutzen mit flammendem Eifer und wackerem Mute verteidigen. Und wehe dem, welcher das geheiligte Äut der Freiheit zu versehren wagt!... Jeder taugliche Bürger sei Wehrmann, die Waffen mögen über seinem Herde hängen!..._ Der offizielle Hurrapatriotismus hat sich in einem Entscheid des preußischen Kultusministers eigenartig manifestiert. Bekanntlich können im deutschen   Vaterlande nicht genug Jubiläen gefeiert werden. Doch das gilt nur mit einer Einschränkung. Die Jubiläen müssen sich für die diversen angestammten Fürstenhäuser fruktifizieren lassen. Ist das nicht der Fall, so legen die amtlichen Stellen keinen Wert auf Gedenkfeiern. Und wenn sie gar Erinnerungen an Zeiten bringen, die den offiziellen Hurra- legenden nicht günstig sind, so müffen Jubiläen verboten werden. Und so hat denn der Kultusminister eine geplante Hundertjahrfeier des Karl-Gymnasiums in Aachen   verboten, weil die Gründung der Schule in die Zeit der französischen   Herrschaft falle, weil sie also gewissermaßen von Napoleon   gegründet wurde! Die armen Lehrer und Schüler des Aachener Karl-Gymnasiums sind also um die Hoffnung auf einige schöne Festtage ärmer. Weshalb sind sie auch so schlechte Patrioten, daß sie an einer Anstalt lehren und lernen, die von der Gottesgeißel so nennt ihn ja wohl die offizielle Historik Napoleon   gegründet wurde. Im Interesse der kommenden Generationen aber sollten die Aachener Stadtväter die Schule schleunigst dem Erdboden gleichmachen und eine neue unter zweifelsfreien Patronat gründen. Damit doch in abermals hundert Jahren wenigstens die Professoren und Gymnasiasten Aachens   Jubiläum feiern können! Stelgcrmig der Lebensmittelpreise. Die Unternehmerpresse weist regelmäßig, wenn die Arbeiter mit «ohnerhöhungsforderungen hervortreten, auf die Steigerung der Löhne hin; sie vergißt aber hinzuzufügen, daß vielfach die Preise der Mieten und notwendigen Lebensmittel noch weit mehr gestiegen sind. Nach den von derStatist. Korrespondenz' veröffentlichten Durchschnittspreisen der wichtigsten Lebensmittel haben diese im letzten Monat wiederum eine Steigerung erfahren. ES kostete näm- lich das Kilogramm in Pfennigen: ®'sr s°> März 190« 157 134 173 162 155 189 245 Febr. 1906 157 134 172 161 1öS 189 241 März 1906 143 121 140 142 139 156 240 Verglichen mit dem März vorigen Jahres stellen sich also die Preise für Rindfleisch um 14, für Schweinefleisch um 33, für Kalb- fleisch um 20 und für Hammelfleisch um 16 Pf. pro Kilogramm höher. Ebenso ist der Preis des Specks um 33 Pf. gestiegen. Opfer der Kolonialpolitik. Noch immer mehren sich die Opfer des Kampfes in den süd- westafrikanischen Sandwüsten. Nach einer amtlichen Zusammen- stellung betragen die Gesamtverluste des jetzt 27 Monate dauernden Krieges einschließlich der ermordeten Zivilbevölkerung 217 9 Per- fönen. Die militärischen Verluste vom Beginn dcS Bondelzwartsaufstandes(Dezember 1903) bis 1. April 1906 be­lausen sich auf 1957 Mann, davon sind tot 1226, verwundet 731. Wegen Krankheit oder in Rekonvaleszenz befindlich resp. wegen Uebertritt ins Heer sind in die Heimat ge- schickt etwa 1200 Mann, krank sind in der Kolonie, also nicht dienst- fähig, rund 800 Mann, so daß dieser indirekte Abgang 2000 Mann beträgt, von denen 1900 Mann als Verlust infolge des Feldzuges zu rechnen sind. Der Gefechtsverlust der Truppe be- läuft sich auf 1239 Mann(Tote 541, Verwundete 698), davon Spitzeln, die sich nur zu leicht das Vertrauen Mösts erschleichen konnten und es auch leider zu oft erlangten, er war nichts weniger als ein Menschenkenner." In derChemnitzer   Volks stimme" hat Genosse Rie- mann eine begeistert« Schilderung dcS tatkräftigen, unermüdlichen, begeisternden Arbeitens Mösts in seiner Chemnitzer   Zeit gegeben (1871/74). Der Artikel schloß: Trotz seines sehr lebhaften Temperaments haben es die führenden Genossen bis zum Erlaß des Ausnahmegesetzes immer verstanden, dasselbe zu zügeln. EinSchrcckcnskind der Partei" war er bis dahin nie! Agitatorisch, organisatorisch hat Most in Chemnitz  , Ivo bei seiner Ankunft die Parteibetvegung fast auf dem Nullpunkte stand, ganz Bedeutendes geleistet� Seine spätere anderweite Tätigkeit in Mainz   und Berlin   hat, soviel ich mich erinnere, ähnliche Erfolge aufzuweisen gehabt. Geschaffen hat er vieles, auch Bleibendes; an Ehrlichkeit, Opfermut und gutem Willen hat er es nie fehlen lassen. Ein besonderer Freund der sogenannten Akademiker" ist er allerdings nicht gewesen. Die fortwährenden Verfolgungen. Einkerkerungen, auch seine Familienverhältnisse haben auf seinen seelischen Zustand stark ein- gewirkt. All das ruhig zu ertragen, mag vielleicht einer Phlegma- tisch angelegten Natur gelingen. Most war es bei seinem Tempera- ment unmöglich. Dem ehemaligen, cjtzt toten Genossen sollte man. ohne seine Ipatere politische Anschauung zu entschuldigen noch vielmehr zu billigen, doch etwas niehr Gerechtigkeit widerfahren lassen! Er, der ehemalige Vuchbindcrgeselle, wurde trotz seines reich- begabten Geistes, wie so mancher, ein Opfer der damaligen Bismarckschen Blut, und Eiscupolitik Nur so habe ich seine Ent- Wickelung bis zuni Anarchisten verstanden. Persönlich war er ein sehr gutmütiger und vertrauensseliger Mensch." In derV o l k s st i m m e" zu Frankfurt   a. M. hat Gen. BloS Ernstes und Heiteres von. Hans Most erzählt. Wir greifen folgende Episoden heraus:.- Auch ließ er sich bald gewisse Entgleisungen zuschulden kommen. Bei der Stichwahl zum Reichstag 1674 in Mainz   trat die dortige Sozialdemokratie für die Ultramontancn ein und Most verhandelte mit dies»,,. Er erhielt eine nicht un- bedeutende Summe als«Beitrag zu den Wahlkosten" ausbezahlt, eine Sache, die er unter allen Ilmständen hätte vermeiden müssen. Sein Auftreten in den Sitzungen der Rcichstagsfraktion von 1377 hat sich mir besonders deutlich eingeprägt. Damals sprachen aus ihm schon die Dämonen anarchistischer Raserei. Wir hatten im Winter 1877 unseren großen sozialpolitischen Antrag auSzu- arbeiten, der ein vollständiges Arbeiterschutzgesetz umfassen sollte. Alle widmeten sich dieser schwierigen Arbeit mit Eifer und Aus- dauer, auch die beiden Alten, Temmler und Rittinghausen, taten 118 Offiziere. Gefallen sind vor dem Feinde an Offizieren, Sa­nitätsoffizieren und höheren Beamten nur 57, an Unteroffizieren 98, an Mannschaften 386, das Verhältnis der Chargen zum Stamm verhält sich also wie 1: 2,5. Verwundet wurden Offiziere usw. 78, Unteroffiziere 139, Mannschaften 481. Das Verhältnis der Chargen zum Stamm ist hier noch ungünstiger, wie 1: 2,2. Und zu diesen Menschenopfern kommen die riesigen Geldopfer. die der Krieg bereits gekostet hat und noch kosten wird ein Be- trag, der mit 400 Millionen Mark nicht zu hoch veranschlagt sein dürfte. Und der Erfolg? Die Erhaltung eines unwirtbaren Landbesitzes, der sich nirgends zum Anbau, sondern lediglich und zwar auch nur in einem relativ beschränkten Teil des Gebietes zur extensiven Viehzucht eignet. Worin Aufreizungen zuGewalttätigkeiten" erblickt werden. Wie schon kurz berichtet, ist der Verantwortliche des Organs der Hafenarbeiter, Genosse Görlitz  , von der Strafkammer des Land- gerichts Hamburg   wegen Vergehens aus§ 130 des Strafgesetz- buches zu sechs Monaten Gefängnis verurteilt worden. In den beiden der Anklage zugrunde liegenden Artikeln, betitelt:Menschen- opfer" undUngezieferplage", wird den Arbeitern zu Gemüte gc- führt, wie einerseits durch kapitalistische Unterlassungssünden Be- triebsunfälle, denen Hekatomben Menschenleben zum Opfer fallen, hervorgerufen werden und wie andererseits durch Kapitalisten, Junkeragrarier und Hausagrarier die Auspowerung der Arbeiter- massen betrieben wird. In einigen bildlich gemeinten kräftigen Ausdrücken werden die Unterjochten und Ausgebeuteten zum Zu- sammenschluß und zur Abwehr aufgefordert. Der Angeklagte legte eingehend dar, daß die Tendenz des ersten Artikels darauf hinaus- laufe, bessere Unfallverhütungsvorschriften zu erlassen. Wenn vom Kampfe die Rede sei. so sei damit geistiger Kampf gemeint. Die unerhörte Kampfesweise von gegnerischer Seite gegen die Arbeiter- Organisationen erfordere schärfste Abwehr. Die unter den enormen Lebensmittelpreisen schwer leidenden Proletarier müßten sich doch ebenso verteidigen dürfen, wie es den anderen Interessengruppen erlaubt sei. Diese ungesunden Zustände mit erlaubten Mitteln zu beseitigen versuchen, sei der Zweck der Artikel. Der Staatsanwalt meint, daß für beide Artikel die Tatbestandsmerkmale des§ 130 des Strafgesetzbuches vorhanden seien. Nach der Judikatur des Reichsgerichts genüge es, wenn durch Anreizung eine zu Gewalt- tätigkeiten gsneigte Stimmung hervorgerufen werde, und das be- zweckten beide Artikel, in denen den Besitzenden die Besitzlosen in einer den öffentlichen Frieden gefährdenden Weise gegenübergestellt werden. Die Form der Artikel sei ebenso töricht wie hetzerisch. Aus diesem Grunde beantrage er acht Monate Gefängnis. Der Angeklagte wies nochmals eingehend nach, daß von einem Kampfe im Barrikaden  - und Heugabelsinne gar nicht die Rede sei und daß die Arbeiter ganz genau zu unterscheiden vermögen, wie die bild- lichen Ausdrücke aufzufassen seien. In dem Bewußtsein, nur seine Pflicht getan zu haben, sehe er dem Urteil mit großer Ruhe ent- gegen. Das Gericht erkannte auf das genannte Strafmaß, wobei begründend ausgeführt wurde, daß in beiden Artikeln die vom Staatsanwalt hervorgehobenen Tatbestandsmerkmale enthalten seien, denn den anderen Interessengruppen werde der Kamps bis aufs Messer angedroht. Von einer an und für sich erregten Volks- schicht könne dies nicht anders als eine Anreizung zu Gewalttätig- leiten aufgefaßt werden. Gegen den Angeklagten schwebt noch ein Strafverfahren wegen Vergehens gegen§ 130. Dir Seuchengefährlichkeit deS ausländischen Viehes. Am 31. März waren, wie dieDeutsche Fleisch er-Zeitung" berichtet, nach dem Reichsanzeiger" verseucht: im Deutschen Reich  .. 18020 Gemeinden in Oesterreich  .... 194 soweit Schweinepest und Schweincseuchen in Betracht kommen. Nach agrarischer Logik droht uns bekanntlich von dem eingeführten Vieh die Verseuchung der einheimischen Viehbestände. Die genannten Zahlen beweisen, was diese Behauptung wert ist. DerBursche". Ein jugendlicher Bureaubeamter hatte in Königsberg   an einer Versammlung des Vereins für Lehrlinge und jugendliche Arbeiter teilgenommen. Auf einer Polizei- lichen Anzeige wurde er deshalb alsBursche" bezeichnet. Der Bureauangestellte protestierte natürlich gegen einen solchen Titel und beschwerte sich über die Polizei beim Regierungspräsi- Kenten. Dieser antwortete folgendes: Die zu Ihrer Vorladung führende polizeiliche Anzeige er- folgte anläßlich Ihrer Teilnahme an einer Versammlung des Lehrlingsvcreins, und es kann daher erklärlich erscheinen, daß Sie in dieser Anzeige irrtümlich alsBursche" be- zeichnet sind. EinenBurschen" dann aber, noch dazu bei solchem Anlaß, alsHerrn" zu bezeichnen, lag für die Polizei kein Anlaß vor. Ich weise Ihre Beschwerde daher als völlig unbegründet zurück. An den Bureaubeamten Herrn... Der Regierungspräsident selber versagt demBurschen" den TitelHerr" nicht. Der Polizei aber will er es nicht übelnehmen, wenn sie einen Teilnehmer an einer Lehrlingsversammlung als Burschen bezeichnet. Freilich, dieser Titel soll ja nur irrtümlich auf das Papier gekommen sein, aver trotzdem hat die Polizei nach wacker mit, nur Most fand nicht die innere Sammlung dazu. Arbeiterschutzgesetzgebung schien ihm etwas vollkommen Ueber- flüssiges. Er störte unsere Arbeiten unaufhörlich, indem er in dem Fraktionszimmer auf- und abrannte und mit seiner zischenden Stimme rief:Wir müssen ein revolutionäres Gesetz machen!" Unwillig rief ihm Fritziche zu:So mache du doch eines!" Most zog sich in eine Ecke zurück, blickte eine Weile wie in tiefen Gedanken bald vor sich nieder, bald in die Höhe, und kam dann endlich mit einem Zettel, auf dem dasrevolutionäre" Gesetz entworfen war. Fritzsche las es vor. Es lautete:«Der Reichstag wolle beschließen: Erster und einziger Artikel: Das Jmpfgesetz ist abgeschafft!" Die Kollegen, die zum mindesten einen Antrag auf Verkündigung der deutschen Republik erwartet hatten, brachen in ein langandauerndeS Gelächter aus, und Most wurde von diesem Tage an von den Fraktionsmitgliedern nicht mehr ernst genommen. Sehr unschön war die Art, wie Most mit der Partei ausein- anderkam. Er traf 1878, aus Berlin   ausgewiesen, bei uns in Hamburg   ein und suchte eine Stellung. Da um diese Zeit Bracke in Braunschweig   sich an mich um einen Journalisten gewendet hatte, verwies ich Most dahin. Er wollte eben an Bracke schreiben, als aus Elberfeld   die Nachricht kam, daß er dort zu 6 Monaten Ge- fängnis verurteilt sei. Er beschloß nun, auszuwandern, und zwar zunächst nach England. Da es ihm an Geld fehlte, und auch bei der damaligen Desorganisation in der Partei eine größere Summe nicht so leicht zu beschaffen war, so wendeten wir uns an Höchberg  , der sofort telegraphifch 100 M. anwies. Ich selbst habe"gesehen, wie die Summe und noch eine weitere Most ausgehändigt wurde. Er schied als Freund und Gesinnungsgenosse von uns. In London  gründete er dann die anarchistischeFreiheit", und gleich in den ersten Nummern behauptete er, Höchberg   habe ihn schäbig behandelt und man habe ihn überhaupt im Stiche gelassen. Wie dieFreiheit" später in der Schweiz   eine Zeitlang auf Kosten eines Polizeispitzels gedruckt wurde, ist in den Reichstags- debatten über das Expatriierungsgesetz eingehend behandelt worden. Ob Most dabei wirklich der Betrogene war, kann ich nicht entscheiden. Nachdem Most in Nordamerika   den ganzen überreichen Schatz an blutdürstigen Phrasen, den alle Kultur- und Naturvölker auf- gespeichert, erschöpft hatte, suchte er mit allerhand Mätzchen sich interessant zu machen. Er verschickte z. B.Todesurteile" an ehe- malige Parteigenossen und andere politische Persönlichkeiten. Eines TageS kam im Reichstage der alte Windthorst zu mir, setzte sich neben mich auf eine Bank im Foyer und sagte in seiner friedlichen Weise:Hoffentlich liegt keine Dynamitbombe unter dieser Bank; ich habe soeben von Herrn Most ein Todesurteil zugesandt erhalten!" Ich hoffe es auch nicht." sagte ich.lachend;andernfalls würde ich ja Ihnen zur Gesellschaft mitfliegen müssen!" 1 der Ansicht des Regierungspräsidenten recht getan, als sie dem Bureauangcstelltcn den TitelHerr" versagte und ihn jeden- falls nicht im akademischen SinneBurschen" nannte. Das Dokument ist recht werlvoll, so unscheinbar es auch aussieht. Es beweist, daß die Polizei besonders beisolchen Anlässen" tun kann, was sie sonst nicht tun darf. Ein Milchkrieg ist in Mainz   ausgebrochen. Die Landwirte der Umgegend haben die Milchlieferung eingestellt und die Milch- Händler müssen die Milchvon weither" kommen lassen, erhalten jedoch noch nicht genug, so daß vorerst eine Knappheit an Milch ein« getreten ist. Der Grund des Krieges ist eine von den Landwirten geforderte Preiserhöhung. Nachdem sie erst im Oktober v. I. den Preis auf 14 Pf. pro Liter gesteigert haben, wollen sie ihn jetzt auf 16 Pf. bringen, was die Milchhändler nach ihrer Angabe zwingen würde, den Detailpreis für das Liter auf den horrenden Preis von 24 Pf. festzusetzen. So kommen zu den durch die neuen Zölle erhöhten Lebensmittelpreisen noch lokale Verteuerungen durch die Agrarier I Hueland. Schweiz  . Das Referendum gegen das Levensmittekgesetz. Zürich  , 7. April.  (Eig. Ber.) Die Unterschriftensammlung für das Referendum gegen das agrarische Lebcnsmittelgesetz ergab die schöne Zahl von 62 454, wovon zirka 27 000 die sozialdemokratische Partei und die übrigen 35 000 die Konsumvereine ausbrachten. In der Stadt Basel   allein kamen 9670 Unterschriften zusammen. Der Bundesrat will, wie berichtet wird, die Volksabstimmung erst im nächsten Herbste vornehmen lassen! Frankreich  . Der Streik der Kohlengräber. Der Kongreß der Bergarbeiter beschloß, den Bergwerksgesell- schaften ein neues Ultimatum auf Grundlage der Forderung eines Tagelohnes von 7,18 Frank zu unterbreiten. Die von BaSly gegen die Gendarmerie erhobenen Vorwürfe sind von dieser als un« berechtigt bezeichnet worden. Basly hält in einem Telegramm an den Minister des Innern seine Behauptungen in vollem Umfange aufrecht. Er teilt weiter noch mit, daß er eine Reihe von unparteiischen Leuten als Zeugen für die Brutalitäten der bewaffneten Macht benennen werde. Aus Leus wird über Zusammenstöße zwischen Polizei und Aus- ständigen berichtet, ferner über Demonstrationen der Frauen vor der Wohnung des Direktors der Gruben von SalumineS. Die Frauen verlangen Herausgabe der Leichen ihrer Männer. Auch in diese Demonstrationen mischten sich die Gendarmen, sie gingen gewaltsam vor, die Frauen wehrten sich durch Steinwürfe. In St. Elienne ist der Generalstreik vollständig. An dem hier stattgefundenen Kongreß beteiligten sich zirka 4500 Arbeiter; sie beschlossen, den Streik unter allen Umständen zu Ende zu führen. Dänemark  . Vereitelte Huldigung. Der Vorstand der Organisation der dänischen Provinzstädte wollte Frederik dem VHL eine großartige Huldigung bereiten und sandte zu diesem Zwecke Rundschreiben an die Gemeindekörperschaften der Städte. Aber die meisten haben eS abgelehnt, sich an dem Huldigungs-Firlefanz zu beteiligen; sie sandten daS Rundschreiben unter Protest zurück. DaS taten auch alle die Städte, die bei Ge- legenheit des Thronwechsels die Armenunterstützungsschulden nieder- geschlagen und damit einem großen Teile der Bürger ihr verlorenes Wahlrecht wiedergegeben haben. Das Verhalten der Städte ist ein erfteuliches Zeichen dafür, daß in die vor wenigen Jahren noch von den Konservativen be- herrschten Gcmeinderäte ein gut Teil demokratischen Bewußtseins eingedrungen ist._ Ein dänischer Ballestrem. Im Folkcthing kam eS am Freitag, dem letzten Sitzungstage, zu stürmischen Auftritten, die durch das despotische und gcschäfts- ordnungswidrige Verhalten desliberalen" Vorsitzenden Thomsen  hervorgerufen wurden. Zur Verhandlung stand eine Anfrage der Radikalen: Was der Minister des Innern zur Förderung der kom- munalen Wahlrechtsreform getan habe. Der Minister Berg ant- wartete mit inhaltlosen Redensarten und schloß mit einem Speech über die Notwendigkeit, die Regierung zu unterstützen. Obwohl nun noch zwei Redner eingezeichnet waren und zudem eine Ant- wort des Interpellanten zu erwarten war, brach der Vorsitzende plötzlich die Verhandlung ab. Zahle(radikal) und Borgbjerg (Sozialdemokrat) baten ums Wort. Vorsitzender:Die VerHand- lungen sind abgebrochen."(Große Unruhe.) Zahle:Dürfen wir dem Minister nicht antworten?" Borgbjerg:Ist man bange. uns zu hören? Das ist ein brutaler Machtmißbrauch I" Vor- sitzender(klingelnd):Die Sitzung ist geschlossen. Eine neue Sitzung findet um 2% Uhr statt."(Es war 2 Uhr, als der Vor- sitzende diesen Gewaltsstreich ausführte.) In der neuen Sitzung wurden zunächst zwei kleine Gesetz- entwürfe erledigt. Dann verlangte Zahle das Wort, um einen in- zwischen von den Radikalen und Sozialdemokraten gemeinsam be- schlossenen Protest gegen die Knebelung der Redefreiheit vorzu- bringen. Das Wort wurde ihm verweigert! Zahle überreichte dem Vorsitzenden den Protest schriftlich, unterzeichnet von 80 Abgeordneten. Der Vorsitzende ignorierte den Protest, verlas den königlichen offenen Brief und schloß damit die letzte Sitzung des Folkethings. Dem schneidigen Vorsitzenden des Folkethings ist am selben Tage, nachdem er diesen Gewaltsstrcich ausgeübt hatte, daS Ritter­kreuz des Danebrogordens verliehen worden! Bisher war es nicht üblich, die Präsidenten des dänischen Reichstages nach Sessions- schluß zu dekorieren. Wenn sich die neue Sitte einbürgert und »ach anderen Ländern übergreift, dann könnten wir bald erbauliche Dinge erleben. Schweden  . Um die Mode mitzumachen. Stockholm  , 10. April.  (B. H.  ) In einem am Sonntag imker dem Vorsitz des Kronprmzregenten stattgefundenen Staatsrat wurde beschlossen, gegen die wachsende anarchistische Agitatton in der Armee und Flotte energisch vorzugchen. Amerika. ArbeiterftrunMIchkeit" mimt man jetzt ein wenig im Kongreß, besonders bei den Demokraten. Diese versuchen nämlich, die Stinmmng unter den organisierten Arbeitern, die vom Kongreß Berücksichtigung ihrer Interessen verlangen, auszunützen; sie möchten die Republikaner   als die Arbeiterfeinde und sich selbst als gute Freunde der Arbeiter hinstellen. Als im Hause kürzlich eine Vorlage über die Haftpflicht der Unternehmer beraten wurde, fiel eS nun den Republikanern aber gar nicht ein. die erwartete Opposition zu machen, die Vorlage wurde einstimmig angenommen, und die Demokraten hatten das Nachsehen! DieseArbeiterfreimdlichkeit" will natürlich nicht viel bedeuten; denn im Senat wird die Vorlage wahrscheinlich doch liegen bleiben. Immerhin ,st zu hoffen, daß die Arbeiter, die vom Kongreß Taten verlangen und mit nichtssagenden Beschlüssen nicht länger zufrieden sein wollen, das Spiel der Parteien durchschauen werden; denn im Criist wollen weder die Demokraten noch die Republikaner   Gesetze zugunsten der Arbeiter machen. Die Deinokraten im Kongreß kommen zum größten Teil aus den Sudstaaten, wo die Arbeiter am schlechtesten gestellt sind, wo Frauen und Kinder in den Fabriken rücksichtslos ausgebelitet iverden. Sie bilden die Minderheit im Kongreß und würden es naturlich sehr gern sehen, wenn die Arbeiter ihnen bei den Wahlen ini kominenden Herbst Borspaniidienste leisten, um die Uebermacht der Republikaner   zu brechen.--