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Nr. 116. 23. Jahrgang. t SkilU des JotroWs" Kerlim NcksM Sonntag» 26. Mai 1966. KeicKstag. 107. Sitzung vom Sonnabend, den 10. Mai, vormittags 11 Uhr. Am Bundesratstisch: Frhr. v. Rheinbaben. Die dritte Beratung der Reichsfinanzreform wird fortgesetzt beim Reichsstempelgefetz, und zwar bei den Frachturkunden. Hierzu liegt ein Antrag des Abg. Dr. Beumer(natl.) vor, der eine Reihe stilistischer Unebenheiten und Sprachfehler aus dem Gefetz beseitigen will. Abg. Lipinski(Soz.): Der Abg. Büsing hat gestern erklärt, daß die meisten Gewerbe- treibenden, die eine Steuer bekämpften, nur von der betreffenden Steuer verschont bleiben wollten, damit sie ihren Nachbar treffe. Dieser Grundsatz, den der Abg. Büsing verworfen hat, kommt in vollem Maße bei dem Frachturkundenstempel zum Ausdruck.(Sehr wahrl bei den Sozialdemokraten.) Was stellt der Stempel anders dar als die Feindschaft der Agrarier gegen die Industrie? Welche Belastung die Industrie durch den Frachturkundenstempel erfährt. ist in einer Petition an das Haus näher berechnet. Ich will bloß einzelne Sätze herausgreifen. Danach ergibt sich für die BaunUvoll- industrie eine Belastung von 320 M.. für die Ziegelindustrie eine solche von 133 M., für die Holzstoff- und Zellstoffindustrie eine solche von 265 M. und für die Tonwarenfabriketl eine solche von 360 M., für die Zementfabriken eine solche von 500 M. usw. Das sind doch ganz erhebliche Belastungen, die bis 530 Proz. der Gewerbesteuer be- tragen.(Hört! hörtl bei den Sozialdemokraten.) In der Vorlage kommt ferner die Feindschaft der rechten Seite gegen jede Verbesie- rung der Waffer- und Veriehrsstraßen deutlich zum Ausdruck. Ich erinnere bei dieser Gelegenheit auch daran, daß im preußischen Abgeordnetenhause der sckiärfste Protest gegen die Kanalvorlage er- hoben ist. Auch in anderen Bundesstaaten, wo es sich darum handelte, die Wasserstraßen neu auszubauen, zeigten die Parteien, die hier die Mehrheit bilden, den stärksten Widerstand. In dem hochentwickelten Sachsen  , wo die Agrarier die Mehrheit haben, haben sie seit 30 Jahren verhindert, daß zwischen der großen Industrie- stadt Leipzig   und der Elbe   und Saale irgend welche Wafferstraßen geschaffen werden konnten.(Hörtl hörtl) Durch die Belastung der Industrie werden die Arbeiterinteresscn auf das schwerste getroffen werden, weil die Industrie natürlich wieder versuchen wird, alle anderen Ausgaben einzuschränken, und zwar insbesondere dadurch, daß eine Steigerung der Löhne hintangehalten wird. So haben denn die Mchrheftsparteien auf der einen Seite durch die Zollgesetz- gebung die Lebensmittel verteuert und verhindern auf der anderen Seite, daß die Arbeiter eine Erhöhung ihres Lohnes gewinnen können, der einen gewissen Ausgleich herbeiführt. Wir bekämpfen die hier vorgeschlagene Steuer auch in der vorliegenden Form als Verkehrs- und arbeiterfeindlich. Ter Antrag Beumer bedeutet ja eine redaktionelle Verbesserung. Die Tatsache, daß man auf diese Weise Sprachfehler noch aus der Vorlage beseitigen muß, be- weist ja, in welcher Weise die Mehrheit gearbeitet hat.(Lebhaftes Bravo l bei den Sozialdemokraten.) Abg. Hoffmeister(frs. Vg.); Für die Ausgaben für Heer und Flotte sind wir auch; aber die Einnahmen müssen gerecht verteilt, z. B. durch eine Vermögenssteuer aufgebracht werden. Diese Fracht- urkunden-Steuer aber lehnen wir ab.(Beifall bei der Freisinnigen Bereinigung.) Abg. Gothel»(frs. Vg.): Die Steuer ist ein Muster von Un- Gerechtigkeit; sie belastet die schwächsten Schultern am meisten. Die Debatte ist erschöpft. Das Gesetz über die Besteuerung der Jrachturkunden wird nach den Beschlüssen zweiter Lesung an- genommen. Es folgt die Beratung der Fahrkartensteuer. Hierzu liegt ein Antrag der Abgg. Eickhoff(frs. Vp.) und vierten(fts. Vp.) vor, der dahin geht, nicht nur die Militär- und Arbeiterfahrkarten, sondern auch Schülerfahrkarten steuerfrei zu lassen. Ferner verlangt ein Antrag des Abg. Dr. Becker'(natl.), unter- stützt von den Abgg. Herold(Z.), Rettich(k.), und Bokelmann (Rp.), daß für Kinderfahrkarten die Hälfte der Stempelabgabe, mindestens jedoch 5 Pf. entrichtet werden sollen. Bei Sonderfahrten usw., für deren Benutzung keine Fahrkarten ausgegeben werden, soll der Stempel in Höhe von 10 v. H. des gesamten BeförderungS  - Preises entrichtet werden. Abg. LipinSki(Soz.): Die Kommission hat sich die Aufgabe gestellt, möglichst viel aus den neuen Steuern herauszuholen, und eS hat sich ja in der Kam- Mission eine Anzahl von Steuerfreunden große llllühe zur Auf- findung neuer Steuern gegeben. Auch das Publikum außerhalb des Hauses hat sein Scherflein zu diesen Steuerplänen beigetragen. So sind vorgeschlagen worden: eine Vergnügungssteuer, eine Jung. gesellensteuer, eine Wehrsteuer und noch so manche andere Steuer. Man könnte beinahe bedauern, daß die Kommission sich diese ganzen Steuerprojekte nicht zu eigen gemacht hat. Den Abg. Herold muß ich daraus hinweisen, daß das Defizit im ReichshauShaltsetat zurückzuführen ist auf die Flottenbewilligungen durch die Mehrheit. Daß die Mehrheit hier im Reichstage nicht der Mehrheit der Volkskreise entsprichst, geht schon daraus hervor, daß für die Mehrheit hier viel weniger Stimmen bei den Wahlen ab- gegeben worden sind, als für die Minderheit des Hauses. Wir haben schon bei der zweiten Lesung darauf hingewiesen, daß die unteren Klassen verhältnismäßig hoch belastet sind. Der Fahrpreis für 1 Kilometer beträgt in der ersten Klasse 3 Pf., und der Reisende fährt dort in der Regel allein. In der dritten Klasse wird 1 Kilo- meter mit 4 Pf. berechnet; da aber das Wagenabteil mit 10 Per- fönen besetzt wird, so bringt 1 Kilometer 40 Pf. ein! Durch die hier vorgeschlagene Fahrkartensteuer wird der Reisende erster Klasse auch erheblich weniger belastet, als z. B. der Geschäftsreisende, der dritter Klasse fährt, einen großen Teil deS Jahres unterwegs ist und dann mit 1000 oder noch mehr Mark Steuern rechnen muß. Es ist also auch hier von einer gleichmäßigen und gerechten Steuer gar keine Rede, im Gegenteil es wird nach dem vom Abg. Büsing gestern erwähnten Prinzip die Steuer auf andere übertragen. (Sehr ichtig! bei den Sozialdemokraten.) Es ist auch gesagt worden, daß die Arbeiter von dieser Fahrkartensteuer nicht in Mit- leidenfchaft gezogen werden. Ich habe bereits in der zweiten Lesung darauf hingewiesen, daß die Fahrkartensteuer ein Abschieben der Passagiere in die unteren Wagenklassen zur Folge haben wird. Die weitere Folge wird eine Verminderung der Einnahmen der Eisenbahn sein, die man durch eine Ersparung an den Arbeiter- löhnen auszugleichen bemüht fein wird.(Sehr richtig I bei den Sozialdemokraten.) Also auch die Interessen der Arbeiter werden durch diese Fahrkartensteuer auf das schwerste getroffen, und der SchiffahrtSvcrkehr, der gesamte Verkehr aus Eisenbahnen, cmf den Straßen wird durch die Steuer unterbunden. Wir lehnen die Vor- läge ab, weil sie ein Verkehrshemmnis bildet und weil sie ungerecht und unsinnig ist.(Lebhafter Beifall bei den Sozialdemokraten.) Abg. Graf Könitz(k.): Die Einnahmen aus der Fahrkarten- stcuer werden nicht die erwarteten sein, auch die Einnahmen der Einzelstaaten aus den Eisenbahnen werden zurückgehen. Trotzdem werde ich dafür stimmen(Schallende Heiterkeit links) im Interesse deS Zustandekommens der Finanzreform. Abg. Eickhoff(frs. Vp.) begründet seinen Antrag: Es liegt auch ein soziales Interesse vor, den Schülern, die zum Schulbesuch die Eisenbahn benutzen müssen, diese nicht noch mehr zu verteuern. Abg. Spahn(Z.): Dem Antrag Eickhoff kann man zustimmen. Die Fahrkartensteuer ist gewiß keine idegle. aber im Interesse des Zustandekommens der Finanzreform ist sie nötig.(Beifall im Zentrum.) Abg. Westermann  (natl.): Sollten die Bedenken gegen die Fahrkartensteuer sich als berechtigt herausstellen, so wird nichts im Wege stehen, daß der Bundesrat auf bereits abgelehnte Steuern zurückkommt, etwa die Tabalsteuer.(Lebhaftes hörtl hörtl links.) Dem Antrag Eickhoff werden wir zustimmen.(Beifall rechts.) Abg. Herbert(Soz.): Die Mehrheit ist ja entschlossen, die Steuern um jeden Preis anzunehmen. Darum werden auch die Einwendungen, die ich noch vorzubringen habe, wenig Eindruck auf sie machen. Ich verweist deshalb nur auf den Notschrei der sächsssch-böhmischen Dampfschiff- fahrtsgesellschaft und der Wesermühl-Aktiengesellschaft, der zu uns gelangt ist. Noch einige Worte zu dem Antrag Becker über die Besteuerung der Sonderfahrten. Nach seiner Annahme würde für Sonderfahrten eine lOprozentige Steuer auch da zu entrichten sein, wo die Personcnfahrkarten freigelassen sind. Der Fahrpreis von Stettin   nach Podejuch kostet zum Beispiel 35 Pf. pro Person. Nun mieten die Arbeiter häufig ein Schiff, um billiger zu fahren. Nach dem Antrage Dr.. Becker und Genossen aber müßten sie in Zukunft noch extra Steuern zahlen! Ich möchte Ihnen noch ein Beispiel anführen, aus dem her- vorgeht, daß die 10 Proz. viel zu hoch gegriffen sind es ist ja nicht unsere Sache. Abänderungsanträge zu stellen; wir müßten auch gegen einen Antrag stimmen, der nur 5 Proz. Steuern ver- langt, aber überlegen Sie es sich: Ich hatte einmal in Stettin  zu einer Rügenfahrt ein Schiff gechartert für 2500 M. Der Fahr- preis pro Person stellte sich bei über 600 Passagieren auf 4 M. Da nur eine Schiffsklasse geführt wurde, so wären nach dem Fahrkartentarif pro Person 10 Pf. Steuer zu zahlen gewesen. Nach dem Antrage Becker und Genossen würden aber auf jeden Passagier 40 Pf. Steuer entfallen, genau so wie nach dem Fahrkartcntarif auf Billetts erster Klasse? Hier werden auch einmal die Arbeiter alserstklassige" Menschen betrachtet leider nur, wenn man von ihnen Steuern haben will.(Sehr gut! bei den Sozialdemokraten.) Der Abg. Graf Könitz hat eine ausgezeichnete Rede gegen den Fahrkartenstempel gehalten, die wir nur zu verbreiten brauchten, um allem Volke dessen Schädlichkeit darzutun. Aber Graf Könitz hat es unterlassen, die Konsequenzen zu ziehen. Wir sind nicht im- stände, das gleiche Opfer des Intellekts zu bringen und lehnen daher die ganze Vorlage ab.(Lebhafter Beifall bei den Sozialdem.) Abg. Gainp(Rp.): Dem Antrage Eickhoff werden wir zu- stimmen. Sollten die Berliner   Großbrauereien ihren Plan wahr machen und den Konsum stark belasten, so wird der Reichstag   im nächsten Jahre über stärkere Besteuerung des Bieres unter gleich- zeitiger Herabsetzung der Fahrkartensteuer wohl anders denken als heute.(Beifall rechts.) Abg. Schräder(frs. Vg.): Die Regierung hat in der Kam- Mission zuerst starke Bedenken gegen die Fahrkartensteuer erhoben; jetzt ist sie still und will mit Dank die Steuer entgegennehmen. Das Gesetz ist von einer UnVerständlichkeit, wie wohl noch niemals ein Gesetz eS war. In stärkster Weise getroffen von der Steuer wird wieder der Stand, den Sie immer schützen zu wollen be- haupten: der Mittelstand. Es ist kaum zu begreifen, daß die Nationalliberalen die Führung übernehmen in diesem verderblichen Kampfe gegen Handel und Industrie.  (Sehr richtig! bei den Frei- sinnigen.) Bei den Wahlen werden Sie die Quittung dafür empfangen.(Beifall bei den Freisinnigen.) Ministerialdirektvr Kühn: Wir haben an die Schülerkarten wohl gedacht, eine Befreiung bei ihnen aber nicht für so nötig gehalten als bei den Arbeitern. Abg. Bollmar(Soz.): Die Mehrheit befindet sich in einer Lage, daß sie irgend welchen Gründen gar nicht mehr zugänglich sein darf. Die Herren dürfen nicht einmal mehr die Zeitungen ihrer eigenen Partei lesen, weil sie fürchten müssen, sich mit ihnen in Widerspruch zu setzen. Es wurde vorhin gelacht, als Graf Kanitz eine schöne Rede hielt, in der er all die Gründe ausführte, die auch wir gegen die Steuern haben, um aber schließlich zu erklären, daß er nichtsdestoweniger dafür stimmen werde. Solche Kanitze gibt es dutzendweise (Sehr richtig! und Heiterkeit.) sowohl beim Zentrum wie bei den Nationalliberalen. Daß die Fahrkartensteuer verkehrsfeindlich ist. wird wohl niemand bestreiten. Verkehrs freundlich ist das, was der Ausdehnung des Verkehrs dient, und jede Erhöhung der Preise direkt oder indirekt muß naturgemäß verlehrs- erschwerend wirken. Ich finde eS geradezu unglaublich, daß sich Verkehrsminister in unseren Einzelstaaten gefunden Habens, die, nachdem sie ursprünglich alle die Gründe vertraten, auS welchen wir heute gegen die Steuer stimmen, nichtsdestoweniger alsbald nachgegeben haben.(Sehr richtig! links.) Ich muß außerordentlich bedauern, daß gerade der Verkehrsminister meines engeren Vater- landeS, Bayern  , auch umgefallen ist, ja eine ganz besondere Rolle bei diesem Gesamtumfall gespielt hat.(Hört! hörtl) Die Ne- gierungen grauen sich heute vor gar nichts mehr. Sie drücken die Augen zu und schlucken alles.(Heiterkeit und Sehr wahr! bei den Sozialdemokraten.) Die Stellung des bayerischen   Verkehrs- Ministers ist um so merkwürdiger, als gerade die süddeutschen Staaten es sind, welche die Kosten der Vorlage zu tragen haben. (Sehr richtig! links.) Herr Spahn hat die Behauptung aufgestellt, daß der vierte Teil der Steuer vom Ausland getragen werden würde. Ich würde diese Behauptung eine kühne nennen, wenn ich nicht schon so und so viel Annahmen von Gerichtshöfen gehört hätte, die mindestens ebenso unwahrscheinlich waren. Gewiß wird es einem großen Teil auslandischer Reisenden unmöglich sein, sich der Steuern zu ent- ziehen. Aber die süddeutschen Staaten sind in der ganz besonders schlechten Lage, daß der ausländische. Verkehr sie mit Leichtigkeit umgehen kann. DaS sind keine Annahmen, darüber haben wir Beweise. Ein paar Jahre ist auch der Orientzug nicht mehr durch Süddeutschland   gegangen, sondern durch die Schweiz.(Zu- ruf: DaS kommt jetzt wieder I) DaS kommt sicher. Es gibt zwar viele Leute, die mit dem Orientzuge fahren, die reich genug sind. um die paar Mark zu bezahlen, aber so viel Freunde hat sich Deutschland   durch seine ganze Politik im Auslände gerade nicht erworben, daß man aus bloßer Freundschaft für Deutschland   die Steuer noch dazu bezahle, wenn man auf dem bequemsten und schönsten Wege um Deutschland   herumfahren kann.(Heiterkeit und Sehr gut! bei den Sozialdemokraten.) Man hat den Tauern- bahnhof bedeutend vergrößert und versucht, die Tauernbahn an die österreichische Linie nach Salzburg   anzuschließen. ES sind Millionen dafür bewilligt worden, aber während wir nun versuchen, den österreichischen Verkehr zum Teil auf unsere Linie herüber. zuziehen, wird durch diese Vorlage das Wirken Oesterreichs   er» leichtert, daS alles versuchen wird, die Tauernbahn   möglichst lange auf österreichischem Gebiete festzuhalten. Dadurch wird der Teil Deutschlands  , um den eS sich hier handelt, schwer geschädigt werden. Die Mehrheit bezeichnet die Vorlage mit dem schönen Worte: Reichsfinanzreform", aber in Wirklichkeit ist eS eine Reform, die dahin geht, das geordnete Finanzwesen in den Einzelstaaten noch schwerer zu schädigen als bisher.(Sehr richtig! bei den Sozial- oemokraten.) Der Abg. Beumer hat einen Antrag gestellt, um das mangel­hafte Deutsch   in der Vorlage zu verbessern. Nun, das Deutsch   ist nicht schlechter, als es in anderen Gesetzen ist, und im übrigen kann das Deutsch   darin nie s o schlecht sein wie daS Gesetz.(Große Heiterkeit.) Die Mehrheit hat sich gegen die redaktionellen. Aen- derungen deS Abg. Beumer ausgesprochen. DaS Gesetz soll so bleiben, wie es ist. Die Herren haben für ihren Standpunkt ganz recht. Wenn man sich einmal zu einem bösen Werke verbündet hat, so darf man nicht rechts noch links gehen, dann muß man mit Scheuklappen gexadeauS gehen..(Heiterkeit.) Von nationalliberaler Seite ist gesagt worden, daß die Grund- sätzc der Nationalliberalen diese verpflichten, bei ihrem Antrage stehen zu bleiben. Ich muß sagen, daß die Verbindung von Grund» sätzen  " undNationalliberalen" überhaupt etwas merkwürdig ist. (Große Heiterkeit.) Meines Wissens haben bei der zweiten Lesung drei Nationalliberale gegen die Vorlage gestimmt. Wer hat da keine Grundsätze? Die drei Herren oder aber Sie(zu den Nationaliberalcn)?(Große Heiterkeit.) Im bayerischen Land- tag hat sich der Block der Liberalen, zu dem auch die National» liberalen gehören, auf unseren Standpunkt gestellt. Ich glaube sogar, Herr Dr. Müller-Meiningen wird ja darüber Auskunft geben können, daß die Nationalliberalen die größere Mehrheit des Blocks bilden. Haben nun die dortigen Nationalliberalen keine Grundsätze oder aber Sie(zu den Nationalliberalen)? Oder soll man sagen: Es ist der alte Liberalismus mit doppeltem Boden, von dem wir schon oft die merlwürdigsten Dinge gehört haben? Der Abgeordnete Westermann   hat aber den nationalliberalen Grundsätzen eine weitere Auslegung gegeben. Erljat angekündigt. daß, wenn die Geschichte nicht ginge, noch weitere Steuern ge- schaffen werden müßten. In erster Linie würde der Tabak daran glauben müssen. Das ist sehr verdienstlich von ihm gewesen.(Leb- hafteS Sehr wahr! links.) Freilich, wer darüber nachdachte, wüßt? das von Hause aus.(Sehr richtig! links.) Glauben Sie denn. daß wir mit diesem Ding, welches manFinanzreform* nennt. am Anfang stehen? Die Vorbereitungen zur Fortsetzung sind be- reits getroffen.(Sehr wahrl links.) Praktisch ist das Gesetz aber der reine Wahnsinn.(Bravo l links.) Nach meiner Auf- faffung gibt es für die, die dafür stimmen wollen, keine Ent- schuldigung.(Sehr wahr! links.) Uns Sozialdemokraten wird so oft der Vorwurf gemacht, wir seien die eingefleischtesten, rück- sichtslosesten Parteimänner, für uns sei lediglich das Partei- interesse maßgebend, wir sähen nur auf das eigene Interesse, alles auf dem Gebiete des öffentlichen Lebens sei für uns Agitation. Wenn es je einen Beweis dafür gegeben hat, das dies unzu». treffend ist, dann liefern wir hier den Beweis dafür, indem wir gegen dies Gesetz stimmen.(Sehr gut! bei den Sozialdemokraten.)) Wenn es etwas gibt, was wir in unserem Parteiinteresse wünschen sollten, dann ist es gerade diese Staffel.(Sehr wahrt bei den Sozialdemokraten.) Wenn es eine Steuer gibt, die eine Er- ziehungssteuer, eine Aufklärungssteuer sein wird, so ist es diese Fahrkartensteuer: denn es ist eine Steuer, von der wir alle be- troffen werden, nicht nur einzelne Klassen� eine Steuer, die nicht bloß diejenigen ärgert, die sie bezahlen müssen, sondern auch die- jenigen, die nur daran denken, daß sie sie in einigen Wochen bezahlen müssen.(Schallende Heiterkeit.) Wer die Massen» Psychologie kennt, weiß, daß ich recht habe.(Sehr wahr! bei den Sozialdemokraten.) Dann gibt es einen Stand, der ganz besonders betroffen wird, der sich aber auch durch seine Redegewandtheit aus» zeichnet(Schallende Heiterkeit) das sind die Handelsreisenden. Wenn ich mir einen solchen Reiseonkel vorstelle(Heiterkeit) und mir denke, wie redselig er gewöhnlich ist. dann kann ich mir unge- fähr denken, wie er reden wird, wenn diese Steuer erst einmal da ist.(Lebhafte Zustimmung links.) Ich bin der Meinung: die Wirkung dieser Fahrkartensteuer wird eine solche sein, daß alles, was Sie gegen die Sozialdemokraten sonst unternehmen möchten und vielleicht auch unternomen haben, vollständig und weitaus aufgehoben wird durch die Wirkung dieses Gesetzes.(Abg. Dr. Becker(natl.) ruft: Da können Sie ja froh fein!) Daher bitte ich Sie. sich die Sache doch noch einmal zu überlegen und sich zu fragen, ob die Sache wirklich so viel wert ist. Wenn sie aber diese Steuer trotzdem beschließen sollten, dann bin ich der Meinung. daß das deutsche   Volk und daß Sie selbst an den Tag denken werden, an dem sie dieses Gesetz beschlossen haben.(Lebhafter langanhaltender Beifall links.) Frhr. v. Rheinbaben: Ich muß den bayerischen Verkehrs- minister verteidigen gegen die erhobenen Vorwürfe. Gewiß hatte er anfangs Bedenken, hat sie aber zurücktreten lassen im Interesse des Ganzen. Freilich, die Herren, die keine Verantwortung für des Reiches Zukunft haben, können die Zurücksetzung der Bedenken nicht verstehen.(Stürmischer Beifall rechts, stürmische Unter- brcchung links.) Für uns ist die salus publica(die öffentliche Wohlfahrt) das oberste Gesetz; sie geht allen Bedenken vor.(Bei, fall rechts, höhnisches Gelächter links.) Abg. Dr. Wolfs(Wirt. Ver.): Wir erklären unS gegen die Fahrkartensteuer. aber gerade in der Sorge für die Wohlfahrt des Reiches. Viel nötiger als die Fahrkartensteuer wäre eine Reform der Personentarife.(Beifall links und bei der Wirtschaftlichen Vereinigung.) Abg. Haußmann(Südd. Vp.): Die Regierung wollte 12 Millionen aus der Steuer herausholen, die Mehrheit aber will diesen Ertrag auf 50 Millionen Mark steigern. DaS Zentrum ist nicht verlehrsfreundlich(Widerspruch im Zentrum), und das gilt auch von den Konservativen. Am schlimmsten sind die National- liberalen bei ihrem Eintreten für diese Steuer daran; denn deren Wählerschaft wünscht eine EntWickelung des Verkehrs. Im württembcrgischen Landtage hat die Regierung auf eine Jnter- pellation erklärt, daß sie von Anfang an Widerstand gegen die Fahrkartensteuer geleistet habe, und der Landtag   einschließlich der Nationalliberale» hat diese Antwort gebilligt.(Hörtl hörtl links.) Die Ausführungen des Abg. v. Wollmar   sind in keiner Weise widerlegt worden. Kein Nationalliberaler wird eS wagen, die Fahrkartensteuer auf daS Programm für die Neuwahlen zu setzen. Die Fahrkartensteuer ist eine Dummheit, ein Mißgriff, Wir lehnen sie ab.(Beifall links. Große Unruhe rechts.) Bayrischer Bundesratsbevollmächtigter Ritter Dr. v. Burkhark» dankt dem preußischen Finanzminister für dessen Verteidigung deS bayrischen VerkchrsministcrS gegen die Angriffe des Abg. v. Nollmar im bayrischen Landtage und wendet sich gegen die Ausführungen des Vorredners. Abg. Werner(Ant.) wirft dem Abgeordneten Haußmann vor, daß er den ganzen Winter nicht anwesend gewesen sei, und nun daS Bedürfnis gehabt habe, recht lange und gründlich zu reden.(Un- ruhe links, Zustimmung rechts.) Redner spricht sich dann ent, schieden gegen die Fahrkartensteuer auS. Abg. Westcrmann(natl.) erklärt dem Abz. v. Vollmar gegen- über, daß die grundsätzliche Stellung der Nationalliberalen zur ganzen Finanzreform sie veranlasse, der Fahrkartensteuer zuzu, stimmen. Wenn er sich für die spätere Einbringung einer Tabak- steuervorlage ausgesprochen habe, so habe er damit nur seine per» sönliche Rieinung ausgesprochen. Abg. Speck(Z.): UnS macht die Fahrkartensteuer keine be» sondere Freude, wir betrachten sie aber als notwendig und werden sie unserer Wählerschaft gegenüber rechtfertigen.(Zustimmung im Zentrum.) Der süddeutsche Verkehr wird durch die Fahrkarte»- steuer nicht geschädigt werden. Wenn, wie der Abg. v. Vollmar be» fürchtet, die Reisenden einen Umwog über Oesterreich machen werden, so werden sie auS der Scylla der deutschen in die CharybbiK der österreichischen Fahrkartensteuer kommen.(Sehr richtig! im Zentrum.) München   hat für die Ausländer so viel AnzichungS- kraft, daß sie die Fahrkartensteuer auch tragen. In Oesterreich   hat sich nach Einführung der Fahrkartensteuer zunächst eine Abwände. rung aus den höheren in die unteren Fahrklassen vollzogen; aber schcn im dritten Jahre hat sich da ein Ausgleich vollzogen. Aus dem Munde eines demokratischen Abgeordneten macht sich die Herab. sctzung der Arbeit der Kommission, also einer parlamentarischen Einrichtung sehr übel.(Lachen links. Beifall im Zentrum und bei den Nationalliberalen.) Abg. v. Bollmar(Soz.): Der Abg. Speck hat behauptet, das Zentrum würde seine Hai« tung in diese? Frage aller Melt gegenüber zu verteidigen wissen«