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Steindrucker und Lithographein bei der firmer Hellriegel in der Koch- straße ausstellerr. Den Streikposten wird hier die Ausübung ihres Rechtes in jeder Weise erschwert, ja nahezu unmöglich gemacht. So- bald sich jemand blicken lästt, in dem das wachsame Auge des Schutz- mannes einen Streikposten zu erkennen glaubt, wird demselben der Aufenthalt auf der Straße untersagt und kehrt er ein zweites Mal lvieder, so ist ihm die Sistierung sicher. Dieser Tage passierte es einem Ausgesperrten, daß er, als er eben aus einem Schanklokal in der Kochstraße kam, dem dort postierten Schutzmann so verdächtig erschien, daß er ihn zur Wache beförderte, wo der Betreffende IVa Stunden zubringen mußte, ehe seine Persönlichkeit so weit festgestellt war, daß man glaubte, ihn wieder entlassen zu können. Um die- selbe Zeit waren gleichzeitig neun Streikposten, die man alle aus ebenso unzureichenden Gründen sistiert hatte, auf der Wache an- wesend. Angesichts dieser Fülle von Arrestanten sagte einer der Beamten zu seinem Kollegen:Lassen Sie doch diese Leute bis 3H8 Uhr hier sitzen, damit wir Ruhe haben." Diese Aeußerung kennzeichnet den Polizeigeist in seiner ganzxn Größe. Erst bringt man Arbeiter, die ruhig und ohne jemand zu behelligen, die Straße auf und abgehen zur Wache, und dann möchte man sie ohne jeden Grund auf längere Zeit der Freiheit berauben, weil es den Beamten unbequem erscheint, die Personalien so vieler Arrestanten festzustellen. Man möge doch die Streikposten, die nie- wand zu nahe treten, ihr gutes Recht unbehelligt ausüben lassen, dann haben die Arbeiter und auch die Beamten Ruhe. Auf diesen selbstverständlichen Gedanken kommt aber so leicht kein Polizcimann. Der Gerechtigkeit wegen muß übrigens erwähnt werden, daß selbst die Schutzleute in der Kochstraße nicht gegen jeden Streik- Posten mit der gleichen Schneidigkeit vorgehen. Spazierte da neu- lich vor dem Geschäftslokal der Firma Hellriegel ein Herr auf und ab, angetan mit weißer Weste, das Haupt mit einem Zylinderhut bedeckt, eine tadellose Erscheinung. Die noble Kleidung war an- scheinend der Freibrief, der den Herren nicht nur vor der Sistierung schützte, sondern auch den postenstehenden Schutzmann veranlatzte, sich freundlichst mit dem feingekleideten Herren zu unterhalten. Viel- leicht wäre die Haltung des Schutzmannes auch in diesem Falle weniger freundlich gewesen, wenn er gewußt hätte, daß der Herr mit Zylinder und weißer Weste kein Unternehmer diese stellen auch hier und da Streikposten aus sondern ein ausgesperrter Ar- beitcr im Sonntagsstaat war. Beobachtet man, auf wessen Anweisung die Verhaftungen er- folgen, man tonnte auf den Gedanken kommen, die Buchbinderei. bcsitzer, ihre Ai.'gestellten und Hausdiener, sie seien die oberste Be» Hörde, die der Polizei Befehle zu erteilen habe. Bei fast all den großen Firmen, bei Kämmerer, Sperling, Bleistein. Metschke, Wübben und Ludwig, stehen Herren und Knechte vor der Tür und auf der Straße, um auf diejenigen zu zeigen, die von der Polizei fest- genommen Iverden sollen. Warum festgenommen werden sollen? Weil sieals Streikposten umherstehen", undauf Grund der Para- graphen 132 und 133 der Straßenordnung vom 31. Dezember 1892", loie es in einem der vierzehn 39 M.-Strafmandate heißt, die bis Dienstagmittag schon vorlagen. Aber die Polizei tut noch mehr für die Unternehmer. Sie geleitet Frauen und Mädchen größtenteils Dienstmädchen und auch Kellnerinnen, die, verlockt durch die 29 bis 39 M. Wochenverdienst, welche ihnen in den großen Annoncen der Morgenpost" verheißen werden, es einmal mit der Buchbinderei versuchen wollen getreulich hinauf nach der Werkstätt«, gibt ihnen wohl auch noch gute Ermahmingen, auf daß sie sich auf keinen Fall von den bösen Streikern betören lassen. Mehr kann doch das Unter- nehmertum nicht verlangen! Uebel ergeht es unter Umständen verhafteten Streikposten. An die Verhaftungen selbst so unangenehm sie, namentlich für Arbeite- rinnen auch sein mögen, ist man ja in den Reihen der um Ver- besserung ihrer Lebenslage kämpfenden Arbeiterschaft gewöhnt, und über die Strafmandate werden die Gerichte entscheiden. Am Sonn- abend passierte es einem verhafteten Streikposten, der soeben seine Wohnung gewechselt hatte, daß diese auf dem zuständigen Revier noch nicht angemeldet war, als er verhaftet wurde. Es ivar%8 Uhr und er wußte bestimmt, daß die Wohnungsanmeldung bis Uhr eintreffen würde. Er sagte dies dem Leutnant oder Wacht- meister. Leicht wäre es den Beamten gewesen, sich von der Richtig- keit der Angaben zu überzeugen. Aber sie taten nichts dazu, hielten den Verhafteten statt dessen bis Vsd Uhr auf dem Revier fest und schickten ihn dann im grünen Wagen nach der Stadtvogtei, wo er bis Montagmittag �2 Uhr sitzen mußte. Erst nach Bemühungen seiner Kollegen und erst nach Zahlung von 6 Ml Strafe wegen Uebertretung" wurde er freigelassen. Gern zahlte er von seinem geringen Kassenbestand nicht die ö M., aber kundige Leute, mit denen zusammen er eingesperrt war, hatten ihm geraten, lieber sein Letztes zu opfern, statt sich der Gefahr auszusetzen, die Gastfreun�chaft der Polizei noch länger in Anspruch nehmen zu müssen. Welcher Ueber- tretung er sich schuldig gemacht haben soll, ist ihm jetzt noch nicht klar. Seine Verhaftung erfolgte in der Kochstraße. Zum Verlassen der Straße war ihm großmütig eine Frist von S Minuten gewährt worden. Ist er vielleicht ein paar Sekunden zu spät am Ende der Straße angelangt? Nebrigens genügt der Polizei auch nicht einmal das Verlassen dieser Straße. Eine Frau, die allerdings zu den Ausständigen ge- hört, aber an diesem Tage nicht Streikposten stand, wurde am Montag verhaftet, weil sie an der Anschlagsäule in der Friedrich- straße ihren Mann erwarten wollte. Sehr übel wird eS von den Ausständigen bemerkt, daß sich unter denen, die der Polizei Befehle zur Verhaftung von Streikposten er- teilen, auch ein Mann befindet, der sich früher als Sozialdemokrat aufspielte. Es ist der Werkführer Emil Jänke von der Firma Bleistein._ LerUn und llmgegend. Erklärung. In der Erklärung der bisherigenAgitationskommisflon der Rohrleger und Helfer Berlins   und Umgegend" in Nr. 134 desVor- wärts" heißt es: Am 17. Mai 1996 erhielt der Kollege Wiesenthal nach ver- abredet» Anfrage vom Genossen Legten die Nachricht, Cohen habe erklärt, alle Beschlüsse gegen die Rohrleger und Helfer seien mit Zustimmung des Vorstandes gefaßt." Eine solche Mitteilung habe ich dem Genossen Wiesenthal nicht gemacht, sondern ihm nur berichtet, daß der Beschluß der Orts- Verwaltung, den Rohrlegern die Abhaltung von Agitation s- Versammlungen zu untersagen, im Einverständnis mit dem Vorstand gefaßt worden ist. _ C. Legten. VertragSverstSße der Fliesengeschäfte bildeten den Gegenstand der Verhandlungen einer am Dienstag abgehaltenen öffentlichen Versammlung der Fliesenleger und Hülfsarbeiter. Wie der Referent Puttlitz ausführte, haben die Schlichwngskommissionsmitglieder der Vereinigung der Fliesenleger seit dem 6. Mai mehrfach versucht, eine Aussprache mit den Vertretern der Unternehmer wegen ver« fchiedener Fälle herbeizuführen, die als Verstöße der betreffenden Unternehmer gegen den bestehenden Tarifvertrag angesehen werden. Am 9. d. M. hat nun unter der Leitung eines Gewerberichters eine Sitzung stattgefunden, an der Vertreter der Firmen Rosenfeld  . Ende, Villeroy u. Boch, Piek teilnahmen. Die Vertreter der Arbeiter be- schwerten sich über unzureichende Vergütung des Fahrgeldes bei dem Krankenhausbau in Schöneberg  , über ein« vertragswidrige Ver- fügung der Firma Rosenfeld   wegen der Feierabendszeit an Sonn- abenden. Andere Beschwerden richteten sich dagegen, daß Akkord- arbeit, obgleich sie durch den Vertrag untersagt ist, noch in be- stimmten Fällen geleistet worden ist. Besonders wird darüber ge- klagt, daß die Firma Villeroy u. Boch Zwischenmeister beschäftigt. Die Arbeiter betrachten dies als eine Umgehung des Vertrages, weil das Zwischenmeistershstem nichts anderes sei als eine andere Form der Akkordarbeit. Ueber alle diese Punkte ist in der Sitzung ein- gehend verhandelt und zum Teil auch eine Verständigung erzielt worden. Der Referenk, sowie die Diskussionsredner waren darin einer Meinung, daß das Zwischenmeisterunwesen durch VerHand- lungen mit den Unternehmern nicht aus der Welt geschafft werden lönne, es müsse vielmehr seitens der Kollegen mit geeigneten Mitteln auf die Beseitigung dieses Unwesens hingearbeitet werden..Ein- stimmig wurde folgende Resolution angenommen: Die Versammelten erklären sich mit den Maßnahmen der Schlichtungskommissiou gegen die in einzelnen Geschäften zutage getretenen Tarifumgehungen resp. Verstöße einverstanden. Die Ver- sammelten erblicken in den unter dem Deckmantel von Subunter- nchmern akkordarbeitenden Fliesenlegern nur Verräter an der or- ganisierten Kollegenschaft und fordern alle Bauhandwerker auf, sie in dem Kampf gegen diese Schmutzkonkurrenz zu unterstützen. Weiter werden alle Berufskollegen verpflichtet, des Sonnabends so zeitig Feierabend zu machen, daß sie um 5 Uhr zur Abholung des Lohnes im Geschäft sind. Dem entgegenstehende Verfügungen sind, weil vertragswidrig, als ungültig zu betrachten." Im weiteren Verlauf der Versammlung wurde noch mitgeteilt, daß die bei der Firma Schmahlisch u. Below beschäftigten Mitglieder der modernen Gewerkschaften die Arbeit niedergelegt haben wegen fortgesetzten unlauteren Verhaltens der dort beschäftigten christlich organisierten Arbeiter. In der Diskussion über diese Angelegenheit wurde die Arbeitsniederlegung, an der sowohl die Fliesenleger wie die Hülfsarbeiter beteiligt sind, als durchaus berechtigt anerkannt, da die Verhältnisse bei der genannten Firma infolge des Ver- Haltens der Christlichen   geradezu unleidlich geworden seien. Ferner kam zur Sprache, daß bei der Firma Schmahlisch u. Below auch Akkord gearbeitet wird, denn es wurden mehrere Fälle angeführt, wo die Firma mit Fliesenlegern wegen Uebernahme von Akkordarbeit verhandelt hat. Dieser Umstand veranlatzte die in der Versamm- lung anwesenden im Maurerverband organisierten Fliesenieger welche nicht durch Vertrag mit Schmahlisch u. Below gebunden sind zu einem Beschluß, wonach die Firma Schmahlisch u. Below ge- sperrt ist._ Die Buchbinder-Aussperrung steht jetzt, nachdem die Forderungen an die Prinzipale versandt, an einem Wendepunkt. Die einzelnen Prinzipale senden, nachdem kaum 24 Stunden nach der Absendung verflossen, ihre Bewilligungen ein und wird diesen in der Ausbreitung ihres Kundenkreises von dem Zeitpunkt der Entlohnung nach den neuen Tariflöhnen freie Hand gelassen. Dadurch kann bei geschickter Leitung die Betriebsgröße sich verschieben, diejenigen, welche früher klein, können jetzt den Betrieb vergrößern, während Großbuchbindcreien, welche durch ihr Verhalten nicht lieferungsfähig blieben, die Kundschaft los werden. Die Be- willigung, schon jetzt nach den erhöhten Stundenlöhnen zu zahlen, liegt bereits von vier ausdehnungsfähigen Firmen vor und werden bis IS. resp. 16. Juni noch weitere einlaufen. Tschechen, Galizier, Russen und wenn es nicht allzuweit wäre, würde die findige Leitung der Buchbindereibesitzer chinesische Kulis heranholen, um mit Hülfe dieser die widerspenstigen Personale aus- zuhungern. Zeigt doch die Ablehnung der Vermittelung des Herrn v. Schulz, vor dem Einigungsamt des Berliner   Gewerbegerichts zu erscheinen, wohin die Fahrt geht. Man will durch das lange Hin- ziehen die Arbeiter und Arbeiterinnen mürbe machen, die Kasse der Organisation sprengen, um ihr die Aktionsfähigkeit auf Jahre hin- aus zu rauben. Daß dieser Plan nicht gelingt, dafür sorgen in erster Linie die noch arbeitenden Mitglieder und dann auch noch die gesamte Arbeiterschaft, welche in diesem schweren Kampf die Buchbinder nicht verlassen werden. Haben doch diese jederzeit andere kämpfende Arbeiter in jeder Weise unter- stützt._ Maler und Anstreicher! Die Arbeitgeber aus Eberswalde  machen jetzt große Anstrengungen, um in Berlin   Leute anzuwerben. Wir ersuchen die Kollegen aus der Hut zu sein und in ihren Kreisen ür Aufklärung zu sorgen. Selbstverständlich erwarten wir auch, daß die Kollegen es ablehnen, für Berliner   Arbeitgeber während des Streiks in Eberswalde   Arbeiten auszuführen. Die Aussperrung unserer Kollegen dauert bereits 8 Wochen. Eventuelle Meldungen in dieser Sache bitten wir unter Adresse Melchiorstr. 28 zu machen. Die Agitationskommission. I. A.Z L. Jakobeit. OeutTchcs Reich. An die organisierte Ardeiterschaft Deutschlands  ! Der Senefelder Bund  (Verband der Lithographen und Stein- drucker) ist durch ein in der Arbeiterbewegung unerhörtes Vor- kommnis gezwungen worden, zur Unterstützung der ausgesperrten Lithographen und Steindrucker die Hülfe der gesamten organisierten Arbeiterschaft in Anspruch zu nehmen. Ausgesperrt sind rund 3999 Lithographen und Steindrucker, und rund 899 befinden sich im Streik. Die in Arbeit befindlichen Verbandsmitglieder verpflichteten sich, je nach der Höhe ihres Wochenverdienstes 13 M. freiwilligen Beitrag pro Woche für die Dauer der Aussperrung zu leisten. Unter diesen Umständen hätte der finanziell gut fundierte Verband viele Wochen hindurch den ihm aufgezwungenen Kampf führen können, ohne fremder Hülfe zu bedürfen. Da erhielten die Unternehmer Hülfe aus Arbeiterkreisen. Von 31 Mtgliedern des Senefelder   Bundes ist im Auftrage von 409 weiteren Mitgliedern, die nach der Verschmelzung des Senefelder  Bundes mit dem Verband der Lithographen und Steindrucker die Beiträge für die Gewerkschaftskaste nicht zahlen, sich jedoch durch die Aufrechterhaltung der Mitgliedschaft im Bund das Recht an den Unterstützungen sichern wollten, Klage auf Ungültigkeitserklärung der Stawtenbestimmungcn des Verbandes erhoben, welche sie zur Zahlung der Beiträge für die Gewerkschaftskasse verpflichten. Die Klage wurde von dem Landgericht in Frankfurt   a. M. teilweis zu­gunsten der Kläger   entschieden. Damit aber nicht genug. Die klageführenden_Kollegen" beantragten dann weiter bei dem Landgericht die Beschlagnahme des gesamten Verrpögens des Verbandes und das Landgericht hat durch Verfügungsbeschluß vom 1. Juni d. I. nicht nur das für Unterstützungszwecke reservierte. sondern das Gesamtvermögen des Verbandes festgelegt und dem Verbandsvorstands bei hoher Strafe jede amtliche Handlung untersagt. Der Schlag, der hier gegen die Organisation geführt wurde, erfolgte zu gelegener Zeit, denn am 2. Juni begannen die Unter- nehmer mit der Aussperrung und sie gaben sich sicher der Hoffnung hin, daß nunmehr die Widerstandskrast des Verbandes gebrochen sei. Diese Hoffnung soll zuschanden werden. Die Leitung der Aus­sperrung ist einer von den Berliner   Lithographen und Steindruckern eingesetzten Kommission übertragen und es ist auch Vorsorge ge- troffen, daß den Ausgesperrten die Unterstützung vorläufig fort- laufend gezahlt werden kann. In diesem Falle aber ist es Pflicht der gesamten Arbeiterschaft, finanziell helfend einzugreifen, und hat die Generalkommission auf Antrag des Berbandsvorstandes und nach Zustimmung der Vorstände der Zentralverbände beschlossen, gemäß den Beschlüssen des Kölner Gewerkschaftskongresses eine Sammlung für die Ausgesperrten aus- zuschreiben. Wir richten an die GewerkschaftSkartelle das Ersuchen, sofort die Sammlung einzuleiten und erwarten von der organisierten Arbeiter- schast, daß sie den Ausgesperrten die Hülfe nicht versagen wird. Die Unterstützungsbeträge sind gemäß den in Köln   getroffenen Bestimmungen nicht an die im Kampfe befindliche Organisation, sondern an die Generalkommission zu senden und bitten wir für die Sendung folgende Adresse zu benutzen: H. Kube, Engel-Ufer 15, Berlin   80. IS. Ueber die eingehenden Beträge wird imCorrespondenzblatt" quittiert. Besondere Quittungen werden den Einsendern nicht zugestellt. Berlin  . 12. Juni 190«. Mit Gruß Die Generalkommission der Gewerkschaften Deutschlands  . C. Legten. Lohnkampf in Mannheim  . Bereits feit zehn Wochen stehen die Maler und T ü n ch e r von Mannheim und Ludwigshafen   im Streik. Obwohl die Streikenden alle Versuche zur Herbeiführung einer Einigung machten, verharren die durch den süddeutschen Malerbund scharf- gemachten Großmeister teilweise noch auf ihrem ablehnenden Stand- Punkt. Nachdem sich in vergangener Woche die Verhandlungen vor dem Einigungsamt an der Halsstarrigkeit einiger Oberscharfmacher zerschlugen, versucht nun die Mannheimer   Meister- Vereinigung durch die unwahre Erklärung, der Streik sei beendigt, Streikbrecher heranzuziehen. 59 Meister haben die Forderungen bewilligt. Täglich laufen neue Bewilligungen ein. Auch sonst ist die Situation für die Känrp senden günstig. Die Haltung der Streikenden ist eine vorzügliche. Der lange Kampf gebar nur einen Abtrünnigen. Darum richten wir an die gesamte Bauarbeiterschaft Deutschlands   die Bitte: Haltet den Zuzug von Malern und T ü n ch e r n nach Mannheim   und Ludwigshafen   fern. Unterstützt uns in in diesem harten Kampfe. Daß die Streikenden sich noch eine gute Dosis Humor bewahrt haben, beweist folgendes Vorkommnis. Ein Malermeister wollte die Streikenden qffenbar gern verhöhnen, indem er vor seinem Hause ein blutrot gestrichenes Schilderhaus für Streikposten hinstellte. Die Streikenden machten denSpaßmacher" zum Belachten. Streikposten mit aufgekrempelten Malerblusen und mit Rosen geschmückten Gewehren auf der Schulter zogen auf, postierten sich im Schilderhaus, die anderen patrouillierten auf und ab. Zum größten Bedauern der Streikenden dauerte das Vergnügen nicht lange, denn bald erschienen zwei Schutzleute, welche den liebenswürdigen Herrn Meister aufforderten, sofort das Schilder- Häuschen wegzunehmen. Es war dies um so bedauerlicher, als die Streikposten sich schon freuten, bei dem nassen Wetter ein trockene- Plätzchen zu haben._ Schutz dernationalen Arbeit". In Memel   streiken seit einiger Zeit die Maurer, weil ihre bescheidenen Forderungen schroff ab- gelehnt worden sind. Da am Orte fast gar keine Streikbrecher vor- Händen waren, so holte man sich eine Masse italienischer Maurer heran. Diese sind dort an Kasernenbauten be- schäftigt, die von den Geldern der deutschen   Steuerzahler auf- geführt werden. Damit die italienischen Arbeiter in aller Ruhe die Kasernen bauen können, werden sie von der Polizei Tag und Nacht aufs sorgfältigste bewacht, so daß die Streikenden nicht in deren Nähe gelangen können. So sind Staat und Unternehmertum für denSchutz der nationalen Arbeit" bemüht. Den Italienern gibt man sogar mehr Lohn, als die Streikenden fordern; während für die letzteren nicht einmal Baubuden vorhanden waren, hat man für die Arbeitswilligen sichere Baracken aufgestellt. Die Schuhmacher in Königsberg haben ihre Lohnbewegung be- endet. Es ist ihnen gelungen, in den besseren Maßgeschäften recht ansehnliche Vorteile zu erringen; doch mit der Innung war keine Einigung zu erzielen. Hier werden die Schuhmacher vorgehen, wenn sie ihre Organisation besser ausgebaut haben. Ebenso werden sie in der Provinz vorgehen, um die Schmutzkonkurrenz zu beseitigen. Die Tapezierer und Dekorateure in Königsberg find in eine Lohnbewegung eingetreten. Der Zuzug von Stcinarbcitern nach dem fränkischen Muschel- kalksteingebiet(Würzburg   usw.) ist streng zu vermeiden, da sich die dortigen Steinarbeiter in einem heftigen Lohnkamps befinden. Die Sache steht für die Streikenden günstig. Von 659 Mann sind bereits 299 abgereist, eine fast ebenso große Anzahl wird in den nächsten Tagen ebenfalls abreisen, falls sich die Unternehmer nicht zu Unter- Handlungen bequemen. Bis jetzt haben sich sehr wenig Streikbrecher eingefunden. Die vom Streik nicht betroffenen Arbeiter weisen Streikarbeit ausnahmslos zurück. Hustand. Generalstreik. Lille  , 13. Juni. In dem Nachbarorte Fides ist der Generalausstand ausgebrochen, weil die Compagnie de Fides einen Arbeiter wegen schlechter Arbeitsleistung entlassen hat. 2599 Arbeiter haben die Arbeit niedergelegt. Der Kongreß des Generalverbandes der Post- und Tele- graphenbeamten in Paris   nahm mit 6955 Stimmen gegen 1539 Stimmen einen Antrag an, worin mit großer Energie die freie Syn- dikatsbildung für diese Beamten verlangt wird. Der Kongreß beauf- tragt den VcrwaltungSrat, eifrigst Propaganda zu machen und alle Mittel in Bewegung zu setzen, die Abänderung des Generalverbandes in ein Generalshndikat zu bewerkstelligen. Letzte JVacbricbtcn und DcpcFcbcn. Das Auge deS Gesetzes«acht. Mannheim  , 13. Juni.  (B. H.  ) Die gestrige Nummer der hiesigenVolksstimme" wurde wegen eines GedichtesEin Blumen- idhll", derWelt am Montag" entnommen, beschlagnahmt. In der Redaktion und den Setzräumen des BlatteS wurde eine polizeiliche Haussuchung vorgenommen._ Die württembergische Berfassungsreform. Stuttgart  , 13. Juni. In der heutigen Sitzung der Kammer wurde in der Schlußabstimmung die Verfassungsreform mit 64 gegen 23 Stimmen angenommen. Gegen die Reform stimmten die Mitglieder des Zentrums und 3 Mitglieder der Ritterschaft. Gegen den Dreibund. Wien  , 13. Juni.  (W. T. B.) Budgetausschuß der öfter- reichischen Delegation. In der Verhandlung über die Triester Hafenbauten erklären die Delegierten Skene und Mastalka, die Vergebung der Hafenbauten sei überhastet erfolgt, ohne Einholung genügender fachmännischen Gutachten. Auch sei minderwertiges Material verwandt und den Bauunternehmern ungerechtfertigte Konzessionen gemacht worden. Skene glaubt, daß das Gesetz über die Ministerverantwortlichkeit in diesem Falle in Anwendung kommen könne. Der Handelsminister verspricht, in der nächsten Sitzung Aufklärungen über die gegen die früheren Regierungen erhobenen Anklagen zu geben. Kramarcz führt aus. baß der Drei- bund nicht in die Weltpolitik passe und die Völker Oesterreichs   sich energisch bedanken würden, wenn sie in einen Konflikt hineingezogen würden, bei dem es sich nur um die Interessen der Bundesgenossen handele. Er verlangt strikte Auskünfte über die Tragweite des Ar- tikels 2 des deutsch  -österreichischen Bündnisses. Auch in der euro  - püischen Politik spiele der Dreibund keine große Rolle mehr, denn auf dem Balkan   handle es sich hauptsächlich um das Ueberein- kommen mit Rußland   und um ein gutes Verhältnis zu Italien  . Deutschland   habe gerade in der Balkanpolitik ganz andere Jnter- essen, da es sich als den Protektor der Türkei   aufspiele. In Be- sprechung der Marokkofrage bemerkt Redner: Wollte Deutschland  eine Mensur haben und um jeden Preis einen Renommierschmiß bekommen, den rS ja auch erhalten hat, so sei das feine Sache, und wir haben gar keine Ursache, uns in einem solchen Falle aus- schließlich auf Seite Deutschlands   zu stellen. Wir müssen endlich einsehen, daß ein Bündnis mit Deutschland   zwar eine, wenn auch nicht absolut notwendige Sicherung des Friedens ist, daß jedoch die einzige feste Gewähr für die Zukunft Oesterreichs   in einer fried- liebenden,, konservativen auswärtigen Politik liegt. Eine solche friedliebende Monarchie liegt so fest im Interesse des Weltgleich­gewichts, daß ihre Zukunft auch ohne alle speziellen Bundnisse ge- sichert ist. da alle Staate» Europas   an der Erhaltung dieser Mon- archie das größte Interesse haben."__ Keranttv. Redakteu?: Ctil Btbrr, Berlin  , Anleratenteil peraatv.: T*. Glocke, Berlin  . Druck u. Verlag: Vorwärts Buchdr, u. Verlagscmftalt Paul Singer �Eo,, Berlin   S W. Hierzu 2 Beilagen u.UnterhaltungSblatt