Planmäßig soll eine praktische Lösung verschiedener sozialer Re-formen vorbereitet werden, besonders eine Versicherung gegenKrankheit» Invalidität und Seennglück und eine Zlltersversicherung.Das Erwerbsleben soll gestützt und gesunde demokratische Arbeits-und Lebensverhältnisse gefördert werden."— Der Wahlaufrufschließt mit den Worten:„In der Ueberzeugung, daß wir auchfernerhin das Vertrauen des Landes genießen, fordern wir dieWähler auf, ohne Rücksicht darauf, welcher Parteiorganisation siefrüher angehört haben, Vertreter zu wählen, die sich im wesentlichen diesem Programm anschließen."—Marokko.Die Sühne.Tanger, 20. Juni.(Meldung der Agenee Havas.) Der Machsenhat dem französischen Gesandten St. Rens Taillandier mitgeteilt,daß er die von Frankreich für die Ermordung des FranzosenCharbonnier geforderte Sühne zu leisten bereit sei. Ein Spezial-nnmissar wird die offizielle Autwort nach Tanger bringen.—Natal.Die„teueren" Kolonien.Durban, 20. Juni.(B. H.) Die aufständischen Eingeborenengriffen in der Nähe von Mapunplo mehrere Eisenbahngepäckwagenan und raubten sie aus, wobei ein Artillerist schwer verwundetwurde. Am folgenden Morgen überfielen sie eine Niederlassung,nachdem sie den Wächter getötet und mehrere Soldaten verwundethatten,—Amerika.Wahlsieg in Chile.Mitte März vollzogen sich in Chile die Neuwahlen für dieKammer. Die Arbeiter drängten sich in heller Begeisterung zu denUrnen. Sie wollten nicht nur ihr möglichste? tun. um einen Ge-nassen durchzudringen, sondern sie wollten auch beweisen, daß sie sichvon der blutdürstigen chilenischen Bourgeoisie nicht mehr wie sauft-mütige Schafe mißhandeln lassen. Zum großen Aerger derGegner gelang es den Arbeitern, verschiedene ihrer Freundedurchzubringen; so wurde in dem wichtigen SalzminenbezirkAntofagasta mit großer Mehrheit Louis Reeabarren und inValparaiso, der bedeutendsten Hafenstadt des Landes, BonifaeioBeas gewählt.— Reeabarren, seines Berufes Typograph, ist nichtnur in Chile, sondern in ganz Amerika bekannt. Er ist Mitarbeiterfast aller Parteiblätter; er hat alle möglichen Verfolgungen undSchikanen von feiten der Bourgeoisie erduldet und widmet sich seitJahren nur noch der sozialistischen Propaganda. Die Organisierungder chilenischen Arbeiter ist ausschließlich sein Verdienst. Er wirdim Rat seinen Mann schon stellen, dann dank seiner eisernen Energiehat er sich eine gründliche Bildung angeeignet.— DerMechaniker BeaS ist nicht unter die Intellektuellen zu rechnen wieReeabarren, aber er ist ein ausgezeichneter, überzeugter und zu-verlässiger Genosse, der es schon verstehen wird, die Sache der Ar-beiter kräftig zu vertreten. Am allgemeinen ist bei den Wahlen einentschiedenes Vordringen der Demokraten zu verzeichnen, deren Pro-«ramm sich den sozialistischen Ideen sehr nähert. Da nun trotz allerBemühungen der Genossen eine eigentliche sozialistische Partei inChile noch nicht vorhanden ist, muß man das Vorrücken der Demo-kraten begrüßen, weil deren Partei schließlich noch am ehesten denEmbryo für eine spätere Sozialisteupartei bilden kann.—Die Amerika-Linie und die guten Sitten.„Kleine Geschenke erhalten die Freundschaft." Dachte hieranauch Generaldirektor Ballin, als er neulich die Mitglieder desJournalistentages zu einem opulenten Diner an Bord des Schnell-dampfers„Deutschland" einlud? Selbstverständlich werden nun dieVertreter der siebenten Großmacht den„guten Ruf" und die Gast-sreundschaft der Amerila-Linie sowie die Liebenswürdigkeit desGeneraldirektors Ballin von der Maas bis an die Memel, von derEtsch bis an den Belt über den Schellendaus loben. Einesolche Abfütterung kostet zwar einige tausend Mark, istaber im Grunde genommen doch nur eine billige Reklamefür die Amerika-Linie, die ängstlich darüber wacht, daß abseitenihrer Arbeiter die guten Sitten nicht verletzt werden. Zu diesenguten, alten Sitten zählt die Amerika-Linie eine ununterbrochene36 stündige Arbeitszeit, denn tims is money. Als am Morgen des1. Mai' die auf dem Schnelldampfer„Blücher" beschäftigten142 festen Schauerleule nach ununterbrochener 22 stündigerArbeitszeit das Werl stoppten, um sich an der Mai-frier zu beteiligen, gerieten die Hapagisten{die Tele-arammadresse der Hamburg- Amerikanischen Paketfahrt- Aktien-lesellschaft lautet„Hapag", die Leiter der Amerika- Linieheißen deshalb kurzweg: Hapagisten) aus Rand und Band. Umihren Lohnsklaven die Maifeiergedanken ein für allemal gründlichstzu vertreiben, haben die Hapagisten gegen die 142 Schauerleute eineSchadenersatzklage in Höhe von 12 000 M. beim Hamburger Gewerbegericht anhängig gemacht, wie wir in Nr. 125 unseres Blattesberichtet haben. Die Verhandlung wurde bekanntlich ausgesetzt, dader Vorsitzende einen Vergleichsvorschlag machte, über den sich dieParteien schlüssig werden sollten.Zu Beginn der heutigen Gewerbegerichtssitzung gab der Ver«treter der Amerika-Linie, Inspektor Kapitän a. D. Theile, die Er«klärung ab, Klägerin sei zu einem Vergleich bereit, wenn die Be-klagten zugeben, kontraktbrüchig geworden zu sein. D i eBeklagten lehnten bestimmt die Abgabe einersolchen Erklärung ab. Der Vorsitzende, AmtsrichterDr. Boysen, meinte, es komme der Amerika-Linie weniger umdie Höhe der Entschädigungssumme an, als um die Anerkenntnisdes Kontraktbruches, zumal im Tarif stehe,' daß die Arbeiterhintereinander 36 Stunden beschäftigt werden könnte». Die Ver-treter der Beklagten bestreite» dies, während Inspektor Theile sichdahin äußert, daß die Arbeiter zn einer 36stündigen Arbeitauf der Unterelbe verpflichtet seien. Die Beklagtenerwidern, daß sie unter keinen Umständenanerkennen könnten, durch Kontraktbruch gegendie guten Sitten verstoßen zu haben. Nach22stündiger Arbeit hätten sie den„Blücher" verlassen. Dazu warensie berechtigt. Wenn gegen die guten Sitten verstoßen wordensei, so sei dies seitens der Amerika-Linie geschehen, derenArbeitsmethode mit den guten Sitten nicht in Einklang zu bringen sei.Auf nochmaliges Befragen lehnten die Beklagten die von derAmerika- Linie gewünschte Erklärung ab, worauf in dieVerhandlung eingetreten wurde, die mehrere Stunde» inAnspruch nahm. Die Verhandlung drehte sich hauptsächlich umdie Frage, ob den Beklagten positiv erklärt worden ist, sie müßtenden Dampfer ohne Unterbrechung löschen. Die in Betrachtkommenden Vorgesetzten der Schauerleute vermögen eine bestimmteErklärung nicht abzugeben, sind aber der Meinung, daß dieArbeiter den Anschlag der Amerika-Linic mit dem Verbot desNuheulassenS der Arbeit am 1. Mai gekannt hätten, was vonden Beklagten in Abrede gestellt wird. Das Gewerbegericht setztedie Berkündung der Entscheidung auf den 27. Juni an.GewerklcbaftUches*Auf Kosten der Kleinkrauter.Die Großindustriellen wissen an jedem Feuerchen ihrSüppchen zu kochen. Auch bei der großen Organisation zurBekämpfung der Arbeiter spielen sie die Schlauen. DieHauptsache ist: die Großen lassen sich die Kosten der Kämpfemit ihren Arbeitern von den Kleinunternehmern bezahlen!Wer würde z. B. annehmen, daß die reichen Kohlenbesitzervon der„Hauptstelle deutscher Arbeitgeberverbände" Unter-stützung erbeten und— erhalten haben? Daß das geschehenist, beweist das bereits in gestriger Nummer erwähnte Rundschreiben der Hauptstelle an die'Mitglieder, in dem auch mit-eteilt wird, daß sich der Ausschuß in der Sitzung am1. Mai 1906 mit einem Untcrstützungsantrag der Braun-kohlenkönige zu beschäftigen hatte. In dieser Sache wurdefolgender Beschluß gefaßt:1. Der Ausstand wir besonders mit Rücksicht auf den Umstand.daß die gesetzlichen Arbeiterausschüsse nicht nur ihre Mikwirkungversagten, sondern auch von den ausständigen Arbeitern voll-ständig beiseite geschoben worden sind, nicht als berechtigtanerkannt.2. Die Zurückweisung der Forderungen und des Ausstandesliegt nicht allein im Interesse der' betroffenen Unternehmer be-ziehungsweise der deutschen Bergbauindustrie, sondern im all-gemeinen Interesse aller Industrien.3. Der Ausschuß erkennt an, daß der betroffene Verband zurAbwehr des Angriffs und zur Durchführung des Ausstandes auseigenen Mitteln aufgewendet hat, was nach den in der Hauptstellefestgestellten Grundsätzen verlangt werden konnte.4. Es wird daher beschlossen, dem Antrage des Verbandes invollem Umfange zu entsprechen.Den Äleinkrautern wird es Wohl schwer werden, ein-zusehen, worin das Interesse für sie besteht, wenn die Kohlen-königc schlechte Löhne bezahlen. Aber sie haben sich einfachinit der Erklärung zu begnügen. Es wird ihnen höchstensgestattet, sich glücklich zu schätzen, daß die Großen auf ihreKosten zu höheren Getvinnen gelangen.Serlin und Umgegend.Achtung, Kleber! Bauhandwerker!Wegen Tarifbruch sind folgende Firmen gesperrt: Deutsch-bei», Bau Martin Lutherstraße 26, Minkwitz, Bau Schievel-beinerstrahe 26. Auf letzterein Bau arbeiten zwei organisierteStettiner Maler als Arbeitswillige.Die Sperre über M ö s e r, Bau Freisingerstraße 18, sowieR e i n h o l d, Bau Korsöerstraße 6, und Halensee, Schweidnitzer-straße 3, ist aufgehoben._ Die Achtzehnerkommission.Arbeitsciustellimg. Bei der Firma Härtung, Eisengießerei. Moabit,sind heute— Mittwoch— sämtliche Arbeiter in den Ausstand ein-getreten. Die Arbeiter hatten die Forderung ans Erhöhung desStundenlohnes um 5 Pf. gestellt. Die Firma wollte zunächst 2>/z Pf.bewilligen, zog dann aber auch die Zusage wieder zurück. Darauferfolgte einmütige Einstellung der Arbeit seitens der 270 dort Be-schäftigten.Berichtigung. Die Firma Schmalisch u. Below sendet unsfolgende Berichtigung:„In-Ihrer Nr. 140 vom 20. Juni d. I. bringen Sie eine Eni-gegnung des Vorstandes des„Zentralverbandes der Maurer Deutsch-lands, Zweigverein Berlin", in welcher derselbe anführt, daß aufdem Bau Langenick, Berlinerstratze, Ecke der Straße 12 K, die vonuns übernommenen Fliesenarbeiten in Akkord ausgeführt seien unddaß die Akkordarbeit im Laufe der jetzigen Sperre aufgegebenwurde. Diese Mitteilung ist unwahr!Wie wir bereits gestern mitteilten, ist bei uns niemals Akkordgearbeitet worden, insbesondere waren vor der Arbeitsniederlegungauf dem Bau Langenick die im„Zentralverband der Maurer Deutsch-lands, Zweigverein Berlin" resp. der„Freien Vereinigung derFliesenleger Deutschlands" organisierten Fliesenleger Gensecke,Kühne, Griese, Fritz und Räde, sowie die Hülfsarbeiter Lipke undKonrad beschäftigt; dieselben wurden, laut Ausweis unseres Lohn-bucheS und der vorhandenen seitens der Leute eigenhändig aus-gefüllten Wochenzettel nach dem Tarif entlohnt IVetitfcsies Reich.Achtung! Metallarbeiter!In der Pfälzischen Nähmaschinenfabrik, vormals Gebr. Kahser,wurden 135 Arbeiter entlasten, weil sie aus der Einhaltung der mitder Direktion getroffenen Vereinbarung bezüglich der Ueberstundenbestanden. Zuzug von Metallarbeitern ist streng fernzuhalten.Deutscher Metallarbeiterverband.(Bezirksleitung des 19. Bezirks.)Die Rache des Siegers sollen nach der„Rhein.-Westf. Ztg." dieDortmunder Straßenbahner fühlen. Nach ihr hat die Dortmunderstädtische Verwaltung von den streikenden Straßenbahnern etwa60 wegen früherer„schwerer" Dienstvergehen nicht wieder eingestellt.Die übrigen haben den Dienst zu den alten Bedingungen wiederaufgenommen. S i e sind vorläufig nur probeweiseund gegen Tagelohn ange st ellt. Die Verwaltunggeht mit dem Gedanken um, sämtliche Posten mitMilitäranwärtern zu besetzen.Und diese unerhörte Scharfnmcherpolitik wird unterstützt durchdas Stadtratszentrum I Da erkennt man die ultramontane Arbeiter-freundlichkeit!Zur BuchbinderauSsperrung. Schlechte Geschäfte machte amMontagabend in Jena ein Leipziger Agent, der von 6 bis 7 Uhr ineinem Hotel zu sprechen war, um für Leipzig, wo bekanntlich dieBuchbinder ausgesperrt sind, Streikbrecher zu werben. Einigen Ver-bandsmitgliedern— nur solche sprachen vor— schilderte der Herrdie Leipziger Verhältnisse in den rosigsten Farben. Als Verdienstwurde für den Anfang ein Lohn von 40 M., steigend bis 70 M.garantiert— als Leimer, d. h. ein Jahreseinkommen von 2300 bis2800 M., als Goldschnittmacher sogar von 4000 M.I Doch alleLiebesmüh' war umsonst, die hiesigen Buchbinder bedankten sich Höf-lichst bei dem Herrn und wünschten ihm auch an allen anderen Orteneinen derartig glänzenden Reinsall wie in Jena.Böttcherbewegung in Nürnberg. Die in den Brennereien, Wein-großhandlungen, Margarine- und Pechfabriken, bei den Klein-meistern uslo. beschäftigten Böttcher und deren Hülfsarbeiter Nürn-bergs haben sich entschlossen, zun, ersten Male die Durchsetzung einesTarifvertrages zu versuchen, den sich die Brauereiböttcher schon längsterrungen haben. Zur Erreichung dieses Ziele? haben sich der Zentral-verband der Böttcher, der Hirsch-Dunckersche Gewerkverein und derZentralverband der Fabrikarbeiter zu gemeinsamer Aktion verpflichtet.In einer von den drei Organisationen einberufenen Versammlungwurden die Grundsätze für den Tarifvertrag festgelegt.Ein Sieg der Organisation! Die seit neun Wochen andauerndeAussperrung der Bauarbeiter in Planegg(Oberbayer») und desgesamten Würmtales endete mit einem vollständigenSieg der Arbeiter. Der Erfolg ist um so höher anzuschlagen, alses sich hier durch die Bank um ländliche Bauarbeiter handelte.Die baugewerblichen Hülfsarbeiter in Nürnberg und Fürth sind,gleich den Maurern, Steinhauern usw., in eine Tarisbewegung ein-getreten. In der bereits eingelegten Tarisvorlage wird ein Mindest-lohn von 45 Pf. gefordert, der am 1. Januar 1907 auf 50 und am1. Juli 1907 aus 55 Pf. erhöht werden soll; ferner Zuschlag von1,50 M. für Ueberlandarbeit, möglichste Einschränkung der lieber-stunden und Sonntagsarbeit, wo sie nicht zu umgehen ist, doppelteBezahlung, für Wasserarbeiten 25 Pf., für Tiefbauarbeiten 10 Pf.Zuschlag pro Stunde, Ausschluß der Kündigung, Arbeitszeit wie heiden Maurern(9 Stunden), Abschaffung der Akkordarbeit und derFrauenarbeit auf allen Bauten, Ausschluß aller Sonderverträge,Freigabe des ersten Mai.Tie Mühlenarbeiter im Gebiet von Forchheim(Bayern) habeneine Reihe von Forderungen an die Unternehmer gerichtet, wie Ab-schaffung des Kost- und LogiSwesenS, Einführung der zehnstündigenArbeitszeit, möglichste Einschränkung der Sonntagsarbeit, Fest-setzung von Mindestlöhnen von 22 Bit pro Woche für Gangführer undvon 20 M. für Magazinarbeiter, Zuschlag für Ueberstunden undSonntagsarbeit. Die Verhältnisse der Mühlenarbeiter in diesemBezirk sind noch sehr„patriarchalisch"." Die Löhne belaufen sich aufhöchstens 8 bis 10 M. pro Woche bei schlechter Kost. Die Arbeitszeitbeträgt wöchentlich 75 bis 100 und mehr Stunden, von einer Sonn-tagSruhe ist kaum die Rede.Versammlungen.Verband städtischer Arbeiter. Eine außerordentlich stark be-suchte Versammlung der Arbeiter der städtischen GasanstaltGitschinerstraße fand am 16. d. M. bei Donath, Schön»leinstraße, statt. Es waren fast sämtliche Arbeiter und Handwerkererschienen, soweit sie nicht durch Schichtarbeit verhindert waren, umStellung zu nehmen zur Entlassung des bisherigen zweiten SektionS-leiters, Kollegen Schröder. Nach den einleitenden Ausführungen desVerbandssekretärs E. D i t t m e r ist Sch. bereits im Herbst 1902eingestellt, mußte im Sommer 1903 einige Monate aussetzen und hatseit dem Herbst 1903 ununterbrochen auf der Anstalt gearbeitet, wieauch sein Entlassungsschein ausweist. In dieser ganzen Zeit istSch. nur einmal bestraft worden mit 25 Pf. wegen Zuspätkommens,was bei dem rigorosen Strafsystem auf den städtischen Gasanstaltenunbedingt darauf schließen läßt, daß er stets seine Arbeit tadellosverrichtet hat. Das bestätigen auch alle seine Kollegen. Krank istKollege Sch. in derselben Zeit nur dreimal gewesen, und zwar zweibezw. drei Wochen. Die Entlassung wurde in der Arbeiter-Ausschutz»sitzung verhandelt, wobei der Dirigent, Herr P i l l e r t, zunächstbehauptete, Sch. sei wegen Faulheit entlassen. Als nun aberder Ausschuß die Haltlosigkeit dieser Behauptung nachweisen konnte,hatte der Herr Dirigent eine neue Ausrede. Sch. sei ein jungerAnfänger und wäre sowieso entlassen worden. Auch dies ist nicht zu-treffend. Aber dem Herrn Direktor begann die Sache nachgeradeunangenehm zu werden, darum wandte er sich einfach zum Fensterund ließ die sieben Ausschußmitglieder seine Kehrseite bewundern.Darüber waren die letzteren natürlich empört und verließen daSZimmer.— Eine Reihe von Kollegen sprachen ihre Entrüstung auSüber die Entlassung sowohl als auch über das unziemliche Verhaltendes Direktors gegenüber dem Arbeiterausschuß. Es wurde von denverschiedensten Seiten unzweideutig festgestellt, daß Sch. innerhalbder Kolonne seine Arbeit regelrecht verrichtet hat. Da er dieselbeArbeit leisten mußte wie seine Vormänner, liegt es für jedenklar auf der Hand, daß eine Maßregelung vorliegt. Außerdemwurde eine Anzahl Ungehörigkeiten von Unterbeamten aufgedeckt.Einstimmig nahm die Versammlung folgende Resolution an:„Dieüberaus zahlreich besuchte Versammlung der Gasanstalt Gitschiner«straße protestiert ganz entschieden gegen die ungebührlichen Ueber-griffe, wie sie seitens mancher Unterbeamten in letzter Zeit gegen-über den Arbeitern vorgekommen sind. Diese erblicken in der völligungerechtfertigten Entlassung des Kollegen Schröder eine Maß rege»lung und beauftragen den Arbeiterausschuß, noch einmal namensder Versammlung beim Dirigenten vorstellig zu werden, zwecksWiedereinstellung des Entlassenen. Sollte die Entlassung nicht zu»rückgenommcn werden, so ist unverzüglich die Beschwerde bei derGasdirektion einzureichen."Als nun am Montag der Ausschuß wiederum vorstellig wurde,lehnte der Herr Dirigent brüsk ab, wegen„Verbandsangelegenheiten"-zu verhandeln. Ueberhaupt wurde der Ausschutz in einer Weise be?handelt, wie er es bei dem Herrn Dirigenten noch nicht erlebt hatte.,Der Ausschuß dürfte sich unter diesen Umständen veranlaßt sehen,sein Mandat in den nächsten Tagen niederzulegen, die Gasdirektionwird dann zu dieser völlig ungerechtfertigten Entlassung Stellungnehmen müssen. Es verdient noch hervorgel?oben zu werden, daß derHerr Dirigent am Montag zugegeben hat, die Entlassung desKollegen Sch. sei nicht wegen Faulheit erfolgt, er könne sich ja beiNeueinstellungen wieder melden und solle berücksichtigt werden. Dahierüber mindestens zwei Monate vergehen, ist der Herr Dirigent vonder Wertlosigkeit dieser Zusage wohl selbst überzeugt.Die Lohn- und Arbeitsverhältnisse in de» Berliner Karton,fabriken, namentlich die der Zuschneider, Ritzer undHülfsarbeiter, wurden am Montag in einer öffentlichenVersammlung dieser Arbeitergruppen, die im Englischen Gartentagte, besprochen. Das Referat hielt der Kollege Schade. Nachseinen Schilderungen der Verhältnisse, die, wie die Diskussion ergab,in keiner Weise übertrieben waren, hätten die Arbeiter dieserBranche alle Ursache, sich etwas mehr um ihre Organisation znkümmern und mit vereinten Kräften Besserungen zu erstreben.Seit dem Streik von 1896 ist das nicht geschehen und freiwillig gibtdas Unternehmertum bekanntlich nichts. Demgemäß hat sich dennauch mit der andauernden Verteuerung des Lebensunterhaltes diewirtschaftliche Lage der Arbeiter bedeutend verschlechtert. Nochjetzt schwanken die Löhne der Kartonzuschneider in Berlinzwischen 18 und 27 M. Wenige sind es, die darüber, die bis zu36 M. und mehr die Woche verdienen; Löhne von 21 und 22 M. sindhäufig noch vorhanden und auch solche von nur 18 M. kommenvor. Die Arbeitszeit ist in manchen Fabriken auf 9 Stunden fest-gesetzt, beträgt in manchen noch 9lh, in einigen Fabriken sogar10 Stunden. Dabei wird die Arbeitszeit, ganz abgesehen von dervielen Ueberzeitarbeit in der Saison, von den Zuschneidern nichteinmal innegehalten. Sie sollen für Zuschnitt sorgen, damit dieArbeiterinnen immerfort Beschäftigung haben, und da wird dennhier und da noch ein Teil Zeit von den Pausen gearbeitet. Inder Berliner Kartonindustrie haben«s bisher nur die Nieter zueinem Vertrag mit den Unternehmern gebracht. Dieser Vertraggarantiert, nachdem er Anfang dieses Jahres mit wesentlichen Ver»besscrungen erneuert worden ist, einen Minimallohn von 24 Mk.für geübte Arbeiter, für Anfänger von 21 M., und für Leisten»nieter 27 M. Minimallohn. Außerdem ist eine vorteilhafte Rege-lung der Arbeitszeit, des Ueberstundenwesens wie der übrigenArbeitsbedingungen durchgeführt. Um so auffallender ist es. daßsich die Zuschneider, Ritzer, Hülfsarbeiter und auch die große Zahlder Arbeiterinnen noch immer mit den traurigen und ungeregel»ten Verhältnissen zufrieden geben. Die Lauheit, die in diesenKreisen noch zu finden ist, die Schmuserei mit den Prinzipalen.der sich einige Leute bedienen, um ein paar Bettelpfennige mehrLohn zu erhalten, wurden in der Versammlung mit beißendenWorten getadelt.— Eine entsprechende Resolution wurde ein».stimmig angenommen.Sodann wählte die Versammlung eine Agitationskommission,die auch die Aufgabe hat, über Minimalforderungen zur Regelungder Verhältnisse zu beraten.(Wiederholt, weil nur in einem Teil der Auflage.):Letzte JVachncbten und Dcpelcbcn,Die acht vermißten Fischer in Sicherheit.Geestemünde, 20. Juni.(W. T. B.) Der hier beheimateteFischdampfer„Henriette" meldet von Aberdeen aus, daß die Ver-suche, den bei Island gestrandeten Fischdampfer„Nordstern" vomStrande abzubringen, erfolglos geblieben seien. Die acht Mannder Besatzung des„Nordstern", die man ertrunken glaubte, befändensich am Lande in Sicherheit.CourriereS.LenS, 20. Juni.(W. T. B.) Bis jetzt sind 902 Leichen vonden bei dem Grubenunglück von Courrieres umgekommenen Berg-leuten zu Tage gefördert, so daß noch 193 Leichen aus der Grubezn bringen sind. Die Arbeiten zur Wiederherstellung der Schächteund Gänge in dem Bergwerle nehmen raschen Fortgang.Koloniale Opfer.Manila, 20. Juni.(W. T. 93.) Aus der Insel Leyte wurde diePolizeistation Burauen von 300 Eingeborenen angegriffen, welchevon der amerikanischen Polizeitruppe fünf Mann töteten, fünf ver-mundeten und die übrigen gefangen nahmen.Unwetter.Temesvar, 20. Juni.(W. T. 93.) Infolge eines großenWolkenbruches fand heute bei Oroviczo ein Bergrutsch statt. DasWasser der Bäche trat aus und überflutete die Stadt. Zwei Kindersind ertrunken. In Kellerräumen wurde viel Ware vernichtet.Zwei Häuser sind eingestürzt, weitere Einstürze werden befürchtet.vusutM. Redakteur: Hans Weber, Berlin, Inseratenteil uiaai&l et.Glpcke, Berlin. DruS».Verlag: Bortvärt»Snchdr.u.iekrlog»gokattxauI Singer 6iCo.,BerljnSVV. Hierzu 2 Beilagen». UnterhaltungSblatt