daß nur durch die EntWickelung der ganzen Verhältnisse, durch diewachsende Erkenntnis und durch die Gewinnung der Massen dieZiele der-Sozialdemokratie verwirklicht werden könnten. Wennwir von Waffen und Kampf sprechen, so sei das nur bildlich ge-meint; jeder sozialdemokratische Arbeiter wisse, daß damit keinemechanischen Gewaltmittel gemeint seien, sondern daß der Kampfmit geistigen Mitteln geführt werden solle. Andere Beamte er-klären, nur die„krassen Momente" stenographiertzu haben, da kein Stenograph eine IVHstündige Rede wortgetreuniederschreiben könne. Der Verteidiger, Dr. Herz- Altona, kon-statierte wiederholt, daß gerade die sogenannten„abschwächendenMomente" nicht zu Papier gekommen seien. Aus dem Zu-sammenhang herausgerissene Stellen könnten nimmer den Gesamt-eindruck dör Rede wiedergeben.Der Staatsanwalt beantragte nach heftigen Ausfällen gegendie Genossin eine Strafe von 6 Monaten Gefängnis. Das Gerichtsetzte die Verlündung des Urteils bis zum Montag aus.—Zur Berfassungsfrage der Reichslande wird uns aus Straß-Burg geschrieben: Zu den neuerdings beliebt gewordenen„Eni-hüllungen" über die Absichten des Bundesrats in der elsaß-lothrin-gischen Verfassungsfrage brachte vor kurzem auch der Reichstags-abgeordnete Abbe Wetterle in seinem„Journal de Colmar" einenBeitrag. Vor einiger Zeit hatte der ihm übrigens nicht fern-stehende Herr Brom in der hiesigen Sozialwissenschaft-lichen Vereinigung gelegentlich eines Vortrages mitgeteilt,die verbündeten Regierungen wollten nach Ausschaltung des Reichs-tageS aus der Landesgesetzgelbung die Gemeinderäte als Wahl-körper zum Landeöparlament entfernen und die Wahl aller Ab-geordneten den Bezirkstagen überweisen, die jetzt bereits 34 vonden 58 Abgeordneten wählen. Die liberale„Straßburger Zeitung"wollte hierauf feinere Ohren gehabt haben und teilte mit, die Be-zirkstage würden selbst den künftigen Landtag bilden. Der dritteim Bunde, der Abgeordnete Wetterle, will es jetzt noch besserwissen. Räch seinen Informationen soll die Zahl der durch die dreiBezirkstage zu wählenden Abgeordneten vermindert, die bisher vonden Delegierten der Gcmeinderäte gewählten Abgeordneten durchdas allgemeine Wahlrecht bestimmt werden, und weiter hätten dieRegierungen die grandiose Absicht, eine Reihe von Standes-Herren mit Sitz und Stimme zu ernennen. Ob dieseErnennung sich auch auf die Erben oder auf einen von ihnen undin diesem Fall auf welchen erstrecken soll, verrät der klerikaleFührer nicht.Es braucht wohl kaum bemerkt zu werden, daß eine derartigeVcrfassungs„reform" im ganzen Volke nur Entrüstung hervor-rufen würde. Sehr bezeichnend aber ist die Tatsache, daß manhier vielfach annimmt, die von Herrn Wetterle gemachten Angabenstellten keineswegs die Absichten der Regierungen dar, sondern sieseien lediglich ein von ihm dem Bundesrat erteilterR a t l Inwieweit das zutrifft, kann selbstverständlich hier nichtbeurteilt werden, aber schon die Existenz dieser Auffassung beweist,in welchem Geruch der sich so gern oppositionell gebarende HerrAbgeordnete Wetterle hier steht. Nachdem er mit seinem Frak-tionSkollegen P r e i ß im Reichstag beantragt hat, den ReichstagauS der Landesgesctzgebung von Elsaß-Lothringen auszuschalten,ohne das allgemeine Wahlrecht zum Landes-ausschuß sicherzustellen, kann man sich jedoch darübernicht mehr wundern!—_Aus dem Kolonialsumpf.Auch gegen höhere Beamte in der Kolonialabteilung desAuswärtigen Amtes scheint man jetzt vorgehen zu wollen. So wirdeinerseits gemeldet, daß die schon genannten Beamten Götz undSchneider vom Dienste suspendiert seien; die Untersuchunggegen sie wird durch Landgerichtsrat Schmidt vom Berlmer Land-gericht I geführt. Aus der anderen Seite hören die„Münch. N.Nachr.", daß ein vortragender Rat aus der Kolonial-abteilung bereits ausgeschieden und m ein anderes Amt der-setzt sei, zwei weitere derartige Maßnahmen seienin Borbereitung.Leider liegt diesem Vorgehen offenbar nicht die Tendenz zu-gründe, die koloniale Korruption selbst zu bekämpfen, vielmehr die,künftig neue Indiskretionen zu verhüten IDie»Ndd. Allg." bringt heute wieder 1'/, Spalten Dementis.So wird erstens erklärt, daß die Beschuldigungen ErzbergerS wegenVerwendung des Wohltätigkeitsfonds zugunsten von Offizieren bereitsin der Budgetkommission vollinhaltlich widerlegt worden seien.„Was die Zuwendung von Liebesgaben für Offiziere undBeamte zur Teilnahme an den Kolonialfesten anbetrifft, sosind für die WohltätigkeitSvorstellung für die Truppen in Südwest-afrika bei Kroll am 14. Oktober v. I. für 4 Offiziere und zu demKolonialfest am 20. Januar er. für 5 Offiziere des Ober-kommandos Billetts mit 2V bezw. 9 M. aus demzur freien Verfügung de? Oberkommandos stehenden Woermann-fonds beschafft worden. Dies geschah, um nicht den nur derRepräsentation wegen zu diesen Festen entsandten Offizieren dieverhältnismäßig hohen Ausgaben für die Billetts aufzuerlegen;die Ausgaben für die BillettS flössen zudem indirekt sofort wiederden wohltätigen Fonds zu. Als später diese Ausgaben zu Er-örterungen Veranlassung gaben, haben die in Frage stehendenOffiziere die Beträge für die ihnen überwiesenen Billetts wiederzurückgezahlt.Auch hierüber ist dem Abg. Erzberger auf eine an den Stell-Vertreter des Kolonialdirektors gerichtete Anfrage bezüglich derBilletts für die fünf Offiziere schriftlich bereits unter dem 16. Mai1906 Auskunft erteilt worden."Zweitens seien die angeblichen Unterschleife an soldatischenBekleidungsstücken sofort nach der Erörterung dieses Falles in derBudgetkommission zum Gegenstand einer von der Staatsanwaltschaftin Hamburg geleiteten Untersuchung gemacht worden. Da es sichnur um verschenkte ausgetragene Uniformen gehandelthabe, sei das Verfahren e i n ge st e l l t worden.Drittens habe es mit der Verwendung von amerikauischemBüchsenfleisch in Svdwestafrika allerdings seine Richtigkeit:„Die Hinaussendung bewährter Marken amerikanischenBuchsenfleisches in das Schutzgebiet entspricht den Wünschender Schuytruppe. bei der dieses Corned Beef d u r ch a u Sbeliebt ist. Für Beschaffung amerikanischen Büchsenfleische»sprechen außerdem wirtschaftliche Rücksichten mit, denn das-selbe stellt sich im P r e i s e etwa nur ein D r i t t e l so hoch,wie bewährte deutsche Fabrikate, welche unter Garantie erst-klassiges deutsches Fleisch verarbeiten. Der tatsächliche Umfangder monatlichen Verschiffungen hat bisher niemals„mehrere1000 Kisten" betragen; im Mai 1906 speziell belief er sich auf670 Kisten zu je 24 Dosen k 1 Kilogramm.Die letzten Beschaffungsaufträge auf amerikanisches CornedBeef, umfassend Lieferungen für die Monate April bis Oktober 1906,sind Anfang Februar d. I. erteilt worden, d. h. zu einer Zeit, alsdie Beschuldigungen gegen die amerikanische Industrie noch nichterhoben waren."Dies Geständnis bestätigt also die Tatsache, daß dieselbe Re»gierung, die amerikanisches Büchsenfleisch für den Konsum inDeutschland für gesundheitsschädlich erklärte, selbst die südwest-afrikanischen Truppen in erheblichem Maße mit solchem Fleisch ver-köstigte!Endlich kündigt das offiziöse Organ ein strafrechtlichesEinschreiten gegen die„Verbreiter" der Angriffe des„Anzeigerim Oberland" an. Der Verfasser, der mit E. zeichnete, wird alsoGelegenheit haben, den Wahrheitsbeweis zu versuchen.—Nun gerade!JweinearBnefe, den Fürst B ü l o w am 13. Juni aus NordemeyOtt den" Präsidenten der Deutschen Kolonialgesellschaft, HerzogJohann Albrecht zu Mecklenburg, gerichtet hat, erklärt der Reichs-kanzler:Die Bildung eines selbständigen Reichskolonial-amteö wird auch nach der durch den Reichstag erfolgten Ab-lehnung. eine der wesentlich st en Bestrebungender Kolonialverwaltung bleiben.Das Zentrum hat ja auch sofort nach der Oppositionskomödiebei der Abstimmung über die Schaffung eines selbständigen Reichs-kolonialamts einen späteren Umfall unverblümt genug in Aussichtgestellt!—'_Die„Times" über die jonrnalistische Englandfahrt. Auf die Be-merkung der„Kölnischen Zeitung", daß die Englandfahrt nicht zuunterschätzen sei und day die Herzlichkeit, mit der die Deutschenüberall empfangen wurden, einige Besorgnis in Frankreich errege,antworten die„Times" vom Dienstag:„... Wir trauen denFranzosen viel zu viel gesunden Menschenverstand zu, um glaubenzu können, daß sie dem Austausch privater Höflichkeiten oder derüberströmenden Redeseligkeit einiger Minister, die nicht besondersdazu qualifiziert sind, über auswärtige Politik zu sprechen, politischeBedeutling beilegen."—_Veränderungen im wllrttcmbergischen Staatsministerium.Stuttgart, 28. Juni.(Eig. Ber.)Der Minister des Auswärtigen und des Verkehrswesens, Frhr.v. Soden, der schon längere Zeit krank war, ist pensioniertworden. An seine Stelle tritt der bisherige Kultusministerv. Weizsäcker, und zum Kultusminister wird Staatsratv. Fleischhauer ernannt. Mit diesen jetzt vollzogenen Er-Nennungen und der bereits kürzlich erfolgten Ersetzung des Kriegsministers v. Schnürten durch den bisherigen Kommandantenvon Stuttgart, Generalleutnant v. Marchtaler, sind die Per-änderungen im württembergischcn Ministerium aber noch nicht ab-geschlossen. Es find noch amtsmüde der Minister des Innern,v. P i s ch e k, der erklärt haben soll, nach Erledigung der Gemeinde-Verwaltungsreform bestimmt ausscheiden zu wollen, und derMinisterpräsident v. Breitling, der auch schon während derVerfassungsreformdebattcn erkrankt war. Als Ersatz für Herrnv. Pischek, den schwäbischen Posadowsky, wird der Präsident derHofdomänenkammer, Herr v. G e ß l e r, einer der„Lcbensläng-lichen" der Ersten Kammer, genannt. In den Kreisen, die für densozialpolitischen Fortschritt sind und eine freiere Auffassung vomstaatlichen Leben hegen, dürfte man an diesen Wechsel kaum an-genehme Erwartungen knüpfen. Die Stelle des Ministerpräsidentenhat noch keinen bestimmten Anwärter. Die Hofkreise hätten gerngesehen, daß der Berliner Gesandte Württembergs, Frhr. v. V a r n-büler, das Ministerpräsidium übernommen hätte. Da aber derhohe Adel die Besetzung der Berliner Gesandtschaft durch einen derscinigen als sein Privileg betrachtet, augenblicklich jedoch keinanderer als Varnbüler bereit sein soll, die etwa 40 000 M. jährlichbetragenden Rcpräsentationsgelder, die mit diesem Posten verknüpftsind, aus seiner Tasche zu zahlen, so wird hieraus wohl nichts werden.Es bleibt schließlich als„letzte Rettung" ja noch Herr v. Weizsäckerübrig, der mit Geschick aus dem Kultus ins Auswärtige und denVerkehr hinüberwechselte, warum sollte dieser vielseitige Mannnicht auch noch Ministerpräsident dazu werden?Württcmdcrgische Verfassungsrcvision.Die württeinbergische Kammer der Standesherren hat heute,wie telegraphisch aus Stuttgart gemeldet wird, nochmals die Ber-fassungsrevision beraten. Sle verharrte dabei einstimmig auf ihremfrüheren Standpunkt bezüglich des Budgetrechts, machte aber aufanderen Gebieten wesentliche Konzesstonen gegenüber der ZweitenKammer und stimmte namentlich hinsichtlich des Ersatzes für die ausder Zweiten Kammer ausscheidenden Privilegierten der Zuwahl von17 Abgeordneten durch Laudesproporz zur Zweiten Kammer zu inder Weise, daß diese in zwei Partien gewählt werden, und ztvar vomNeckarkreis und Schwarzwaldkreis 10 Abgeordnete, vom JagstkreiSund Donaukreis 7 Abgeordnete.—Die ehrsame„Post", die, ihrem Charakter entsprechend, dieDifferenz zwischen der Generalkommission und dem Parteivorstandauszuschlachten versucht, bemerkt unter anderem, daß weder dieBebelsche Rede über den Massenstreik noch die besondere Broschüreüber diesen erschienen sei, wie der Jenaer Parteitag beschlossen habe.Darauf erwidern wir der„Post", daß nicht nur dw Bebelsche Rede.sondern die ganze Verhandlung über den Massenstreik im Separat-druck erschienen ist. Auch die Broschüre über den Massenstreikwird in dem geeigneten Augenblick erscheinen, wie wir der„Post"verraten wollen. Was die„Post* sonst über die Verhandlungenzwischen Generalkommission und Parteivorstand schreibt, ist von Abis Z er— dichtet.—_„Vollkommen beseitigt l"Die Herren Zentrumsbourgeois, Pfarrer und Kapläne inDortmund steckten die Köpfe zusammen, nahmen sich den„Ar-beitersekretär" Granowski vor und der Konflikt ist„vollkom-m e n beseitigt". Die„Tremonia" tritt mit folgender Er-klärung vpr die erstaunten Leser:„Unseren Parteigenossen können wir zu unserer bc-sonderen Freude die Mitteilung machen, daß die Diffe»renzen, die in letzter Zeit innerhalb unserer Partei zutage ge-treten sind, auf Grund einer gemeinsamen Aussprache voll-kommen beseitigt sind. An den Besprechungen nahmenteil die Herren Dechant Walter, die Pfarrer Rötgers und Cloidt,Arbeitersekretär Granowski, Oberlehrer Rosenberg(Geistlicher),Kaplan Rügenberg, Justizrat Wcsthoff. A. Birkhoff und LambertLensing."Aus dieser Erklärung ersieht man, daß sich der tapfere HerrGranowski hat breitschlagen lassen, ob damit aber die D'ffe-renzen wirklich„vollkommen beseitigt" sind, ist eine andere Frage;denn es darf nicht vergessen werden, daß sich das ch r i st l i ch eGewerkschaftskartell an die Spitze des Kampfes gestellthat, und das Kartell war in den Besprechungen nicht vertreten.Man wird abwarten müssen, ob dieses den Lensing und Konsortengestatten wird, mit ihnen Schindludcr zu spielen.—Kassiertes Kriegsgerichts»rteil. DaS Magdeburger OberkriegS-gericht war am Donnerstag nach Halle gefahren, um ein Kriegs-gerichtsurteil der Hallenser Richter, die sich durch das DessnuerSchreckensurteil unvergeßlich gemacht haben, nachzuprüfen. Kürzlichhatte man in Halle den Leutnant Friedrich Günther v. G ö ck i n gvom 3. thüringischen Infanterieregiment Rr. 153 in Altenbnrgivegen Urkundenfälschung und unerlaubter Entfernung mit AuS-stvßuiig aus dem Heere, 1 Jahr 6 Monaten Gefängnis,und einem Jahre Ehrverlust bestraft. Der Angeklagte scheint einOpfer der wunderbaren Ehrbegriffe im Offizierkorps geworden zusein. ES ist nicht unbekannt, daß er einem ihm nahestehenden Herrnunter Verpfändung seines Ehrenwortes Geld versprochen, dann, umdaS Versprechen einlösen zu können, einem Berliner Geldverlciher indie Hände gefallen ist und er dann in furchtbarer Weise„geschröpft"wurde. So kam eS, daß er, um einem Bekannten zu helfen, eineUrkunde fälschte. Nach der Tat floh er mit seiner Braut nachSchandau. Die Dame und vier Offiziere waren zur BcweiSauf-nähme geladen. Die Strafe wurde auf 8 Monate Gefängnisermäßigt.Zu drei Jahren Gefängnis verurteilte das OberkriegSgcricht inBreslau den Musketier T a f ch e k vom Jnfanterie-Regiment 23 inN e i f f e wegen Körperverletzung eines Zivilisten, Widersetzung, Be»Harrens im Ungehorsam, Achtungsverletzung und tätlichen Angriffsgegen einen Vorgesetzten. Das Kriegsgericht hatte auf zwei Jahreund sechs Monate erkannt, indem es keinen tätlichen Angriff an-nahm. Wegen dieses Deliktes forderte aber in seiner Berufungta MrichtÄerr LMsftulg uab iklm Mniiao gab bM Bs-rufungsinstanz statt. Der Soldat hatte in Neisse am 22. Aprilangetrunken einen Arbeiter mit dem Seitengewehr gemiß-handelt und dem Befehl der Patrouille, das Seitengewehr abzu-geben, nicht gefolgt, sich widersetzt und die Achtung verletzt, fernerden Sergeant Jahne! auf der Wache an der Hand festgehaltenund gedrückt, daß dieser sich mit Anstrengung freimachen mußte.Auf die Frage des Verhandlungsführers, ob er sich beruhige, er-widerte T a s ch e k:„Meine Herren, das ist eine unerhörte Strafe,KlusUnöl.Schweiz.Das neue Lehrlingsschntzgesetz in Basel.Basel, 26. Juni.(Eig. Ber.) Nun erhält auch nach langenBemühungen der Kanton Baselstadt ein Lehrlingsschutzgesetz, nachdemihm verschiedene andere Kantone, zum Teil schon vor Jahren, mitgutem Beispiel vorangegangen sind. Dein neuen Gesetze unterstehensämtliche Handwerks- und Handelslehrlinge, nicht aber die Fabrik-lehrlinge. Geschäftsinhabern, die durch gerichtliches Urteil im Altiv-bürgerrecht beschränkt sind, sowie solchen, welche nicht die nötigeGarantie für die zweckmäßige Heranbildung der Lehrlinge bietenoder gegenüber emem solchen sich grober Pflichtvernachlässigungschuldig gemacht haben, kann das Recht zum Lehrlingshaltenentzogen Iverden. Der Eintritt in die Lehre ist erst nach demvollendeten 14. Lebensjahre gestattet. Der Lehrvertrag ist schriftlichabzuschließen und in vier Exemplaren auszufertigen und von denParteien zu unterzeichnen. Die Beschäftigung eines Lehrlings imAkkordlohn ist, soweit sie die Erlernung des Berufes hemmen kann,unstatthaft. Der Lehrmeister ist verpflichtet, den Lehrling zum Be-suche der Fortbildungskurse anzuhalten und ihm dazu sowie zurTeilnahme an der Lehrlingspriifung die notwendige Zeit währendder Arbeitsstunden einzuräumen. Für den Besuch der Kurse istein Maximum von sechs Stunden in der Woche festgesetzt. DieArbeitszeit der Lehrlinge darf 10 Stunden täglich und 60 Stundenwöchentlich, unter Einschluß der für den Religionsunterricht, die ver-schiedenen Kurse und die Lehrlingsprüfung erforderlichen Zeit nichtübersteigen. Unter den gleichen Bedingungungen darf für weiblicheLehrlinge, die das 15. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, dieArbeitszeit nicht mehr als 9 Stunden täglich und 54 Stundenwöchentlich betragen. Die regelmäßige Anhaltnng von weiblichenLehrlinge» zur Nachtarbeit ist untersagt. Für männlicheLehrlinge kann sie nur in Gewerben, die dem täglichen Bedarfedienen oder bei denen es die Natur deS Betriebes erfordert, zugelassenwerden. In jedem Betriebe ist eine Bekanntmachung der wichtigstenParagraphen des Gesetzes an sichtbarer Stelle anzuschlagen.Lehrlinge, welche die Lehrlingsprüfungen mit ausgezeichnetemErsolge bestehen, erhalten zu ihrer iveitereir Ausbildung Stipendien.Die Aufsicht über die Durchführung des Lehrlinasgesetzes obliegtdem Departement des Jnirern und dem Gewerveinspcktor. DemDempartement wird eine 14gliedrige Aufsichtskonnnission(das Lehr-lingsdepartement) beigegeben, in der je 5 Arbeiter und 5 Meister,femer auch die Schulbehörden vertreten sein sollen. Mindestens 2von den 14 Mitgliedern müssen dem weiblichen Geschlecht angehören.Das Gesetz bedeutet entschieden einen sozialen Fortschritt, wennes auch noch lange nichts Ideale« ist. Die Hauptsache ist nun, daßes auch wirklich durchgeführt wird.—Zürich, 23. Juni. DaS Obergcricht bestätigte mit allen gegeneine Stimme das Urteil des Bezirksgerichts Zürich gegen den An-archisten Johannes Holzmann, alias Senna Hoy, wegen wiederholterUcbertretung der Landesverweisung und Widerstandes gegen dieStaatsgewalt zu 6 Monaten Gefängnis und 15 jähriger Landesver-Weisung. Holzmann wird die Strafe in der Strafanstalt Regensbergverbüßen.Frankreich.Ministerrat.Paris, 30. Juni. Im heutigen, im Elhsee abgehaltenen Minister-rat berichteten Sarrien, Poiucarö und Doumergue über die Ver-Handlungen im SenatsouSschutz für den Gesetzentwurf betreffenddie Arbeiterpensionen, in deren Verlaus sie die Erklärung ab-gegeben hätten, daß die Regierung entschlossen sei. an denwesentlichen Grundsätzen der Vorlage im Senat festzuhalten,nämlich dem Beitragszwanq, der Staatsbeteiligung und der Ein-beziehung der landwirtschaftiiche» Arbeiter. Immerhin würde Anlaßvorliegen, die Vorlage, da sie in der von der Kammer beschlossenenForm die augenblickliche Steuerkraft des Landes übersteige, in ver-schiedenen Punkten zu mildem und dein Staatsbeitragseinen schwankenden Charakter, der dem Budget gefährlichwerden könne, zu nehmen. Wenn der Entwurf wieder andie Kammer gelange, würde die Regierung Borschläge machen. AlleSchriftstücke, die notwendig wären, um die Arbeiten der Kommissionzu beschleunigen, würden ihr sobald als möglich zugestellt werden.Der Ministerrat beschäftigte sich sodann mit dem Gesetzentwurf überdie Reform der Mlitärgerichte, dessen Ausarbeitung fast beendet ist.—Amerika.Militärisches. Einen Vergleich zwischen den Löhnen derOffiziere und denen der. gelernten Arbeiter zog der General Corbinkürzlich in einer Rede vor den Kadetten der MilitärakademieWestpoint. Er begann seine Rede mit einer Verherrlichungder Waffentaten der Armee auf den Philippinen und tratfür eine Lohnerhöhung für die Offiziere ein. VielenBeschwerden und Opfern seien die Kadetten bei ihrem Eintritt indie Armee ausgesetzt, so erzählte der General, und er wies daraufhin, daß sie auf Jahre hinaus weit schlechter bezahlt seien alsgeschickte Arbeiter. Die Offiziere, die bei der Infanterie eintreten,erhielten täglich 3,89 Dollar, bei der Kavallerie 4,17 Dollar. Dagegenerhalten Maurer 6 Doll., Zimmerer und Maler 4,50 Doll. täglich,sodaß der Unternehmer den Arbeiter besser bezahle als die Regierungdie Graduierten ihrer Militärakademien.Die„New Dorker Volkszeitung" bemerkt dazu, daß die Offiziers-löhne auch hübsch regelmäßig gezahlt würden, daß im übrigendie Handwerker nützliche Arbeit verrichten, was nran von denOssizieren nicht gerade behaupten könne, und daß eS den Offizierenja freistehe, das Gewerbe zu wechseln, um mehr zu verdienen.—Eue der Partei.Ein neuer Mehring. Die Leipziger Partcidruckerei, AbteilungBuchhandlung, gibt bekannt: Auf vielfache Anfragen aus Partei-kreisen, die sich namentlich in letzter Zeit gehäuft habx», teilen wirmit, daß die schon vor JabreSfrist im redaktionellen Teil unsererZeitung angekündigte Schrift des Genossen Mehring zum. hundertstenJahreslage der Schlacht bei Jena spätestens bi» Ende August er-scheinen wird. Ihre Vollendung hat nur durch die nunmehr gehobeneErkrankung des Verfassers eine kurze Verzögerung erfahren. Siewird den Titel: Jena und Tilsit führen; Ausstattung und Um-fang werden dieselben sein wie bei der Schrift Mehrings über Schiller,ebenso der Preis(1 Ml).Personalien. In die Redaktion der„Belgischen Ar-b e i t e r st i m m e" in Solingen ist der Genosse Gerhard Hilde-brand- Berlin eingetreten.Ein mißglückter StaatsrettungSversuch. Die Erfurter Polizeihat den Schmerz erleiden müssen, daß ihr genialer Einfall, denBesitzer eines Hundes mit 5 M. Geldstrafe wegen grobenU n fu g S zu belegen, weil der Hund am 1. Mai mit rotemg y lin d er h ut auf der Straße demonstriert hat, vom Gerichtnicht gewürdigt worden ist.Der Kaufmann Heiuecke, der den gefährlichen Hund besitzt, istnämlich, auf seinen Antrag auf richtertiche Entscheidung über dasStrafmandat vom Schöffengericht freigesprochen worden. Es konntenicht nachgewiesen werden, daß der Hund mit dem roten Zylinder-Hut AergerniS erregt hatte. Das verderbte Publikum hatte sich viel-mehr über ihn amüsiert!ES bleibt beini Unrecht! Dem Gerichtsberichterstatter der Düssel-dorfer �Lollszeituog" war vom Düsseldorfer Landgericht die Bericht-