niederlassen, wofür sie ebenfalls die Kosten auf-bringen und hinterlegen wollen. Weiter wird in der Eingabeder Wunsch ausgedruckt, dah die Regierung verfügen wolle, daßjeder Akwanrann, sobald er 2V Jahre alt ist, zwei Jahre in derSchutztruppe dienen muß. Zum Schluß betonen diePetenten ausdrücklich noch, daß ihr Wissensdurst ein sehr großerist, und sie unter allen Umständen von allen Schutzbefohlenen desDeutschen Reiches die ersten und die besten sein wollen.Diese Petition ist außer dem Reichstage auch dem Reichskanzlerund dem Leiter des Kolonialamts zugestellt worden._ Diese Petition beweist zunächst, daß die„Nigger" das ernsteBestreben haben, sich die europäische Kultur anzueignen. Sie beweistaber zugleich, welche Hindernisse ihnen bei diesem Bestrebenvon den Kolonialbehörden in den Weg gelegt werden!Ganz abgesehen davon, daß man ihre Bitte, die Schulpflichtauf 6 Jahre auszudehnen, abgeschlagen hat: ist es nicht un-geheuerlich, daß die Eingeborenen erst an den Reichstagpetitionieren müssen, um auf eigene Kosten einen Arzt undRechtsanwälte anstellen zu können? IAber in der gewaltsamen kulturellen Niederhaltung der Ein-geborenen liegt eben Systeml Hat es doch erst in diesen Tagenwieder ein Alldeutscher ausgesprochen, daß unsere Kolonial-intcressenten den Eingeborenen in den Kolonien nicht Kulturbringen, sondern sie zu gefügigem und billigemArbeitsvieh herabdrücken wollen. Und da ist„der dümmste„Nigger" der beste!Hoffentlich schenkt der Reichstag dieser Petition die ihr ge-bührcnde Beachtung. Für die neue Kolonialexzellenz wird sich dannja Gelegenheit bieten, ihren Standpunkt zur Eingeborcnenpolitikmit aller gebotenen Klarheit zu entwickeln!—Ter Protest der Nürnberger Arbeiterschaft.Aus Nürnberg wird uns geschrieben:Am Mittvwchabend fanden hier vier massenhaft besuchte Volks-Versammlungen statt mit der Tagesordnung: Die letztenVorkommnisse in Nürnberg, das Verhaltender Behörden und die Stellungnahme derbürgerlichen Presse. In der Stimmung der Versamm-lungen spiegelte sich die tiefste Entrüstung über die Bluttaten derArbeitswilligen und der Polizei wieder. Folgende �Resolutionwurde überall einstimmig angenommen:Die Versammlungen sprechen ihre tiefste Entrüstung überdie Schandto t jenes Streikbrechers aus, der den Genossen Fleisch-mann ermordete, der Familie damit den Ernährer, seiner Ge-werkschaft mnd der sozialdemokratischen Partei einen wackerenMitstreiter raubte; die Versammelten finden es nach wie vor un-begreiflich,<daß die DeHörden den Mörder auf freien Fuß gesetztund damit a roße Erregung, namentlich in der Arbeiterschaft, her-vorgerufen haben; die Versammelten protestieren gegen das auf-reizend wirkende Eingreifen der Polizei in die wirtschaftlichenKämpfe der Arbeiter und Unternehmer, insbesondere gegen dasStreikposten.stehenverbot, durch das das gesetzlich gewährleisteteKoalitionsr-echt wirkungslos gemacht wird; sie protestieren fernergegen die'jüngsten militärffchen Maßnahmen, welche die Stadtin einen förmlichen Belagerungszustand versetzen. Die Versam-melten erklären, daß die politischen und wirtschaftlichen Organi-sationen der Arbeiterschaft an den Vorgängen völlig unbeteiligtsind, um si? mehr, als die zielbewußte Arbeiterschaft nur durchdie Kraft iffrer Organisationen und die Ausnützung aller gesetz-lichan Mittel die Befreiung der Arbeiter zu erkämpfen entschlossenist. Die Versammelten protestieren daher mit besonderer Em-pörung gegem die wahrheitswidrigcn, denunziatorischen und bewußthetzerischen Unterstellungen der bürgerlichen Presse Nürnbergs.die die organisierte Arbeiterschaft und ihr Organ in direkten Zu-sammcnhang mit den Borgängen der letzten Zeit zu bringengesucht haben und fortgesetzt die Polizei gegen die Organisationender Arbeiter und die einzelnen kämpfenden Arbeiter scharf zumachen suckzen. Die Versammelten verpflichten sich, durch unab-lässige energische Agitation dem sozialdemokratischen VereinNürnberg-Altdorf, den Gewerkschaften und Genossenschaften neueMitglieder und dem einzigen Arbeiterblatt, der„FränkischenTagespost", neue Leser zuzuführen und dadurch den endgültigenSieg des Proletariats zu beschleunigen.Die Versammlungen verliefen in musterhaftester Ordnungund auch aujf den Straßen kamen bis zur Absendung dieses Be-lichtes nicht die geringsten Störungen vor. Die Behörde hattewieder außerordentliche Maßnahmen getroffen. Außer den schonin Nürnberg, anwesenden auswärtigen Polizisten und Gendarmenwaren noch ILO Gendarmen herangezogen worden, ferner waren die1 Kompagnien Infanterie, die wegen der Furcht vor der Revolutionnicht mit ins Manöver ausrücken, in den Kasernen konsigniert.Tiusland.Schweiz.Neuer Militärskandal.Zürich, 5. September. fEig. Ber.) Im Kanton Zürich und ineinem Teil Ucr übrigen Ostschweiz finden die Herbstmanöver statt,aus welchem Anlaß viel Militär zusammengezogen ist. Die Vor-gänge während der Kosakenzeit in Zürich haben den Blick weiterVolkskreise gegenüber dem Militär geschärft, und es wird daher—wie uns schei at— nunmehr kritischer Kontrolle geübt als früher.Wie notwendig sie ist, lehrte gleich in den ersten Tagen de« Truppen-zusammenzuge»- ein Offiziersexzeß in Zürich. Hier hat der Infanterie-major Staub, ein Jnstruktionsoffizier, den Soldaten Stüßi aus demKanton Glarus auf offener Straße in rohester Weise mißhandelt.weil er den von ihm übersehenen Major nicht gegrüßt hatte. Inder bürgerlichen Presse wird die Mißhandlung so geschildert:„Plötzlich wurde er von dem Offizier mit der Spitze der Säbelscheidein die Seite gestoßen, mit den ordinärsten Ausdrücken überhäuft undbefragt, ob er nicht wisse, daß er Offiziere zu grüßen habe. Dererschrockene Stüßi hatte vor Schreck beinahe die Sprache verloren,nahm Achtungstellung an und falutierte. Der Major hatte nochnicht genug daran. Mit weiteren Püffen der Säbelscheidespitze und„Kosenamen" wollte sich der Offizier verabschieden. Da bemerkteein unbeteiligter Zivilist, der Kaufmann Kübler von Kilchberg, imBorübergehen, das sei doch kein Benehmen eines Offiziers gegenübereinem Soldaten. Der Major wandte sich hierauf dem Zivilistenzu mit der liebenswürdigen Drohung, wenn er nicht ichweige,setze es auch noch etwas ab.„Das wäre doch zuviel,"meinte Kübler, aber kaum hatte er das gesagt. hatte erauch schon etliche Ohrfeigen weg. Er wehrte den ivütendenOffizier ab. dieser aber griff nun ebenfalls zur Säbelspitzeund schlug den Zivilisten, ja, er zog schließlich den Säbel blank undhieb Kübler damit über Kopf, Rücken und Arme. Zufällig kamengerade Polizeileute zu dem wüsten Auftritt; der Polizeimann Ballt,fiel dem Major in den Arm und forderte ihn zur Legitimation auf.Der Major wies sich durch Visitenkarte als Major Hans Staub,Jnstruktionsoffizier der Infanterie und Kommandant desBataillons 98. wohnhast in Zürich und Chur, ans und wurde gehengelassen, nachdem er die zirka 30 Zentimeter weit verbogene Säbel-spitze wieder in die Scheide versorgt hatte. Dem Vorfall wohntenzahlreiche Passanten als Augenzeugen bei. Von der Stadtpolizeiwurde dem Platzkommando Mitteilung gemacht."Also ein uniformierter Wüterich I Man züchtet aber solche ganzsystematisch, wenn man die rohesten Exzesse, wie sie von Offizierenund Soldaten während der Kosakenzeit in Zürich an wehrlosenArbeitern verübt wurden, als„begreiflich" und„entschuldbar" be-urteilt und sie nur mit einem Tadel oder Verweis„ahndet". Diebürgerliche Presse niacht denn auch bereits Stimmung für eine eben-solche, die Roheit fördenide und ermutigende milde Beurteilung derempörenden Exzesse des Majors Staub, und seine Kameraden alsRichter werden ihm gewiß auch nicht wehe tun.—Frankreich.Indiskretionen von der Bischofsversammlung.Paris, 6. September.(Eig. Ber.)Die Bischöfe haben zwar auch diesmal den Schleier desGeheimnisses über ihre Beratungen gebreitet, aber sie habennicht verhindern können, daß er schon am nächsten Tag Löcherbekam, und zwar wurde diesmal nicht nur der antikerikaleKatholik Jean de Bonnefon vom„Journal", sondern auchdie klerikal-antisemitische„Libre Parole" mit ausführlichenAuskünften versehen. Interessant ist der von diesem Blatteveröffentlichte Zwischenfall am Beginn der ersten Sitzung,der eben die Frage des Ausplauderns betraf: Der PariserErzbischof sprach ziemlich heftig gegen die Indiskretionen,mit besonderem Bezug auf die für den Vatikan so kompro-mittierlichen Veröffentlichungen des„Temps" und des„Sidcle", worauf der Erzbischof von Roucn, F u z e t, einerder Führer des republikanischen Hochklerus, recht gereizt er-widerte: die Versammlung sei kein Konzil, von dem er Be-fehle entgegennehmen müsse, und er habe lediglich dem Papsteund seinem Gewissen zu gehorchen!Im Verlauf der Verhandlung trat die scharfe Scheidungder Meinungen neuerlich hervor. Ein Teil der Bischöfe istnoch immer für einen Versuch mit den Assoziationen undhofft, es wert« sich noch eine für den Staat wie für die Kprieannehmbare Form der kirchlichen Organisation finden lassen,Dagegen wollen die radikalen Ultramontanen von Nachgebennichts wissen. Sie behaupten, die Kirche könne sich auch ohnegesetzliche Organisation erhalten. Der Gottesdienst miisseauf Grund des Versammlungsgesetzes oder in privaten Ver-anstaltungen gepflegt werden. Einige Bischöfe berichteten,daß sie in ihren Diözesen die Gläubigen bereits auf Grunddieses Prinzips organisiert haben. Dagegen wandten die„Soumissionisten", d. h. die Anhänger der Unterwerfungunter das Gesetz, ein, daß dieses Vorgehen über kurz oderlang an dem finanziellen Punkte scheitern müsse. Es sei un-möglich, die notwendigen 60 Millionen von den Gläubigenhereinzubringen.Die Anhänger der radikalen Taktik haben insbesonderezwei Wege zur Deckung des Mrchenbudgets in Vorschlag ge-bracht: Es sollen die Sakramente nur denjenigen erteiltwerden, die ihren Kirchenbeitrag geleistet haben. Die ge-leisteten Beiträge sollen entweder in eine Zentralkasse ab-geführt werden oder in der Diözese bleiben. Die Bischöfe derreicheren Diözesen sind für das föderalistische, die der ärmerenbegreiflicherweise für das zentralistische Prinzip. StarkerAnzweiflung begegnete auch die Meinung, daß die Katholikenvon den Bischöfen eingeschätzt werden sollten. DieKenner der katholischen Volksseele fürchten wohl nicht mitUnrecht, daß der Glaubenseifer unter einer solchen Belastungins Wanken geraten könnte.Angesichts der drohenden Einziehung der Kirchengütereinigte man sich schließlich auf den passiven Wider-st a n d. In der Hauptsache wurde also nichts Definitivesbeschlossen. Die endgültige Entscheidung hat sich der Papstvorbehalten, und den Bischöfen war die undankbare Aufgabezugefallen, eine Arbeit zu verrichten, die vergeblich sein wird,wenn es Rom so gefällt.—England.Der Tradr-UnionS-Kongreß.London, 6. September.(Eig. Ber.) Der zweite Kongreßtagwurde mit der Eröffnungsrede des Vorsitzenden eingeleitet. Die Er-öffnnngsrede bildet immer den Glanzpunkt der Trade-UnionS«Kongresse. Nur darf man sie nicht als für die ganze Gewerkschafts-bewegung maßgebend betrachten. Sie ist vielmehr ein Kompromißzwischen den im parlamentarischen Komitee vertretenen Richtungen.Der Vorsitzende Cunimings sagte:„Der 39. Kongreß steht in der Geschichte der britischen Arbeiter-bewegung einzigartig da. Unter den Delegierten befinden sichnicht weniger als 30 Parlamentsabgeordnete, darunter einer mitdem Titel„Right Honorable".(Dieser Ministertitel wurde demliberalen Bergarbeiterführer Burt von der liberalen Regierungverliehen.) Als wir auf dem vorjährigen Kongreß in Hanley zu-sammentrafen, war noch eine gewerkschastsfeindliche Regierung amRuder. Das Rad des Fortschritts stockte, und wir warteten mitUngeduld aus den Tag der Abrechnung, um eine starke Zahlvon selbständigen Arbeiterabgeordneten ins Parlament zuschicken, die ohne Rücksicht' auf die bestehenden Parteienin den Kampf für die gerechten Forderungen der Arbeitereintreten sollen. Zu Anfang des Jahres wurde die Schlachtgesöklagen; unsere Gegner kehrten in so geschwächter Zahl insParlament zurück, daß sie un» nicht mehr ernst schaden können.Abgesehen von ihren traditionellen liberalen Gegnern fandensich die Unionisten(Konservativen) mehr als SO Arbeiterabgeordnetengegenüber. England war einigermaßen über den„plötzlichen Auf-Ichwung" der Arbeiterbewegung überrascht, aber tS war keine Ueber-raichung für diejenigen, die seit Jahren für die Sache der Arbeitergestritten haben. Für die Trade-Unions bildet der Sieg derArbeiterpartei die am meisten hervorstechende Charakteristikder letzten allgemeinen Wahlen. Die zweitwichtigste Charakte-ristik ist der Sieg der liberalen Partei, in derenReihen sich viele Arbeiterfreunde befinden und von der manerwartete, daß sie uns gegenüber gerechter sein werde als die kon-servative Partei.„Ich will mich nicht mit dem Verhältnis der beiden Arbeiter-Parteien beschästigen.(Cummings, der zu den LiberalLabour gezählt wird, versteht darunter die selbständige Arbeiter-Partei sowie die etlichen zwanzig liberalen Arbeiterabgeordneten,die aber keine Partei bilden, da sie mit der liberalen Parteizusammengehen; die selbständige Arbeiterpartei hat sich inzwischenbeim Proletariat so beliebt gemacht, daß auch die Liberal-Labour-Leute sich den Namen Arbeiterpartei beilegen.) Wir werden unsbemühen, die Einheit der Arbeiterbewegung hochzuhalten. Siekönnen sich darauf verlassen: die Armee der Arbeiter wird es nichtgestatten, daß man sie spaltet; sie wird jedem die Tür weisen, derseine persönlichen Antipathien höher stellt als den Kampf der Arbeiterum die Befreiung.„Wir freuen uns, daß die Regierung eine Gewerkschaftsvorlageund eine Novelle zum Unsallgesetz eingebracht hat. Die zuerst ein-gebrachte Gewerkschaftsvorlage war eine Enttäuschung, da sie dieFonds der Gewerkschaften nicht ganz sicher stellte. Aber die Trade-UnionS waren entschlossen, nicht zu ruhen, bis ihre Fonds ebensounangreifbar sind wie die der Unternehmer. Die Regierunggab nach. Wir erkennen ihre guten Absichten an, aber es wäredoch besser gewesen, sich von Anfang an inS Unvermeidliche zuschicken.„Das wachsende Uebel der Arbeitslosigkeit erfordert die früh-zeitige und ernste Aufmerksamkeit, sowohl im Interesse der Arbeits-losen wie in dem der ganzen Ration. Die fortgesetzte Zunahme derAnwendung der Maschinen, die Zunahme der wissenschaftlichen Fort-schritte und der Geschicklichkeit der Arbeiter erleichtert und verbilligtdie Warenproduktion. Von Jahr zu Jahr verringert sich die Arbeits-zeit, die zur Herstellung einer Ware nötig ist, aber derArbeitstag der Arbeiter bleibt derselbe. Daraus entspringtArbeitslosigkeit, ebenso Unsicherheit für diejenigen, die be-schäftigt sind. DaS Resultat ist, daß das Jahreseinkommen derArbeiter abnimmt zu einer Zeit. Ivo die WarenauSbeute zu-nimmt. Die Ursachen der Arbeitslosigkeit sind vielfache' siesind indirekte und allgemeine; aber olle könnenzurückgefiihrt werden auf die Tatsache, daß der Grund undBoden sich im Privatbesitze befindet und daß die Erleichterungder Produktionsmethoden nur den wenigen zugute kommt,die sie gegen die Mehrheit ausbeuten. Es werden verschiedene Heil-mittel gegen diese Uebel vorgeschlagen und angewendet; aber solange das Recht auf Arbeit für die Arbeitsuchenden nicht anerkanntund die Ausbildung und Regenerierung der Arbeitsunfähigen und-unwilligen nicht in die Hand genommen wird, ist auf Besserungnicht zu hoffen.„Die Ernährung der Schulkinder, die Behausung des Volkes,Alterspensionen, Bodenreform und andere Fragen sind von natio-naler Bedeutung. Um aber diese Fragen in den Vordergrund derpraktischen Politik zu stellen, müssen wir noch mehr Arbeiter-abgeordnete im Parlament haben. Zu diesem Zwecke müssen wirauch auf eine Reform unserer veralteten Wahlgesetze dringen, dadiese die Arbeiterpolitik hemmen und zu großen Ungerechtigkeitenführen.„Wir freuen uns über die wachsende Einigkeit in den Reihender wirtschaftlichen und politischen Arbeiterbewegung. Die Wirt-fchastliche und die politische Aktion, das sind die beiden Händeder Arbeiterbewegung. Wir müssen beide Hände gebrauchen, wennwir gute Arbeit schaffen wollen. Die Macht des Kapitals, wie siein den großen Monopolen und in den Aktiengesellschaften repräsen-tiert wird, und die so viele Tausende Arbeiterleben beherrscht,wächst von Jahr zu Jahr. Obwohl es einzelne Unternehmer gibt,die gute Menschen und edle Bürger sind, so ist doch das Kapitalals Ganzes ohne Seele und ohne Vaterlandsliebe, wo immer feineInteressen in Betracht kommen. Seine wachsende Macht ist eineGefahr für das Gemeinwohl. Gegen solche Einflüsse gibt es keinbesseres Abwehrmittel als den wirtschaftlichen»sind politischenTrade-Unionismus.„Die Arbeiterklasse hat ihre Fehler ebenso wie das Kapital.Auch sie hat Fehler begangen und wird noch in Zukunft Fehlerbegehen. Vielen von unseren jungen Leuten fehlt der Geist derAufopferung und der großherzigen Loyalität, der die Pioniereunserer Bewegung auszeichnete. Es gibt auch viele unter uns,deren Selbstsucht und Leichtsinn den Fortschritt verlangsamen. Undwenn wir in gerechter Weise das Kapital beschuldigen, ohne Seelezu fein, so dürfen wir auch nicht vergessen, daß es viele seelenloseArbeiter gibt. Was könnte nicht alles im nächsten Jahrzehnt ge-schehen, wenn wir eine intelligente und nüchterne Nation wären?"Mit einigen warmen Worten über die Verwirklichung dieserHoffnung schloß Cummings seine Rede, die beifällig aufgenommenwurde.—Dann kamen mehrere Resolutionen zur Verhandlung. Mit147 gegen 116 Stimmen wurde beschlossen, eine Tageszeitung zugründen, die die Forderungen und Ziele der Arbeiterbewegungvertreten soll. Die geringe Teilnahme an der Abstimmung zeigt,daß vorläufig an eine solche Gründung nicht zu denken ist.Angenommen wurde eine Resolution, die eine Vereinigungder liberalen Arbeiterabgeordneten mit der Arbeiterpartei aufGrundlage der Selbständigkeit verlangt. Auch diese Resolution istvorläufig aussichtslos.Die Resolution Ben Tillets auf Einführung von obligatorischenEinigungs- und Schiedsgerichten nach neuseeländischem Musterwurde mit 938 000 gegen 541000 Stimmen abgelehnt!—Auf Antrag Ben Tillets beschloß der Kongreß, die Trade-Unions aufzufordern, Geldsammlungen für die im revolutionärenKampfe stehenden russischen Arbeiter zu veranstalten.Australien.Anti-Trustler.Melbourne, 7. September.(B. H.) Das australische Par-lament hat einen Gesetzentwurf angenommen, welcher die Bildungvon Trusts untersagt._Hus der Partei.Die Parteischule.Die Agitationskomitees bezw. die Bezirksleitungen oder Landes-vorstände ersuchen wir. die bei ihnen eingegangenen Gesuche umAufnahme in den Mitte November beginnenden ersten Unterrichts-kursus der Parteischule, mit gutachtlichem Bericht versehen,bis zum 18. d. M. an die Adresse: I. Auer, Berlin SW. 68, Linden-straße 69, einzusenden._ Der Parteivorstand.Partei uud Gewerkschaften. Dieses Thenza beschäftigte auch eineam Donnerstagabend in Halle im Saale des„Bellevue" stattgehabteParteiversammlung, die leider sehr schwach besucht war. DerReferent, Genosse Pollender- Leipzig, wandte sich scharf gegendie Bevormundung der Partei durch gewisse Gewerkschaftsführer undgegen die Bringmannsche Gewerkschaftstheorie. Die Gewerkschaftenhätten die Aufgabe, die politische Partei nach allen Richtungen zuunterstützen und ihre Taktik nach der der Partei einzurichten. DemHerumarbeiten an den Maifeierbeschlüssen müsse mit Entschiedenheitentgegengetreten werden.— In der Diskussion sprach man sich imallgemeinen zustimmend zu den Ausführungen des Referenten aus.Parteiliteratur. Zu unserer Notiz über die bevorstehende Aus-tabe der dritten Auflage der„Geschichte der deutschenSozialdemokratie" von Franz Mehring ist ergänzend zubemerken, daß das Werk aus vier Bänden bestehen wird, derenjeder gut gebunden S M., ungebunden 4 M. kostet.Eine Warnung vor einem Schwindler erläßt der Vertrauensmannder sozialdemokratischen Partei in Dan zig. Dort ist vor etwa14 Tagen ein angeblicher Schlosser Adolf Turon aufgetaucht. Erbehauptet, am 25. April 1875 geboren und Oesterreicher zu sein.Der Mann ist von kleiner Statur, trägt schwarzen Schnurrbart,spricht polnisch und gebrochen deutsch. Er gibt sich als Genosse aus,hat aber keine Papiere. Nachdem er in Danzig viele Genossen an-gepumpt hat, ist er verschwunden.ReichötngSkandidatur. Eine Kreiskonferenz des Wahl-kreises Aachen-Land— Eupen stellte als Kandidaten fürdie nächste Reichötagswahl den Genossen Honrath, den AachenerVertreter der„Rheinischen Zeitung", auf.Der finnische Parteitag.Der Parteitag der Sozialdemokratie Finnlands, der in dervorigen Woche zu Uleaborg tagte, hat sich hauptsächlich mit wichtigenprinzipiellen und taktischen Fragen befaßt. Die MandatSprüfunggab zu einer dreistündigen Debatte Veranlassung. Hier handelte essich darum, ob der Vertreter einer halbanarchistischen Gruppe, MattiKurikka, Sitz und Stimme aus dem Parteitage haben sollte. DieAnerkennung seines Mandats wurde mit starker Majorität abgelehnt.Der erste Punkt der Tagesordnung, der Bericht des Partei-Vorstandes, führte zu Auseinandersetzungen über die Taktik. Be-sonders wurde der Wunsch laut, die Partei solle einen bestimmtenStandpunkt zur Frage des politischen Massenstreiks einnehmen. DieHaltung, die der Parteivorstand der Roten Garde gegenüber ein-genommen hat, wurde gutgeheißen; ebenso der Geschäfts- undKassenbericht.Eine lange Debatte rief der Eintritt des Parteigenossen Kartin den Senat, das Ministerium Finnlands, hervor. Genosse Tainio,der die Debatte einleitete, wünschte nicht, daß Kari aus der Parteiausgeschlossen werde, schlug jedoch vor. der Parteitag möge erklären,daß kein Parteimitglied das Amt eines Senators übernehmen dürfe,wenn nicht mit einemmal drei Genossen in die Regierung eintretenkönnten.— Kari wies auf seine langjährige Tätigkeit in der Arbeiter-bewegung hin und erklärte, er habe das Amt eines Senators über-nommen. um der Arbeiterschaft zu nützen. Er betonte, daß derSenat eine gesetzliche Körperschaft sei, und ermahnte zum Gehorsamgegen die Gesetze. Der Senat treffe jetzt Vorbereitungen, um demLandtage Vorschläge über Altersversorgung, zu einer Revision derGewerbegesetzgebung sowie über den Arbeitsvertrag und die Stellungder Gewerkschaften betreffend vorzulegen. Kari schloß mit der Auf-sordcrung, die bewaffneten Arbeiterorganisationen abzuschaffen.Die Frage, ob er aus der Partei ausgeschlossen werden sollte.wurde dann einem Komitee überwiesen, dessen Mehrheit sich auffolgende Erklärung einigte: